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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.162,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2021, weitere 27,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2022, Mahnkosten in Höhe von 30,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe 103,40 € zu zahlen.
Die Drittwiderbeklagte wird verurteilt, an den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2022 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 420,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2022 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche materiellen und zukünftigen unvorhersehbaren immateriellen Beeinträchtigungen zu erstatten, die auf die Behandlung durch die Drittwiderbeklagte zurückzuführen sind, soweit diese nicht auf Dritte am Bsp. von Sozialversicherungsträgern übergehen.
Im Übrigen werden die Klage und die Drittwiderklage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen der Beklagte zu 77 % und die Drittwiderbeklagte zu 23 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte voll. Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen der Beklagte zu 64 % und die Drittwiderbeklagte zu 36 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung seines Eigenanteils aus der zahnärztlichen Behandlung in der Praxis der Drittwiderbeklagten.
3Widerklagend nimmt der Beklagte die Drittwiderbeklagte wegen behaupteter fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung in Anspruch.
4Der 0000 geborene Beklagte befand sich im Jahr 2021 in zahnärztlicher Behandlung in der Praxis der Drittwiderbeklagten. Die Zähne 12, 11 und 22 des Beklagten waren zu Beginn der Behandlung bereits mit Kronen versehen, der Zahn 21 mit einer großen Füllung distal.
5Im Oktober 2021 wurde ein Provisorium eingesetzt. Das endgültige Einsetzen der Kronen 11, 12, 21 und 22 erfolgte zu Beginn des Monats November 2021. Zu Beginn des Jahres 2022 stellte sich der Beklagte letztmalig in der Praxis der Drittwiderbeklagten vor.
6Die Drittwiderbeklagte trat ihre Honorarforderungen gegen den Beklagten an die Klägerin ab. Der Beklagte hatte zuvor sein Einverständnis zur Abtretung der zahnärztlichen Honorarforderung an die Klägerin erklärt (Anl. K1, Bl. 7 d.A.).
7Mit Rechnung vom 18.11.2021 über die zahnärztliche Behandlung forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 3.162,96 € binnen 30 Tagen auf (Anl. K2, Bl. 8 ff. d.A.). Mit Rechnung vom 23.12.2021 über die weitere zahnärztliche Behandlung forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 27,63 € binnen 30 Tagen auf (Anl. K3, Bl. 14 ff. d.A.). Hierauf leistete der Beklagte keine Zahlungen.
8Auf die drei vorgerichtlichen Mahnungen vom 12.01.2022, 09.02.2022 und 23.03.2022 hinsichtlich der Rechnung vom 18.11.2021 und auf die zwei vorgerichtlichen Mahnungen vom 16.02.2022 und 06.04.2022 hinsichtlich der Rechnung vom 23.12.2021 erfolgten keine Zahlungen des Beklagten (Anl. K6+7, Bl. 17 ff. d.A.).
9Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.05.2022 wurde der Beklagte unter Fristsetzung bis zum 08.06.2022 letztmalig zur Zahlung der offenen Beträge aufgefordert (Anl. K8, Bl. 22 ff. d.A.).
10Die Klägerin behauptet, die zahnärztlichen Leistungen in der Praxis der Drittwiderbeklagten seien den Regeln der Kunst entsprechend erbracht und gebührenrechtlich bedenkenfrei abgerechnet worden.
11Die Klägerin beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.162,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2021, weitere 27,63 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2022, Mahnkosten in Höhe von 30,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 200,70 € zu zahlen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Der Beklagte wirft der Drittwiderbeklagten diverse Behandlungsfehler vor. Hierzu behauptet er, dass bereits das Provisorium fehlerhaft eingesetzt worden sei. Die endgültige Eingliederung sei sodann trotz fortbestehender Schmerzen erfolgt. Die Kronen wiesen einen zu hohen Transparenzgrad auf, wodurch die endodontische Verfärbung störend – insbesondere im Frontzahnbereich – durchschimmere. Außerdem zeigten die Kronen mangelhafte Randschlüsse auf. Die biologische Breite sei verletzt, wodurch eine dauerhafte Gingivitis bestehe. Die Kronenränder lägen zu tief unter dem Gingivalsaum, sodass eine Gingivoplastik mit klinischer Kronenverlängerung notwendig sei. Zudem sei fehlerhaft der gesunde Zahn 21 ohne medizinische Notwendigkeit beschliffen und überkront worden.
16Darüber hinaus erhebt der Beklagte die Aufklärungsrüge. Er sei über die Einschleifmaßnahmen und die Überkronung – insbesondere des Zahns 21 – nicht hinreichend aufgeklärt worden.
