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Auf die Erinnerung der Gläubigerin wird die Gerichtsvollzieherin I. angewiesen,
a) den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 00.00.0000 (00.00.00/00 - 0000.0000.0000) durchzuführen und die Schuldnerpartei zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden sowie
b) ihre Kostenrechnung vom 07.04.2022 (DR II 000/00) zu stornieren.
Gründe:(identisch für 115 M 750/22, 115 M 1209/22 und 117 M 742/22)
2I.
3Die Gläubigerin, eine Stadt, betrieb die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerpartei und beauftragte dazu – über die Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge bei dem AG Krefeld – die aus dem Tenor ersichtliche Gerichtsvollzieherin.
4Der Vollstreckungsauftrag war ohne Verwendung des Formulars „Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher/die Gerichtsvollzieherin“ in freiem Fließtext formuliert und gerichtet auf Abnahme der Vermögensauskunft. Der Vollstreckungsauftrag enthielt auch einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls für den Fall, dass die Schuldnerpartei im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erscheint oder diese ohne Grund verweigert („zur Erzwingung der Abgabe Haft anzuordnen“ in 117 M 742/22, „Erlass des Haftbefehls“ in 115 M 750/22 und „Haftbefehl und dessen Vollzug“ in 115 M 1209/22). Der Auftrag war mit einer eingescannten handschriftlichen Unterschrift versehen und wurde auf elektronischem Weg aus einem besonderen Behördenpostfach ohne qualifizierte elektronische Signatur an das AG Krefeld übermittelt.
5Die Gerichtsvollzieherin lehnte die Durchführung des Auftrages mit der Begründung ab, es sei eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.
6Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung.
7II.
8Die gemäß § 766 Abs. 2 ZPO zulässige Erinnerung ist begründet.
9Die Gerichtsvollzieherin ist anzuweisen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin durchzuführen und die Schuldnerpartei zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden. Die Ablehnung des Vollstreckungsauftrags mit der von der Gerichtsvollzieherin angeführten Begründung war unberechtigt.
10Denn der Vollstreckungsauftrag genügt den Formvorschriften. Insbesondere ist eine qualifizierte elektronische Signatur nicht erforderlich.
11Dabei ist zu unterscheiden zwischen der formgerechten Übermittlung einerseits und der Einhaltung sonstiger Formvorschriften, die für das zu übermittelnde Schriftstück gelten, andererseits. (Insoweit zutreffend AG Wuppertal, Beschluss vom 11.7.2022 – 43 M 1395/22, BeckRS 2022, 17212 Rn. 11, beck-online, wenngleich den vom AG Wuppertal daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht ohne Weiteres zuzustimmen ist.)
121.
13Aufgrund der seit dem 01.01.2022 u.a. für Behörden geltenden Pflicht zur elektronischen Einreichung hatte die Übermittlung des Vollstreckungsauftrages der Gläubigerin an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle auf elektronischem Weg zu erfolgen, §§ 753 Abs. 4, 130d ZPO. Darüber besteht zwischen Gläubigerin und Gerichtsvollzieherin auch Einigkeit.
14Das Gesetz, hier namentlich §§ 753 Abs. 4, 130a Abs. 3 ZPO, sieht für die elektronische Einreichung alternativ zwei Möglichkeiten vor:
15Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. Wortlaut des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO in der Fassung vom 5.10.2021).
16Vorliegend erfolgte die Einreichung des Vollstreckungsauftrages gemäß der zweiten Alternative, nämlich auf einem sicheren Übermittlungsweg. Denn die Übermittlung aus einem besonderen Behördenpostfach an die elektronische Poststelle des Gerichts ist ein solcher sicherer Übermittlungsweg, § 130a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ZPO, und die verfassende Person hat den Vollstreckungsauftrag auch (einfach) signiert, indem sie am Ende des Vollstreckungsauftrages namentlich benannt ist, und zwar sowohl in elektronischen Buchstaben als auch als eingescannte Unterschrift.
17Die für die elektronische Übermittlung geltende Form ist damit eingehalten.
18(Vgl. hierzu D. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 754a ZPO (Stand: 03.05.2022), Rn. 25.2: „Immer wieder übersehen wird (siehe aktuell Weber in: Hasselblatt/Sternal, Beck'sches Formularbuch Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, G. 8. Anm. 3), dass auch beim elektronischen Zwangsvollstreckungsverfahren beide Wege des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO gleichermaßen zur Verfügung stehen, also neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch die einfache Signatur in Kombination mit der Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg.“)
192.
20Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob für den Vollstreckungsauftrag als solchen – unabhängig von der Übermittlungsform – weitere Formvorschriften gelten und vorliegend eingehalten wurden.
21Dies ist gemäß § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW dann der Fall, wenn „der Vollstreckungsauftrag mit einem Antrag auf Erzwingungshaft verbunden“ wird. Dann „ist er zu unterschreiben oder mit einem Beglaubigungsvermerk zu versehen“ (vgl. Wortlaut des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW).
22Ob dieser Vorschrift durch eine – vorliegend vorhandene – eingescannte (und dann mit dem Schriftstück elektronisch übermittelte) handschriftliche Unterschrift Genüge getan ist oder zwingend eine – vorliegend nicht vorhandene – qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist, bedarf im vorliegenden Erinnerungsverfahren keiner abschließenden Entscheidung.
