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Der Angeklagte wird wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Die am 7. Februar 2020 sichergestellten sechs Beutel Marihuana mit 996,4 Gramm, 999,7 Gramm, 997,8 Gramm, 998,2 Gramm, 997,9 Gramm und 999,8 Gramm jeweils Nettogewicht (insgesamt 5.989,8 Gramm) werden eingezogen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahren und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 30 Abs. 1 Nr. 4, 29a Abs. 1 Nr. 2 , 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, 27, 52 StGB, 33 BtMG
Gründe:
2(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO)
3I.
41.
5(......)
62.
7Der Angeklagte, der keine Drogen konsumiert, ist bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.
8II.
91. Vortatgeschehen
10Der Angeklagte lernte L.N., der aus U. stammt, im Zeitraum 2015-2016 in einem Afro-Shop kennen. Er half N., der nur gebrochen Deutsch sprach, bei Behördenschreiben und fuhr ihn. Etwa ein Jahr lang bestand ein normales Verhältnis zwischen N. und dem Angeklagten, der ihm gerne half. N. lud ihn im Gegenzug in die Diskothek ein und zahlte die Rechnung. Mit der Zeit allerdings hielt N. die Hilfe des Angeklagten zunehmend für selbstverständlich und forderte weitere Hilfe ein, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. So verlangte er, dass der Angeklagte mit seinen Papieren Überweisungen per Western-Union nach Afrika und einmal 2.000,00 € nach Frankreich autorisierte, lieh sich 200,00 € für eine Überweisung nach Afrika und verlangte, gefahren zu werden. Der Angeklagte fuhr N. verschiedentlich auf dessen Forderung hin zu einer Autowerkstatt in J., bei der N. ein Praktikum machte. Bei einer Gelegenheit, als sich der Angeklagte weigerte, gab N. ihm eine Ohrfeige und schubste ihn. Bei einer Gelegenheit schlug N. den Angeklagten mit einem Schlagring auf die Wange, wobei sich der Angeklagte keine Verletzungen zuzog. Ansonsten bedrohte N. den Angeklagten und seine Familie, wenn er ihm nicht zur Verfügung stand. Seiner Lebensgefährtin erzählte der Angeklagte hiervon nicht, weil er vor ihr nicht als schwach dastehen wollte.
11Am 6. Februar 2020 hatte der Angeklagte Spätschicht von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Nach Arbeitsende sah er auf seinem Telefon, dass N. angerufen hatte und meldete sich zurück. N. drängte und bedrohte ihn, er müsse dringend abgeholt werden. Der Angeklagte lehnte ab, N. abzuholen, weil er müde war, mit seiner Lebensgefährtin verabredet war und zudem auch zum Sport wollte. Er besuchte für etwa eine halbe Stunde ein Fitnessstudio und ging um 1 Uhr nach einem Fernsehabend mit seiner Lebensgefährtin schlafen. Am Morgen sah er, dass N. ihm einen Ort als Treffpunkt versehen mit drei Fragezeichen mitgeteilt hatte. Seine Lebensgefährtin musste zur Arbeit und die Kinder in Schule und Kindergarten bringen. Der Angeklagte selbst plante, um 11:30 Uhr seine Tochter von der Schule abzuholen und anschließend zur Arbeit zu fahren. Der Angeklagte tankte für 50,00 € und fuhr sodann zum angegeben Ort in den Niederlanden. Als er nach einer Stunde ankam, rief er N. an. Dieser sagte, er sei schon anderweitig wieder zurückgekommen. Er habe aber seine Tasche in den Niederlanden zurückgelassen. Er werde jemanden anrufen, der ihm die Tasche vorbeibringe. Nach etwa fünf Minuten kam zu Fuß ein Mann zu dem Angeklagten, der ihm eine Tasche vor die Füße stellte. Nachdem der Angeklagte die Tasche geöffnet hatte, sah er, dass sich Marihuana in der Tasche befand und erklärte, er werde das Marihuana nicht transportieren. Der Mann rief daraufhin N. an und stellte das Telefon laut. Dabei sah der Angeklagte, dass der Mann ein Messer am Gürtel trug. N. sagte dem Angeklagten, wenn er das Marihuana nicht transportiere, werde er die Polizei anrufen und sagen, dass der Angeklagte Drogen transportiere. Zudem drohte er ihm, seiner Frau und seinen Kindern Leid zuzufügen. Daraufhin ging der Mann und ließ die Tasche zurück. Der Angeklagte nahm, auch wegen des von N. ausgeübten Drucks, die Tasche, stellte sie auf die Rücksitzbank und legte eine Jacke über die Tasche. Anschließend fuhr er nach Deutschland zurück.
