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1. Eine unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Streaming-Plattform (sog. Copyright-Strike) mit dem Ziel der Blockade der Inhalte auf der Plattform ist ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des tatsächlich berechtigten Urhebers.
2. Die Rechtsprechung des BGH zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (Beschluss vom 15.7.2005 - GSZ 1/04 - NJW 2005, 3141) ist auf die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber Plattformen übertragbar.
3. Der betroffene Urheber kann von dem Einreicher der unberechtigten Urheberrechtsbeschwerde Unterlassung dieses Verhaltens verlangen.
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 18.11.2024 wird bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Der Verfügungskläger ist (…) und bekannt unter seinem Künstlernamen "B.".
3Die Verfügungsbeklagte ist ein Ende 2020/Anfang 2021 gegründetes Tonträgerunternehmen (im Branchenjargon "Label").
4Die Parteien sind der Kammer bekannt aus dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren zum Az. 14 O 354/23 (siehe Kammerurteil vom 21.12.2023 und nachfolgend OLG Köln, Az. 6 U 167/23). Dort war u.a. bereits die Kündigung des zwischen den Parteien unter dem 23.01.2021 geschlossenen Künstlerexklusivvertrag durch den Verfügungskläger gegenständlich und wurde von beiden Instanzen als wirksam und berechtigt angesehen. Der Verfügungskläger wiederholt insoweit seinen Vortrag in der Antragsschrift – auf eine tiefergehende Darstellung wird hier verzichtet und es wird auf die den Parteien und Prozessbevollmächtigten bekannten Urteile der Kammer und des 6. Senats des OLG Köln verwiesen (siehe auch Anlagen ASt 3 und 4).
5Im November 2023 führte der Verfügungskläger mit den Musikproduzenten N. E. und L. G., die gemeinsam unter dem Künstlernamen "D. Z." tätig sind, Kompositionen, Textierungen und Tonaufnahmen davon durch, bei welchen die vorliegend streitgegenständliche Aufnahme seiner Darbietungen des zuvor unveröffentlichten, neugeschaffenen deutschsprachigen Werkes "I." entstanden ist.
6Die Aufnahme wurde am 04.10.2024 durch das Tonträgerunternehmen P. C. Q. M. GmbH als Einzelaufnahme (sogenannte "Single") insbesondere auf den relevanten Streaming-Portalen (z.B. U., W. C., J., Y.) veröffentlicht.
7Am 10.10.2024, also knapp eine Woche nach Veröffentlichung, war die Aufnahme auf zwei der wichtigsten Musikstreaming-Portalen, namentlich T. C. und U., jedoch unvermittelt nicht mehr verfügbar. Weder P. C. noch das Produzentenduo "D. Z." und deren Berater - Herr K. H. von dem Unternehmen S. & F. A. GmbH (nachstehend "S.F.A. abgekürzt") - konnten sich dies zunächst erklären. In den Folgetagen fragte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers bei dem Zeugen H. wiederholt nach dem Stand der Nachforschungen von P. C. nach, da im Rahmen der Lizenzkette ein unmittelbares Vertragsverhältnis zu P. C. nur seitens des Produzentenduos "D. Z." besteht, und der Verfügungskläger insoweit kein vertraglicher Ansprechpartner für P. C. in dieser Sache war. Auch Herr H. konnte jedoch dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers eine Woche lang keine Informationen zur Ursache der Blockierungen geben.
8Erst mit einer E-Mail von Herrn H. vom 17.10.2024, 14:30h erhielten der der Verfügungskläger und sein Prozessbevollmächtigter die zuvor nur vermutete, aber nicht bestätigte Information, dass die Blockade jedenfalls bei U. auf einen "Copyright Infringement Case" zurückgehe, der von einem Mitarbeiter X. V. im Namen der R. GmbH, also der Verfügungsbeklagten, bei U. eingeleitet worden sei.
