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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage hin wird festgestellt, dass der Drittwiderbeklagte gegen den Beklagten auch in Zukunft keine Ansprüche auf Grundlage von § 32a Abs. 1 UrhG wegen der Nutzung des „R.“ in seiner aktuellen Form hat.
3. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 46 % und der Drittwiderbeklagte zu 54 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderklägers trägt der Drittwiderbeklagte. Im Übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über urheberrechtliche Nachvergütungsansprüche infolge der Entwicklung des sog. R..
3Die Klägerin ist eine von dem Drittwiderbeklagten gegründete Kommanditgesellschaft. Mit Abtretungsvereinbarung vom 15.10.2022 trat der Drittwiderbeklagte der Klägerin sämtliche urheberrechtliche und ergänzende Ansprüche ab, die sich aus der Tätigkeit des Drittwiderbeklagten in Bezug auf das von dem Beklagten als Lotterieveranstalter seit 2007 herausgegebene „R.“ ergeben (Anlage K1, Bl. 27 d. A.).
4Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein. Zur Finanzierung seiner gemeinnützigen Zwecke veranstaltet der Beklagte regelmäßig eine U. („U. J. Z.“). Jedes von den Mitspielern erworbene Los weist dabei eine eigene Losnummer auf. Gewinner ist derjenige, bei dem eine bestimmte Anzahl von Endziffern der Losnummer mit den im Rahmen der jeweiligen Ziehung ermittelten Gewinnzahlen übereinstimmt.
5Der Drittwiderbeklagte war ab dem 01.07.1990 bei dem Beklagten angestellt. Eingestellt worden war der Drittwiderbeklagte als Leiter des X. K. und M.. Ab 1994 widmete er sich zusätzlich zu diesen Aufgaben dem Aufbau eines Marketingbereichs, den er ab 1996 als Geschäftsbereichsleiter Marketing leitete (aktualisierter Arbeitsvertrag v. 26.09.2007, Anlage K4, Bl. 40 ff. d. A.). In diesem Rahmen war der Drittwiderbeklagte an der Entwicklung der von der Beklagten angebotenen Lotterien „N.“ (Markteinführung 1996) und „T.-N.“ (Markteinführung 2003) beteiligt. Dabei zeichnete sich das „T.-N.“ dadurch aus, dass es verschiedene Gewinnkategorien – Geldgewinne, Traumhäuser und ein monatliches Haushaltsgeld – aufwies und der Spieler diese Gewinnkategorien eingeschränkt miteinander kombinieren konnte. Insgesamt eröffneten sich dem Spieler hierdurch vier Kombinationsmöglichkeiten.
6Im Jahr 2005 war der Drittwiderbeklagte sodann an einer Kurzpräsentation zur „S. W.“ (Anlage K5, Bl. 49 ff. d. A.) beteiligt und stellte diese bei einer Bereichsleitersitzung u. a. dem Geschäftsführer des Beklagten vor. Die Gremien des Beklagten gaben daraufhin einen Betrag von 3,6 Mio. EUR für die Entwicklung des Konzepts frei. Aufbauend auf der Kurzpräsentation war der Drittwiderbeklagte sodann an einer längeren Präsentation (Anlage K7, Bl. 71 ff. d. A.) zu dem Konzept beteiligt, das am 27./28.04.2006 im W.- und Marketingausschuss beraten und schließlich von allen relevanten Gremien positiv beschieden wurde. Beide Präsentationen tragen im unteren rechten Bereich den Namen des Drittwiderbeklagten, nämlich die Auszeichnung „Konzept: H.-B. D.“. Im Jahr 2007 führte der Beklagte die auf diesen Präsentationen beruhende W. „R.“ ein.
7Das Los sieht verschiedene Gewinnkategorien – Geldgewinne, Traumhäuser, ein monatliches Haushaltsgeld sowie eine Q. – vor. Darüber hinaus kann der Spieler seinen Einsatz und damit auch die Höhe eines möglichen Gewinns sowie die Ziehungsfrequenz bestimmen. Durch die Variation der dargestellten Faktoren werden dem Spieler insgesamt 54 Kombinationsmöglichkeiten eröffnet.
