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Die Angeklagten L. und I. sind jeweils der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.
Der Angeklagte L. wird deswegen zu einer
Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte I. wird deswegen zu einer
Jugendstrafe von 2 Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Einziehung der nachfolgend aufgeführten Gegenstände wird angeordnet:
Die Betäubungsmittel (1995 Cannabispflanzen), das gesamte Plantagenequipment, insbesondere 4 Lüfter/Silentboxen, 66 Lampen (600 Watt), 10 Ventilatoren (100 Watt), 2 Thermostate, 996 Blumentöpfe, 2 „Y.“ (600 Watt), 4 Aktivkohlefilter, 66 Trafos, 3 Vorschaltgeräte von P.;
3 Lüfter/Silentboxen, 66 Lampen (600 Watt), 10 Ventilatoren (100 Watt), 1000 Blumentöpfe, 2 Thermostate, 3 Aktivkohlefilter, 66 Trafos;
39 Säcke mit vertrockneten Cannabisstängeln
Der Angeklagte L. trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. Hinsichtlich des Angeklagten I. wird von der Auferlegung der Verfahrenskosten abgesehen, seine notwendigen Auslagen trägt er selbst.
Angewendete Vorschriften:
bezüglich des Angeklagten L.:
§§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 1 (i.V.m. Anlage I-III BtMG in der vor dem 01.04.2024 geltenden Fassung), 3 Abs. 1, 33 BtMG, §§ 27, 52, 74 StGB
bezüglich des Angeklagten I.:
§§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 1 (i.V.m. Anlage I-III BtMG in der vor dem 01.04.2024 geltenden Fassung), 3 Abs. 1, 33 BtMG, §§ 27, 52, 74 StGB; §§ 1, 21, 105 ff. JGG
G r ü n d e :
2I.
3[…]
4II.
5Die Hauptverhandlung hat zu nachfolgenden Feststellungen in der Sache geführt:
6Im Juli 2023 flog der zur Tatzeit 18 Jahre alte Angeklagte I. – dem von albanischen Bekannten eine Beschäftigung auf einer Baustelle in Deutschland für 12 Euro die Stunde (Malerarbeiten) in Aussicht gestellt worden war – von W. nach X.. Nachdem er zunächst eine Woche in einem Hotel verbrachte hatte, wurde er am 20.07.2023 von einer unbekannt geblieben männlichen Person abgeholt und nach Krefeld in die Lagerhalle A.-straße 000 gebracht, in deren Keller sich zu diesem Zeitpunkt bereits zwei große, vollständig eingerichtete und auf zwei Räume verteilte Indoor-Plantagen für Cannabispflanzen befanden; die Pflanzen waren bei seiner Ankunft etwa 40 cm hoch und es war alles für deren Aufzucht und Pflege vorbereitet.
7Einige Tage später wurde auch der Angeklagte L. – der aus M. kommend über J. mit dem Zug nach Krefeld gereist war – von einer unbekannt geblieben männlichen Person in die Lagerhalle gebracht, nachdem ihm ebenfalls eine Beschäftigung auf einer Baustelle für 12 Euro (Gipsarbeiten) in Aussicht gestellt worden war.
8Unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden beide Angeklagten – jeweils unabhängig voneinander und ohne dass sie zunächst selbst tätig zu werden – für die Versorgung der Pflanzen von einer unbekannt geblieben männlichen Person „angelernt“: Es wurde ihnen insbesondere erklärt, wie sie die Pflanzen düngen und wässern sollten und sie wurden mit einer Aufgabenliste (u.a. wie viel Wasser und welches Düngemittel) ausgestattet. Beide Angeklagten nahmen schließlich unabhängig voneinander das Angebot an, für jeweils 2.000,00 EUR bei der Aufzucht der Pflanzen bis zur ersten Ernte der von ihnen gepflegten Cannabispflanzen mitzuwirken. Dabei hatten sie weder über die Größe der Anpflanzung (mit-) zu bestimmen, noch waren sie in den geplanten Absatz des Marihuanas oder auf andere Weise in die Organisation des Plantagenbetriebes eingebunden.
9In der Folge kümmerten sich der Angeklagte I. zunächst alleine und nach dessen Eintreffen gemeinsam mit dem Angeklagten L. entsprechend um die beiden Indoor-Plantagen, indem sie selbst insbesondere die Wässerung, Beleuchtung sowie das erforderliche Düngen der Pflanzen übernahmen. Ihnen war dabei bewusst, dass die Pflanzen aufgrund ihrer Größe und Anzahl ein Vielfaches der nicht geringen Menge an THC enthielten und dass das aus ihnen gewonnene Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Auch war beiden Angeklagten bekannt, dass weder sie noch die Betreiber der Plantage über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis verfügten. Indes konnte nicht festgestellt werden, dass die Angeklagten auch dazu entschlossen waren, nach der Ernte der ersten von ihnen gepflegten Cannabispflanzen in diesem Rahmen auch weiterhin an der Aufzucht späterer Anpflanzungen mitzuwirken.
10Während ihrer Tätigkeit wohnten die Angeklagten in einer eigens dafür eingerichteten Wohnnische im Erdgeschoss der Lagerhalle, die sich direkt am Abgang zum Keller und den dortigen Anpflanzungen befand. Dabei handelte es sich um eine durch Spanplatten abgetrennte Nische, in der sich im Wesentlichen zwei Betten, ein Küchenbereich und ein provisorisches Badezimmer befanden. Während ihres Aufenthalts ließen sich die Angeklagten von den Haupttätern in der Lagerhalle von außen einschließen, wobei sie selbst über keinen Schlüssel verfügten; in Abständen von wenigen Tagen kam regelmäßig eine unbekannt gebliebene männliche Person und brachte ihnen Tüten mit Essen. Beide Angeklagte – mit denen sonst nicht weiter gesprochen wurde – fühlten sich schlecht behandelt und empfanden ihre Unterbringung und die dort herrschenden hygienischen Umstände als unwürdig; dennoch fanden sie sich letztlich mit der Situation ab, um nach Abschluss der Arbeiten die versprochenen 2.000,00 EUR zu erhalten und nach H. zurückkehren zu können.