9Am Folgetag, dem 18.10.2024, leitete dann Herr H. dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers ergänzend um 16:00 Uhr eine bei Herrn H. kurz zuvor eingegangene E-Mail von P. C. weiter, die offenbar seitens U. schon am 10.10.2024 an eine E-Mail-Adresse des Konzerns P. C. ("entfernt.com") versendet worden war und deshalb innerhalb von P. C. nicht sofort zugeordnet und bearbeitet worden war.
10Diese E-Mail von U. (Anlage AST 8) lautet:
11„(…)
12We have been notified that the below content infringes intellectual property rights in one or more musical compositions. While this claim is under investigation, the content has been taken down in the following territory: WORLDWIDE.
13Claimant
14Name: X. X. V.
15Company: R. GmbH
16Claimed territory. WORLDWIDE
17Product
18Artist: B., D. Z., PF.
19UPC: N01
20Label Name: ES. LEAGUE/S.F.A.
21Title: I.
22If you believe this claim is incorrect and that you have all necessary rights to provide this content in accordance with your agreement with U., please contact the complaining party at entferntde, and notify us of the resolution.
23(…)“
24Eine Berechtigungsanfrage oder Abmahnung gegenüber dem Verfügungskläger durch die Verfügungsbeklagte erfolgte nicht.
25Der Verfügungskläger hingegen ließ die Verfügungsbeklagte am 31.10.2024 abmahnen. Eine Reaktion erfolgte nicht.
26Die Kammer erließ am 18.11.2024 ohne vorherige Anhörung der Verfügungsbeklagten eine Beschlussverfügung mit folgendem Inhalt:
27„Der Antragsgegnerin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung
28v e r b o t e n,
29sich eigener sogenannter "intellectual property rights" (Rechte an geistigem Eigentum) bezüglich Tonaufnahmen von Darbietungen des Antragstellers zu berühmen, die einer Auswertung des Antragstellers an der Musikaufnahme des Titels "I.", dargeboten von dem Antragsteller gemeinsam mit dem Produzententeam "D. Z.", entgegenstehen sollen, insbesondere wenn dies geschieht im Wege eines sogenannten "infringement of intellectual property rights claims" - der Behauptung der Verletzung eigener geistiger Nutzungsrechte - gegenüber dem Unternehmen U. wie ersichtlich in Anlage ASt 8.“
30Die Beschlussverfügung ist der Verfügungsbeklagten am 21.11.2024 zugestellt worden.
31Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 22.11.2024 Widerspruch erhoben. Dieser war zunächst nicht begründet worden.
32Mit Beschluss vom 12.12.2024 hat die Kammer den Antrag der Verfügungsbeklagten, gerichtet auf die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 18.11.2024, zurückgewiesen.
33Der Verfügungskläger behauptet, die Verfügungsbeklagte habe den „claim“ gegenüber U. in dem Wissen eingereicht, dass bei den bekannten Streaming-Plattformen auf derartige Behauptungen hin üblicherweise eine zumindest vorübergehende Blockade als Automatismus gegen eine Veröffentlichung eingeleitet wird, und in jedem Fall dadurch eine Auswertung erst einmal massiv - genau in der aufmerksamkeitsstärksten und damit wirtschaftlich relevantesten Phase direkt nach der Veröffentlichung - gestört wird.
34Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass der Künstlerexklusivvertrag (und auch sonst jegliches Vertragsverhältnis) jedenfalls seit dem 23.11.2022 (Datum der Zustellung der Kündigung wegen des "NU."-Vorganges per Einschreiben) wirksam und fristlos beendet sei.
35Er meint, dass die Verfügungsbeklagte sich angeblich bestehender Schutzrechte an Aufnahmen und/oder Kompositionen des Verfügungsklägers berühme, über welche sie allerdings tatsächlich schon aufgrund der wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigungen des Verfügungsklägers nicht verfüge. Sie störe und behindere die Ausübung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes des Verfügungsklägers als Tonträgerkünstler vorsätzlich.
