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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Kläger begehren die Feststellung, dass der von ihnen am 16.05.1994 mit der Beklagten geschlossene Prämiensparvertrag fortbesteht sowie die Feststellung einer Zinsanpassungsverpflichtung der Beklagten unter Verwendung bestimmter Parameter.
3Bei diesem Vertrag, der als „S-Prämiensparen >>flexibel<<“ bezeichnet wurde, handelt es sich um einen Sparvertrag, bei dem nicht nur die Spareinlagen verzinst werden, sondern der Kunde ab dem dritten Sparjahr am Ende eines jeden Jahres eine verzinsliche Prämie in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der in dem abgelaufenen Jahr eingezahlten Sparbeiträge erhalten sollte. Der Prozentsatz von zunächst 3 % im dritten Sparjahr sollte sich bis zum 15. Sparjahr auf 50 % steigern.
4In dem von den Klägern unterzeichneten Vertragsformular heißt es auszugsweise:
5„Sparverkehr – S-Prämiensparen >>flexibel<<
6[…]
7Dauer in Monaten: 360
8[…]
9Für dieses Vertragsverhältnis gelten die Bedingungen für den Sparverkehr, die Vertragsbedingungen für das S-Prämiensparen >>flexibel<< und ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse, worauf ausdrücklich hingewiesen wird. Die Bedingungen für den Sparverkehr sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse liegen in den Kassenräumen der Sparkasse zur Einsichtnahme aus. Auf Wunsch werden sie dem Sparer ausgehändigt.“
10In den ebenfalls von den Klägern unterzeichneten „Besonderen Vertragsbedingungen, Fassung 08.93“ heißt es weiter:
11„S-Prämiensparen >>flexibel<< - Laufzeit maximal 30 Jahre -
12[…]
131. Sparbeiträge
14Der Sparer wird monatlich Sparbeiträge in der vereinbarten Höhe auf das untengenannte Sparkonto einzahlen. Die erste Einzahlung erfolgt bei Vertragsabschluß. [...]
152. Zinsen und S-Prämie
16Die Sparkasse L zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz am Ende eines Sparjahres zusätzlich eine verzinsliche S-Prämie gemäß der genannten Prämienstaffel für das
173. Sparjahr |
3 % |
9. Sparjahr |
20 % |
||
4. Sparjahr |
4 % |
10. Sparjahr |
25 % |
||
5. Sparjahr |
6 % |
11. Sparjahr |
30 % |
||
6. Sparjahr |
8 % |
12. Sparjahr |
35 % |
||
7. Sparjahr |
10 % |
13. Sparjahr |
40 % |
||
8. Sparjahr |
15 % |
14. Sparjahr |
45 % |
und für das 15. Sparjahr bis 30. Sparjahr 50 % auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres.
193. Beendigung des Sparvertrags
20Spätestens mit Ablauf der max. Laufzeit von 30 Jahren.
213.1 Verfügung nach Kündigung:
22Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, daß der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet.
23[…]
244.2 Die Sparkasse L weist ausdrücklich darauf hin, daß ergänzend ihre derzeit geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sind. Die Bedingungen hängen/liegen in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aus. Der Kontoinhaber erhält ein Exemplar dieser Bedingungen, sofern er es wünscht.
25[…]
26Ergänzend gelten die Vereinbarungen des Kontoeröffnungsantrages“
27Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift vom 22.07.2020 (Bl. 30 f. d.A.) Bezug genommen.
28Die Kläger leisteten bis einschließlich Juni 2020 die vereinbarten monatlichen Sparbeiträge in Höhe von 200,00 DM bzw. 102,26 EUR.
29Die Beklagte schrieb dem Sparkonto der Kläger zunächst jährlich nach Ablauf des Sparjahres Zinsen gut. Ab dem 15.07.2014 schrieb die Beklagte den Klägern keine Zinsen mehr gut. In das Sparbuch der Kläger trug die Beklagte mit Datum vom 26.08.2015 ein:
30„ZINSSATZ AB 15.07.2014 0,000% P.A.“
31Mit Schreiben vom 23.03.2020 (Anlage K4, Bl. 34 d.A.) erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die Kündigung des Vertrags zum 30.06.2020. Zur Begründung gab sie an:
32„[…] Nun haben sich leider die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend verändert: Die Europäische Zentralbank betreibt seit Jahren eine Nullzinspolitik, die bei Vertragsschluss vor mehr als 15 Jahren unvorstellbar war. Das veränderte Zinsumfeld erschwert es, die Erträge zu erwirtschaften, die die Sparkasse benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen. […]“.
33Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.04.2020 (Anlage K5, Bl. 35 ff. d.A.) widersprachen die Kläger der Kündigung und verlangten vergeblich die Rücknahme der Kündigung bis zum 16.04.2020. Zudem forderten sie vergeblich unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht zu verwendenden Konditionen eine Zinsberechnung von der Beklagten ebenfalls bis zum 16.04.2020.
34Die Kläger sind der Auffassung, die Kündigung des Prämiensparvertrags sei bereits aus formalen Gründen unwirksam. Hierzu behaupten sie, dass aus dem Kündigungsschreiben der Beklagten in keiner Weise erkennbar sei, wer und gegebenenfalls in welcher Funktion die Kündigung unterzeichnet habe. Die Kündigungserklärung sei nicht durch zwei Vorstandsmitglieder bzw. zwei andere Beschäftigte, die vom Vorstand mit Vertretungsmacht ausgestattet worden seien, unterzeichnet worden.
35Darüber hinaus sind die Kläger der Auffassung, der Beklagten stehe kein vorzeitiges Kündigungsrecht zu. Da eine feste Laufzeit von 360 Monaten, mithin 30 Jahren, vereinbart sei, könne sich die Beklagte auch nicht auf die von ihr zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes berufen. Zudem stelle die Kündigung ein grob sittenwidriges bzw. widersprüchliches Verhalten dar. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden.
36Zudem sei die von der Beklagten vorgenommene Zinsberechnung nicht korrekt. Die Zinsen seien vielmehr auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten zehn Jahre des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibung/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von 10 Jahren (Kürzel: WX 4260 gemäß Statistik der Deutschen Bundesbank) zu berechnen. Es müsse bei der Neuberechnung des variablen Vertragszinses auch das Äquivalenzprinzip beachtet werden und deshalb der anfängliche relative Abstand über die gesamte Vertragslaufzeit gewahrt werden. Weiterhin müsse eine fortlaufende monatliche Anpassung erfolgen. Sie behaupten, die Berechnung des Zinsnachzahlungsanspruchs sei nicht so einfach.