11Zuvor wurden die Angeklagten jedoch bei einer polizeilichen Durchsuchung am 31.08.2023 – die aus einem Ermittlungsverfahren der Polizei Kleve gegen einen dortigen „U.“ hervorging – in der Wohnnische, die zu diesem Zeitpunkt stark vermüllt war und nach verdorbenen Lebensmitteln und Rattenkot roch, im Erdgeschoss der Lagerhalle angetroffen und vorläufig festgenommen.
12Zu den Einzelheiten der Örtlichkeit, der vorgefundenen Cannabis-Anpflanzungen sowie der Unterbringung der Angeklagten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in Augenschein genommenen und bei den Akten befindlichen Lichtbilder Nrn. 1 bis 170 aus der Lichtbildmappe vom 21.09.2023 des Sonderbandes B. (KTU-Nr.: 00000/2023) verwiesen.
13Es wurden 1995 Cannabispflanzen mit einer Wuchshöhe bis zu 1,60 Metern (Mindestertrag pro Ernte: insgesamt 49,9 kg Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 2.990 g THC) sowie das gesamte, hochprofessionelle Plantagenequipment aufgefunden und (im Umfang der Einziehungsentscheidung) sichergestellt. Im Obergeschoss der Halle konnten zudem ca. 39 Säcke mit abgetrennten, trockenen Ständeln von Cannabispflanzen aufgefunden werden.
14III.
151. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf den von ihren Verteidigern verlesenen Angaben, die sich die Angeklagten jeweils zu eigenen gemacht haben und denen das Gericht gefolgt ist, sowie auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszügen.
162. Die Feststellungen unter II. zur Sache stehen zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der geständigen Einlassung der Angeklagten sowie den ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen, insbesondere der Vernehmung der Zeugin POKin E. (Observations- und Durchsuchungsbeamtin) sowie dem Wirkstoffgutachten nebst in Augenschein genommener Lichtbilder.
17Beide Angeklagten haben die Tat – so wie unter II. festgestellt – über ihre Verteidiger mit von diesen verlesenen Erklärungen eingeräumt, wobei sich beide Angeklagten die jeweilige Erklärung zu Eigen gemacht haben. Ergänzend zu dem festgestellten Sachverhalt hat der Angeklagte I. in diesem Rahmen noch erklärt, dass man ihn nach der Ankunft in X. zunächst noch über eine Woche lang im Glauben gelassen habe, auf einer Baustelle als Maler arbeiten zu können; worum es wirklich geht, sei ihm erst klargeworden, als er dann in Krefeld auf die Plantage gebracht worden sei. Obwohl er die Situation als beängstigend empfunden habe, habe er sich letztlich darauf eingelassen, um die versprochenen 2.000,00 EUR zu erhalten. Er habe seine Zeit auf der Plantage insgesamt als äußert prekär empfunden, ohne jegliche Möglichkeit, seine Situation zu verbessern. Anfangs sei er alleine gewesen, später sei der Mitangeklagte dazu gekommen, doch die Lage habe sich dadurch nicht wesentlich verbessert. Der Angeklagte L. hat dazu noch ergänzend ausgeführt, dass er bei seiner Ankunft in der Lagerhalle erstmals auf den Mitangeklagten getroffen sei und alles – insbesondere der „Aufenthaltsraum“ – „total vermüllt“ gewesen sei. Als ihm am nächsten Tag gesagt worden sei, was er tun sollte, habe er klargestellt, dass er nicht nach Deutschland gekommen sei, um eine Drogenplantage zu betreuen und in einem „elendigen“ Loch zu Haus; jedoch sei jede Diskussion „im Keim“ erstickt worden, sodass er sich letztlich auf das Angebot eingelassen habe, die Versorgung der Pflanzen bis zur Ernte zu übernehmen, wofür er 2.000,00 EUR erhalten sollte.
18Die Geständnisse beider Angeklagten haben in der Hauptverhandlung durch das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme – insbesondere die Vernehmung der Zeugin POKin E. und die in Augenschein genommenen Lichtbilder – Bestätigung gefunden. Die Zeugin hat ergänzend bekundet, dass bei der Durchsuchung am 31.08.2023 zunächst die massive Tür der Lagerhalle von außen habe gewaltsam geöffnet werden müssen. Im Keller der Halle sei dann eine Indoor-Plantage („2 Räume“) mit knapp 2.000 Pflanzen („genaugenommen 1995 Pflanzen“) festgestellt worden. „Alles“ sei in Betrieb gewesen (Lüftungen, Lampen etc.); außerdem seien Verpackungsmaterialien („Bigpacks“) sowie im Obergeschoss 39 Säcke mit vertrockneten Cannabisstängeln gefunden worden. Die beiden Angeklagten habe man in der unmittelbar zum Kellereingang befindlichen „Wohnnische“ im Erdgeschoss angetroffen. Neben den beiden Betten – in denen offensichtlich regelmäßig geschlafen wurden – hätten sich jeweils auch Ladegeräte für Handys befunden; die zugehörigen Mobiltelefone (Z. und C.) seien im weiteren Verlauf der Durchsuchung in einem komplett zerstörten Zustand aufgefunden worden. Soweit noch Videomaterial auf einem der Telefone habe wiederhergestellt werden können, sei eine Zuordnung zum hiesigen Tatgeschehen jedoch nicht möglich. Der vorgefundene Wohnbereich im Erdgeschoss sei „sehr spärlich“ gewesen; das „Klo“ habe sich mitten im Raum befunden und die Dusche sei sehr provisorisch gewesen. Neben Rattenkot habe auch Verwesungsgeruch „in der Luft gelegen“, weil offenbar über eine länger Zeit Lebensmittel/Fleischreste nicht sachgerecht entsorgt worden seien. Die Aussage der POKin E. erachtet das Gericht insgesamt als zuverlässig. Ihre Bekundungen sind lebensnah und widerspruchsfrei. Einseitige oder ungerechtfertigte Belastungstendenzen konnten nicht festgestellt werden. Auch im Übrigen gab es keine Anhaltspunkte die am Wahrheitsgehalt der Bekundungen zweifeln lassen; Nachfragen wurden präzise und nachvollziehbar beantwortet. Ihre Angaben haben zudem Bestätigung durch die vorgehaltenen und verlesenen Akteninhalte sowie die in Augenschein genommenen Lichtbilder gefunden.