36Die Passivlegitimation ergebe sich unschwer aus den Angaben der Person, die den „claim“ bei U. eingereicht hat, nämlich eines Mitarbeiters der Verfügungsbeklagten, der unter Angabe der Firma der Verfügungsbeklagten und nicht etwa im eigenen Namen gehandelt habe.
37Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers für den hier gegenständlichen Anspruch folge aus der Betroffenheit im eigenen Geschäftsbetrieb. Im Übrigen verweist er auf die Glaubhaftmachung in Anlage AST5 zu seiner Beteiligung an Werk und Aufnahme.
38Der Verfügungskläger beantragt,
39den Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 18.11.2024 zu bestätigen.
40Die Verfügungsbeklagte beantragt,
41die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 18.11.2024 zum Az. 14 O 387/24 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
42Die Verfügungsbeklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Weder habe die Verfügungsbeklagte noch das Unternehmen U. ihren Gerichtsstand in Köln.
43Sie rügt ferner die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie hätte zunächst angehört werden müssen. Der Erlass der einstweiligen Verfügung sei übereifrig gewesen.
44Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, sie sei nicht passivlegitimiert. Weder aus der E-Mail in Anlage AST 6 noch der E-Mail in Anlage AST 7 ergebe sich, dass die Verfügungsbeklagte hier etwas veranlasst habe. Der Verfügungskläger hätte sich vermutlich an U. wenden müssen, da er offensichtlich eine Veröffentlichung über U. begehre.
45Außerdem sei der Verfügungskläger nicht aktivlegitimiert. Rechte lägen üblicherweise beim Vertrieb oder Tonträgerunternehmen. Hierzu fehle es an Vortrag des Verfügungsklägers.
46Keinesfalls stehe fest, dass der Künstlerexklusivvertrag seit dem 23.11.2022 wirksam und fristlos beendet worden sei. Dies sei nur in einem einstweiligen Verfügungsverfahren angenommen worden. Eine Klärung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens stehe aus, werde aber bald anhängig gemacht. Die Verfügungsbeklagte könne weiterhin Rechte aus diesem Vertrag geltend machen. Sie habe sich deshalb nicht unberechtigt ihrer Rechte berühmt.
47Es fehle an der Wiederholungsgefahr, weil die Verfügungsbeklagte bislang nichts veranlasst habe. Sie habe insbesondere keine Blockade veranlasst.
48Die Sache sei nicht eilbedürftig, weil U. ohne irgendein Hinzutun der Verfügungsbeklagten und ohne Kenntnis von irgendeinem einstweiligen Verfügungsverfahren und ohne Druckausübung durch den Verfügungskläger eine Freischaltung vorgenommen hat. Der Verfügungskläger müsse ein Hauptsacheverfahren betreffend die Wirksamkeit seiner Kündigungen des Vertragsverhältnisses der Parteien abwarten.
49Entscheidungsgründe:
50Auf den zulässigen Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
51Der Verfügungskläger hat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO. Auch im Übrigen stehen der Bestätigung der einstweiligen Verfügung keine Umstände entgegen. Der auf Antrag des Verfügungsklägers ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde. Der Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 S. 1 BGB analog, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO.
52I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Köln gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Wie bereits in der Beschlussverfügung ausgeführt, liegt der Erfolgsort der hier gegenständlichen unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO in Form der unberechtigten Rechteberühmung durch die Verfügungsbeklagte gegenüber U. angesichts der damit bezweckten weltweiten Sperrung des online verfügbaren Musikstücks an jedem Ort, an dem das Musikstück ohne die Sperrung hätte abgespielt werden können. Demnach liegt der Erfolgsort der gerügten Rechteberühmung auch im hiesigen Gerichtsbezirk.
