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Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld – Jugendschöffengericht – vom 28.11.2024 (Az.: 26 Ls 109/24) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung kostenpflichtig zu einer Freiheitsstrafe von
1 Jahr und 3 Monaten
verurteilt wird.
Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wird eingezogen. Ihm darf vor Ablauf von 3 Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.
Die weitergehende Berufung wird verworfen.
Die Berufungsgebühr wird um 1/6 ermäßigt. Zu diesem Bruchteil werden die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.
Angewendete Vorschriften:
§ 222 StGB
Gründe:
2I.
3Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Krefeld vom 28.11.2024 wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte über seinen Verteidiger form- und fristgerecht am 03.12.2024 mit dem Ziel Berufung eingelegt, nach Jugendstrafrecht behandelt zu werden und eine Bewährungsstrafe zu erhalten. Das Rechtsmittel hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.
4II.
5Die Berufungshauptverhandlung hat zur Person des Angeklagten zu folgenden Feststellungen geführt:
61.
7(…)
82.
9Der Angeklagte ist bisher folgendermaßen strafrechtlich in Erscheinung getreten:
10(…)
113.
12Das Fahreignungsregister weist zu dem Angeklagten folgende Erkenntnisse auf:
13(…)
144.
15Mit Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 19.06.2024, Az.: 26 Gs 98/23 (27 Js 1156/23), dem Angeklagten zugestellt am 22.06.2024, wurde dem Angeklagten gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet. Der Führerschein gelangte erst zum Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Krefeld in amtliche Verwahrung, nachdem eine Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten erfolglos gewesen war und dieser dann mitteilte, dass sich sein Führerschein in einem Tresor in D. befände, von wo der Zeuge P. schließlich den Führerschein mitbrachte.
16III.
17Zur Sache hat die Berufungshauptverhandlung zu folgenden Feststellungen geführt:
181. Vortatgeschehen
19Der Angeklagte lernte den später Getöteten U. durch einen gemeinsamen Bekannten kennen,(…). Der später Getötete U. war 33 Jahre alt und am 00.00.0000 geboren. Der Angeklagte und der später Getötete kamen über den Oldtimer Mercedes des Angeklagten ins Gespräch und freundeten sich aufgrund ihrer gemeinsamen Begeisterung für Autos an. Zum Zeitpunkt des Unfalls waren sie etwa zwei Monate befreundet und waren kurz zuvor gemeinsam zum Urlaub für ein bis zwei Wochen nach D. gereist.
20Der später getötete U. war als Geschäftsführer einer Firma im Bereich Informatik tätig, auf die das Tatfahrzeug, ein PKW der Marke S., Modell V. Flying Spur (3W) amtliches Kennzeichen N01, zugelassen war. Das Tatfahrzeug verfügte über einen turboaufgeladenen 12-Zylinder-Ottomotor mit einer maximalen Leistung von 411 kW (550 PS) und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 312 km/h.
21Der Angeklagte hatte den U. am 22. und 23.11.2023 nach W. zu einer Messe für Finanzinformatik begleitet. Am 22.11.2023 überschritt der Angeklagte um 02:24 Uhr in W. am F. mit dem späteren Unfallfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 117 km/h und fuhr nach Toleranzabzug 167 km/h.
22Am späten Abend des 23.11.2023 kehrten sie zu zweit aus W. zurück, wobei ebenfalls der Angeklagte das Fahrzeug führte und es regnete. Sie kehrten gegen 20/21 Uhr in ein italienisches Restaurant in der Nähe des J. Flughafens ein und speisten und tranken dort bis um 3 oder halb 4 morgens, wobei der U. große Mengen Alkohol trank, nicht aber der Angeklagte, der nüchtern blieb und generell keinen Alkohol trinkt. Der Angeklagte fuhr den später Getöteten U. sodann (…) zu dessen Wohnanschrift in M.. Er beabsichtige diesen dort abzusetzen, um dann mit Erlaubnis des U. mit dessen Fahrzeug zu seiner jetzigen Freundin nach H. zu fahren, mit der er sich gerade in der Kennenlernphase befand. Diese hatte ihm über WhatsApp geschrieben, dass sie nicht schlafen könne. Der U. wollte indes nicht aussteigen, sondern mitkommen.
23Der Angeklagte kannte die Strecke nach H., da er dort sein Praktikum bei einem Immobilienmakler absolviert hatte.
242. Tatgeschehen
25Der Angeklagte befuhr mit dem Pkw S. die L.-straße im Autobahnkreuz Z. in Fahrtrichtung G.. Normalerweise gilt auf der Strecke keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung. Da die Fahrbahn saniert worden war, galt zum Unfallzeitpunkt auf der Strecke indes eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h, die mit einem Geschwindigkeitstrichter von zunächst 120 km/h bei Kilometer 35+300 auf 100 km/h und sodann auf 80 km/h eingeleitet wurde, wobei sodann mit fünfmaliger Wiederholung des Verkehrszeichens 274-80 nach jeweils einem weiteren Kilometer bis zur Initialkollision bei Kilometer 30+700 auf die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h hingewiesen wurde. Die Baumaßnahmen waren zum Zeitpunkt des Unfalls bereits seit 45 Tagen abgeschlossen. Streugut bzw. Rollsplit befand sich nicht mehr auf der neu verlegten Fahrbahn.