19Ausgehend davon konnte die Kammer nicht feststellen, dass die Angeklagte über die eingeräumte Tätigkeit als Pflanzenpflegekräfte hinaus an der Haupttat beteiligt waren, etwa in dem sie am Aufbau der Anlage, den Verkauf des gewonnenen Cannabis oder in sonstiger Weise an der dahinterstehenden Organisation mitwirkten. Auch ließ sich weder feststellen, dass die Angeklagten an vorherigen Aufzuchten beteiligt waren noch, dass sie bei der Aufzucht späterer Anpflanzungen mitmachen wollten. So hat die Zeugin POKin E. im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung zwar bekundet, dass es sich vorliegend offensichtlich um eine von mehreren an verschiedenen Standorten in Deutschland „ausgehobenen“ Plantagen handele, die alle von einer albanischen Organisation nach dem gleichen Muster professionell betriebenen wurden. So seien am Tatort DNA-Spuren von zwei Personen (u.a. an einem Zigarettenstummel hinter einer der Rigipswände) gefunden worden, die mit „den anderen“ im Bundesgebiet gefundenen Plantagen in Zusammenhang stünden. Auch hinsichtlich der Angeklagten habe es unmittelbar am Tatort „überall“ Spurentreffen (Socken, Zahnbürste, Kleidung, bei den Pflanzen etc.) gegeben, jedoch hätten sich keine Spurentreffer (wie etwa DNA-Treffer zu anderen Tatorten/Plantagen) oder sonstige Anhaltspunkte ergeben, die auf eine längerfristig angelegte Beteiligung der Angeklagten am Tatgeschehen oder gar der dahinterstehenden Organisation schließen lassen könnten. Auch soweit im Rahmen der polizeilichen Observation im Vorfeld der Durchsuchungen verdächtige Personen an der Lagerhalle (etwa beim Essenbringen) beobachtet und fotografiert worden seien, handele es sich schon nach dem äußeren Erscheinungsbild ersichtlich nicht um die Angeklagten. Die Kammer erachtet Aussage der Zeugin auch insoweit für zuverlässig. Ihre lebensnah und widerspruchsfreien Angaben haben auch insoweit Bestätigung durch die vorgehaltenen und verlesenen Akteninhalte sowie den in Augenschein genommenen Lichtbilder, insbesondere denjenigen aus dem Observationsberichten, gefunden.
20Die Feststellungen zum Umfang der betreffenden Cannabisanpflanzungen ergeben sich aus den oben dargestellten und auch insoweit zuverlässigen Angaben der Zeugin POKin E., die auch mit den Feststellungen des Zeugen Dr. R., der für das LKA NRW an der Tatörtlichkeit die aufgefundenen Pflanzen in Augenschein genommen hat und dessen Angaben mit Einverständnis aller Beteiligten durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, übereinstimmen. Der Umfang der von den Zeugen angegeben Anpflanzungen deckt sich auch mit den in Augenschein genommen Lichtbildern und den weiteren in die Hauptverhandlung eingeführten Akteninhalten.
21Die Kammer hat den Ernteertrag der betreffenden Pflanzenaufzucht auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen Dr. G. geschätzt. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.12.2023, dass in der Hauptverhandlung verlesen worden ist, auszugsweise Folgendes ausgeführt:
22Es sei aus den insgesamt 1995 Cannabispflanzen folgendes Pflanzenmaterial zur Beprobung sichergestellt worden:
2360 Pflanzen (Teilmenge) mit einer Gesamtmenge von ca. 906,14 g Marihuana und einer Gesamtwirkstoffmenge von ca. 20,4 g THC (d.h. 27 Jungpflanzen (442,49 g Marihuana) mit einem Wirkstoffgehalt von 2,35 % und einer Wirkstoffmenge von 10,8 g THC sowie weitere 33 Jungpflanzen (463,65 g Marihuana) mit einem Wirkstoffgehalt von 2,07 % und einer Wirkstoffmenge von 9,60g THC).
24Aus diesem Material und den dargestellten Werten hat der Sachverständige auf Basis der gesamten sichergestellten Menge eine Gesamtmenge von ca. 30.366g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 691 g THC hochgerechnet.
