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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bedingungsgemäß Deckung im Rahmen der Architektenhaftpflichtversicherung zur Versicherungsscheinnummer N01 für die im Klageverfahren vor dem LG Frankfurt, Az. 2-20 O 169/22 seitens der WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I., gegen den Kläger geltend gemachten Schadensfälle zu gewähren.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Feststellung, der beklagte Haftpflichtversicherer müsse ihm Deckungsschutz für gegen ihn gerichtete Schadensersatzansprüche, die aufgrund von Feuchtigkeits- und Schimmelschäden erhoben und in einem Klageverfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Az:.2-20 O 169/22) geltend macht werden, gewähren.
3Der Kläger war freiberuflicher Architekt und unterhielt bei der Beklagten eine Berufs- und Haftpflichtversicherung. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Stand 07/03 (Bl. 567 GA) sowie die Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren, Stand 01/03 (Bl. 591 GA, im Folgenden “BBH“), zugrunde.
4In den AHB ist u.a. vereinbart:
5§ 5 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, Verfahren
61. Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadenereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte.“ (…)
73. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unter Beachtung der Weisungen des Versicherers nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadenfalls dient, sofern im dabei nichts Unbilliges zugemutet wird. Er hat den Versicherer bei der Abwehr des Schadens sowie bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen, ihm ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten, alle Tatumstände, welche auf den Schadenfall Bezug haben, mitzuteilen und alle nach Ansicht des Versicherers für die Beurteilung des Schadenfalls erheblichen Schriftstücke einzusenden. (..)
8§ 6 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
9I. Wird eine der in § 5 genannten Obliegenheiten oder eine andere im oder nach dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz, es sei denn, er hat die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Bei grob fahrlässiger Verletzung behält der Versicherungsnehmer insoweit seinen Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat. Bezweckt die verletzte Obliegenheit die Abwendung oder Minderung des Schadens, behält der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz bei grober Fahrlässigkeit insoweit, als der Umfang des Schadens auch bei Erfüllung der Obliegenheit nicht geringer gewesen wäre. Bei vorsätzlicher Verletzung behält der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft.
10In den BBH ist u.a. vereinbart:
11A. I. Gegenstand der Versicherung
121. Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers für die Folgen von Verstößen bei der Ausübung der im Antrag/Versicherungsschein beschriebenen Tätigkeit.“ (…)
13A. II. Beginn, Ende und Umfang des Versicherungsschutzes
141. Der Versicherungsschutz umfaßt Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden, sofern sie dem Versicherer nicht später als fünf Jahre nach Ablauf des Vertrages gemeldet werden.
15Die Versicherungssumme betrug bis zu 300.000 € pauschal für Sach- und Vermögensschäden. Ferner vereinbarten die Parteien eine Selbstbeteiligung von 2.500 € pro Schadenfall vereinbart. Mit Schriftsatz vom 11.01.2018 (Bl. 557 GA) kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung, da der Kläger mit der Zahlung der Versicherungsprämien in Verzug war.
16Am 04.11.2014 schloss der Kläger – was von der Beklagten insgesamt mit Nichtwissen bestritten wird – einen als „Baubetreuungsvertrag“ bezeichneten Architektenvertrag mit der V. P. GmbH für den Neubau von drei Mehrfamilienhäusern einschließlich einer Tiefgarage in 61348 I., U.-straße 78, der am 06.07.2015 im Wege eines Nachtrags ergänzt wurde. Die V. P. GmbH war als Bauträger tätig und teilte das Objekt in Wohnungseigentum und veräußerte die einzelnen Wohneinheiten an die jeweiligen Erwerber. Aus den Erwerbern entstand die Wohnungseigentümergemeinschaft U.-straße 78, 78a, 78b in 61348 I., wobei die V. P. GmbH ihre Nacherfüllungsansprüche gegen den Kläger an die Erwerber abtrat – wobei die Abtretung der V. P. GmbH an die Erwerber von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird.
17Im Rahmen einer abschließenden Begehung des Gemeinschaftseigentums am 05.09. und 06.09.2018 stellte der Kläger gemeinsam mit dem Bauträger und Vertretern der Erwerber verschiedene Mängel an dem Bauobjekt fest. In der Folgezeit kündigte die eingesetzte Hausverwaltung im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche gegen den Kläger an. Der Kläger zeigte am 08.04.2020 den Versicherungsfall gegenüber der Beklagten an. Mit Schreiben des Landgerichts Frankfurt vom 21.10.2021 wurde der Kläger über die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen ihn und den Bauträger in Kenntnis gesetzt. Hierüber informierte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2021.