26Die Bundesautobahn N02, die der Angeklagte befuhr, verläuft in Höhe des Autobahnkreuzes Z. von Osten nach Westen in Fahrtrichtung G. entlang einer langgezogenen Linkskurve mit zwei Fahrstreifen mit einer Breite von 3,5 m. Das Autobahnkreuz Z. verbindet die Bundesautobahn N02 mit der Bundesautobahn N03. Die A02 verläuft von Norden nach Süden entlang einer langgezogenen Linkskurve unterhalb der Fahrbahn der N02.
27Kurz vor der Tangente der BAB N02, aus Fahrtrichtung B. kommend, verlor der Angeklagte auf der noch regenfeuchten Fahrbahn in der langgezogenen Linkskurve der Bundesautobahn N02 die Kontrolle über das Fahrzeug, da er statt der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mindestens 248 km/h fuhr. Der Angeklagte missachtete die geltende Höchstgeschwindigkeit dabei bewusst und hielt einen Unfall für möglich, vertraute aber darauf, dass es zu einem solchen nicht kommen werde.
28Der Pkw geriet ins Schleudern und prallte zunächst mit der vorderen linken Fahrzeugseite gegen die Mittelleitplanke aus Beton und schrammte an dieser entlang. Sodann fuhr das Fahrzeug diagonal über die Fahrbahn bis in die Grünfläche des Dreiviertel-Kreisbogens des Autobahnkreuzes. Beim Befahren der Grünfläche überfuhr der Pkw mit der linken Fahrzeugseite die Schutzplanke des Einfädelungsstreifens, wodurch der Pkw einseitig ausgehebelt und in eine Rollbewegung um die Fahrzeuglängsachse versetzt wurde. Hierdurch kam es zu einem Überschlagen des Fahrzeugs über die rechte Fahrzeugseite. Während des Überschlagens prallte der Pkw mit dem Fahrzeugdach auf die linksseitige Schutzplanke der Tangentialrampe der N02, was zu einer keilförmigen Verformung des Fahrzeugdachs führte. Durch die Rotationsbewegung wurde der Pkw in eine Flugphase versetzt, während dieser er sich mindestens einmal überschlug. Anschließend rutschte der Pkw auf dem Dach liegend über die Fahrbahn, kontaktierte die rechtsseitige Schutzplanke der Tangentialrampe und kam anschließend auf dem Dach liegend ca. 600m nach dem Initialkontakt zum Stehen und blieb schließlich auf dem Dach liegen.
29Bei dem oder einem der Überschläge wurde der Geschädigte U. als Beifahrer, der nicht angeschnallt war, aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Geschädigte erlitt durch den Aufprall massive innere und äußere Verletzungen (Polytrauma mit schwerem Schädelhirntrauma sowie Rumpftrauma) und wurde noch am Unfallort durch Rettungskräfte für tot erklärt.
30Technische Mängel an dem Fahrzeug lagen nicht vor. Bei Einhaltung der angeordneten Höchstgeschwindigkeit hätte der Angeklagte den Unfall vermeiden können. Der Angeklagte selbst, der zum Unfallzeitpunkt angeschnallt war, erlitt einen Schock, eine Platzwunde am Kopf und einen Riss im Schädelknochen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Er entließ sich nach einer Woche selbst aus dem Krankenhaus. Bleibende Schäden hat er nicht davongetragen.
313. Nachtatgeschehen
32Am 00.00.0000 überschritt der Angeklagte in Y. außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 37 km/h und fuhr nach Toleranzabzug 97 km/h.
33IV.
34Beweiswürdigung:
351.
36Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen Angaben, den Angaben des Zeugen P., sowie den den Angeklagten betreffenden Auszügen aus dem Bundeszentralregister und dem Fahreignungsregister jeweils vom 00.00.0000.
372.
38Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, der Aussage des Zeugen X., dem Gutachten des Sachverständigen I. sowie im Weiteren auf den ausweislich der Sitzungsniederschrift eingeführten Beweismitteln.
39a.
40Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung hinsichtlich des Vortatgeschehens wie festgestellt eingelassen. Hinsichtlich des Tatgeschehen hat er sich dahingehend eingelassen, dass er auf dem Weg zu seiner jetzigen Freundin gewesen sei, die er damals drei Monate gekannt habe und mit der er sich in der Kennenlernphase befunden habe. Er habe den U. angeschnallt, weil dieser sehr betrunken gewesen sei und habe nicht mitbekommen, dass sich dieser abgeschnallt habe. Er habe die Strecke gekannt und sei diese zuvor mindestens 60 mal gefahren und dort habe sonst keine Geschwindigkeitsbegrenzung gegolten. Erinnerung an die Beschilderung und ob er diese wahrgenommen habe, habe er nicht. Er sei schnell gefahren, weil er schnell zu seiner Freundin nach H. gewollt habe. Die Geschwindigkeit habe er gar nicht wirklich wahrgenommen. Bezüglich des Unfalls selbst erinnere er sich nur, dass das Fahrzeug ausgebrochen sei. Dann sei er erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, von wo er sich nach einer Woche selbst entlassen habe.
41b.
42Die Kammer stützt die übrigen Feststellungen zur Unfallörtlichkeit auf den Beschilderungsplan, sowie die Aussage des Zeugen X., der von den vorangegangenen Baumaßnahmen, dem Zustand der Fahrbahn und der Erstbegehung und Aufnahme des Verkehrsunfalls berichtete. Der Zeuge X. aus dem Team der technischen Beweissicherung der Polizei ist darauf spezialisiert, Verkehrsunfälle aufzunehmen und wurde von den Polizeibeamten vor Ort nachgefordert. Er berichtete in der Hauptverhandlung, dass er die Einsatzörtlichkeit gegen 05:45 Uhr erreichte, sich zunächst das Fahrzeug und die vorhandenen Beschädigungen anschaute und diese aufnahm und sodann die Spurenlage bis zum Kilometer 30+700 zurückverfolgte, wo sich an der Betonschutzwand die Spuren der Initialkollision befanden.
43Die Kammer stützt ihre Überzeugung vom Unfallgeschehen insbesondere auf das Gutachten des Sachverständigen I., der als Prüfingenieur der R. Automobil GmbH im Fachbereich Analytische Gutachten tätig ist. Dieser hat die Spurenlage erfasst, nach wissenschaftlichen Methoden ausgewertet und in der Hauptverhandlung hiervon berichtet. Dem Sachverständigen standen hierbei die polizeiliche Verkehrsunfallanzeige, die seitens der Polizei gefertigten Lichtbilder und Skizzen nebst des Spurenberichts sowie das Protokoll der Leichenbesichtigung zur Verfügung. Zudem führte der Sachverständige am 07.12.2023 eine Nachbesichtigung, Vermessung und fotografische Dokumentation des Unfallfahrzeugs durch. Ein Auslesen des Fehlerspeichers war aufgrund der umfangreichen Beschädigungen nicht möglich.
44Der Sachverständige stellte den Unfallhergang anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder in der Handanlage dar und erläuterte äußerst detailliert, kleinschrittig und plausibel, wie er anhand der Spurenlage den Unfallhergang rekonstruiert hat.
45Hinsichtlich der durch den Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit erläuterte der Sachverständige, dass er eine kinematische Rückwärtsrechnung vorgenommen hat, indem er die verschiedenen Phasen des Unfallhergangs bewertet und den Geschwindigkeitsabbau in diesen Phasen anhand der vorhandenen Spuren berechnet hat. Die dabei verwendeten Verzögerungswerte basierten dabei auf Crashversuchen unter Berücksichtigung der verminderten Haftreibung durch die feuchte Fahrbahn. Die Kammer ist aufgrund der wissenschaftlichen und detaillierten Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass es sich bei der angenommen Fahrgeschwindigkeit von 248 km/h um die absolute Untergrenze handelt, die der Angeklagte gefahren ist. Der Sachverständige hat diesbezüglich erläutert, dass er bei jedem Schritt mit den größtmöglichen Toleranzen zu Gunsten des Angeklagten gerechnet hat. Der Sachverständige erläuterte dabei, dass es für so einen gravierenden Unfall keine exakt vergleichbaren Crashversuche gebe, sich die Dynamik aber berechnen lasse. So gebe es für das Überschlagen auf das Dach Berechnungen. Teilweise habe er Schritte wie das Ausrotieren der Schutzplanke zu Gunsten des Angeklagten nicht beachtet. Er habe stets zu Gunsten des Angeklagten die Berechnung vorgenommen und teilweise niederschwellige Faktoren aus der Berechnung ausgelassen, die indes bei Berücksichtigung stets nur zu einer höheren Ausgangsgeschwindigkeit hätten führen können. Der Sachverständige gab dabei an, dass nicht sicher zu sagen sei, wann genau der Geschädigte aus dem Fahrzeug geschleudert worden sei.
46Der Sachverständige erläuterte weiter, dass es theoretisch möglich sei, an der Unfallstelle die langgezogene Linkskurve mit 306 km/h zu fahren, dies jedoch nur möglich sei, wenn man das Fahrzeug ideal beherrsche.