17Ferner behauptet der Beklagte, dass er unmittelbar nach Eingliederung des Provisoriums unter Schmerzen und Spannungsgefühlen gelitten habe. Auch nach Einsetzung der endgültigen Prothetik habe er unverändert an Kontaktstörungen, einer Bissempfindlichkeit, einer Überempfindlichkeit und Schmerzen gelitten. Von den Zähnen gehe seit der Behandlung ein dauerndes Druckempfinden aus. Die Zunge berühre unwillkürlich die Rückseite der Zähne, wo eine scharfe Kante zu spüren sei, weshalb die Zunge aufgerubbelt sei. Zudem habe mindestens ein Zahn eine völlig andere Färbung als die anderen Zähne. Die Kosten für die notwendige Neuversorgung beliefen sich auf 3.880,00 €. Der Beklagte ist daher der Ansicht, dass – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er Angstpatient sei – ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € angemessen sei.
18Vor dem Hintergrund der Behandlungsfehler ist der Beklagte der Ansicht, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht bestehe, da die von der Drittwiderbeklagten durchgeführte zahnärztliche Leistung für den Beklagten unbrauchbar sei. Der Vergütungsanspruch sei entfallen.
19Widerklagend beantragt der Beklagte,
201. festzustellen, dass die Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche materiellen und die nicht vorhersehbaren immateriellen Beeinträchtigungen zu erstatten, die auf die Behandlung durch die Drittwiderbeklagte zurückzuführen sind, soweit diese nicht auf Dritte am Bsp. von Sozialversicherungsträgern übergehen;
212. die Drittwiderbeklagte wird verurteilt, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zzgl. Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das nicht weniger als 5.000,00 € beträgt;
223. die Drittwiderbeklagte wird verurteilt, die Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung i.H.v. 1.019,83 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
23Die Drittwiderbeklagte beantragt,
24die Drittwiderklage abzuweisen.
25Die Drittwiderbeklagte bestreitet jegliche Fehler und Folgen. Die zahnärztliche Behandlung sei lege artis erfolgt. Es seien keine natürlichen Zähne eingeschliffen worden, sondern die Okklusion palatinal an den neuen Kronen optimiert worden, da der Beklagte angegeben habe, das Gefühl zu haben, nicht optimal auf den Seitenzähnen zubeißen zu können. Einen Austausch der Krone zur Farboptimierung habe der Beklagte abgelehnt.
26Zudem sei auch die Aufklärungsrüge unbegründet. Das Vorgehen sei eingehend mit dem Beklagten besprochen worden. Dieser habe auf die Überkronung bestanden, da ihn das unterschiedliche Aussehen der alten Restauration gestört habe. Substanzschonendere Behandlungsalternativen habe er abgelehnt.
27Die Klage wurde dem Beklagten am 11.10.2022 zugestellt. Die Drittwiderklage wurde der Drittwiderbeklagten am 09.11.2022 zugestellt. Wegen des weiteren Sachvortrags wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Parteivortrag in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen, insbesondere soweit diese nachfolgend in Klammern zitiert sind.
28Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 25.01.2023 Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten (Bl. 261 ff. d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. P. vom 19.05.2023 (Bl. 386 ff. d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 10.04.2024 Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Die Klage und die Drittwiderklage sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
31I.
32Die zulässige Drittwiderklage hat teilweise Erfolg.
331.
34Der Beklagte hat gegen die Drittwiderbeklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500,00 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 630a, 253 Abs. 2 BGB.
35Die Schadensersatzverpflichtung besteht, weil die Drittwiderbeklagte ihre ihr aus dem Behandlungsvertrag obliegenden Pflichten verletzt hat, nachdem die in ihrer Praxis durchgeführte Heilbehandlung nicht den Regeln zahnärztlicher Kunst entsprochen hat.
36Das steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest.
37Der Sachverständige Dr. P. hat in seinen schriftlichen und mündlichen Gutachten ausgeführt, dass die Behandlung des Beklagten in der Praxis der Drittwiderbeklagten nicht lege artis erfolgt sei. Die Eingliederung aller vier Kronen (11, 12, 21 und 22) sei fehlerhaft erfolgt. Trotz Einschliffs hätten alle vier Kronen noch immer einen etwas zu strammen Kontakt zu den unteren Zähnen. Radiologisch ließen sich mindestens an den Kronenrändern der Zähne 12, 21 und 22 Fehlanpassungen nachweisen. An den Kronen der Zähne 11, 21 und 22 ließen sich Fehlanpassungen an den Kronenrändern sondieren. Die biologische Breite sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nach dem Sondierungsbefund an den Zähnen 12, 11 und 21 vestibulär unterschritten. Es handele sich um einfache Fehler, da es sich insoweit um die am häufigsten vorkommenden Fehlern bei der Eingliederung von Kronen handele.