18Mit Schreiben vom 27.12.2021 (Anlage RSG 15, Bl. 149) teilte die Beklagte mit, dass sie eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes für das selbständige Beweisverfahren für nicht erforderlich halte, die Vertretung des Klägers in ihrer Funktion als Haftpflichtversicherer wahrnehme und bat den Kläger um die Vorlage verschiedener Unterlagen und Informationen, insbesondere der Beurteilung der Verantwortlichkeiten und einer Bewertung der Beweisfragen unter Fristsetzung bis zum 20.03.2022. Mit Schreiben vom 08.03.2022 erinnerte die Beklagte den Kläger an das Schreiben vom 27.12.2021, wobei der Inhalt dieses Schreibens (Anlage BLD 3 und RSG 31) zwischen den Parteien streitig ist. Eine Rückmeldung des Klägers zu dem Schreiben vom 27.12.2021 erfolgte nicht.
19Nach Gutachtenerstellung im selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Frankfurt forderte die Wohnungseigentümergemeinschaft den Kläger mit Anwaltsschreiben vom 27.07.2022 zur Zahlung und Erklärung der Mängelbeseitigung auf. Dieses reichte der Kläger der Beklagten mit E-Mail vom 09.08.2022 weiter. Mit Schreiben vom 10.08.2022 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht unter Hinweis einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ab. Nachdem der Sachverständige Dipl.-Ing. F. ein Ergänzungsgutachten am 07.09.2022 erstellt hatte, erhob die Wohnungseigentümergemeinschaft am 01.11.2022 Klage gegen den hiesigen Kläger. In dem Klageverfahren vor dem Landgericht Frankfurt (2-20 O 169/22) wird dem Kläger ein Verstoß gegen seine Pflichten als Baubetreuer vorgeworfen, die im Zusammenhang mit Mängeln an der Gebäudeabdichtung stehen, die im Juni 2016 von den ausführenden Unternehmen abgeschlossen wurden.
20Der Kläger behauptet, er habe die einzelnen Unternehmer zur Nachbesserung der festgestellten Mängel aufgefordert.
21Er meint, eine kausale Obliegenheitsverletzung liege nicht vor. Er habe auf das Schreiben vom 27.12.2021 nicht reagieren müssen, da er keine Ergänzungen zu dem Beweisbeschluss hatte und auch die potenziellen Unternehmer nicht habe benennen können. Im Übrigen sei eine wirksame Streitverkündung nach dem selbstständigen Beweisverfahren möglich. Ferner fehle es an einer wirksamen Belehrung und auch die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen seien unwirksam.
22Der Kläger beantragt,
23festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bedingungsgemäß Deckung im Rahmen der Architektenhaftpflichtversicherung zur Versicherungsscheinnummer N01 für die im Klageverfahren vor dem LG Frankfurt, Az. 2-20 O 169/22 seitens der WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I., gegen den Kläger geltend gemachten Schadensfälle zu gewähren.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie wirft dem Kläger eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor und meint, dass sie aufgrund dieser Pflichtverletzung leistungsfrei sei. Der Kläger habe vorsätzlich, hilfsweise grob fahrlässig, gegen seine Aufklärungsobliegenheiten verstoßen, da er die mit Schreiben vom 27.12.2021 angeforderten Informationen und Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist hat zukommen lassen. Der Kläger sei auch mit Schreiben vom 27.12.2021 und vom 08.03.2022 ordnungsgemäß über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt worden. Die Obliegenheitsverletzung sei auch kausal geworden, da zwischenzeitlich ein Ortstermin durchgeführt und ein Gutachten erstellt worden sei. Ferner seien Streitverkündungen erst verspätet ausgesprochen worden. Des Weiteren hätte noch Einfluss auf die Beweisfragen im selbstständigen Beweisverfahren genommen werden können oder es hätten noch Ergänzungsfragen gestellt werden können. Der Kläger habe insgesamt wesentliche Informationen nicht an die Beklagte weitergeleitet.
27Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlage verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist begründet.