47Konkrete Feststellungen dazu, was Auslöser der initialen Schleuderbewegung war, konnte der Sachverständige nicht treffen. Er erläuterte, dass bei der durch den Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit von mindestens 248 km/h bereits leichteste Lenkeinflüsse und kleine Lastwechsel wie Gas geben oder vom Gas gehen zu einem Ausbrechen des Fahrzeugs an der Unfallstelle geführt haben könnten. Mit einer leichten Lenkbewegung oder einem Lastwechsel seien die Driftspuren am ehesten in Einklang zu bringen. Bremsspuren seien vorkollisionär nicht zu beobachten gewesen, würden auf der Straße aber auch nicht unbedingt gezeichnet. Eine Bremsung sei dann nach Beginn des Driftvorgangs aufgrund der Rillen in der Schleuderspur zu erkennen, wobei nicht eindeutig zu sagen sei, ob dieses durch ein aktives Bremsen des Fahrers oder das Eingreifen des ESPs ausgelöst worden seien.
48Der Sachverständige führte aus, dass es keinerlei Anzeichen für eine Fremdeinwirkung gebe und auch technische Mängel des Fahrzeugs auszuschließen seien. Der Sachverständige erläuterte hierbei insbesondere seine Untersuchungen und Ergebnisse der Bremsanlage, der Lenkung und der Räder und Reifen. Die Kammer ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen auch davon überzeugt, dass die unterschiedliche Bereifung des Pkw S., der vorne links und hinten rechts mit Sommerreifen des Herstellers V., sowie vorne rechts und hinten links mit Sommerreifen des Herstellers O. bereift war, keinerlei negativen Einfluss auf den Unfallhergang hatte. Der Sachverständige erläuterte hierbei, dass es sich bei beiden Herstellern um hochwertige Reifen mit der gleichen Profiltiefe handele und die Diagonalanbringung der unterschiedlichen Reifen eher eine stabilisierende Wirkung habe und es keinerlei Anzeichen für eine Reibwertdifferenz gebe.
49Auch die Feststellung, dass der Geschädigte U. zum Zeitpunkt des Unfalls nicht angeschnallt war, beruht auf dem Gutachten des Sachverständigen I., sowie die Feststellung, dass der Angeklagte bei Beachtung der geltenden Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h den Unfall hätte vermeiden können.
50Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung vorbehaltlos an. Der Sachverständige hat sein Gutachten nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstattet und seine Berechnungen und Schlussfolgerungen detailliert aufgearbeitet und erklärt. An der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen können keinerlei Zweifel bestehen. Der Sachverständige war in der Lage, auf jede Rückfrage der Parteien überzeugend zu antworten. Die Ausführungen des Sachverständigen sind auch deshalb überzeugend, weil er an Stellen, an denen er keine eindeutigen Aussagen treffen konnte, dies ebenfalls aufzeigte.
51Eine andere Todesursache des Geschädigten als der Unfall kam nicht in Betracht.
52Insbesondere aufgrund des Geschwindigkeitskorridors und der fünfmaligen Wiederholung des Verkehrsschildes 274-80 zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h bis zur Unfallstelle, ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Angeklagte die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h auch wahrgenommen hat und bewusst mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr, zumal der Angeklagte keinerlei Einschränkungen in seiner Wahrnehmungsfähigkeit unterlegen hat.
53V.
54Rechtliche Würdigung:
55Durch den festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte der fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB strafbar gemacht.
561.
57Der Angeklagte hat sich wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB strafbar gemacht, indem er an der Unfallstelle mindestens 248 km/h fuhr, obwohl nur 80 km/h erlaubt waren.
58Der tatbestandliche Erfolg ist durch den Tod des Geschädigten U. eingetreten. Die Handlung des Angeklagten, an der Unfallstelle mit 248 km/h zu fahren und die Kontrolle über das Auto zu verlieren, war auch ursächlich für den Tod des Geschädigten U.. Hätte der Angeklagte die geltende Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Der Todeserfolg ist dem Angeklagten auch zurechenbar. Er hat durch die krasse Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit eine erhebliche Gefahrenlage geschaffen, die sich im Tod des Beifahrers realisiert hat. Dieser Zurechnungszusammenhang wird durch den Umstand, dass der Geschädigte nicht angeschnallt war, nicht unterbrochen. Zwar kann dies die Verletzungsfolgen verschärft haben, jedoch war die primäre Ursache des Todes der durch den Angeklagten verursachte Unfall.
59Der Angeklagte hat auch in erheblicher Weise gegen die im Straßenverkehr geltende Sorgfaltspflicht verstoßen, indem er die zulässige Geschwindigkeit bewusst um ein Vielfaches überschritt. Der Verstoß gegen § 3 Abs.1 StVO war grob sorgfaltswidrig. Der Eintritt des tödlichen Erfolges war für den Angeklagten auch vorhersehbar und vermeidbar. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass derart hohe Geschwindigkeiten – gerade bei nasser oder feuchter Fahrbahn und Dunkelheit - nicht immer kontrollierbar sind und zu schwersten Unfällen führen können.