38Temporär, d.h. vom Zeitpunkt der Eingliederung am 04.11.2021 bis zum letzten Einschleiftermin am 25.11.2021, habe der Beklagte unter den folgenden Beeinträchtigungen gelitten: Schmerzen in Form von Druck und Spannungsgefühl, Überempfindlichkeit, Kontaktstörung und Bissempfindlichkeit. Es erscheine plausibel, dass die beschriebenen Beschwerden jedenfalls temporär bis zum Einschleiftermin vorhanden gewesen seien. Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 Prozent seien die Beeinträchtigungen auf die Behandlungsfehler zurückzuführen.
39Die leichte Entzündung im Bereich der mangelhaften Kronenränder der Zähne 12, 11 und 21 könne ihrerseits leichtere Schmerzen bis zum heutigen Tag verursachen. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung sei das Zahnfleisch gerötet und entzündet gewesen an den vorgenannten Zähnen. Es bestehe eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Entzündung auf die mangelhaften Kronen zurückzuführen sei. Die Rückseite der betreffenden Zähne zeige zudem Einschleifspuren und kantige bzw. wulstige Areale. Dass diese die Zunge stören könnten, sei bis zum heutigen Tag plausibel. Darüber hinaus bestehe keine einheitliche Farbgebung, die Krone 21 erscheine etwas gelblicher als die übrigen drei Kronen.
40Die vorstehend wiedergegebenen gutachterlichen Feststellungen konnte die Kammer ihrer Entscheidung uneingeschränkt zugrunde legen. Hierbei hat sie zunächst berücksichtigt, dass die fachliche Kompetenz des Sachverständigen Dr. P. unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann. Jener bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen eigenen zahnärztlichen Tätigkeit, sondern ist überdies ein umfassend erfahrener Gerichtsgutachter. Der Sachverständige hat seine Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend zu begründen vermocht. Die Grundlagen seines Gutachtens, insbesondere die von ihm eingesehenen vollständigen ärztlichen Behandlungsunterlagen, die Ergebnisse bildgebender Verfahren sowie die körperliche Untersuchung des Beklagten, hat er durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar, so dass sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang anschließt.
41Das von dem Beklagten behauptete Aufklärungsversschulden im Hinblick auf Zahn 21 ist hingegen nicht geeignet eine weitergehende Haftung der Drittwiderbeklagten zu begründen. Es kann dahinstehen, ob darüber aufgeklärt wurde, dass die Überkronung des Zahns 21 aus rein medizinischer Sicht nicht erforderlich war, durch die Schleifmaßnahmen Zahnsubstanz verloren geht und alternativ eine Veneerversorgung möglich wäre.
42Denn die Kammer ist schon nicht davon überzeugt, dass der Beklagte sich in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt befunden hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass eine Veneerversorung zwar mit einem geringeren Substanzverlust verbunden gewesen wäre, jedoch eine kürzere Haltbarkeit aufweise. Zudem sei es schwieriger mit einem Veener die Farbe der übrigen Zähne zu treffen. Dies gelte insbesondere für den Fall des Beklagten, der vier Kronen erhalten habe. Schließlich sei eine Veneerversorgung auch teurer als eine Kronenversorgung, wenn auch nur 5 %. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer es nicht für glaubwürdig, dass dem Beklagten – wie in seiner persönlichen Anhörung geschildert – sowohl die geringere Haltbarkeit der Veneers als auch die höheren Kosten sowie die unterschiedliche Farbgebung egal gewesen wären, da es ihm einzig auf den Substanzverlust angekommen sei. Dies zum einen, da der Beklagte auch für die Zähne 11, 12 und 22 eine Kronenversorgung gewählt und somit den Substanzverlust an gleich drei Zähnen in Kauf genommen hat. Zum anderen rügt der Beklagte gerade die unterschiedliche Farbgebung der Krone 21 verglichen zu den übrigen Zähnen, sodass es ihm offenbar doch auf eine einheitliche Farbgebung ankommt, was – gerade im Frontzahnbereich – nachvollziehbar erscheint.
43Unabhängig davon würde ein geringfügig höherer Zahnsubstanzverlust nicht zur Zubilligung eines höheren Schmerzensgelds führen, sodass sich ein etwaiger Aufklärungsfehler auch wirtschaftlich nicht auswirkt.