25Bei einem Bestand von 1995 Pflanzen hat der Sachverständige sodann die zu erwartende Ernte unter Zugrundelegung der aufgefundenen Bedingungen errechnet. Dabei hat er zunächst eine Abschätzung des erreichbaren Gewichts an konsumfähigem Material pro Pflanze vorgenommen. Dazu hat er ausgeführt, dass sich aus dem Kollektiv der in mehreren Jahren im LKA NRW untersuchten Marihuanapflanzen, welche erntefähig, erntereif bzw. bereits geerntet waren, für das konsumfähige Material ein durchschnittlicher Ertrag von ca. 40g Marihuana und ein Mindestbetrag von 25 g pro ausgewachsener Pflanze ergebe. Hinsichtlich des hier sichergestellten Blattmaterials mit Blütenansätzen, bei denen die Blütenbildung noch nicht abgeschlossen geschweige denn bis zur Blütenreife gelangt war, liege der THC-Gehalt der Blüten erfahrungsgemäß um ein Mehrfaches höher als der des korrespondierenden Blattmaterials, weshalb hinsichtlich der Erträge auch im vorliegenden Fall von entsprechenden Werten ausgegangen werden könne (mehrjähriger Durchschnittswert: ca. 10-14 % THC). Angesichts des jungen Pflanzenstadiums sei bei Reifung mindestens von einer Verdreifachung des Wirkstoffgehaltes auszugehen, weshalb davon auszugehen sei, dass bei den vorliegenden Pflanzen der Wirkstoffgehalt zum Reifezeitpunkt über 6 % THC zum Erliegen kommt.
26Hinsichtlich der Beleuchtung handele es sich um eine leicht überdurchschnittliche Bestückung mit Leuchten.
27Er errechne daher im vorliegenden Fall bei 1995 Pflanzen einen Mindestertrag der Ernte von insgesamt 49,9 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 2.990 g THC.
28Die Kammer hat diese Angaben des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung zugrunde gelegt und geht daher ebenfalls von der entsprechend erwarteten Mindesternte wie unter II. festgestellt aus.
29IV.
30Damit haben sich beide Angeklagte im tenorierten Umfang, nämlich jeweils der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 1 (i.V.m. Anlage I-III BtMG in der vor dem 01.04.2024 geltenden Fassung), 3 Abs. 1, 33 BtMG, §§ 27, 52 StGB, strafbar gemacht.
31Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Cannabis beträgt 7,5 Gramm des Wirkstoffs THC, sodass die (bislang) unbekannt gebliebenen Haupttäter (insbesondere Plantagenbetreiber) dass Tatbestandsmerkmal der nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (um das 398-fache überschritten) erfüllt haben. Der Anbau ist bereits Teil des Handeltreibens und geht als unselbständiger Teilakt darin auf (vgl. BGH Beschl. v. 10.4.2019 – 4 StR 39/19, BeckRS 2019, 9058 mwN).
32Der Begriff des Handeltreibens im Sinne von §§ 29 ff. BtMG ist weit auszulegen (BGHSt 51, 219, 221). Danach ist Handeltreiben im Sinne der §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (stRspr; BGH Beschl. v. 6.7.2022 – 5 StR 105/22, BeckRS 2022, 17563). Rechtlich unerheblich ist, ob es zu eigenen Umsatzgeschäften oder auch nur zur Anbahnung bestimmter Geschäfte gekommen ist. Für die Vollendung ist noch nicht einmal erforderlich, dass die Handlung des Täters den erstrebten Umsatz objektiv gefördert hat oder dazu geeignet war (stRspr; BGH Urt. v. 2.10.2013 – 1 StR 75/13, BeckRS 2013, 18976). Eine nach außen erkennbare, auf die Veräußerung des Betäubungsmittels gerichtete Tätigkeit oder gar dessen tatsächliches Absetzen ist demgemäß nicht erforderlich. Die bloße Verwertungsabsicht reicht aus. Es ist deshalb anerkannt, dass der unerlaubte Anbau von Cannabispflanzen in Form der Aufzucht bis in das Stadium, in dem sie eine nicht geringe Menge THC enthalten, den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt, wenn der Anbau – wie hier – auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (stRspr; BGH Urt. v. 19.2.2015 – 3 StR 546/14, BeckRS 2015, 8389 mwN).
33Durch die Unterstützung der (bislang) unbekannt gebliebenen Haupttäter (Plantagenbetreiber) beim Betrieb der Cannabisaufzuchtanlage haben sich die Angeklagten jeweils „nur“ der Beihilfe zu deren Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht; nach den Feststellungen sind sie weder Mittäter oder selbst „Besitzer“ noch Mitglied einer Bande (dazu sogleich):
341. Gemäß § 27 Abs. 1 StGB macht sich als Gehilfe strafbar, wer (vorsätzlich) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Als Hilfeleistung in diesem Sinne ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert.
35Dass die Angeklagte die (bislang) unbekannt gebliebenen Haupttäter bei der von dieser organisierten Aufzucht von Cannabispflanzen zur gewinnbringenden Weiterveräußerung unterstützten, liegt auf der Hand (vgl. BGH (5. Strafsenat), Beschluss vom 26.01.2011 - 5 StR 555/10, BeckRS 2011, 4357 mwN). Es ist offensichtlich, dass niemand eine aufwändige Plantage mit hunderten von Pflanzen betreibt, um Marihuana lediglich zum Eigenverbrauch zu gewinnen.
36Die Tatbeiträge der Angeklagten tragen jedoch nicht die Annahme von Mittäterschaft. Mittäterschaft erfordert zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (BGH (2. Strafsenat), Urteil vom 02.12.2015 - 2 StR 258/15, BeckRS 2016, 3826 mwN; BGH, Urteil vom 27. 7. 2005 - 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578). Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Maßgebliche Kriterien für die Bewertung, ob ein Beteiligter lediglich fremdes Tun fördert oder eine Tat gemeinschaftlich mit einem anderen als eine auch für ihn eigene begeht, sind, welcher Art der Tatbeitrag ist und mit welcher Willensrichtung er geleistet wird. Dabei können wesentliche Anhaltspunkte sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft, so dass die Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängt, oder ob nur eine ganz untergeordnete Tätigkeit vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 27. 7. 2005 - 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578 mwN). Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts – wie hier auf die Aufzucht der Pflanzen –, so kommt es jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH (4. Strafsenat), Beschluss vom 09.11.2023 – 4 StR 74/23, BeckRS 2023, 37894). Auch mehrere Beihilfehandlungen (hier: Unterstützung beim gleichzeitigen Betrieb von zwei, an einem Ort befindlichen Indoor-Plantagen über einen längeren Zeitraum) zu ein und derselben Haupttat führen grundsätzlich nur zur Annahme einer Beihilfe, da sich aus Gründen der Akzessorietät der Teilnahme das vom Gehilfen begangene Unrecht nur aus dem Unrecht der Haupttat ableiten lässt (BGH, Beschluß vom 14. 4. 1999 - 1 StR 678–98, NStZ 1999, 513).