53Die dagegen erhobenen Einwände mit Blick auf die allgemeinen Gerichtsstände der Verfügungsbeklagten bzw. des Unternehmens, das den Dienst U. verantwortet, greifen nicht durch. Dem Verfügungskläger steht gemäß § 35 ZPO das Recht zu, den besonderen Gerichtsstand aus § 32 ZPO zu wählen.
54Im Übrigen ist der Unterlassungsantrag – wie bereits in der Beschlussverfügung ausgeführt und von der Verfügungsbeklagten nicht in Zweifel gezogen – hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das begehrte abstrakte Verbot der Rechteberühmung an dem konkret genannten Musikstück „I.“ mit einer „insbesondere“-Verknüpfung für die konkrete Verletzungsform des „Copyright-Strikes“ bei U. ist hinreichend klar abgegrenzt und lässt keine Zweifel an der Reichweite der Unterlassungspflicht.
55II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.
561. Es besteht ein Verfügungsanspruch. Dieser folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB. Die Kammer hat auch nach der Widerspruchsbegründung und der mündlichen Verhandlung keine Zweifel daran, dass die Verfügungsbeklagte in das Recht des Verfügungsklägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in rechtswidriger Weise eingegriffen hat.
57Die Kammer hat dazu in der Beschlussverfügung vom 18.11.2024 wie folgt ausgeführt:
58„a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition des Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGH Beschluss vom 15. 7. 2005 - GSZ 1/04 – NJW 2005, 3141 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).
59Nun liegt dieser Fall hier zwar mit Blick auf die beteiligten Personen anders, jedoch sind die obigen Erwägungen auch auf die hier erfolgte unberechtigte Rechteberühmung gegenüber einem Verwertungskanal des tatsächlich berechtigten Urhebers bzw. Leistungsschutzrechtsinhabers übertragbar. Denn durch den Aufstieg der Internetplattformen, die überdies regelmäßig die Anforderungen des UrhDaG erfüllen müssen, ist die Rechtebeschwerde gegenüber der Plattform, hier U., funktional mit einer Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern vergleichbar. Die Kammer beobachtet insoweit auch, dass „Copyright-Strikes“ zum Teil alleine ohne flankierende Abmahnung vorgenommen werden (vgl. zu diesem Themenkreis das Urteil der Kammer vom 22.7.2024 – 14 O 197/24, ZUM 2024, 757). Faktisch verschiebt sich damit der Fokus der Auseinandersetzungen bei Rechteberühmungen weg von den oben bereits angesprochenen hergekommenen rechtsförmlichen außergerichtlichen Schreiben (z.B. Berechtigungsanfragen und Abmahnungen) hin zur Nutzung der Beschwerdeverfahren der Plattformen. Diese „Strikes“ – seien sie bei U. oder RU. oder anderen Plattformen – zeigen oft unmittelbare Wirkung wie im vorliegenden Fall. Zur Abwendung einer eigenen Haftung der Plattform durch die Regeln des UrhDaG (siehe insbesondere § 1 Abs. 1 und 2 UrhDaG) werden dabei regelmäßig vorsorglich Inhalte blockiert. Diese „Copyright-Strikes“ sind deshalb noch erheblich effektiver als eine bloße Schutzrechtsverwarnung, weil sie durch die zu erwartende Sperrreaktion des Plattformbetreibers unmittelbar und ohne ein notwendiges Zutun der zu Unrecht abgemahnten Person Wirkungen entfalten. Demnach ist in einer unberechtigten, pauschalen und nicht nachvollziehbar begründeten Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Online-Plattform erst recht ein Verstoß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheber, Rechteinhaber bzw. Content-Creator anzunehmen.
60b) Die Antragsgegnerin hat mit ihrer aus Anlagen ASt 7 und 8 zur Akte gereichten Beschwerde gegenüber U. durch ihren Mitarbeiter X. V. eine solche unberechtigte und pauschale Urheberrechtsbeschwerde eingereicht.