37Verjährung sei jedenfalls deshalb noch nicht eingetreten, weil sie erstmals im Jahre 2020 durch die Beratung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten Kenntnis erlangt hätten, dass die Zinsberechnung der Beklagten nicht korrekt sei.
38Die Kläger beantragen,
391. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für den zwischen den Parteien bestehenden Prämiensparvertrag mit der Nummer XXX auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten 10 Jahre, den Referenzzinssatz für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibung/ Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von 10 Jahren (Kürzel: WX 4260 gemäß Statistik der Deutschen Bundesbank) vorzunehmen,
40hilfsweise auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommt, vorzunehmen;
412. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des gemäß des Antrages zu 1. ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung in dem Sparvertrag monatlich vorzunehmen;
423. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung des Kundenzinssatzes für das Sparkonto der Parteien mit der Nummer XXX einen gleichbleibenden relativen Abstand zwischen dem Kundenzinssatz und dem Referenzzins (Äquivalenzprinzip) zu beachten;
434. festzustellen, dass der Prämiensparvertrag der Parteien mit der Nummer XXX nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.03.2020 zum 30.06.2020 beendet worden ist, sondern über den 01.07.2020 hinaus besteht;
445. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 892,02 € zu erstatten.
45Die Beklagte beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagte behauptet, die Kündigung sei von Mitarbeitern unterzeichnet worden, die vom Vorstand durch Beschluss vom 03.03.2020 hierzu beauftragt und bevollmächtigt gewesen seien.
48Sie ist der Auffassung, dass keine feste Laufzeit, sondern nur eine maximale Laufzeit vereinbart worden sei. Für die Kündigung bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein sachgerechter Grund in der drastischen Veränderung des Zinsumfelds.
49Die Beklagte behauptet, sie habe ab dem 15.07.2005 – in Reaktion auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 – der Zinsberechnung einen Referenzzinssatz zugrunde gelegt, welcher sich an der Entwicklung der Renditen diverser Bundeswertpapiere orientiere, wobei sie den gleitenden 1-Jahres-Zins mit einer Gewichtung von 20% sowie den gleitenden 10-Jahres-Zins mit einer Gewichtung von 80% berücksichtigt habe. Sie habe dabei auf den absoluten Abstand des ursprünglich vereinbarten Zinssatzes abgestellt und eine quartalsmäßige Anpassung vorgenommen. Diese Form der Zinsanpassung habe sie bei allen bestehenden Verträgen angewendet und diese Berechnungsmethode auch in den Folgejahren beim Abschluss neuer Verträge vereinbart.
50Die von den Klägern genannten Parameter seien für die Zinsberechnung ungeeignet. Die geforderte Referenzzinsreihe werde den tatsächlichen Gegebenheiten der Prämiensparverträge nicht gerecht, da die Anlageform nicht als langfristiges Investment wahrgenommen werde, sondern nach drei Jahren bereits mehr als ein Drittel der Verträge aufgelöst worden seien, nach fünf Jahren mehr als die Hälfte und nach zehn Jahren dann sogar 85,5% der Verträge. Ein absoluter Abstand werde für die Kostendeckung, Risikovorsorge und den Gewinn benötigt. Hinsichtlich des quartalsmäßigen Anpassungsintervalls habe sie sich am marktüblichen Vorgehen orientiert.
51Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die Sparer hätten jeweils mit der Zinsgutschrift nach Ablauf des Sparjahres Kenntnis von eventuellen Zinsnachzahlungsansprüchen gehabt.
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
53Entscheidungsgründe:
54Die teilweise zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
55I. Kündigung
56Der zulässige Klageantrag zu 4), welcher auf die Feststellung des Fortbestandes des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien gerichtet ist, ist in der Sache unbegründet. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2020 ist wirksam.
571.
58Zweifel an der formellen Wirksamkeit bestehen nach Auffassung der Kammer nicht. Die Beklagte geht insbesondere durch die Verwendung des typischen Briefkopfes, welcher alle Angaben zur Beklagten enthält, eindeutig als Ausstellerin der Kündigung hervor. Eine genauere Bezeichnung der unterzeichnenden Personen ist insoweit nicht erforderlich. Die Beklagte hat auch ausführlich dargelegt, dass die Kündigungsschreiben von den Herren I. T., Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation, und H. L., Leiter der Abteilung Wertpapiere und Anlagestrategien, unterzeichnet wurden und beide durch den Gesamtvorstand mit Beschluss vom 03.03.2020 beauftragt und bevollmächtigt worden waren, im Namen des Vorstandes bzw. der Beklagten die Kündigungsschreiben auszufertigen und zu unterzeichnen. Dies untermauerte die Beklagte auch noch einmal durch das als Anlage B1 angefügte Bestätigungsschreiben des Gesamtvorstandes vom 26.08.2020 (Bl. 235 d.A.).
59Auch die Regelung des § 174 Satz 1 BGB führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hiernach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Vorliegend erfolgte jedoch die Zurückweisung durch die Kläger nicht unverzüglich. Das Kündigungsschreiben wurde am 23.03.2020 ausgestellt. Die Zurückweisung der Kündigung – soweit diese überhaupt auch als Zurückweisung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde verstanden werden kann – wurde erst unter dem 06.04.2020 verfasst. Es wurden auch keine besonderen Umstände vorgetragen, aufgrund derer die Kläger nicht bereits nach einer üblichen Postlaufzeit von der Kündigung Kenntnis erlangt hätten oder an einer schnelleren Zurückweisung gehindert gewesen wären. Mehr als eine Woche – vorliegend waren es zwei Wochen – ab Kenntnis des Empfängers ist ohne Vorliegen besonderer Umstände jedoch zu lang und nicht mehr als unverzüglich einzustufen (vgl. Ellenberger, in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 174 BGB, Rn. 6 m.w.N.).
602.
61Der Beklagten stand nach dem Erreichen der höchsten Prämienstufe auch ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu. Danach können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist.
62Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wurden wirksam in den Vertrag einbezogen, § 305 Abs. 2 BGB. Der Sparkontovertrag enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 BGB. Die Kläger hatten die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Bedingungen lagen nach dem Vortrag der Beklagten in deren Geschäftsräumen aus und waren zur Verfügung durch die Kunden vorhanden. Darauf wurde auch in dem von den Klägern unterzeichneten Vertrag ausdrücklich hingewiesen. Die Kläger waren mit der Geltung der AGB durch den Abschluss des Vertrages zumindest konkludent einverstanden, § 305 Abs. 2 a.E. BGB.
63Die Klausel der Nr. 26 Abs. 1 begegnet auch keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, 2922, Rn. 34; LG Krefeld, Urteil v. 12.02.2021 – 1 S 54/20).
64Vorliegend hat die Beklagte nicht auf das ordentliche Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt - auch nicht für 30 Jahre - verzichtet. Insbesondere wurde keine feste Laufzeit im Sinne der Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbart.
65Für die Annahme eines derartigen Ausschlusses fehlt es bereits an einem Anhaltspunkt in den vertraglichen Unterlagen. Ein umfassender Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung des Prämiensparvertrages lässt sich den Vertragsunterlagen nicht entnehmen. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des Vertrags nur eine Höchstfrist vorgesehen, denn als Dauer der Vereinbarung ist eine „max. Laufzeit von 30 Jahren“ angegeben. Entgegen der Auffassung der Kläger ist damit keine feste Laufzeit von 30 Jahren vereinbart worden. Bereits dem Wortlaut „max. Laufzeit von 30 Jahren“ lässt sich eine solche Vereinbarung nicht entnehmen. Dass das Formular zur notwendigen Kontoeröffnung unter „Dauer in Monaten“ die Zahl 360 enthält, korrespondiert auch lediglich mit der maximalen Laufzeit von 30 Jahren, beinhaltet aber für sich keine vertragliche Regelung. Die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten und die Bezeichnung „Prämiensparen flexibel“ sprechen gegen eine konkrete Laufzeitvereinbarung. Eine feste Vertragslaufzeit war hier gerade nicht vereinbart. Die Angabe „max. Laufzeit von 30 Jahren“ bestimmt lediglich die maximale Vertragsdauer, ohne eine feste, für die Beklagte bindende Vertragslaufzeit festzulegen (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 12.02.2021 – 1 S 54/20, juris; AG Mülheim an der Ruhr, Urteil vom 08.06.2020 – 19 C 185/20, juris, Rn. 28; für die Formulierung „Keine Mindestvertragsdauer. Bis zu 25 Jahre Laufzeit.“ vgl. OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019 – 8 U 52/19, BKR 2019, 605, 607, Rn. 24).
66Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall nach Auffassung des Gerichts auch entscheidend von Konstellationen, in denen in Prämiensparverträgen eine konkrete Laufzeit vereinbart wurde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019 – 8 U 1770/18, NJW 2020, 620; LG Stendal, Urteil vom 14.11.2019 – 22 S 104/18, VuR 2020, 300). Eine solche Laufzeitvereinbarung mag ein ordentliches Kündigungsrecht ausschließen mit der Folge, dass eine Kündigung des Prämiensparvertrages durch die Sparkasse vor Ablauf der Laufzeit nur aus wichtigem Grund möglich ist. Eine solche Vertragsgestaltung ist jedoch vorliegend aus obigen Gründen nicht gegeben.
67Auch dem Wortlaut der Kündigungsfristbestimmung ist nicht zu entnehmen, dass eine Kündigungsmöglichkeit nur dem Sparer, nicht aber der Beklagten zustehen sollte. In Ziffer 3.1 wurde eine Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart, ohne danach zu differenzieren, wem das Kündigungsrecht zusteht.
68Das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten ist nach den vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe (Laufzeit ab 15 Jahre) ausgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Sparer einseitig bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart (vgl. LG Krefeld, Urteil v. 12.02.2021 – 1 S 54/20, juris; BGH, Urteil v. 14.05.2019 – XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, 2922). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in der Literatur Kritik an der Heranziehung des Erreichens der höchsten Prämienstaffel als Zäsurpunkt geübt wird, da sich der Vertragszweck der langfristigen Vermögensbildung hierdurch noch nicht erledigt habe (vgl. nur Stößer, BB 2018, 1223, 1225; Stößer/Oriwol, VUR 2019, 421, 424). Allerdings ist die Annahme eines zeitlich unbegrenzten Verzichts auf das Recht der ordentlichen Kündigung auch bei dem Vertragszweck des langfristigen Vermögensaufbaus nicht zwingend und auch nicht vertraglich vorgesehen (vgl. Tröger/Kelm, BKR 2019, 573, 576; vgl. LG Krefeld, Urteil vom 12.02.2021 – 1 S 54/20, juris).
69Einen darüber hinausgehenden Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts über das 15. Sparjahr hinaus bis zum 30. Sparjahr haben die Parteien dagegen nicht vereinbart. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, kann ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrages eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, 2922, Rn. 42). Im vorliegenden Fall ergibt sich nichts anderes aus dem Umstand, dass keine unbegrenzte, sondern eine auf maximal 30 Jahre begrenzte Vertragslaufzeit vereinbart wurde und der Prämienaufwand damit für die Beklagte eher absehbar und kalkulierbar war. Die vertraglichen Regelungen enthalten keine Laufzeitvereinbarung von mehr als 15 Jahren und – außer der Verankerung einer Kündigungsfrist von drei Monaten – keine Einschränkungen des Kündigungsrechts der Beklagten.
70Entgegen der Auffassung der Kläger unterscheidet sich der vorliegend zu entscheidende Sachverhalt allein dadurch von dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt, dass die Sparmöglichkeit von vorneherein auf 30 Jahre begrenzt war. Im Übrigen sind die Sachverhalte gleich.
71Die tatbestandliche Kündigungsvoraussetzung eines sachgerechten Grundes liegt vor. Ein solcher ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss. Ein solcher Umstand ist in dem veränderten Zinsumfeld zu sehen, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der Beklagten erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen (BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, 2922, Rn. 45 f.). Hiergegen hat die Klägerin auch nichts Erhebliches vorgetragen.
72Die abweichend von Nr. 26 Abs. 1 der AGB vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten wurde ebenfalls eingehalten.
733.
74Die Kündigung ist darüber hinaus nicht wegen eines groben sittenwidrigen Verhaltens bzw. widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten unwirksam. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG i.V.m. § 134 BGB ist vorliegend zu verneinen. Es liegt jedenfalls ein sachgerechter Grund vor.