60Dem Angeklagten war auch bewusst, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ein Vielfaches überschritt. Ihm war die Möglichkeit eines Unfalls mit tödlichem Ausgang bewusst, er vertraute indes aber pflichtwidrig darauf, dass es nicht zu einem Unfall kommen werde.
61Der Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
622.
63Der Angeklagte hat sich indes – anders als durch das Amtsgericht angenommen – nicht wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen gem. § 315c Abs.1 Nr. 2d, Abs.3 Nr.1 StGB strafbar gemacht. Die Kammer hat nicht feststellen können, dass es sich bei der Unfallstelle um eine unübersichtliche Stelle handelt. Eine Stelle ist dann unübersichtlich, wenn der Fahrzeugführer den Verkehrsablauf wegen ungenügenden Einblicks in die Fahrbahn oder die sie umgebende Örtlichkeit nicht vollständig überblicken, damit Hindernisse und Gefahren nicht rechtzeitig bemerken und ihnen deshalb nicht sicher begegnen kann (Pegel, in; Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022 § 315 c).
64Dies war vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um eine langgezogene Linkskurve, in der eine Autobahnauffahrt besteht, die zunächst in einer Tangente an die Autobahn N02 herangeführt wird. Der Initialkontakt ereignete sich indes bereits vor dieser Auffahrt, die selbst ebenfalls genügend Einblick gibt. Eine externe Beleuchtung ist an der Unfallstelle nicht vorhanden. Der Sachverständige führte indes aus, dass die Beleuchtung des Fahrzeugs ausreichend war, um genügend Einblick in die Fahrbahn zu haben. Aufgrund der Tatzeit ist auch nicht davon auszugehen, dass die Strecke zu diesem Zeitpunkt stark befahren gewesen wäre. Hinweise darauf, dass dies trotz der Tatzeit gegen halb 5 Uhr morgens anders gewesen wäre, bestehen nicht. Eine unübersichtliche Stelle ergab sich daher auch nicht in Zusammenhang mit - ein mögliches Hindernis darstellenden – vorhandenen Verkehrs.
65Ferner kann selbst bei Annahme einer unübersichtlichen Stelle nicht positiv festgestellt werden, dass die Gefahr ohne die Unübersichtlichkeit des Streckenverlaufs nicht eingetreten wäre. Es genügt nicht, dass der Gefahrenerfolg nur “gelegentlich” des zu schnellen Fahrens eintritt, sondern die herbeigeführte Gefahr muss in einem inneren Zusammenhang mit den Risiken stehen, die bei dieser Tatbestandsalternative typischerweise ausgehen (vgl. BGH NStZ 2007, 222). Vorliegend vermochte die Kammer indes nicht auszuschließen, dass die konkrete Gefahr nur gelegentlich des zu schnellen Fahrens entstanden ist. Ein Kontrollverlust über ein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von mind. 248 km/h und regenfeuchter Fahrbahn hätte ebenso an einer anderen Stelle geschehen können. Dass der leichtkurvige Streckenverlauf in einem inneren Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen steht, konnte nicht festgestellt werden, zumal der Sachverständige angab, dass die Strecke theoretisch auch mit einer höheren Geschwindigkeit befahren werden kann.
663.
67Der Angeklagte hat sich auch nicht gem. § 315d Abs.1 Nr.3 StGB wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens strafbar gemacht. Danach macht sich auch derjenige wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens strafbar, der sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dem Angeklagte war die Absicht der Erzielung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit nicht nachweisbar. Seine Einlassung, es sei ihm darum gegangen schnell zu seiner Freundin nach H. zu kommen, war ihm nicht zu widerlegen. Auch konnte die Kammer keine Feststellungen dazu treffen, dass er dieses Handlungsziel durch die Beschleunigung auf die situativ höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen beabsichtige (vgl. BGH DAR 2021, 522, 524).
68VI.
69Strafzumessungserwägungen:
701.
71Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und knapp 2 Monate alt und damit Heranwachsender gem. § 1 Abs.2, 2. HS JGG.
72Die Kammer hatte demnach zunächst zu klären, ob gem. § 105 Abs.1 JGG Jugendstrafrecht auf den Angeklagten anzuwenden ist. Danach wendet das Gericht bei der Begehung einer Verfehlung eines Heranwachsenden, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 JGG entsprechend an, wenn (1.) die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder (2.) es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
73Dies ist vorliegend nicht der Fall.
74a.
75Die Kammer ist nach der durchzuführenden Gesamtabwägung zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht einem Jugendlichen gleichzusetzen war. Ein Heranwachsender ist dann einem Jugendlichen gleichzustellen, wenn in ihm noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirken. Die Kammer hat bei dieser Prüfung die Persönlichkeit des Angeklagten unter Berücksichtigung seines Lebenslaufs gewürdigt.