61Die Antragsgegnerin verfügt nach der Glaubhaftmachung des Antragstellers (Anlage ASt 5) sowie nach dem gerichtsbekannten Sachverhalt zur Beendigung früherer Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander über keine Rechte an dem hier gegenständlichen Musikstück „I.“.
62Dabei hat der Antragsteller zunächst glaubhaft gemacht, dass das Lied „I.“ im November 2023 geschaffen und aufgenommen worden ist. Die Antragsgegnerin war dabei auch jedenfalls nicht als Tonträgerherstellerin beteiligt.
63Die Kammer nimmt im Übrigen Bezug auf ihre eigenen Ausführungen im Urteil im vorangegangenen Verfahren der Parteien vor der Kammer zum Aktenzeichen 14 O 354/23 sowie das dazugehörige Berufungsurteil des OLG Köln zum Aktenzeichen 6 U 167/23. Eine Wiederholung ist nicht geboten. Aus den Urteilen ergibt sich, dass das frühere Vertragsverhältnis Ende des Jahres 2022 durch wirksame außerordentliche Kündigung des Antragstellers beendet worden ist. Bei dieser Wertung bliebt die Kammer. Der Antragsgegnerin stehen deshalb jedenfalls für die hier gegenständlichen neuen Werke bzw. Darbietungen des Antragstellers keine Rechte zu.
64Vor diesem Hintergrund und angesichts der direkten zeitlichen Nähe der Urheberrechtsbeschwerde zur Erstveröffentlichung liegt eine Handlung mit Schädigungsabsicht vor. Wie der Antragsteller nachvollziehbar darstellt, wurden durch die Sperre bei U. die ersten Tage der wichtigen ersten Auswertungsphase des neuveröffentlichten Musikstücks behindert. Demnach dürften neben dem oben bereits bejahten Verstoß gegen § 823 Abs. 1 BGB auch die Verwirklichung von § 826 BGB anzunehmen sein, was hier jedoch nicht vertieft werden muss.“
65An diesen Ausführungen hält die Kammer weiterhin fest. Die Verfügungsbeklagte wendet gegen diese rechtlichen Ausführungen im Kern nichts ein, sodass es keiner Ergänzungen bedarf.
66Soweit die Verfügungsbeklagte der Ansicht ist, dass die Kündigungen des Verfügungsklägers betreffend den Künstlerexklusivvertrag zwischen den Parteien unwirksam sind und das entsprechende Vertragsverhältnis nicht beendet ist, so tritt die Kammer dieser Rechtsansicht der Verfügungsbeklagten weiterhin und nach erneuter Prüfung nicht bei. Folglich ist die Kündigung des Vertragsverhältnisses der Parteien zueinander, wie sie im Vorprozess vor der Kammer ausführlich behandelt worden sind, auch weiterhin als wirksam anzusehen, sodass der Kläger jedenfalls in der Zeit seit seiner wirksamen Kündigung frei neue Musik schaffen und verwerten (lassen) kann. So liegt der Fall hier. Dass das von dem „copyright claim“ bei U. betroffene Musikstück „I.“ in der Zeit nach den Kündigungserklärungen des Verfügungsklägers geschaffen worden ist, bestreitet die Verfügungsbeklagte nicht.
67Die Passivlegitimation, die die Verfügungsbeklagte in ihrem Widerspruch von sich weist, liegt nach Ansicht der Kammer vor. Unmittelbare Täterin für die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber U. ist ausweislich der zur Akte gereichten Informationen über den Einreicher der Beschwerde die Firma der Verfügungsbeklagten. Dass hier ergänzend der Name des Mitarbeiters angegeben ist, ändert daran nach Ansicht der Kammer nichts, weil die Beklagte als juristische Person zwingenderweise durch natürliche Personen handeln muss. Dabei hat der namentlich genannte Mitarbeiter auch ersichtlich im üblichen Interessenkreis der gewerblich handelnden Verfügungsbeklagten gehandelt. Ob dies – wie in der mündlichen Verhandlung nur am Rande behauptet und nicht im Protokoll festgehalten – ohne Absprache mit dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten erfolgt ist, ist im Ergebnis unerheblich, weil die Verfügungsbeklagte als arbeitsteilig organisierte GmbH nicht nur für Verhalten ihrer Organe haftet. Soweit man hier gleichwohl auf § 831 BGB als Zurechnungsnorm zurückgreifen müsste, wäre hier jedenfalls nichts zur Exkulpation vorgetragen, sodass sich auch insoweit nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand eine Haftung der Verfügungsbeklagten ergibt.