75Die Beklagte ist als Anstalt des öffentlichen Rechts an Art. 3 GG gebunden (BGH, Urteil vom 05.05.2015 – XI ZR 214/14, juris), weswegen eine willkürliche Kündigung nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 134 BGB grundsätzlich nichtig ist. Dabei ist das Willkürverbot verletzt, wenn sich weder aus der Verfassung noch aus Normen, die den öffentlichen Auftrag der Bank beschreiben, ein vernünftiger, also sachgerechter Grund für eine Maßnahme finden lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 – 1 BvL 50/79). Vorliegend ist jedoch von einem sachgerechten Grund wie oben bereits dargestellt auszugehen. Soweit klägerseits ein willkürliches Auswahlverfahren hinsichtlich der ausgesprochenen Kündigungen gerügt wurde, vermochte dies nicht zu verfangen. Auch wenn es sich bei der Beklagten um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, ist es ihr nicht vollständig verwehrt, am Markt wirtschaftlich zu agieren und dahingehend strategische Entscheidungen zu treffen (vgl. BKR 2008, 177, 180). Zudem ist der Kammer aus anderen Verfahren bekannt, dass die Beklagte eine Kündigung sämtlicher Sparverträge anstrebt und – soweit dies nicht bereits geschehen ist – weitere Kündigungen nunmehr ausspricht.
76II. Zinsanpassung
771.
78Die Klageanträge zu 1) bis 3), welche auf die Feststellung der zugrunde zulegenden Konditionen bei der Zinsanpassung gerichtet sind, sind bereits unzulässig. Den Klägern fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO.
79Die Zulässigkeit der Feststellungsanträge scheitert am Vorrang der Leistungsklage (vgl. LG Bamberg, Urteil vom 18.12.2020 – 13 O 120/20 Kap, juris). Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2017 – XI ZR 183/15, juris; BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, juris, jeweils m.w.N.).
80Den Klägern ist eine Leistungsklage möglich. Sie können gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der aus seiner Sicht ausstehenden Zinsnachzahlungen geltend machen. Eine solche Leistungsklage ist den Klägern auch zumutbar. Zwar hat der Bundesgerichtshof in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen entschieden, eine Leistungsklage könne dem Kläger unzumutbar sein, wenn sein Schaden noch in der Entstehung begriffen oder nicht hinreichend bezifferbar sei, weil voraussichtlich eine Begutachtung erforderlich werde. Der Kläger solle in solchen Fällen davon entlastet werden, möglicherweise umfangreiche Privatgutachten vor Klageerhebung einholen zu müssen, um seinen Anspruch zu beziffern (BGH, Urteil vom 12.07.2005 – VI ZR 83/04; BGH, Urteil vom 21.01.2000 – V ZR 387/98). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Den Klägern ist die Bezifferung des aus seiner Sicht bestehenden Zinsnachzahlungsanspruchs ohne Weiteres möglich. Unter Zugrundelegung der von den Klägern als Feststellungsanträge zu 1) bis 3) geltend gemachten Parameter – Referenzzinsreihe, relativer Abstand, monatliche Anpassung – handelt es sich um eine übliche Zins- bzw. Zinseszinsberechnung, die beispielsweise in einem Berechnungsprogramm wie Excel ohne Probleme schnell durchgeführt werden kann. Die von den Klägern als geeignet eingestufte Zinsreihe der Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von über 9 bis 10 Jahren, welche bis Mai 2020 unter der Bezeichnung WX 4260 geführt wurde, ist öffentlich zugänglich auf der Internetseite der Deutschen Bundesbank. Auf dieser Seite besteht auch die Möglichkeit, die Werte auf einfache Art und Weise in ein Berechnungsprogramm wie Excel zu importieren, in dem dann der geforderte gleitende 10-Jahres-Durchschnitt berechnet werden kann. Darüber hinaus bietet auch ein Kreditsachverständigenbüro die Durchführung der Nachberechnung für 85,00 EUR an, was jedenfalls dem Klägervertreter aus der Zusammenarbeit mit diesem Sachverständigenbüro bestens bekannt ist.
81Zugunsten der Kläger streitet hier auch nicht der im Schadensrecht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, sofern eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, könnten die Kläger nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden, sondern dürften in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, juris, m.w.N.). Das Vertragsverhältnis wurde vorliegend aufgrund der wirksamen Kündigung zum 30.06.2020 beendet.
82Das Feststellungsziel der Kläger wird auch durch eine Leistungsklage erschöpft. Das Feststellungsinteresse der Kläger, die letztlich eine Zinsnachzahlung begehren, geht wirtschaftlich vollständig in einer entsprechenden Leistungsklage auf. Im Rahmen der Entscheidung über den Leistungsantrag bedürfte es einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Parametern, deren Feststellung die Kläger mit ihren Anträgen zu 1) bis 3) begehren.
83Die Leistungsklage tritt auch nicht zurück, weil die Beklagte als Bank die Erwartung rechtfertige, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe. Im Gegenteil könnte in Fällen wie dem vorliegenden ein den Feststellungsanträgen rechtskräftig stattgebendes Urteil zu keiner endgültigen Erledigung führen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, juris, m.w.N.).
842.
85Die Klage wäre aber ohnehin hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 1) bis 3) auch unbegründet. Die Kläger begehren mit ihren Anträgen die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den Prämiensparvertrag eine Zinsanpassung mit den von den Klägern formulierten Parametern vorzunehmen. Hierauf haben die Kläger jedoch keinen Anspruch.
86a.
87Etwaige Ansprüche der Kläger sind größtenteils bereits verjährt (vgl. LG Saarbrücken, a.a.O.; LG Bamberg, Urteil vom 18.12.2020 – 13 O 120/20 Kap; LG Coburg, Urteil vom 23.02.2021 – 11 O 496/20).
88Während der Vertragslaufzeit möglicherweise bestehende Ansprüche auf Zinsanpassung durch entsprechende Gutschrift in der Kontoführung unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB, Art. 229 § 6, § 23 EGBGB ab dem Schluss des Jahres, in dem die Gutschrift der Zinsen erfolgte, § 199 Abs. BGB. Dies führt dazu, dass die Zinsanpassungsansprüche für die Sparjahre, die bis zum 15.05.2016 geendet haben, mit der Folge des § 214 Abs. 1 BGB verjährt sind.