122. Tatgeschehen
13Der Angeklagte, der über keine Erlaubnis im Sinne von § 3 Abs. 1 BtMG verfügte, reiste am 7. Februar 2020 gegen 9:20 Uhr über die Bundesautobahn 61 von den Niederlanden kommend im Bereich der Gemeinde O. wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde während der Fahrt nicht vom Auftraggeber N. kontrolliert, was der Angeklagte auch wusste. Auf der Rücksitzbank befand sich eine Tasche, welche mit einer Jacke abgedeckt war, in welcher sich sechs verschweißte Beutel zu 996,4 Gramm, 999,7 Gramm, 999,8 Gramm, 998,2 Gramm, 997,9 Gramm und 999,8 Gramm, insgesamt 5.989,8 Gramm, Marihuana befanden. Der Wirkstoffgehalt der einzelnen Marihuanabeutel betrug 9,8 %, 10,0 %, 9,9 %, 9,2 %, 9,8 % und 8,5 %, was einer Wirkstoffmenge von 570,6 Gramm Δ9-Tetrahydrocannabinol entsprach. Der Angeklagte wusste, dass er Marihuana transportierte und er war mit jeder unter Berücksichtigung des Umfangs der Tasche in Betracht kommenden transportierten Menge einverstanden. Das Marihuana war von N. oder einem anderen Hintermann zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt, was dem Angeklagten bewusst war. Über eine Erlaubnis zum Handel nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verfügte N. oder der andere Hintermann nicht. Der Angeklagte war in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen und dieser Einsicht entsprechend zu handeln.
14Die Polizeibeamten PHM I. und POM Q. hielten den vom Angeklagten gefahrenen Wagen mit dem Kennzeichen XX – XXXX im Bereich der Anschlussstelle C. an. Der Angeklagte zeigte seine Ausweispapiere vor und gab als Zweck seiner Reise an, er habe in Maastricht ein Auto erwerben wollen. Dem PHM I. fiel auf, dass der Angeklagte nervös wirkte und anfing zu schwitzen. Er schaute in die Fahrzeugkabine und stellte fest, dass sich auf der Rücksitzbank eine mit einer Jacke bedeckte Tasche befand. Bei der anschließenden Kontrolle wurde das in der Tasche befindliche Marihuana gefunden und sichergestellt.
153.Nachtatatgeschen
16Nach Eröffnung der Hauptverhandlung am 13. Mai 2020 machte der Angeklagte am 1. Juli 2020 gegenüber ZAR C., ZBI T. und ZOS W. Angaben dahingehend, L.N. sei der Hintermann des Transportes gewesen und berichtete ihnen über das Vortatgeschehen wie festgestellt.
17III.
181.
19Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben, die der Sachverständige in der Hauptverhandlung referierte und der verlesenen Auskunft des Bundeszentralregisters vom 1. April 2020.
202.
21Die Feststellungen zum Vortatgeschehen, zum Tatvorwurf und der Aufklärungshilfe beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, den Aussagen des Zeugen PHM I. und POM Q., dem Gutachten des Sachverständigen S., dem verlesenen Vermerk des ZOS W., dem verlesenen Wirkstoffgutachten des kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 20. April 2020 sowie den übrigen ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen.
223.
23Die Feststellungen zur uneingeschränkten Schuldfähigkeit beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen S., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie des X- Klinikums F..
24Der Sachverständige diagnostizierte beim Angeklagten eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1). Die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien erfüllt. Der Angeklagte sei mehrfach Extremsituationen ausgesetzt gewesen, als er den Tod der Mutter und die Internierung im Lager erlebte. Die Situationen seien existenzbedrohend gewesen und hätten erhebliche Traumata ausgelöst. Das Krankheitsbild der posttraumatischen Belastungsstörung sei dadurch gekennzeichnet, dass der Patient immer wieder zurück in die dramatisierende Situation versetzt werde und er in dieser verhaftet bleibe, ohne umschalten zu können.