23Denn diese besondere Formvorschrift des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW kommt nur und erst dann zum Tragen, wenn und falls der „Antrag auf Erzwingungshaft“ im Verlauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens relevant wird, wenn und falls also die Schuldnerpartei im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erscheint oder diese ohne Grund verweigert. Dies ist vorliegend noch gar nicht der Fall und es steht auch nicht fest, ob dieser Fall überhaupt eintreten wird. Denkbar ist ja auch der gegenteilige Fall, dass nämlich die Schuldnerpartei erscheint und antragsgemäß die Vermögensauskunft abgibt. Dennoch hat die Gerichtsvollzieherin vorliegend den kompletten Vollstreckungsauftrag abgelehnt und erst gar keinen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumt.
24Diese komplette Ablehnung des gesamten Auftrages war jedenfalls nicht berechtigt. Denn für den bloßen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft sieht § 5a Abs. 4 VwVG NRW keine Unterschrift vor, sodass daraus auch nicht das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur hergeleitet werden könnte.
25Deshalb hätte die Gerichtsvollzieherin zumindest den Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft durchführen und zu diesem Zweck einen Termin dazu anberaumen und die Schuldnerpartei laden müssen. Dies gilt selbst wenn der „Antrag auf Erzwingungshaft“, d.h. der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls (und ggf. dessen bereits gleichzeitig mit beantragte Vollstreckung), an einem Formmangel litte. Ist nämlich der Vollstreckungsauftrag nur teilweise nicht ordnungsgemäß, hat der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung deswegen abzulehnen, im Übrigen aber durchzuführen (vgl. Rechtsprechung im hiesigen Bezirk: LG Krefeld, Beschluss vom 08.12.2021, 7 T 107/21 (vorgehend AG Nettetal, 5 M 292/21); sowie Musielak/Voit/Lackmann, 19. Aufl. 2022, ZPO § 753 Rn. 13; Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 753 Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher; Verordnungsermächtigung, Rn. 14).
263.
27Trotz fehlender unmittelbarer Entscheidungsrelevanz für das vorliegende Erinnerungsverfahren und zum Zwecke der Vermeidung weiterer zukünftiger Erinnerungsverfahren zu diesem Thema sei gleichwohl erwähnt, dass das Gericht eine eingescannte (und dann mit dem Schriftstück elektronisch übermittelte) handschriftliche Unterschrift als ausreichend ansieht, um das Formerfordernis des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW zu wahren. Dies aus mehreren Gründen:
28a)Die handschriftliche Unterschrift entspricht dem Wortlaut des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW.
29b)Die eingescannte handschriftliche Unterschrift entspricht dem Rechtsgedanken des § 298a Abs. 2 ZPO.
30c)Aus § 126a BGB ergibt sich diesbezüglich nicht das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur, denn diese Vorschrift ist auf die Fälle des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW nicht anwendbar. Dies bereits deshalb, weil § 126a Abs. 1 BGB seinem eindeutigen Wortlaut nach eine „gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form“ voraussetzt. Eine solche sieht § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG NRW aber gerade nicht vor, denn dort ist neben der handschriftlichen Unterschrift auch ein Beglaubigungsvermerk als genügende Form genannt.Zudem setzt § 126a Abs. 1 BGB voraus, dass die (gesetzlich vorgeschriebene) schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden „soll“. Damit ist nicht die hiervon zu unterscheidende Pflicht zur elektronischen Einreichung / Übermittlung gemeint. Ob die (gesetzlich vorgeschriebene) schriftliche Form durch die elektronische ersetzt werden „soll“, bestimmt nicht der Gerichtsvollzieher als Empfänger, sondern allenfalls der Verfasser als Absender. Ob das wiederum bedeutet, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Stadt als Gläubigerin wählen könnte, ob sie den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls („Antrag auf Erzwingungshaft“) mit einer handschriftlichen und sodann gescannten Unterschrift versieht oder stattdessen eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet, sei dahingestellt. Verlangen kann der Gerichtsvollzieher eine solche qualifizierte elektronische Signatur jedenfalls nicht.
314.
32Soweit die Erinnerung sich ausdrücklich auch gegen die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin richtet, war diese ferner anzuweisen, die Rechnung zu stornieren. Da nach dem Gesagten die Gerichtsvollzieherin nicht berechtigt war, die Durchführung des Auftrags der Gläubigerin zu verweigern, ist folglich auch die Kostenrechnung über die „nicht erledigte Amtshandlung“ nebst diesbezüglicher Auslagen zu Unrecht ergangen.
33Anlass für eine Kostenentscheidung bestand nicht, da sich die Parteien im Erinnerungsverfahren nicht kontradiktatorisch gegenüberstehen. Dem Gegner können nur dann die Kosten auferlegt werden, wenn das Erinnerungsverfahren als Zweiparteienverfahren geführt wurde. Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Gerichtsvollziehers kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil der Gerichtsvollzieher kein Erinnerungsgegner ist (vgl. BGH NJW 2004, 2979). Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners im Erinnerungsverfahren nach § 766 Abs. 2 Alt. 1 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner an dem Erinnerungsverfahren - anders als im vorliegenden Fall - beteiligt gewesen ist (vgl. LG Krefeld, Beschluss vom 08.12.2021, 7 T 107/21, mit Hinweis auf LG Münster Beschl. v. 7.11.2017 – 5 T 500/17, BeckRS 2017, 159246 Rn. 7, beck-online; LG München I Beschl. v. 27.4.2021 – 16 T 5272/21, BeckRS 2021, 33679 Rn. 11, beck-online).