89(1)
90Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
91Maßgeblicher Anspruch in diesem Sinne ist der Anspruch auf Anpassung des Vertragszinses, der sich während des laufenden Sparvertrags als Anspruch auf Gutschrift darstellt. Die Gesamtfälligkeit, welche am Ende des Vertragsverhältnisses durch die Kündigung eintritt, ist keine tatbestandliche Voraussetzung des maßgeblichen Zinsanpassungsanspruchs. Durch die Kündigung entsteht kein neuer Anspruch, sondern der Zinsanpassungsanspruch, der zuvor in Form der Zinsgutschrift zu erfüllen war, muss ab Gesamtfälligkeit nur in anderer Form erfüllt werden. Es handelt sich um einen einheitlichen Anspruch. Wenn der Anspruch auf Zinsanpassung aber einmal verjährt ist, muss es bei diesem Ergebnis bleiben, auch wenn sich die konkrete Ausgestaltung dadurch ändert, dass der Sparvertrag insgesamt beendet wird (vgl. LG Saarbrücken, a.a.O.).
92Entgegen der Auffassung der Kläger widerspricht dies auch nicht den vom BGH in seinem Urteil vom 04.06.2002 – XI ZR 361/01 ausgeführten Grundsätzen, wonach gutgeschriebene und mangels Verfügung durch den Sparer der Spareinlage zugerechnete Zinsen derselben Verjährung unterliegen wie das übrige angesparte Kapital. Denn anders als in dem Urteil geht es im vorliegenden Fall nicht um die Verjährung positiv berechneter, tatsächlich gutgeschriebener Zinsen, welche dem Kapital auch tatsächlich zugeschlagen wurden, sondern um die Verjährung des jeweiligen Zinsanpassungsanspruchs (vgl. LG Saarbrücken, a.a.O.). Die vom BGH formulierten Grundsätze treffen keine Aussage darüber, wie der nachträgliche Berichtigungsanspruch im Rahmen der Zinsanpassung und in dessen Folge ein Zinsnachzahlungsbegehren, die nicht gutgeschriebene Zinsen betreffen, verjährungsrechtlich zu behandeln sind (vgl. Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2302). Die Beklagte hat nie die Auffassung vertreten, dass der Auszahlungsanspruch der tatsächlich gutgeschriebenen Zinsen verjährt sei.
93Den Ausführungen des OLG Köln in seinem Urteil vom 16.01.2008 – 13 U 27/06, wonach der Fall, dass Zinsen im Sparbuch aufgrund einer Falschberechnung zu niedrig ausgewiesen wurden, mit dem Fall eines Zinsnachforderungsanspruchs bei fehlenden Zinsgutschriften wegen Nichtvorlage des Sparbuchs gleichgestellt sei, kann die Kammer – im Anschluss an die Ausführungen des LG Saarbrücken, a.a.O. – nicht folgen. Es kommt allein maßgeblich auf die interne Kontoführung durch die Bank an (BGH, a.a.O.), während die Zinsgutschrift nur deklaratorischer Natur ist, was das OLG Köln auch selbst festhält. Es geht vorliegend aber gerade um den Anspruch auf Zinsanpassung in Abweichung von der durchgeführten Kontoführung. Der Anspruch des Sparers auf Gutschrift höherer Zinsen kann daher aus Sicht der Kammer nicht genauso behandelt werden, als wären die Zinsen in der richtigen Höhe intern gutgeschrieben und nur nicht eingetragen worden.
94Für die hiesige Auffassung spricht auch, wie bereits das LG Saarbrücken, a.a.O., anschaulich dargestellt hat, dass diese im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zum Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB steht, wonach dieser Anspruch bereits mit der Begründung der Gesamtschuld als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch entsteht und sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Insgesamt unterliegt der Anspruch – unabhängig von seiner konkreten Ausprägung – einer einheitlichen Verjährung (BGH, Urteil vom 18.06.2009 – VII ZR 167/08).
95Es widerspräche den wesentlichen Zwecken der Verjährung, welche auf den Schuldnerschutz und Rechtsfrieden gerichtet sind, wenn die Bank gegenüber dem Korrekturanspruch des Sparers in Form der Gutschrift erfolgreich die Verjährungseinrede erheben könnte, der Sparer jedoch in der Folgezeit durch Kündigung die Gesamtfälligkeit erreichen und nunmehr erneut für den identischen Zeitraum den Anspruch als Zahlungsanspruch geltend machen könnte, ohne dass die Verjährungseinrede auch hier durchgreifen würde (LG Saarbrücken, a.a.O.).
96Hierfür spricht zudem, die in Ziffer 20 g) der AGB enthaltene Regelung zur „Unverzüglichen Reklamation“, wonach Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse, Lastschriften, Kontoauszüge, Wertpapieraufstellungen oder sonstige Mitteilungen der Sparkasse sowie Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit von der Sparkasse gelieferter Wertpapiere oder sonstiger Werte unverzüglich erhoben werden müssen. Hierunter dürften wohl auch Einwendungen gegen die erfolgte Zinsanpassung, die im Sparbuch vermerkt wurde, fallen.
97Auch im Übrigen schließt sich die Kammer der überzeugenden Begründung des LG Saarbrücken, a.a.O. an. Der Auffassung des OLG Dresden in seinem Urteil vom 22.04.2020 – 5 MK 1/19 kann hingegen dementsprechend nicht gefolgt werden.
98(2)
99In subjektiver Hinsicht erfordert der Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners.
100Kenntnis verlangt nicht, dass der Gläubiger alle Einzelheiten der dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände überblickt. Ausreichend ist, dass der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet. Aus den Umständen muss für den Gläubiger ferner ersichtlich sein, dass gerade er als Anspruchsinhaber in Betracht kommt. Maßgeblich ist, ob der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen so viel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018 Rn. 28, BGB § 199 Rn. 28).
101Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018 Rn. 31, BGB § 199 Rn. 31).
102Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Unwirksamkeit der Zinsanpassung lag spätestens nach den Entscheidungen des BGH vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 und vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08 vor.
103Die Kläger kannten die vertragliche Zinsregelung in Ziffer 2.
104Jedenfalls die beiden genannten BGH-Urteile aus dem Jahr 2010, welche auf dem BGH-Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 aufbauten, enthielten eindeutige Aussagen im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel und die dadurch erforderliche ergänzende Vertragsauslegung, so dass die Kläger wissen mussten, dass die Zinsbestimmung der Beklagten nicht wirksam sein konnte (vgl. LG Saarbrücken, a.a.O.).