37Wer ohne eigenes Anbauinteressen die Bemühungen Dritter, Betäubungsmittelpflanzen aufzuziehen, durch Hilfstätigkeiten unterstützt, macht sich deshalb lediglich wegen Beihilfe zum Anbau strafbar.
38Ausgehend davon stellt sich hier der Tatbeitrag der Angeklagten als nur eine (dauerhafte) Beihilfehandlung zu einer einzigen Haupttat dar. Denn auch wenn die Angeklagten durch ihre fortlaufenden Tätigkeiten als Pflanzenpflegekräfte bzw. die Aufzucht der Cannabispflanzen über einen längeren Zeitraum (jedenfalls mehrere Wochen) einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet haben, waren beide Angeklagten ohne jeglichen sonstigen Einfluss auf das eigentliche Umsatzgeschäft. Nach den Feststellungen hatten sie weder über die Größe der Anpflanzung und damit über die Handelsmenge zu bestimmen, noch waren sie in den geplanten Absatz des Marihuanas eingebunden; auch sollten sie nicht anteilig am Verkaufserlös partizipieren, sondern eine pauschale Entlohnung für seine Tätigkeit (jeweils 2.000,00 EUR) erhalten; hinzu kommt die strenge Weisungsgebundenheit und das fehlende eigene Anbauinteresse.
392. Angesichts der Menge an Pflanzen und des Umstandes, dass sie sich während ihrer Aufenthalts von außen in der Lagerhalle einschließen ließen, waren sie auch nicht in der Lage selbst über das angebaute Cannabis bzw. die Anpflanzungen zu verfügen, womit in Bezug auf die Pflanzen – mangels Verfügungsgewalt und Besitzwillens – auch ein strafbarer Besitz im Sinne des BtMG ausscheidet.
403. Dass die Angeklagten als Mitglied einer Bande handelten, ließ sich für beide Angeklagten jeweils nicht feststellen.
41Bandenmäßig handelt, wer sich mit mindestens 2 weiteren Personen mit dem Willen verbunden hat, künftig und für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstypus zu begehen (BGH, Beschluß vom 22. 3. 2001 - GSSt 1/00, NJW 2001, 2266); auch der Gehilfe kann Mitglied einer Bande sein. Hier haben bereits nach der eigenen Darstellung der Angeklagten weitere (bislang) unbekannt gebliebene Person an der Tat mitgewirkt, wofür auch das Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme (insbesondere die in Augenschein genommenen Lichtbilder aus den Observationsberichten, die augenscheinlich keinen der Angeklagten zeigen) spricht. Zudem lässt sich in hinreichender Weise erkennen, dass für den Betrieb einer Aufzucht dieser Größenordnung und Professionalität (Aufbau und Betrieb der Plantage, Ernte, Anwerben von Pflanzenpflegekräften etc.) ein Netzwerk von deutlich mehr als drei Personen verantwortlich sein musste, dass sich mit dem Ziel zusammengeschlossen hat, durch den Betrieb hochprofessioneller Indoor-Plantagen Marihuana zu produzieren und dieses gewinnbringend zu veräußern.
42Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich auch die Angeklagten dieser Gruppierung mit dem Willen anschlossen haben, künftig und für eine gewisse Dauer an mehreren Taten des Betäubungsmittelhandels in der Form der Aufzucht von Cannabispflanzen mitzuwirken. Denn auch wenn für die Annahme einer Bandenabrede nicht erforderlich ist, dass sich sämtliche Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe persönlich verabredet haben und sich untereinander kennen, muss doch zumindest jeder den Willen haben, sich zur künftigen Begehung von (mehreren) Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH, Beschluss vom 7. 10. 2010 - 3 StR 363/10, NStZ-RR 2011, 58; BGH (3. Strafsenat), Urteil vom 16.06.2005 – 3 StR 492/04, BeckRS 2005, 8570; BGH (5. Strafsenat), Beschluss vom 26.01.2011 - 5 StR 555/10, BeckRS 2011, 4357 mwN). Davon kann hier nicht ausgegangen werden:
43Beide Angeklagten war auf Vermittlung ihrer Landsleute nach Deutschland gekommen, ohne zunächst zu wissen, welche Tätigkeit sie hier konkret ausüben sollten; bis zu ihrem Eintreffen auf der Plantage gingen sie davon aus, dass sie für Hilfstätigkeit auf einer Baustelle angeworben worden seien. Sie wirkten nach den Feststellungen zudem nur an der Aufzucht einer Anpflanzung (genau: Unterstützung beim gleichzeitigen Betrieb von zwei, an einem Ort befindlichen Indoor-Plantagen) aktiv mit. Während ihres Aufenthalts dort bis zu ihrer Festnahme fühlten sie sich zudem schlecht behandelt und fanden sich mit der Situation letztlich nur ab, um nach der Ernte der ersten von ihnen gepflegten Cannabispflanzen die versprochenen 2.000,00 EUR zu erhalten um damit nach H. zurückkehren zu können. Mit ihnen wurde nicht weiter gesprochen; indem sie sich von den Haupttätern zudem in der Lagerhalle einschließen ließen, legten sie einen wesentlichen Teil ihrer freien Lebensgestaltung und Lebensführung vorübergehend ab. Hinzu kommt ihre strenge Weisungsgebundenheit und ihr fehlendes Eigeninteresse an der Aufzucht.