25Die posttraumatische Belastungsstörung könne grundsätzlich unter das Eingangsmerkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung nach §§ 20, 21 StGB fallen. Es könne aber im konkreten Fall das Vorliegen des Eingangsmerkmals nicht angenommen werden, so dass folglich die posttraumatische Belastungsstörung in der konkreten Tatsituation auch nicht zu einer Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit geführt habe. Dies leitete der Sachverständige daraus ab, dass deutliche Anzeichen gegen das Vorliegen eines hochgradigen Affektzustandes zum Tatzeitpunkt sprächen. So habe der Angeklagte nach seiner Verhaftung geschwiegen und habe auf den Polizeibeamten Q. geknickt gewirkt. Dieses Verhalten spreche gegen einen hochgradigen Affektzustand, denn dieser würde beispielsweise sich in einer Tätlichkeit entladen oder zu einer Erstarrung führen. Der Angeklagte habe hingegen unauffällig weiter funktioniert. Auch die Form der Tatbegehung spreche für ein hohes Funktionsniveau, welches im Widerspruch zu einem hochgradigen Affektzustand stehe. So sei er in der Lage gewesen, Auto zu fahren und habe nach dem Anhalten durch die Polizei die Papiere vorgezeigt und angegeben, er habe in den Niederlanden ein Auto kaufen wollen. Zudem spreche die detaillierte Erinnerung des Angeklagten an das Tatgeschehen gegen einen hochgradigen Affektzustand.
26Anhaltspunkte für weitere Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB seien nicht gegeben.
27IV.
28Es liegt eine tatbestandsmäßige Einfuhr der Betäubungsmittel i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG vor. Voraussetzung für das Vorliegen einer Einfuhr ist die Verfügungsmacht des Kuriers über die Betäubungsmittel bzw. über das Fahrzeug, in dem sie verborgen sind, auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, sowie die entsprechende Kenntnis (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2002 – 2 StR 259/02 –, Rn. 4, LG Düsseldorf, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 12 KLs 34/16 –, Rn. 37). Eine solche Verfügungsmacht hatte der Angeklagte beim Grenzübertritt, denn er konnte jederzeit anhalten und die unter der Jacke versteckten Betäubungsmittel in unmittelbaren Besitz nehmen. Daher handelte er nach § 25 Abs. 1 StGB als Täter. Es bestand keine Kontrolle eines Hintermannes, der ihn an der Ausübung der Verfügungsgewalt über den Wirkstoff hätte hindern können, der Angeklagte führte in fremdem Auftrag aus eigennützigen Gründen die Betäubungsmittel nach Deutschland ein und förderte hiermit die Absatztätigkeit seines Auftraggebers.
29Es handelt sich um eine nicht geringe Menge, denn mit einem Wirkstoffgehalt von 570,6 Gramm ist der Grenzwert von 7,5 Gramm (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95 –, BGHSt 42, 1-15) um mehr als das 76-fache überschritten.
30Hinsichtlich des Vorwurfs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge liegt lediglich eine Beihilfe zum Handeltreiben gemäß §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtmG, 27 StGB vor. Ein Täterschaft begründender Tatbeitrag zum Handeltreiben konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden.
31Die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge stehen zueinander in Tateinheit im Sinne von § 52 StGB.
32Eine Rechtfertigung der Tat nach § 34 StGB oder eine Entschuldigung nach § 35 StGB wegen Nötigungsnotstand ist nicht gegeben. Für die Annahme eines solchen Notstands fehlt es am wesentlichen Überwiegen des geschützten Interesses gegenüber dem beeinträchtigen Interesse und an der Erforderlichkeit der Notstandshandlung, weil die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe hinreichende Erfolgsaussichten bot. Im Fall des Nötigungsnotstands liegt in der Regel nur dann ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses vor, wenn das angedrohte Übel ganz elementarer Art ist (Tod, schwerwiegende Gesundheits- oder Freiheitsbeeinträchtigungen) und sich bei der Notstandstat nur um ein leichtes Delikt handelt, das nicht mit Eingriffen in die körperliche Integrität oder persönliche Freiheit des Notstandsopfers verbunden ist (MüKoStGB/Erb, 4. Aufl. 2020, StGB § 34 Rn. 194). Vorliegend ist die Androhung, die Polizei zu informieren, schon kein Übel elementarer Art. Die Bedrohung der Familie ist nicht hinreichend konkret. Dies gilt auch unter der Berücksichtigung der posttraumatischen Belastungsstörung des Angeklagten, denn der Angeklagte war in der Lage, am Vortrag der Aufforderung, N. sofort abzuholen, zu widerstehen und stattdessen ins Fitnessstudio zu gehen. Zudem beging der Angeklagte auch kein leichtes Delikt, denn die Einfuhrtat wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bestraft.
33Die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe bot ausreichende Aussicht, die angedrohte Gefahr abzuwenden, was für den Angeklagten auch erkennbar war.
34V.
35Im Hinblick auf die Tat hat die Kammer gemäß § 52 Abs. 2 StGB den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, der - im Gegensatz zu §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 27, 49 StGB (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis elf Jahr und drei Monate) - eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis 15 Jahren vorsieht, angewendet.