68Der Verfügungskläger hätte sich auch nicht primär (gerichtlich) an U. wenden müssen. Denn der deliktische Vorwurf einer unberechtigten Urheberrechtsbeschwerde trifft allein die Verfügungsbeklagte. Nichts anderes wird durch Antrag und Begehren des Verfügungsklägers abgebildet.
69Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers für allgemein deliktische Anspruchsgrundlagen folgt schon aus der Betroffenheit in seinen eigenen Rechtsgütern, hier primär seines eigenen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als professioneller Musiker. Außerdem ist seine hier nicht streitentscheidende urheberrechtliche Position, zumindest als einer der Ausübenden Künstler, in Anlage AST5 glaubhaft gemacht und nicht bestritten. Ob der Verfügungskläger anderweitig über seine Verwertungsrechte verfügt hat, ist für die hier gegenständliche Anspruchsgrundlage aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB unerheblich. Denn es liegt auf der Hand, dass der Verfügungskläger durch eine beeinträchtigte Erstverwertung des gegenständlichen Titels zumindest mittelbar in seinen Beteiligungsansprüchen negativ beeinflusst worden ist.
70Das Verhalten der Verfügungsbeklagten ist rechtswidrig. Es ist durch keinen rechtlich triftigen Grund gerechtfertigt.
71Die Wiederholungsgefahr für die erfolgte konkrete Verletzung ist indiziert und nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt worden. Die Abgabe einer solchen Erklärung hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich abgelehnt. Wie bereits in der Beschlussverfügung ergänzend ausgeführt, besteht auch für das begehrte abstrakte Verbot auch eine weitergehende Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Es ist unstreitig geblieben, dass eine Urheberrechtsbeschwerde mit folgender Sperre auch bei dem Musikstreamingdienst von T. erfolgt ist. Insoweit ist es nicht fernliegend, dass die Verfügungsbeklagte bei anderen neueren Titeln des Verfügungsklägers und/oder anderen Plattformen entsprechende Urheberrechtsbeschwerden einreichen könnte, wenn sie insoweit nicht zur Unterlassung verpflichtet wird. Der als konkrete Verletzungsform in Bezug genommene Vorgang bei U. ist dabei durch die „insbesondere“-Verknüpfung eine beispielhafte Ausprägung des tenorieren Verbots, auf das sich die Unterlassungspflicht jedoch nicht beschränkt. Nach den obigen Ausführungen besteht keinerlei Berechtigung der Verfügungsbeklagten – jedenfalls – an Musikstücken des Verfügungsklägers aus der Zeit nach der wirksamen Kündigung, sodass unter das abstrakt formulierte Verbot keine erlaubten Handlungsweisen fallen.
722. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Der Verfügungskläger hat dabei die Sache zunächst hinreichend dringlich betrieben. Angesichts der in Urheberrechtsstreitsachen – eine solche liegt auch hier vor (vgl. Wortlaut des § 104 Abs. 1 S. 1 UrhG) – bestehenden Interessenlage, ist der Verfügungsgrund bei zügiger Behandlung regelmäßig zu bejahen. Der Verfügungskläger hat das Verfahren zügig betrieben, insbesondere innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der konkreten Rechteberühmung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht. Insoweit hat der Verfügungskläger – unbestritten – glaubhaft gemacht, erstmals am 17.10.2024 Kenntnis von der Person erhalten zu haben, die den „Copyright-Strike“ bei U. eingereicht hat (siehe Anlagen ASt 5, 7 und 8). Dass der Verfügungskläger zuvor angesichts der gerichtsbekannten Vorgeschichte entsprechende Vermutungen angestellt hat, genügt nicht dafür, eine frühere Kenntnis vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt anzunehmen. Denn dafür ist die Frage der Passivlegitimation und der Person des deliktisch Handelnden unabdingbar.