44Dass die Angeklagten entschlossen waren, in diesem Rahmen nach der Ernte der ersten von ihm gepflegten Cannabispflanzen weiterhin an der Aufzucht späterer Anpflanzungen mitzuwirken, konnte angesichts dieser Tatumstände jedenfalls nicht festgestellt werden, zumal es auch aufgrund der Umstände, wie sie auf die Plantage „gelockt“ wurden, und den prekären hygienischen Verhältnisse, unter denen sie untergebracht waren, durchaus plausibel ist, dass sie sich dort nicht länger als unbedingt notwendig aufhalten wollten.
45In der Gesamtschau stellt sich der Tatbeitrag der Angeklagten demnach jeweils – wie tenorier – „nur“ als eine (dauerhafte) Beihilfehandlung zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar.
46V.
471. Hinsichtlich des Angeklagten L. hat die Kammer den Strafrahmen dem § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, der gemäß §§ 27 Abs. 1, Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB auf 3 Monate bis zu 11 Jahren und 3 Monate gemildert wurde.
48Dabei hat die Kammer zunächst geprüft, ob vom Normalstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG auszugehen war, der Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsieht, oder ob ein minder schwerer Fall vorlag, der gemäß § 29a Abs. 2 BtMG mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren zu ahnden ist. Ein minder schwerer Fall ist dann anzunehmen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei Gesamtbetrachtung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Momente vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem solche Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Davon war hier nicht auszugehen.
49Insgesamt hat die Kammer bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der für und gegen den Angeklagten L. sprechenden Umstände auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des bei dem Angeklagten gegebenen vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB die Annahme eines minder schweren Falles mit folgenden Erwägungen verneint:
50Zugunsten des Angeklagten L. hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung umfassend geständig war, auch wenn angesichts der erdrückenden Beweislage auch ohne Geständnis eine Überführung im hohen Maße wahrscheinlich war. Zu seinen Gunsten geht auch, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, dass das angebaute und zum Verkauf bestimmte Marihuana sichergestellt und nicht in den Verkehr gebracht worden ist sowie der Umstand, dass es sich nach allgemeiner Meinung um eine sog. „weiche Droge“ handelt. Zu seinen Gunsten waren auch die prekären hygienischen Verhältnisse unter denen er während des Tatgeschehens untergebracht war (auch wenn er sich damit letztlich abgefunden hat), zu berücksichtigen sowie die erlittene Untersuchungshaft, zumal der Angeklagte angesichts der Erstinhaftierung und Sprachbarriere auch noch als besonders haftempfindlich gilt.
51Erheblich zu Lasten des Angeklagten L. war indes die angebaute Betäubungsmittelmenge zu berücksichtigen, die den Grenzwert zur nicht geringen Menge um ein Vielfaches (398-fache) überschritten hat. Diese erheblichen Betäubungsmittelmengen erhöhen den objektiven Unrechtsgehalt der von dem Angeklagten verübten Beihilfehandlung ebenso wie die kriminelle Energie angesichts der professionelle Vorgehensweise, die sich nicht zuletzt aus der hohen Professionalität der errichteten Plantage ergibt, die dem Angeklagten jedenfalls bekannt war. Die Beteiligung als „Pflanzenpflegekraft“ stellt bei der Aufzucht von Cannabispflanzen unter anderen denkbaren Beihilfehandlungen zudem eine durchaus gewichtige dar und war auch im konkreten Fall gewichtig und auf eine längere Zeit (jedenfalls mehrere Wochen) ausgelegt, was ebenfalls zu Lasten der Angeklagten zu berücksichtigen war.
52Die Kammer hat in der Gesamtabwägung der vorgenannten für und gegen den Angeklagten L. sprechenden Umstände kein derartiges Überwiegen der strafmildernden Umstände gesehen, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens unangemessen gewesen wäre und hat daher die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt. Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB hat die Kammer einen minder schweren Fall nicht angenommen.
53Allerdings war der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG gemäß den §§ 27, 49 Abs. 1 StGB zu mildern und die konkrete Strafe dem entsprechend gemilderten Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 11 Jahren 3 Monaten zu entnehmen.
54Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer nochmals die zuvor angesprochenen Strafzumessungsaspekte berücksichtigt und abgewogen und sodann auf eine Freiheitsstrafe von
552 Jahren und 6 Monaten
56als tat- und schuldangemessen erkannt. Die ausgeurteilte Freiheitsstrafe ist einerseits ausreichend, andererseits aber auch erforderlich, um dem begangenen Unrecht gerecht zu werden, dies dem Angeklagten vor Augen zu führen und auf ihn einzuwirken.
572. Der Angeklagte I. war zur Tatzeit Heranwachsender im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG. Er stand nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich (§ 105 Abs. 1 S. 2 JGG). Der Angeklagte hat zwar nach eigenen Angaben sehr früh „Verantwortung übernommen“ und bereits mit 12 Jahren neben der Schule gearbeitet, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Auch hat er mit 17 Jahren die Entscheidung getroffen, anstatt weiter die Schule zu besuchen, ins EU-Ausland zu gehen um dort zu arbeiten und auf diese Weise die wirtschaftliche Situation seiner Familie zu verbessern. Dabei war er auch trotz seines jungen Alters und der Sprachbarriere offensichtlich in der Lage in verschiedenen Ländern zumindest vorübergehend einer Beschäftigung nachzugehen und dort zu leben. Insbesondere diese autonom anmutende Lebensführung deutete zunächst eher auf die geistige Reife eines Erwachsenen hin.