361. Minder schwerer Fall
37Die Kammer hat geprüft, ob ein minder schwerer Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 2 BtMG vorlag und dies im Ergebnis verneint, so dass es beim zuvor genannten Strafrahmen verblieb. Auch eine Strafrahmenmilderung nach §§ 31 BtMG, 49 Abs. 1 StGB kommt dem Angeklagten nicht zu Gute. Die Regelung des § 31 BtMG verlangt, dass der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über den eigenen Tatbeitrag hinaus aufgeklärt werden konnte (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 2 StR 3/14 –, Rn. 6). Aufgrund § 31 S. 3 BtMG i.V.m § 46b Abs. 3 StGB findet die Vorschrift jedoch nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens Anwendung und die Angaben des Angeklagten erfolgten nach Eröffnung des Hauptverfahrens.
38Die Entscheidung der Frage, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, erfordert eine Gesamtbetrachtung. Er ist anzunehmen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, welches die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 531/98 –, Rn. 3; Patzak a.a.O., § 30 BtMG Rn. 162).
39Bei der in diesem Zusammenhang gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass keine hinreichende Abweichung vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle vorliegt.
40Strafmildernd war das von Reue geprägte Geständnis zu berücksichtigen, welches allerdings unter dem Eindruck einer erdrückenden Beweislage erfolgte. Zudem hat der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet, was im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 513/15 –, Rn. 3, juris). Durch seine Angaben zum Vortatgeschehen, die die Kammer als zutreffend ansieht, hat der Angeklagte einen Aufklärungserfolg herbeigeführt, indem er die Tat über seinen eigenen Beitrag hinaus aufklärte. Es war weiter zu berücksichtigen, dass die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangt sind. Zudem wirkte sich die untergeordnete Stellung des Angeklagten als Kurier zu seinen Gunsten aus und dass er von N. bedroht wurde. Die Kammer geht insofern von einer geringeren kriminellen Energie aus, auch weil der Angeklagte aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung eine geringere Widerstandsfähigkeit aufwies als ein gesunder Mensch. Weiterhin musste zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass er keinen Anteil an dem Verkaufsgewinn der transportierten Drogen hatte. Darüber hinaus ist der Angeklagte bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und befand sich als Erstverbüßer, getrennt von seiner Familie, die ihn aufgrund der Covid-19-Epidemie nicht besuchen konnte, für 7 Monate in Untersuchungshaft.
41Weiter ist zu seinen Gunsten auch zu berücksichtigen, dass es sich bei Marihuana um eine sog. weiche Droge handelt und die Droge von mittlerer Qualität bzw. niedrigeren Wirkstoffgehalt und Gefährlichkeit war.
42Strafschärfend fand Berücksichtigung, dass der Grenzwert zum Vorliegen der nicht geringen Menge ganz erheblich um mehr als das 76-fache überschritten wurde. Zudem hat der Angeklagte sich tateinheitlich einer Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
43Weiter ist zu beachten, dass im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Gründe für die Annahme eines minder schweren Falls umso gewichtiger sein müssen, je mehr die Grenzschwelle überschritten wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 531/98 –, Rn. 3). Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt die Annahme eines minder schweren Falles der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge fern.
442. Konkrete Strafzumessung
45Bei der Strafzumessung des somit verbleibenden Strafrahmens von 2 bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe hielt die Kammer unter Berücksichtigung der in § 46 StGB normierten Grundsätze und unter Abwägung aller vorgenannten strafmildernden und strafschärfenden Umstände für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von
463 Jahren und 6 Monaten
47für ausreichend, aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken zu genügen.
48VI.
49Eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist nicht anzuordnen. Der Sachverständige S. konnte bereits keinen Hang im Sinne des § 64 StGB feststellen.
50Ein Hang liegt vor, wenn der Täter eine – auf psychischer Disposition oder durch Übung erworbene – intensive Neigung hat, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren und somit eine psychische Abhängigkeit besteht, aufgrund derer er sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (Ziegler in: BeckOK StGB, 41. Ed. 1.2.2019, § 64 StGB Rn. 3 m.w.N.). Hinsichtlich Drogen scheidet ein Hang schon aus, weil der Angeklagte selbst angab, keine Drogen zu konsumieren. Bezüglich des Alkoholkonsums konnte die durch den Sachverständigen S. beratene Kammer keinen Hang feststellen, weil der Angeklagte trotz des geschilderten Konsums – eine Flasche Whiskey innerhalb von zwei Tagen getrunken – in Beruf und Alltag keine Schwierigkeiten hatte.
51VII.
52Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen, § 465 StPO.
53VIII.
54Die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel folgt aus § 33 BtMG.