8„Bilddarstellung wurde entfernt“
9Screenshot des Online-Konfigurators des „R.“
10„Bilddarstellung wurde entfernt“
11Vordruck des „R.“
12Zum Ende des Jahres 2009 endete die Tätigkeit des Drittwiderbeklagten, der zuletzt ca. 120.000,00 EUR jährlich verdiente, bei dem Beklagten. Der Beklagte leistete eine Abfindungszahlung in Höhe von 525.804,70 EUR an den Drittwiderbeklagten. Zudem einigten sich die Parteien im Aufhebungsvertrag vom 16.12.2009 auf folgende Erledigungsklausel (Anlage K14, Bl. 159 ff. d. A.):
13Mit Unterzeichnung dieses Aufhebungsvertrags sind mit Ausnahme der sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden Ansprüche alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung sowie aus sonstigem Rechtsgrund, gleich welcher Art, abgegolten und erledigt. Davon erfasst ist insbesondere ein etwaiger Anspruch von Herrn D. gegen die J. Z. auf eine Vergütung aus Urheberrecht.
14Der Beklagte erwirtschaftete mit dem „R.“ erhebliche Umsätze. Diese steigerten sich von 55 Mio. EUR im Jahr 2007 bis auf 250 Mio. EUR im Jahr 2014. Im Jahr 2020 betrug der Umsatz noch 185 Mio. EUR (Anlage K13, Bl. 158 d. A.).
15Die Klägerin behauptet, der Drittwiderbeklagte habe das S. Lotteriesystem sowie das „R.“ außerhalb seiner geschuldeten arbeitsvertraglichen Pflichten sowie ausschließlich in seiner Freizeit und insbesondere in diversen Urlauben entwickelt. Dabei habe er von 2003–2005 in mehreren Urlauben das System einer S. W. konzipiert, das eine sog. Aufwärtskompatibilität ermögliche, wodurch alle seinerzeit bestehenden und aus damaliger Sicht künftigen Lotterieprodukte durch ein System von Gewinnalgorithmen miteinander hätten verbunden werden können. Auf dieser Basis habe der Drittwiderbeklagte in den Osterferien 2005 ein S. Los, das später so benannte „R.“ als konkrete Ausgestaltung der S. W. entwickelt. Das „R.“ habe im Jahr 2005 eine Produktinnovation mit Alleinstellungscharakter dargestellt. Bis heute entspreche das „R.“ dem von dem Drittwiderbeklagten geschaffenen S. Los. Die Kurzpräsentation aus dem Jahr 2005 habe der Drittwiderbeklagte allein erstellt, bei der längeren Präsentation aus dem Jahr 2006 habe er lediglich auf einigen Seiten unmaßgebliche Hilfestellungen erhalten.
16Der Drittwiderbeklagte habe dem Beklagten jedenfalls eine rechtsgeschäftliche Erlaubnis zur Nutzung des „R.“ erteilt. Er habe für diese Einräumung keine Vergütung von dem Beklagten erhalten. Als Geschäftsbereichsleiter Marketing sei der Drittwiderbeklagte für Produktinnovationen auch nicht zuständig gewesen.
17Die Klägerin meint, bei den Spielregeln sowie dem Spiel- und Gewinnplan des von dem Zeugen H.-B. D. erdachten „R.“ handle es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Die schöpferische Leistung des Drittwiderbeklagten habe darin bestanden, den Spielern durch die Möglichkeit der S. Konfiguration des Loses zahlreiche Spielvarianten zu bieten. Das betreffe die Auswahl zwischen den vier Gewinnkategorien, verschiedene Gewinnhöhen und die freie Kombinierbarkeit der genannten Optionen. Der Drittwiderbeklagte habe für den einfachen und immer gleichen Vorgang einer Endziffernlotterieziehung eine Erlebniswelt geschaffen, in der sich den Spielern eine zuvor unbekannte Vielfalt an Spiel- und Gewinnmöglichkeiten geboten habe. Die entsprechenden Spielregeln hätten auch das Stadium der Idee verlassen. Der Drittwiderbeklagte habe konkrete Spielregeln sowie einen konkreten Spiel- und Gewinnplan und damit ein schutzfähiges Sprachwerk geschaffen. Die erforderliche Individualität des Werks aus dem (Gedanken-)Inhalt des Spiel- und Gewinnplans, ohne dass es auf eine Formgebung ankomme.