76Bei der Gesamtabwägung sprach zunächst für das noch anhaltende Wirken von Entwicklungskräften in dem Angeklagten zur Tatzeit, dass der Angeklagte zur Tatzeit keinerlei Ausbildungsbestrebungen hatte und nach Abschluss der Schule im Jahr 2019 nur drei Praktika von jeweils 2-3 Monaten absolviert hatte. Auch lebte der Angeklagte weiterhin im Haushalt seiner Eltern, ging keiner beruflichen Tätigkeit nach und nahm das Aufbauseminar, welches er aufgrund seiner Verkehrsverstöße als Auflage erhalten hatte, nicht ernst. Hierfür könnte auch sprechen, dass er angab, die Einladung der Jugendgerichtshilfe nicht richtig gelesen zu haben.
77Gegen die Annahme, dass bei dem Angeklagten noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirken, sprach indes, dass der Angeklagte es gerade trotz familiären Widrigkeiten in der Pubertät, häufigen Schulwechseln und einer möglichen ADHS-Symptomatik geschafft hat, seinen Hauptschulabschluss mit knapp 17 Jahren zu erlangen und er die verschiedenen Praktika jeweils erfolgreich absolvierte. Auch begann er zu September 2024 eine Ausbildung, die er auch aufgrund der erwachsenen Überlegung, dass die Tätigkeit in einem KfZ-Sachverständigenbüro in Zusammenhang mit der Verkehrsstraftat in der ersten Instanz auf Bedenken stieß, abbrach. Er hat sich nun zeitnah auf eine neue Ausbildungsstelle beworben. Auch dass der Angeklagte sich selbständig um die Teilnahme an dem Aufbauseminar gekümmert hat, gleicht eher dem Verhalten eines Erwachsenen als eines Jugendlichen. Daneben hat der Angeklagte – auch wenn er hier seinen offiziellen Wohnsitz hatte – sich durch das zeitweise Verlassen der elterlichen Wohnung zu dem Zeugen P. seit seinem 16. Lebensjahr früh in einem für einen Jugendlichen ungewöhnlichen Maße von seinen Eltern emanzipiert. Auch dass der Angeklagte bereits zuvor eine einjährige Beziehung hatte und nun seit bereits einem Jahr und drei Monaten mit seiner aktuellen Freundin zusammen ist, die er zum Tatzeitpunkt gerade kennenlernte, spricht für eine gewisse Reife des Angeklagten. Daneben zeigt der Angeklagte in seinem Sozialverhalten eine gute Fähigkeit sich abzugrenzen. Diese hat er nicht nur seinen Eltern gegenüber gezeigt, indem er zweitweise bei dem Zeugen P. wohnte, sondern insbesondere auch gegenüber (ehemaligen) Freunden und Bekannten, mit denen der Angeklagte nach eigenen Angaben den Kontakt abbrach, wenn sie anfingen, vermehrt Drogen und Alkohol zu konsumieren, was der Angeklagte für sich selbst nicht wollte.
78Hierfür spricht letztlich auch die Auswahl des Geschädigten als Freundes, der mehr als 10 Jahre älter war als der Angeklagte. Hätte der Angeklagte in seiner sittlichen Reife trotz seiner zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und zwei Monate eher einem Jugendlichen gleichgestanden, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass der mehr als 10 Jahre ältere Geschädigte U., der als Geschäftsführer einer Firma ein altersgerechtes, bürgerliches Leben führte, sich mit diesem anfreundet.
79Nach alldem hat die Kammer keinerlei Zweifel an einer normalen Reifeentwicklung des Angeklagten. Insbesondere waren – auch nach dem Eindruck in der Hauptverhandlung – keine größeren Auffälligkeiten in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung ersichtlich.
80b.
81Auch handelt es sich bei der Tat nicht um eine Jugendverfehlung im Sinne von § 105 Abs.1 Nr.2 JGG. Jugendverfehlungen sind solche Taten, die einen Rückschluss auf die geistige und seelische Reife des Angeklagten und davon ausgehend den Schluss zulassen, dass er zur Tatzeit noch einem Jugendlichen gleichstand. M. a.W. muss die Tat nach ihrem äußeren Erscheinungsbild oder nach den Beweggründen des Täters Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen (BGH, Beschluss v. 25.9.2007 – 5 StR 375/07) bzw. auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückgehen (BGH, Urteil v. 01.07.1998 – 1 StR 182/98) Typisch sind etwa Deliktsbegehungen aus Imponiergehabe oder Gruppenzwang oder Protest gegenüber Werten, die bei Erwachsenen anerkannt sind. All dies liegt bei der Tat des Angeklagten nicht vor. Er beging sie, um möglichst schnell zu seiner Freundin zu gelangen. Hierbei handelt es sich um eine Motivation zur Geschwindigkeitsüberschreitung, die täglich viele Erwachsene an den Tag legen. Die Tat war auch deshalb nicht von jugendlichem Leichtsinn geprägt, weil der Angeklagte, wie er selbst in der Hauptverhandlung angab, schon häufig die Strecke, sowie vergleichbare Fahrzeuge mit vergleichbaren Geschwindigkeiten gefahren war.