44Bei der konkreten Bemessung des dem Beklagten zuzusprechenden Schmerzensgeldes hat die Kammer einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € als zum Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigungen notwendig, aber auch angemessen und ausreichend erachtet.
45Hierbei hat sie als schmerzensgelderhöhende Faktoren insbesondere in ihre Beurteilung einbezogen, dass der Beklagte jedenfalls temporär an Schmerzen, Kontaktstörungen und einer Bissempfindlichkeit litt. Zudem hat die Kammer berücksichtigt, dass der Beklagte sich einer umfangreichen prothetischen Neuversorgung unterziehen muss, da die vier streitgegenständlichen Kronen ausgetauscht werden müssen.
46Vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige Dr. P. die vor der prothetischen Neuversorgung durchzuführende chirurgische Kronenverlängerung wie auch die Gingivoplastik nicht auf die Behandlungsfehler zurückführt, sondern als ohnehin erforderliche Maßnahmen qualifiziert, war ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € jedoch auch ausreichend.
47Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit dem 10.11.2022 begründet.
482.
49Daneben war die begehrte Feststellung der Ersatzpflicht bereits entstandener und künftig noch entstehender Schäden auszusprechen. Dass die diesbezügliche Schadensentwicklung vollständig abgeschlossen ist, steht nicht sicher fest. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Beklagten folgt aus dem Umstand, dass die Verjährung der dem Beklagten zustehenden Schadensersatzansprüche droht.
503.
51Der Beklagte kann außerdem den Ersatz seiner Rechtsanwaltskosten verlangen, die sich aus einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € sowie der Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG von 19 % ergeben. Obsiegt hat der Beklagte aus einem Streitwert von 2.017,06 € (1.500,00 € + dem vom Beklagten mit 517,06 € bewerteten Feststellungsantrag), sodass sich vorprozessuale Gebühren in Höhe von 420,07 € ergeben.
52Zinsen schuldet die Drittwiderbeklagte gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit dem 10.11.2022.
53II.
54Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
551.
56Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.190,59 € gemäß § 630a Abs. 1 i.V.m. § 398 BGB.
57Der Beklagte und die Drittwiderbeklagte haben einen Behandlungsvertrag über eine prothetische Zahnbehandlung wirksam geschlossen.
58Die Drittwiderbeklagte hat die streitgegenständlichen Leistungen erbracht und ihren Honoraranspruch an die Klägerin wirksam abgetreten. Die Klägerin hat die zahnärztlichen Leistungen mit den Rechnungen vom 18.11.2021 und 23.12.2021 ordnungsgemäß gegenüber dem Beklagten abgerechnet.
59Der Honoraranspruch besteht in Höhe der abgerechneten 3.190,59 € (3.162,96 € + 27,63 €). Nach den Ausführungen des Sachverständigen – dem die Kammer auch insoweit folgt – ist die eingebrachte Prothetik jedenfalls eingeschränkt brauchbar und noch vollständig inkorporiert.
60Die – nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. tatsächlich gegebene – eingeschränkte Brauchbarkeit der prothetischen Leistungen der Drittwiderbeklagten führt nicht zum Wegfall des Vergütungsanspruchs der Klägerin.
61Denn der ärztliche Behandlungsvertrag hat einen dienstvertraglichen Charakter, so dass der Arzt keinen bestimmten Behandlungserfolg schuldet, sondern eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung (BGH NJW 1975, 305). Da das (werkvertragliche) Gewährleistungsrecht keine Anwendung findet, hat der Patient grundsätzlich auch eine behandlungsfehlerhafte ärztliche Leistung zu vergüten.
62Der Honoraranspruch entfällt indes dann, wenn die Behandlung aufgrund eines Behandlungsfehlers für den Patienten völlig unbrauchbar und damit wertlos ist und die Erfüllung des Vertrages für ihn somit ohne jedes Interesse ist (OLG Hamm Urt. v. 02.11.2005, 3 U 290/04; OLG Zweibrücken OLGR 2002, 170; OLG Düsseldorf OLGR 2001, 183; OLG Hamburg MDR 2001, 799; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 401; OLG Frankfurt VersR 1996,1150; OLG Köln VersR 1987, 62; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.02.2009, 1 U 52/08, Rn. 43).