58Nach der Durchführung der Beweisaufnahme war – in Übereinstimmung mit der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe – jedoch festzustellen, dass die Reise ins EU-Ausland maßgeblich aus dem sozialen Umfeld des Angeklagten in H. (mit welchen er in ständigem Austausch stand) organisiert war und die Vermittlung der Arbeitsstellen nicht selbstständig, sondern ebenfalls über Landsleute erfolgte. Von diesen wurden dem Angeklagten auch die Schlafplätze zur Verfügung gestellt und es bestand eine Anhängigkeit, welche den Angeklagten letztlich auch nach Deutschland und ins hiesige Tatgeschehen führte. Auch der persönliche Eindruck den der Angeklagte in der Hauptverhandlung gemacht hat, spricht dafür, dass es sich beim ihm also nicht um echte Eigenständigkeit sondern vielmehr um ein Mitgetragenwerden aufgrund einer gewissen Naivität gehandelt hat.
59Ausgehend davon war – wie zuletzt auch von der Vertreterin der Jungendgerichtshilfe angeregt – Jugendstrafrecht anzuwenden.
60Bei der Auswahl und Bemessung der jugendstrafrechtlichen Rechtsfolgen hat sich das Gericht insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen:
61Der Angeklagte I. bedarf der Verhängung einer Jugendstrafe, da bei ihm schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG vorliegen, die in seiner Tat hervorgetreten sind und die im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch fortbestehen und Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen (§ 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG). Schädliche Neigungen sind Mängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr der Begehung weiterer solcher Straftaten in sich bergen, die nicht nur „gemeinlästig“ sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben (vgl. Eisenberg, JGG, 17. Auflage, § 17 Rn 18b). Unabhängig von der abstrakten Schwere der ihm auch individuell zurechenbaren Straftat (Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in dem festgestellten Umfang birgt für sich genommen schon eine erhebliche Gemeinschädlichkeit) manifestieren sich hier insbesondere in der konkreten Art und Weise der Tatbegehung die schädlichen Neigungen des Angeklagten. Der Angeklagten hat sich bereits mit 17 Jahren bewusst dem Einfluss seiner Erziehungsberechtigten entzogen und in das Abhängigkeitsverhältnis seiner Landleute begeben, welches ihn schon vor dem hiesigen Tatgeschehen in die Illegalität (keine Arbeitserlaubnis für die angestrebte Erwerbstätigkeit) zwang; letztlich war er dann bereit sich gegen Bezahlung an der zugrundeliegenden Haupttat zu beteiligen. Es ist auch davon auszugehen, dass der Angeklagte seine auf längere Zeit angelegte Tätigkeit zu Ende gebracht hätte, wäre nicht zuvor der polizeiliche Zugriff erfolgt. Es handelt sich also nicht um eine bloße Gelegenheitstat.
62Beim Angeklagten sind also erhebliche, durch ungünstige Umwelteinflüsse und durch unzulängliche Erziehung hervorgerufene, schon vor der Begehung der Tat entwickelte Persönlichkeitsmängel vorhanden, die auf die Tat Einfluss genommen haben; diese Mängel liegen auch heute noch vor und lassen ohne längere Gesamterziehung des Angeklagten für die Zukunft weitere Straftaten befürchten. Hier war erneut einzubeziehen, dass die Erziehung der Angeklagten nicht zu Ende geführt worden ist, da der Angeklagte zu früh das elterliche Umfeld verlassen und ins Ausland gegangen ist. Angesichts dessen war auch die erlittene Untersuchungshaft nicht geeignet, die schädlichen Neigungen entfallen zu lassen. Denn abgesehen von deren Vollzug fand beim Angeklagten schon aufgrund der Sprachbarriere keinerlei spezifische Nacherziehung seiner durch ungünstige Umweltbedingungen begünstigten Mängel der Charakterbildung statt. Der Angeklagte befindet sich also faktisch in der gleichen Situation wie zu der Zeit der Begehung der Tat.
63Auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG war gegen den Angeklagten I. eine Jugendstrafe zu verhängen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob die „Schwere der Schuld“ Jugendstrafe erfordert, ist das objektive Tatunrecht. Dabei kann die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafdrohungen ihren Ausdruck findet, berücksichtigt werden. Das objektive Tatunrecht muss, da bereits das Gesetz von „schwerer“ Schuld spricht, von einiger Erheblichkeit sein. Bei der Beurteilung der Schwere der Schuld war diese nach der vorzunehmenden jugendspezifischen Gesamtabwägung bei besonderer Beachtung der inneren Tatseite hier insbesondere auch deshalb festzustellen, weil die erheblichen Betäubungsmittelmengen den objektiven Unrechtsgehalt ebenso erhöht haben, wie die professionelle Vorgehensweise der geförderten Haupttat, die sich nicht zuletzt aus der hohen Professionalität der errichteten Plantage ergibt, die dem Angeklagten bekannt war. In Kenntnis dieser Umstände ließ sich der Angeklagte für das versprochene Entgelt dennoch darauf ein, was für eine gewisse Skrupellosigkeit und kriminelle Energie spricht, zumal auf davon auszugehen ist, dass er die Tat zu Ende gebracht hätte, wäre nicht zuvor der polizeiliche Zugriff erfolgt.