73Es ist auch im Wege der Interessenabwägung im Einzelfall notwendig, zukünftige gleichartige Rechteberühmungen und „Strikes“ der Verfügungsbeklagten bei Internetplattformen einstweilig zu unterbinden. Das Interesse des Verfügungsklägers an einer ungestörten Werkauswertung überwiegt insoweit die aus dem Sach- und Streitstand ersichtlichen Interessen der Verfügungsbeklagten. Dem Verfügungskläger ist es nicht zumutbar auf das zeitlich erheblich länger dauernde Hauptsacheverfahren verwiesen zu werden. Dies gilt vorliegend umso mehr, weil die Verfügungsbeklagte trotz der deutlichen rechtlichen Ausführungen der hiesigen Kammer als auch des Berufungssenats wiederholt eine Feststellungsklage zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigung ankündigt und sich insgesamt als berechtigte Rechteinhaberin für das musikalische Schaffen des Verfügungsklägers ansieht. Die Kammer geht – wie bereits in der Beschlussverfügung zum Verfügungsgrund ausgeführt – davon aus, dass die Verfügungsbeklagte die fehlende Begründungsnotwendigkeit bei der Beschwerde gegenüber U. dazu genutzt hat, um die ersten Tage der Auswertung des neuen Musikstücks u.a. des Verfügungsklägers zu behindern. Auch erfolgte keine Reaktion auf die Abmahnung des Verfügungsklägers, was den obigen Befund noch bekräftigt. Die darin und auch in dem Prozessverhalten während des Widerspruchsverfahrens zum Ausdruck kommende Gleichgültigkeit gegenüber Gerichtsentscheidungen u.a. der hiesigen Kammer und die Bereitschaft den Verfügungskläger und dessen Mitmusiker zu schädigen, lassen keinen Grund erkennen, der in einer wertenden Interessenabwägung für die Verfügungsbeklagte Gewicht entfalten kann.
74III. Die durch §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Vollziehungsfrist von einem Monat ab Zustellung der einstweiligen Verfügung beim Verfügungskläger ist durch die Zustellung der Beschlussverfügung am 21.11.2024 gewahrt. Zustellungsmängel werden nicht gerügt.
75IV. Auch war die Beschlussverfügung nicht wegen eines Gehörsverstoßes der Kammer aufzuheben. Es genügt, wenn der Gegenseite vorprozessual ermöglicht wird, sich zu einer vorgeworfenen Rechtsverletzung zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass entsprechende Äußerungen dem Gericht vollständig vorliegen. Die Verfügungsbeklagte hatte nach der Abmahnung des Verfügungsklägers Kenntnis von der ihr vorgeworfenen Rechtsverletzung und reagierte hierauf nicht. Unter diesen Umständen konnte die Kammer von einer Anhörung der Verfügungsbeklagten vor Erlass der Beschlussverfügung absehen.
76Im Übrigen würde sich ein etwaiger Gehörsverstoß angesichts der nunmehr durchgeführten mündlichen Verhandlung und der damit einhergehenden umfassenden Möglichkeit zur Stellungnahme nicht mehr auf dieses Urteil auswirken.
77V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung und ist daher mit der Verkündung, auch wegen der Kosten, sofort vollstreckbar (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 925 Rn. 7).
78VI. Der Streitwert wird gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 10.000,00 EUR festgesetzt.