30I. Die Beklagte ist nach dem Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherungsvertrages vertraglich verpflichtet, dem Kläger bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
31In der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gem. § 100 VVG verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Der Haftpflichtversicherungsschutz besteht damit unabhängig davon, inwieweit die gegen den Versicherungsnehmer erhobenen Ansprüche begründet sind. Soweit der Versicherungsnehmer zu Unrecht in Anspruch genommen wird, ist der Versicherer verpflichtet, diese Ansprüche für den Versicherungsnehmer abzuwehren. Demgemäß umfasst der Versicherungsschutz der klägerischen Haftpflichtversicherung nach Ziffer 3.1 AHB die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche und die Freistellung des Versicherungsnehmers von berechtigten Schadenersatzansprüchen (OLG Hamm, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – I-20 U 157/15)
32Entsprechend dieser Grundsätze hat der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz durch die Beklagte, da der Kläger von der WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I. in einem Klageverfahren vor dem LG Frankfurt (Az.: 2-20 O 169/22) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
331. Für die von der WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I. geltend gemachten Schadensereignisse besteht Versicherungsschutz, da der Versicherungsfall in versicherter Zeit, mithin während der Vertragslaufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten ist. Der Versicherungsfall im Sinne des zwischen den Parteien vereinbarten Vertrages ist nach § 5.1 AHB das Schadenereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte. Der Versicherungsschutz umfasst dabei gemäß Ziffer A.II.1 BBH Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden, sofern sie dem Versicherer nicht später als fünf Jahre nach Ablauf des Vertrages gemeldet werden. Für die zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes kommt es dementsprechend darauf an, wann die Handlung oder Unterlassung begangen worden ist, für die der Versicherte von dem Dritten in Anspruch genommen wird (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1980 – IVa ZR 32/80). Im vorliegenden Fall ist darauf abzustellen, wann der Kläger gegen seine Pflichten aus dem Baubetreuungsvertrag verstoßen haben soll. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist danach die Behauptung der WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I., wonach der Kläger seine Pflichten aus dem Baubetreuungsvertrag bereits bei Ausführung der Arbeiten an der Gebäudeabdichtung verletzt haben soll. Diese Abdichtungsarbeiten erfolgten bereits im Juni 2016, mithin in versicherter Zeit. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.01.2018 ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages, sowie ein etwaiger Verzug des Klägers mit Beitragszahlungen für die Zeit bis zum 01.01.2018 entfaltet aus den genannten Gründen keine für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Wirkung.
342. Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat, dass der Kläger am 04.11.2014 mit der Firma V. P. GmbH einen Baubetreuungsvertrag abgeschlossen hat und die Firma V. P. GmbH ihre Nacherfüllungsansprüche gegen den Kläger an die WEG U.-straße 78, 78a, 78b, I. abgetreten hat, kann dies ebenfalls dahinstehen. Denn entsprechend der dargestellten Grundsätze ist der Versicherer auch zur Leistung von Versicherungsschutz verpflichtet, soweit es sich um die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen handelt. Der Einwand des nicht abgeschlossenen Baubetreuungsvertrages oder der fehlenden Abtretung von Nacherfüllungsansprüchen kann daher von der Beklagten nur im zugrundeliegenden Haftpflichtprozess, jedoch nicht im vorliegenden Deckungsprozess, geltend gemacht werden.
353. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist sie nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß § 6 I. AHB von der Leistung befreit. Dabei kann bereits dahinstehen, ob der Kläger seine Auskunftsobliegenheit gemäß § 5 Nr. 3 AHB verletzt hat, da einer Leistungsfreiheit jedenfalls die Unwirksamkeit der Sanktionsregelung des § 6 I. AHB entgegensteht. Denn § 6 Ziffer I. AHB weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Neuregelung des § 28 VVG ab und ist gemäß § 32 Satz 1 VVG n.F. i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rechtsfolgenregelung in § 6 Ziffer I. AHB beruht auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG (a.F.). Dass die Beklagte von der ihr durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG eröffneten Anpassungsmöglichkeit Gebraucht gemacht hat, ist nicht ersichtlich. Die Regelung des § 28 VVG n.F. ist anwendbar, da der Versicherungsfall im Jahr 2016 eingetreten ist. Die Regelung des § 6 Ziffer 1 AHB weicht jedoch entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der halbzwingenden Regelung des § 28 Abs. 2 bis 4 VVG ab. Das gilt nicht nur für die Rechtsfolgen einer grob fahrlässigen, sondern auch für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2014 – IV ZR 58/13 – für eine nahezu identische Regelung).
36Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 08.03.2022. Diesbezüglich kann bereits dahinstehen, in welcher Version das Schreiben vom 08.03.2022 übermittelt worden ist (vgl. Bl. 528 und 603 GA). Denn auch das von der Beklagten (angeblich) übersendete Schreiben vom 08.03.2022 (Bl. 603 GA) verweist auf die unwirksame Regelung des § 6 AHB und nimmt auf diese Regelung Bezug. Eine wirksame Belehrung des Klägers fand dementsprechend nicht mit Schreiben vom 08.03.2022 statt. Selbiges gilt für das Schreiben vom 27.12.2021, das gleichfalls auf die unwirksame Regelung des § 6 AHB Bezug nimmt.