64Im Übrigen hat die Kammer auch bedacht, dass die Strafrahmen des Erwachsenenrechts insbesondere ihre Bedeutung behalten, wenn sich die Tat hierdurch als minder schwerer Fall darstellen würde. Soweit ein minder schwerer Fall nach § 29a Abs. 2 StGB in Betracht kommt, liegt hier ein solcher – wie auch bei dem Mitangeklagten – jedoch nicht vor. Entscheidend dafür wäre, dass das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01 –, juris). Die Milderungsgründe (insbesondere das umfassendes Geständnis, die Nichtvorbestraftheit, das Nicht-Inverkehrbringen des angebauten Betäubungsmittels durch Sicherstellung, wobei es sich mit Marihuana zudem um eine sog. „weiche Droge“ handelte, sowie die erlittene Untersuchungshaft bei besonderer Haftempfindlichkeit) überwiegen – auch unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB – die strafschärfenden Gründe (insbesondere erhebliche Betäubungsmittelmenge, Dauer und Umfang der Beihilfehandlung sowie kriminelle Energie angesichts der hohen Professionalität der unterstützen Haupttat) hier jedoch nicht erheblich. Gleichwohl wäre im Erwachsenenstrafrecht der Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG – wie beim Mitangeklagten – gemäß den §§ 27, 49 Abs. 1 StGB zu mildern (s.o.).
65Die Jugendstrafe war nach dem gesetzlichen Maßstab von mindestens sechs Monaten bis höchstens 5 Jahren (§ 18 Abs. 1 S. 1 JGG) so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten möglich ist (§ 18 Abs. 2 JGG). Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die vorrangig zu berücksichtigenden Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Jugendlichen abgewogen werden. Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist dabei vorrangig zu berücksichtigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, etwa der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).
66Dabei war zugunsten des Angeklagten I. insbesondere das umfassendes Geständnis, seine Nichtvorbestraftheit, das Nicht-Inverkehrbringen des angebauten Betäubungsmittels durch Sicherstellung, wobei es sich mit Marihuana zudem um eine sog. „weiche Droge“ handelte, sowie die prekären Verhältnisse unter denen der Angeklagte während des Tatgeschehens untergebracht war und die anschließend erlittene Untersuchungshaft bei besonderer Haftempfindlichkeit zu berücksichtigt.
67Erheblich zu Lasten des Angeklagten I. war indes die angebaute Betäubungsmittelmenge zu berücksichtigen, die den Grenzwert zur nicht geringen Menge um ein Vielfaches (um das 398-fache) überschritten hat, sowie die kriminelle Energie angesichts der Professionalität der unterstützten Haupttat. Die Beteiligung als „Pflanzenpflegekraft“ stellt bei der Aufzucht von Cannabispflanzen unter anderen denkbaren Beihilfehandlungen zudem eine von einigem Gewicht dar und war auch im konkreten Fall gewichtig und auf eine längere Zeit (jedenfalls mehrere Wochen) angelegt, was ebenfalls zu Lasten der Angeklagten zu berücksichtigen war. In diesem Kontext muss hier zudem als erheblich den Erziehungsbedarf erhöhend einbezogen werden, dass sich der Angeklagte zuvor bewusst in das Abhängigkeitsverhältnis seiner Landleute begeben hat, welches ihn schon vor dem hiesigen Tatgeschehen in die Illegalität (ohne Arbeitserlaubnis für die angestrebte Erwerbstätigkeit) zwang; letztlich war er dann bereit gegen ein Entgelt an der zugrundeliegenden Haupttat mitzuwirken und er hätte seine auf längere Zeit angelegte Tätigkeit auch zu Ende gebracht, wäre nicht zuvor der polizeiliche Zugriff erfolgt. Dies alles zeigt, dass der Angeklagte auch weiterhin einer erheblichen Nacherziehung bedarf.
68Nach alledem hält die Kammer eine
69Jugendstrafe von 2 Jahren
70für angemessen und ausreichend, die einerseits der großen Schuld und dem erheblichen Nacherziehungsbedarf des Angeklagten gerecht wird, diesem andererseits aber auch noch eine Zukunftsperspektive belässt. Diese Zeit benötigt der Angeklagte, um seine auch durch ungünstige Umweltbedingungen begründeten Mängel der Charakterbildung zu bearbeiten und sich eine Perspektive auf ein selbständiges Leben außerhalb der Kriminalität zu erarbeiten.
71Die Jugendstrafe hat die Kammer nach § 21 JGG zur Bewährung ausgesetzt. Die Vollstreckung der Strafe erscheint der Kammer im Hinblick auf die Entwicklung des Angeklagten I. und den Eindruck, den die durchgeführte Hauptverhandlung sowie die erlittene Untersuchungshaft auf ihn gemacht haben, nicht zwingend geboten.
72Der Angeklagte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er hat zudem glaubhaft dargelegt, dass er beabsichtigt umgehend in sein Heimatland und zu seinen Eltern, die ihm unterstützendes Umfeld bieten, zurückzukehren zu wollen. Die Zeit in Untersuchungshaft hat ihn sichtlich beeindruckt, wobei er insbesondere die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten zu seinen Eltern als besonders belastend beschreibt. In seiner Heimat will er die zurückerlangte Freiheit nutzen, um eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker (in der Vergangenheit hat er bereits regelmäßig bei seinem Onkel in dessen Kfz-Werkstatt ausgeholfen) zu beginnen. Die sich daraus ergebende günstige Prognose wird durch die entsprechenden flankierenden Maßnahmen im Bewährungsbeschluss weiter gestützt. Die Kammer nimmt – in Übereinstimmung mit der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe – diese Umstände zum Anlass ihrer Erwartung, dass der Angeklagte die Strafe auch ohne Vollstreckung empfindlich treffen und ihn – nicht zuletzt unter dem Einfluss seiner Erziehungsberechtigten – nachreifen lassen wird.
73VI.
74Die Einziehungsentscheidungen folgen aus §§ 33 BtMG, 74 StGB.
75VII.
76Für den Angeklagten L. ergibt sich die Kostenentscheidung aus §§ 464 Abs.1, Abs. 2, 465 Abs. 1 StPO; für den Angeklagten I. folgt sie aus §§ 74, 109 Abs. 2 JGG.