822.
83Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer nach § 46 StGB von folgenden Erwägungen leiten lassen:
84Der Strafrahmen des § 222 StGB sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre vor.
85Zugunsten der Angeklagten hat die Kammer sein Geständnis berücksichtigt. Für ihn sprach zudem, dass er nicht vorbestraft ist und die Eintragungen im Bundeszentralregisterauszug, die allesamt ein Absehen der Verfolgung nach § 45 Abs.1 JGG betreffen, nicht einschlägig sind. Zu Gunsten des Angeklagten war auch zu berücksichtigen, dass der Geschädigte U. dadurch, dass er nicht angeschnallt war, einen erheblichen Mitverursachungsbeitrag setzte. Strafmildernd wirkte sich zudem aus, dass die Tat mittlerweile knapp 1 1/2 Jahre zurückliegt. Die Kammer hat zudem auch berücksichtigt, dass der Angeklagte angibt, psychisch unter den Folgen der Tat, d.h. konkret unter der Verantwortlichkeit für den Tod eines Freundes, zu leiden.
86Zu seinen Lasten war indes zu berücksichtigen, dass der Angeklagte ausweislich der Einträge im Fahreignungsregister bereits vielfach mit Verkehrsverstößen, insbesondere einschlägig mit erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten ist und sich weder durch Bußgeldbescheide noch durch Fahrverbote oder Verwarnungen von weiteren erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen hat abhalten lassen. Auch die Teilnahme an einem Aufbauseminar im Frühjahr 2022 hat bei dem Angeklagten nicht zu einem Umdenken und einer Veränderung seines Verhaltens im Straßenverkehr beigetragen. Obwohl der Angeklagte angab, durch das Unfallgeschehen psychisch belastet zu sein, beging er weniger als ein halbes Jahr später am 00.00.0000 erneut eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h. Zu seinen Lasten wirkte sich auch aus, dass die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit mit 168 km/h massiv war, und es sich damit um grob fährlässiges Verhalten handelte, wobei die Kammer indes nicht außer Acht lässt, dass die Unfallstelle durchaus mit (deutlich) mehr als den zum Unfallzeitpunkt erlaubten 80 km/h befahrbar ist.
87Unter Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkten hielt die Kammer die Verhängung
88einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
89für ausreichend, aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken zu genügen.
90VII.
91Strafaussetzung:
921.
93Die Vollstreckung dieser Strafe konnte dem Angeklagten nach § 56 Abs. 1, 2 StGB nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und auch ohne Strafvollzug keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Die Kammer hat bei der anzustellenden Gesamtwürdigung berücksichtigt, dass es die erste Verurteilung des Angeklagten ist und seit der Tat, die nunmehr ca. 1,5 Jahre her ist, bis zum jetzigen Zeitpunkt auch keine weiteren Straftaten nachgewiesen sind. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass der Angeklagte angibt, psychisch unter den Folgen der Tat zu leiden. Auch hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte zwar derzeit nicht über den sozial stützenden Faktor eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes verfügt, sich jedoch um einen Ausbildungsplatz beworben hat und mit seiner Familie und dem Zeugen P. um ein stützendes soziales Umfeld verfügt. Hierbei war indes nicht zu verkennen, dass seine Familie den Angeklagten auch bisher nicht von der Begehung von gravierenden Verkehrsverstößen abhalten konnte und dass durch den weiterhin bestehenden PS-starken Fuhrpark des Zeugen P. der Zugriff auf PS-starke Fahrzeuge für den Angeklagten weiterhin möglich erscheint. Wie der Angeklagte selbst berichtete, hat er sich in der Vergangenheit auch nicht immer an die Vorgaben des Zeugen P. gehalten und ist beispielsweise mit einem der Fahrzeuge des Zeugen P. abends/nachts auf die Q.-straße in Y. gefahren, obwohl der Zeuge P. ihm dies untersagt hatte. Insbesondere aufgrund der trotz seiner jungen Jahre schon zahlreichen Eintragungen im Fahreignungsregister wegen diverser Verkehrsverstöße, insbesondere im Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitung, aber auch des Missachtens eines Rotlichtzeichens innerorts bei einer Geschwindigkeit von 167 km/h, des Umstands, dass die Teilnahme an einem Aufbauseminar - wie der Angeklagte selbst zugab - keinerlei Wirkung auf ihn hatte und des Umstands, dass der Angeklagte nur ein halbes Jahr nach dem schwerwiegenden Unfall, der aufgrund seines Verhaltens zum Tod seines Freundes führte, erneut eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h beging, hat die Kammer indes erhebliche Zweifel an einer positiven Sozialprognose des Angeklagten. Insgesamt ist die Kammer daher der Auffassung, dass die Wahrscheinlichkeit künftig straffreien Verhaltens bei dem Angeklagten nicht größer ist als diejenige neuer Straftaten (Fischer, StGB, 72. Auflage, 2025, § 56, Rn. 4a).