63Anerkannt ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings, dass prothetische Leistungen – wie sie hier von den streitgegenständlichen Rechnungen erfasst sind – nur dann als unbrauchbar in dem Sinne, dass das zahnärztliche Honorar nicht gezahlt werden müsste, zu beurteilen sind, wenn die erbrachte prothetische Versorgung für den Patienten aufgrund von Behandlungsfehlern völlig unverwendbar ist und er diese Versorgung auch weder tatsächlich noch wirtschaftlich nutzt. Ein vollständiger Interessenwegfall bzw. die völlige Unbrauchbarkeit der Dienstleistung liegt hingegen nicht vor, wenn der Patient die Leistung tatsächlich jahre- oder monatelang nutzt (OLG Dresden, Urt. v. 23.05.2018 – 4 U 252/18). Dabei spielt es auch grundsätzlich keine Rolle, aus welchem Grund der Patient die medizinisch unbrauchbare Versorgung noch trägt, selbst wenn dies nur aus Gründen der Beweissicherung oder aus finanziellen Gründen der Fall ist; dies gilt selbst dann, wenn der Verbleib der Prothetik für den Patienten mit Beeinträchtigungen verbunden ist (OLG Köln, Beschl. v. 30.03.2015, Az. 3 U 139/14; Beschl. v.19.10.2015, Az.: 5 U 44/15).
64Da der Beklagte die vier streitgegenständlichen Kronen – so der Sachverständige Dr. P. – noch trägt, liegt jedenfalls seit November 2021 eine fortdauernde wirtschaftliche Nutzung der zahnärztlichen Leistungen der Drittwiderbeklagten vor, was den Fortbestand des Vergütungsanspruchs der Klägerin mit sich bringt.
65Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist seit dem 19.12.2021 bzw. 24.01.2022 gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet. Der Beklagte ist gemäß § 286 Abs. 3 BGB in Verzug geraten, da er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung vom 18.11.2021 bzw. vom 23.12.2021 geleistet hat, obwohl er auf diese Folgen in den Rechnungen besonders hingewiesen worden ist.
662.
67Die Klägerin kann außerdem den Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 103,40 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB verlangen, da sich der Beklagte im Verzug befindet.
68Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ist, dass der Schuldner bei der gebührenauslösenden Tätigkeit des Anwalts bereits im Verzug war. Zudem müssen die entstandenen Kosten aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sein. Die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung sind nicht zu erstatten, da sie nicht durch den Verzug verursacht worden sind und die nicht rechtzeitige Leistung nach § 280 Abs. 2 BGB nur unter den Voraussetzungen des Verzugs eine Schadensersatzpflicht auslöst (Grüneberg, in: Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 286 Rn. 44).
69Als die gebührenauslösende Zahlungsaufforderung des Anwalts der Klägerin vom 25.05.2022 erstellt wurde, befand sich der Beklagte bereits im Verzug mit der Zahlung auf die streitgegenständlichen Rechnungen vom 18.11.2021 bzw. 23.12.2021. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen.
70Seiner Zahlungspflicht ist der Beklagte trotz Möglichkeit nicht nachgekommen. Das Vertretenmüssen des Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
71Obsiegt hat die Klägerin aus einem Streitwert von 3.190,59 €, sodass sich die vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 103,40 € aus einer 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € ergeben. Bei den vorgerichtlichen Mahnschreiben handelt es sich um einfache Schreiben im Sinne der Nr. 2301 RVG-VV. Anders wäre dies nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann zu beurteilen, wenn die Schreiben umfangreiche rechtliche oder sachliche Ausführungen zum Einzelfall enthielten oder einem einfachen Schreiben im jeweiligen Einzelfall konkrete umfangreiche und schwierige rechtliche Überlegungen vorausgegangen sind, was hier nicht der Fall ist, womit allenfalls eine 0,3 Gebühr für den einzelnen Mahnfall anfällt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 14.03.2019 – 4 StR 426/18; OLG Hamm, Beschl. v. 31.10.2005 – 24 W 23/05).
72Schließlich hat die Klägerin auch Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Mahnkosten in Höhe von 30,00 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB, da sich der Beklagte bereits im Verzug befand, als die Klägerin ihn mit Schreiben vom 12.01.2022, 09.02.2022 und 23.03.2022 bzgl. der Rechnung vom 18.11.2021 sowie mit Schreiben vom 16.02.2022 und 06.04.2022 bezüglich der Rechnung vom 23.12.2021 zur Zahlung anmahnte. Die Mahnkosten in Höhe von 30,00 €, die zur Durchsetzung und Wahrnehmung der Rechte der Klägerin erforderlich und zweckmäßig waren, stellen einen ersatzfähigen und kausalen Verzögerungsschaden dar.
73III.
74Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
75Der Streitwert wird auf 8.707,65 EUR (3.190,59 € (Klage) + 5.517,06 € (Drittwiderklage)) festgesetzt.