374. Des Weiteren liegt – wobei es hierauf nicht in entscheidungserheblicher Weise drauf ankommt – eine Obliegenheitsverletzung des Klägers nur hinsichtlich des Auskunftsbegehrens der Beklagten in Bezug auf die für die Mängel verantwortlichen Firmen vor. Der Kläger hat bezüglich dieser Obliegenheitsverletzung jedoch den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 VVG geführt, mit der Folge, dass die Beklagte zur Leistung verpflichtet bleibt.
38a) Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2021 den Kläger um Auskunft und um Prüfung gebeten hat, ob der Antrag auf Einleitung des Verfahrens den Sachverhalt korrekt wiedergebe, ob aus technischer Sicht die Fragestellungen ausreichend oder ob Ergänzungen erforderlich“ seien, liegt in der fehlenden Rückmeldung des Klägers keine Obliegenheitsverletzung vor. Denn der Kläger hat dargelegt, dass der Sachverhalt aus seiner Sicht korrekt wiedergebeben wurde, die Fragestellungen ausreichend waren und Ergänzungen nicht erforderlich gewesen sind. Eine Rückmeldung hatte dementsprechend nicht zu erfolgen. Insofern hat der Kläger zutreffend darauf abgestellt, dass die Beklagte nur zur Auskunft aufgefordert hat, soweit Ergänzungen erforderlich sind und im Übrigen der weitere Verlauf des Verfahrens abgewartet werden könne.
39b) Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2021 den Kläger zudem um Mitteilung gebeten hat, ob und „sei es auch nur theoretisch, für welchen der behaupteten Mängel, aus welchem Grund welche Firma verantwortlich sein könnte“ und den Kläger zur Herausgabe der geschlossenen Werkverträge sowie der dazugehörigen Schlussrechnungen aufgefordert hat, liegt in der fehlenden Rückmeldung des Klägers eine Obliegenheitsverletzung vor. Denn die Beklagte hat um Auskunft gebeten, soweit nur die ansatzweise theoretische Möglichkeit einer Verantwortlichkeit durch eine ausführende Firma bestand. Insofern war es dem Kläger möglich sämtliche Firmen zu benennen, die im Zusammenhang mit den Abdichtungsarbeiten standen und diesbezüglich Arbeiten ausgeführt haben. Der Kläger kannte als Baubetreuer auch die ausführenden Unternehmen, auch wenn er über die geschlossenen Werkverträge und die Schlussrechnungen nicht verfügte.
40Die Obliegenheitsverletzung des Klägers hat sich jedoch nicht kausal auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ausgewirkt. Denn entgegen der Behauptung der Beklagten hätten die Beweisfragen im selbstständigen Beweisverfahren nicht in eine andere Richtung gelenkt werden können, da der Antragssteller eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 487 Nr. 2 ZPO die maßgeblichen Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, bestimmt. Die Frage der Beklagten nach den verantwortlichen Unternehmen hätte allenfalls zur Verkündung des Streits an die Unternehmen folgen können. Eine Streitverkündung erfolgte durch den Kläger im Klageverfahren vor dem Landgericht Frankfurt. Entgegen der Ansicht der Beklagten waren die Streitverkündungen im Klageverfahren nicht verspätet. Die Streitverkündeten haben auch nach Abschluss eines selbstständigen Beweisverfahrens und bei nachfolgender Streitverkündung im Klageverfahren die Möglichkeit gemäß §§ 397, 402 ZPO die Anhörung des Sachverständigen und die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zu beantragen. Dies folgt bereits aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und der Verpflichtung des Gerichts die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis und in Erwägung zu ziehen. Dabei verlangt die Vorschrift auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört auch der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen und zwar auch es Sachverständigen aus einem vorausgegangenen selbstständigen Beweisverfahrens (BGH, Beschluss vom 23.09.2023 – V 3/23).
41c) Soweit die Beklagte dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung wegen fehlender Mitteilung des Klägers über die mit Schreiben vom 07.09.2017 ausgesprochene Kündigung vorwirft, liegt hierin keine Obliegenheitsverletzung vor. Denn die Beklagte hat keine Auskunft i.S.d. § 5 Nr. 3 AHB hinsichtlich der erfolgten Kündigung des Klägers verlangt.
42II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
43Der Streitwert wird auf 225.972,70 EUR festgesetzt.