105Die Kläger kannten durch die Zinsgutschriften, welche jährlich nach Ablauf des Sparjahres im Mai vorgenommen werden konnten, auch die Höhe der konkreten Zinsanpassung, welche durch die Beklagte vorgenommen wurde. Selbst wenn sie die Zinsgutschriften nicht jährlich in ihrem Sparbuch hätten eintragen lassen, was aber mühelos und ohne erheblichen Aufwand möglich gewesen wäre, ist von der grob fahrlässigen Unkenntnis der Kläger ab dem Zeitpunkt der möglichen Eintragung nach Ablauf des jeweiligen Sparjahres im Mai auszugehen.
106b.
107Auch für die übrigen Jahre steht den Klägern jedoch kein Anspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte ist in diesen Jahren nicht verpflichtet, eine Zinsanpassung nach den in den Klageanträgen zu 1) bis 3) geforderten Parametern vorzunehmen.
108(1)
109Die in dem Sparvertrag enthaltene Zinsklausel ist insoweit, als sie der Beklagten eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Sie ist jedoch als Bestimmung der vertraglichen Leistungspflichten, die keiner AGB-Kontrolle unterliegt, insoweit wirksam, als die Parteien damit vereinbart haben, dass ein variabler Zinssatz gelten soll (BGH, Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03; Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; Urteil vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08; juris).
110Die Konsequenz ist also weder, dass die Zinsklausel insgesamt unwirksam wäre mit der Folge, dass der ursprünglich vereinbarte Zinssatz als fester Zinssatz für die gesamte Laufzeit gelten würde, noch dass umgekehrt die Klausel insoweit aufrechterhalten würde, dass der Beklagten danach ein Leistungsbestimmungsrecht in den Grenzen des § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt würde mit der Konsequenz, dass das Gericht nunmehr gem. § 315 Abs. 3 BGB zu überprüfen hätte, ob die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Billigkeit entspricht und ggf. selbst den Parteien eine der Billigkeit entsprechende Berechnung vorzugeben hätte. Die sich nach dem oben gesagten ergebende Lücke der vertraglichen Bestimmungen ist vielmehr im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu füllen (LG Bamberg, a.a.O.; LG Coburg, a.a.O.).
111Ergänzende Vertragsauslegung bedeutet aber gerade nicht, dass das Gericht anstelle der Parteien nunmehr die objektiv beste Lösung bestimmt, bei der die Interessen der Parteien in optimaler Weise ausgeglichen werden. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist vielmehr danach zu fragen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Zinsklausel bewusst gewesen wäre. Dabei kann der tatsächliche Wille der Parteien, soweit er feststellbar ist, nicht außer Betracht bleiben. Da eine inhaltliche Abänderung des Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht erfolgen darf, kann das, was dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien widerspricht, nicht als Inhalt ihres hypothetischen Willens gelten (BGH, Urteil vom 01.02.1984, VIII ZR 54/83; Urteil vom 22.04.1953, II ZR 143/52). Es ist also ein individueller, nicht ein gesetzgeberisch generalisierender Maßstab anzulegen. Es kommt darauf an, dass der Richter die Wertungen der Beteiligten zu Ende denkt, nicht darauf, dass er eigene setzt. Die ergänzende Auslegung ist, auch wenn sie als normative Vertragsrechtsfortbildung gedacht wird, kein Freibrief zur Vertragsgestaltung durch Gerichte (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 47).
112Lässt sich daher in dem konkreten Fall feststellen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lücke ihres Vertragswerks bewusst gewesen wäre, so ist dies grundsätzlich maßgeblich. Erst auf einer zweiten Stufe findet dann eine Prüfung statt, ob diese Vertragsgestaltung den beiderseitigen Interessen hinreichend gerecht wird. Dies bedeutet aber nicht, dass nur die Lösung maßgeblich ist, die den bestmöglichen Interessenausgleich der Parteien schafft, sondern nur dass eine Vertragsgestaltung dann nicht in Betracht kommt, obwohl sie von den Parteien tatsächlich gewählt worden wäre, wenn sie eine Partei unangemessen und unvertretbar benachteiligt und daher nicht mehr mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbar ist (LG Bamberg, a.a.O.; LG Coburg, a.a.O.).
113(a)
114Im vorliegenden Fall lassen sich nach dem Vorbringen der Parteien hinreichende Feststellungen dazu treffen, welche Vertragsgestaltung die Parteien gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Zinsklausel bewusst gewesen wäre.
115Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass sie seit der oben zitierten höchstrichterlichen Entscheidung aus dem Jahr 2004 mit der erstmals die Unwirksamkeit derartiger Zinsklauseln festgestellt wurde, für die danach neu abgeschlossenen Prämiensparverträge eine Zinsberechnung zugrunde gelegt habe, wie sie sie nun nach ihrem Vorbringen auch bei der Zinsberechnung der streitgegenständlichen Prämiensparverträge angewandt hat.
116Die Beklagte hat einschlägige Vertragsmuster vorgelegt, die entsprechende Zinsberechnungsklauseln vorsehen. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass diese Musterverträge in der Praxis nicht tatsächlich von der Beklagten angeboten wurden. Es besteht insbesondere kein Hinweis dafür, dass die vorgelegten Vertragsmuster etwa nur für diesen Rechtsstreit hergestellt wurden. Auch die Klagepartei zeigt keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, weshalb der entsprechende Sachvortrag in Zweifel gezogen werden sollte. Der Entscheidung kann somit zugrunde gelegt werden, dass die Beklagte auch der Klagepartei einen Vertragsschluss mit entsprechenden Zinsberechnungsklauseln vorgeschlagen hätte, wenn sie bereits im Jahr 1994 gewusst hätte, dass die in dem tatsächlich abgeschlossenen Vertrag enthaltene Zinsklausel unwirksam bzw. lückenhaft ist. Es besteht für das Gericht im Übrigen kein Zweifel daran, dass die Beklagte diese Berechnungsmethoden auch für die Zinsberechnung bei den mit der Klagepartei geschlossenen Verträgen angewendet hat. Auch insoweit hat die Klagepartei keinerlei Umstände aufgezeigt, die Anlass zu irgendwelchen Bedenken im Hinblick auf die Richtigkeit des Beklagtenvortrags geben könnten.