942.
95Daneben fehlt es vorliegend auch an den nach § 56 Abs.2 StGB bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr erforderlichen besonderen Umständen. Die Umstände müssen in der Tat oder aus der Persönlichkeit des Angeklagten vorliegen. Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen (Fischer, StGB, 72. Auflage, 2025, § 56, Rn. 20). Hierbei hat die Kammer neben den unter VII.1 benannten Umständen auch das Geständnis des Angeklagten berücksichtigt. Auch aus dem Zusammentreffen der genannten für den Angeklagten sprechenden Faktoren ergeben sich vorliegend keine Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung als nicht unangebracht erscheinen ließen.
963.
97Weiterhin war die Strafvollstreckung auch aufgrund § 56 Abs.3 StGB nicht zur Bewährung auszusetzen. Danach wird bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung dies gebietet. Dies ist dann der Fall, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (BGH, Urteil v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16)- Die hierin zum Ausdruck kommenden general-präventiven Erwägungen dürfen indes nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur Bewährung generell auszuschließen, vielmehr bedarf es stets einer dem Einzelfall gerecht werdenden Abwägung, bei welcher Tat und Täter umfassend zu würdigen sind. Auch bei Fahrlässigkeitsdelikten kann bei Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten das Kriterium der Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gebieten, wenn sowohl Erfolgs- als auch Handlungsunrecht schwer wiegen und es trotz der vorrangig zu gewichtenden spezialpräventiven Gesichtspunkte unabweislich ist, durch eine stringente Anwendung des Strafrechts das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit des Rechtsgüterschutzes zu sichern (OLG Karlsruhe, Urteil v. 18.02.2003 – 1 Ss 82/02). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass im Straßenverkehr nicht jede Missachtung von Verkehrsvorschriften eine nachdrückliche Sanktion fordert, sondern dies nur der Fall sein kann, wenn die Tat neben den durch die verursachten schwersten Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweist und Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, welche die Geltung des Rechts nicht mehr ernst nimmt.
98Vorliegend ist innerhalb von § 56 Abs.3 StGB von maßgeblicher Bedeutung, dass der Angeklagte die zum Tod eines Menschen führende Gefahr bewusst geschaffen hat durch die äußerst massive Geschwindigkeitsüberschreitung. Es handelt sich gerade nicht um ein spontanes Fehlversagen, vielmehr missachtet der Angeklagte vielfach geltende Geschwindigkeitsbegrenzungen, so auch einen Tag zuvor in W., wo er das Rotlicht der Lichtzeichenanlage missachtete und die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 117 km/h überschritt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung erfolgte bei der Tat auch nicht durch ein einzelnes Verkehrsschild, sondern durch eine Reihe von nachgeschalteten Verkehrsschildern in Form eines Geschwindigkeitskorridors. Der Angeklagte missachtete diese ganz bewusst und nicht bloß aufgrund von punktueller Gedankenlosigkeit. Die Kammer lässt dabei nicht unberücksichtigt, dass die Unfallstelle mit mehr als 80 km/h befahrbar ist. Bei einer Geschwindigkeit von 248 km/h reicht an der Unfallstelle, wie der Sachverständige ausführte, indes eine kleine Lenkbewegung oder eine kleine Lastveränderung durch Gas geben oder vom Gas gehen aus, um das Fahrzeug ins Schleudern geraten zu lassen. Die Kammer hat dabei auch nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Geschädigte nicht angeschnallt war und damit selbst einen Verursachungsbeitrag gesetzt hat. Insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Kammer aufgrund der extrem überhöhten Geschwindigkeit von 248 km/h davon überzeugt ist, dass der Angeklagte die Gefahr eines Unfalls bewusst in Kauf genommen hat, auch wenn er pflichtwidrig darauf vertraute, dass ein solcher nicht eintreten wird und es sich nicht um eine „bloße“ Überschätzung der eigenen Fähigkeiten handelt (vgl. BGH, Urteil v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16), ist die Kammer daher der Auffassung, dass durch eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung die Rechtstreue einer über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigt wird und die Strafaussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte. Dies gilt auch aufgrund der Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit (vgl. BGH, Urteil v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16).
99VIII.
100Mit dem Amtsgericht ist die Kammer der Auffassung, dass der Angeklagte durch die Tat gezeigt hat, dass er gemäß §§ 69, 69a StGB zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet ist. Die Fahrerlaubnis war dem Angeklagten zu entziehen und die Verwaltungsbehörde anzuweisen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Bei der Bemessung der Frist hat die Kammer sowohl das Maß des Verschuldens als auch das Nachtatverhalten des Angeklagten berücksichtigt und auch den Umstand, dass dem Angeklagten bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 19.06.2024 die Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO vorläufig entzogen wurde.
101IX.
102Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, Abs.4 StPO.