117Es ist weiter auch zu unterstellen, dass die Klagepartei den Vertrag ebenfalls so angenommen hätte. Die pauschale Angabe der Klagepartei, sie hätte den Vertrag so nicht abgeschlossen, ist nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan. Die Klagepartei hat nicht angegeben, welchen Vertrag sie anstatt des streitgegenständlichen Prämiensparvertrages abgeschlossen hätte. Eine real existierende Anlagealternative wurde nicht aufgezeigt.
118Bei den streitgegenständlichen Prämiensparverträgen handelte es sich für die Beklagte um ein Massengeschäft. Es ist daher fernliegend, dass die Beklagte sich auf Vertragsverhandlungen eingelassen und individuell abweichende Klauseln abgeschlossen hätte, wenn ein Interessent die von ihr vorgeschlagene Zinsklausel beanstandet hätte. Es ist vielmehr anzunehmen, dass in einem solchen Fall dann kein Vertragsschluss zustande gekommen wäre, wenn der Sparer letztendlich nicht bereit gewesen wäre, sich auf die von der Beklagten vorgeschlagene Zinsklausel einzulassen (LG Bamberg, a.a.O.; LG Coburg, a.a.O.).
119(b)
120Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die von der Beklagten vorgegebene Zinsklausel die Sparer unangemessen benachteiligt und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar ist (LG Bamberg, a.a.O.; LG Coburg, a.a.O.).
121Die Beklagte bezieht bei ihrer Berechnungsformel in einem erheblichen Maße auch die Zinsen für Anlagen mit kürzerer Laufzeit mit ein. Dies ist jedoch nach Auffassung des Gerichts sachgerecht.
122Die Beklagte beruft sich insoweit zu Recht darauf, dass das grundsätzlich langfristige Anlagekonzept nicht ausschließt, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Sparer die Anlage dennoch vorzeitig beendet. Die Anlage war auch durchaus auf solche Anleger ausgerichtet, denen es auch auf die Möglichkeit ankam, das angesparte Kapital kurzfristig verfügbar zu machen, wie sich daraus ergibt, dass den Sparern jederzeit das Recht zur ordentlichen Kündigung des Sparvertrags eingeräumt wurde. Die Beklagte hat ausführlich dargelegt, dass der Großteil der Sparer die Prämiensparverträge bereits lange vor Erreichen der höchsten Prämienstufe beendet. So seien nach drei Jahren bereits mehr als ein Drittel der Verträge aufgelöst worden, nach fünf Jahren mehr als die Hälfte und nach zehn Jahren dann sogar bereit 85,5% der Verträge. Dementsprechend erscheint es der Kammer nachvollziehbar und sachgerecht bei der Wahl des Referenzzinssatzes auf Zinsreihen abzustellen, denen eine kürzere Laufzeit der Wertpapiere zugrunde liegt. Durch die 80%-ige Gewichtung des 10-Jahres-Zins wurde dabei bereits trotz der zum Großteil noch deutlich früher erfolgenden Beendigung der Verträge der Schwerpunkt bereits auf recht langfristige Anlageformen als Vergleichsmaßstab gelegt.
123Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Der BGH hat in seinen Urteilen ausgeführt, dass sich der Referenzzins, dessen Veränderung Anlass und Höhe einer Zinsanpassung bestimmten, grundsätzlich an Zinsen für vergleichbare langfristige Spareinlagen zu orientieren habe. Hierbei bezog er sich jedoch auf Spareinlagen, die wegen des damit einhergehenden Verlustes der Abschlussprämie wirtschaftlich sinnvoll nicht vorzeitig gekündigt werden konnten. Dem Grundsatz kam in den vom BGH zu entscheidenden Fällen besondere Bedeutung zu, da die Sparverträge dort – anders als im vorliegenden Fall – derart ausgestaltet waren, dass das gesamte Sparguthaben jeweils in einem Betrag bei Abschluss der Sparverträge und nicht in laufenden monatlichen Raten eingezahlt worden ist bzw. die Sparer erst nach der vollen Laufzeit die volle Prämie erhielten und bei einer vorzeitigen Kündigung für das gekündigte Kapital keine oder nur eine deutlich geringere Prämie erhielten (BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; Urteil vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08; juris).
124Die tatsächliche Ausgestaltung der Prämiensparverträge im vorliegenden Fall spricht jedoch dafür, dass eine sehr langfristige Anlage wirtschaftlich nicht unbedingt die beste Option ist. Vielmehr kann hier auch eine vorzeitige Kündigung wirtschaftlich sinnvoll sein. So ist zwar die Prämie in den höchsten Prämienstufen mit 50% grundsätzlich sehr hoch. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bereits ab dem dritten Sparjahr neben den Zinsen eine Prämie bezahlt wird und die Prämien – auch in den höchsten Stufen – weiterhin nur auf den monatlichen Sparbeitrag von 200,00 DM geleistet werden und nicht auf das gesamte Sparguthaben. Das bereits angesparte Vermögen, welches im Laufe der Jahre eine beträchtliche Summe erreicht, wird bei der Prämie selbst nicht einbezogen, ist aber bei Ausschöpfung der Prämiensparverträge über viele Jahre nicht frei verfügbar. Eine vorzeitige Kündigung führt zudem nicht zu dem Verlust der bereits erzielten Prämien.
125Entgegen der Auffassung der Kläger erscheint es der Kammer darüber hinaus abwegig, davon auszugehen, dass die Parteien, hätten sie die Unwirksamkeit der Zinsklausel bereits bei Vertragsschluss im Jahre 1994 gekannt, als Referenzzins den gleitenden 10-Jahres-Durchschnitt der von den Klägern genannten Zinsreihe, welche ursprünglich unter der Bezeichnung WX4260 von der Deutschen Bundesbank geführt wurde, gewählt hätten. Da diese Zinsreihe erst im Jahr 1990 begann, ist es für die Jahre vor 2000 überhaupt nicht möglich, einen gleitenden 10-Jahres-Durchschnitt zu berechnen.
126Es ist auch nicht unbillig, dass die Beklagte eine absolute Verknüpfung herstellt. Dies gilt insbesondere auch nicht unter dem Aspekt, dass dies - theoretisch - zu einem Negativzins führen könnte. Praktisch ist der Vertrag vielmehr insoweit dahingehend auszulegen, dass bei einem rechnerischen Negativzins keine Zahlungspflicht des Sparers begründet wird, sondern lediglich der Zinsanspruch entfällt. Letzteres ist nicht unbillig, da ungünstige Zinskonditionen auch ungünstig bleiben dürfen, wenn ein variabler Zins an die allgemeinen Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt angebunden wird.
127Der gegenteiligen Auffassung des OLG Dresden in seinem Urteil vom 22.04.2020 – 5 MK 1/19 kann demgegenüber nicht gefolgt werden. Zwar ist dem OLG Dresden zuzustimmen, dass grundsätzlich die Verzinsung des Kapitals für den Anleger das wesentliche Motiv zum Abschluss eines Sparvertrags ist. Jedoch wird die Annahme eines relativen Abstands als grundsätzlich sachgerechte Vereinbarung, auf die sich beide Parteien eingelassen hätten, vom OLG Dresden maßgeblich darauf gestützt, dass durch die Verwendung eines relativen Abstands Negativzinsen vermieden würden, wohingegen dies bei einem absoluten Abstand nicht der Fall sei. Durch die Geltung der relativen Zinsanpassung könnten Sparzinsen nicht negativ werden. So führt das OLG Dresden insbesondere aus, dass die relative Zinsanpassung mathematisch durch eine Division bzw. Multiplikation erfolge und damit, anders als die absolute, bei der die Addition mit einem negativen Zinssatz negative Zinsen hervorbringen könne, einen negativen Zins sicher verhindern könne. Diesen Ausführungen kann die Kammer nicht zustimmen. Vielmehr ist es nach den mathematischen Regeln so, dass auch bei der relativen Zinsanpassung die Multiplikation des prozentualen Abstands mit einem negativen Referenzzins einen negativen Zinssatz für den Sparer ergeben würde. Die relative Zinsanpassung mag zwar bei sinkenden Zinsen für den Sparer grundsätzlich vorteilhafter sein als die absolute, da der Zinssatz für den Sparer langsamer sinkt. Sie verhindert jedoch in dem heutigen Zinsumfeld, in dem auch mögliche Referenzzinsreihen oft negativ sind, nicht einen Negativzins. Sowohl bei Verwendung eines relativen als auch eines absoluten Abstands kann ein Negativzins für den Sparer nur durch ergänzende Auslegung der Vertragsklauseln erreicht werden.
128Auch durch die Verwendung eines absoluten Abstands bei der Zinsanpassung kann das Äquivalenzprinzip gewahrt werden. Nach diesem darf die Bank das Grundgefüge eines Vertragsverhältnisses durch die Zinsänderung nicht zu ihren Gunsten verändern, sondern muss insbesondere auch für den Kunden günstige Anpassungen vornehmen (BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09). Nach Auffassung der Kammer können diese Anforderungen an die Vertragssymmetrie aber nicht nur durch einen relativen Abstand, sondern auch durch einen absoluten Abstand erfüllt werden. Hierbei werden ebenfalls die Änderungen des Referenzzinssatzes in beide Richtungen an den Kunden weitergegeben. In Zeiten steigender Zinssätze profitiert der Kunde hiervon, da sein Zinssatz aufgrund des absoluten Abstands schneller steigt, wohingegen bei fallenden Zinssätzen der absolute Abstand nachteilig für den Kunden wirkt, aber nach Auffassung der Kammer das Grundgefüge dennoch beibehält. Bei Vertragsabschluss war es für die Kunden noch nicht absehbar, dass sich das Zinsumfeld auf lange Sicht so negativ entwickeln würde, so dass es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus einer ex-ante-Sicht eine ebenso gute Chance für den Kunden gab, aufgrund zukünftig steigender Zinssätze von einem absoluten Abstand zu profitieren. Nur auf die bei sinkenden Zinsen ungünstigere Position des Sparers abzustellen, würde die erforderliche Erforschung des beiderseitigen Parteiwillens vernachlässigen, indem nur das einseitige Sparerinteresse im sinkenden Zinsumfeld berücksichtigt würde. Bei steigendem Referenzzinssatz würde die Gewinnmarge der Bank hingegen unbegrenzt ausgeweitet und damit zulasten des Kunden einseitig die Vertragssymmetrie verzerren. Der absolute Abstand ermöglicht hingegen aufgrund der Margenstetigkeit eine wirtschaftliche Refinanzierung der Bank, welche vorliegend nicht nur für die Zinsen, sondern auch für die Prämien, welche unabhängig von der Entwicklung etwaiger Referenzzinsen gewährleistet werden muss, benötigt wird, und verhindert eine unbegrenzte Ausweitung der Gewinnmarge (vgl. Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2298).
129Ebenso wenig ist es unangemessen, wenn eine Zinsanpassung erst ab einem gewissen Schwellenwert erfolgt und wenn die Zinsanpassung nicht monatlich, sondern vierteljährlich erfolgt. Es ist vielmehr auch im Interesse der Sparer, wenn Zinsanpassungen in kurzen Abständen oder auch bei bloß geringfügigen Veränderungen der Anknüpfungsparameter wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes unterbleiben, der letztlich zu Kostenerhöhungen führt, die im Endeffekt gewöhnlich auf die Bankkunden abgewälzt werden. Zudem hat der BGH in seinem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 ausdrücklich ausgeführt, dass die Parteien bei der Bestimmung der Anpassungsschwelle und des Anpassungsintervalls weitestgehend frei sind. Sie müssten nur beachten, dass für Zinssenkungen und Zinserhöhungen die gleichen Parameter verwendet würden. Diese Voraussetzungen werden durch den von der Beklagten verwendeten Mechanismus erfüllt.
130Auch aus der zwischenzeitlich von der BaFin als Maßnahme nach § 4 Abs. 1a FinDAG erlassenen Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 ergibt sich keine abweichende Beurteilung. In der Allgemeinverfügung werden die Banken lediglich dazu verpflichtet, ihre Kunden, mit denen sie ebensolche Prämiensparverträge abgeschlossen haben, über die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel sowie das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterrichten und dies zu verbinden mit entweder der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen, oder dem Angebot der Vereinbarung einer sachgerechten, die Vorgaben des BGH aus dem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 berücksichtigenden Zinsanpassungsklausel im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages. Hieraus lassen sich jedoch keine Parameter für die Zinsanpassung ableiten, die von dem oben dargestellten abweichen.
131III.
132Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren steht den Klägern mangels Hauptanspruchs ebenfalls nicht zu.
133IV.
134Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
135Der Streitwert wird auf bis 8.000,00 EUR festgesetzt.