18Die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche sei nicht durch die oben genannte Erledigungsklausel des Aufhebungsvertrags zwischen dem Drittwiderbeklagten und dem Beklagten ausgeschlossen. Gem. § 32a Abs. 3 S. 1 UrhG könne nicht auf Ansprüche nach § 32a UrhG im Voraus verzichtet werden. Dem Kläger ständen deshalb jedenfalls 0,05 % der durch den Beklagten mittels des „R.“ erwirtschafteten Umsätze zu.
19Die Klägerin beantragt,
201. den Beklagten zu verurteilen, für die Nutzung des „R.“ im Zeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2018 an sie eine angemessene Beteiligung zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,00 EUR, sowie für die Nutzung des „R.“ im Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 an die Klägerin eine angemessene Beteiligung zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 96.500,00 EUR, jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
212. den Beklagten zu verurteilen, für die Nutzung des „R.“ im Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 an sie eine angemessene Beteiligung zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 92.500,00 EUR, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Drittwiderklagend beantragt der Beklagte,
25festzustellen, dass der Drittwiderbeklagte gegen ihn auch in Zukunft keine Ansprüche auf Grundlage von § 32a Abs. 1 UrhG wegen der Nutzung des „R.“ in seiner aktuellen Form hat.
26Der Drittwiderbeklagte beantragt,
27die Drittwiderklage abzuweisen.
28Der Beklagte behauptet, der Beitrag des Drittwiderbeklagten zum „R.“ beschränke sich auf die Idee. Der Drittwiderbeklagte habe das „R.“ gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Geschäftsbereichs Marketing sowie verschiedenen Dienstleistern während der regulären Arbeitszeit, im beruflichen Umfeld und unter Beteiligung des Ausschusses „W. und Marketing“ ausgearbeitet. Da es bei dem Beklagten bis heute keine Forschungs- und Entwicklungsabteilung gebe, gehe es im Geschäftsbereich „Marketing“ insbesondere auch um die Erstellung von Lotteriekonzepten, um neue Kundensegmente zu erschließen. Der Drittwiderbeklagte habe dem Beklagten auch nie explizit Nutzungsrechte an dem Konzept des „R.“ eingeräumt.
29Der Beklagte meint, die Idee des Widerbeklagten sei nicht als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG schutzfähig. Diese habe sich darauf beschränkt, den Lottospielern im Rahmen eines neuen Lotterievertrages weitere Kombinationsmöglichkeiten bereits vorbekannter Gewinnkategorien und Gewinnstufen anzubieten, eine Ziehung unter Nutzung der Marketingbezeichnung „Q.“ hinzuzufügen und die Geldgewinnziehung nicht monatlich, sondern wöchentlich durchzuführen. Es müsse auch ein erhebliches Freihaltebedürfnisses des Marktes berücksichtigt werden. Denn Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Vertragsmodalitäten zu eröffnen, sei Bestandteil der Vertriebsstrategie von Unternehmen verschiedener Branchen, u. a. auch im Wettgeschäft.
30Etwaige Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls durch den Lohn, den der Drittwiderbeklagte bei dem Beklagten erhalten habe, abgegolten. Selbst wenn man dies anders sehe, sei eine Abgeltung jedenfalls durch die im Rahmen des Aufhebungsvertrags geleistete Zahlung des Beklagten erfolgt. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Abgeltungsvereinbarung auch nicht unwirksam, weil auf Ansprüche auf Vertragsänderung und weitere angemessene Beteiligung gem. § 32a Abs. 3 S. 1 UrhG nicht im Voraus verzichtet werden könne. Der Widerbeklagte habe bei dem Aufhebungsvertrag nämlich nicht im Voraus, sondern erst im Nachhinein auf Ansprüche verzichtet, was grundsätzlich zulässig sei. Bei der Vereinbarung der Parteien handle es sich um einen Buy-Out.
31Im Hinblick auf einen etwaigen Anspruch des Klägers für das Jahr 2018 erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
32Entscheidungsgründe
33Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Drittwiderklage ist zulässig und begründet.
34I. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer weiteren angemessenen Vergütung für die Jahre 2018, 2019 und 2020 aus § 32a Abs. 1 UrhG.
351. Das Konzept des „R.“, auf das die Klägerin ihre Ansprüche stützt, stellt kein urheberrechtsschutzfähiges Werk im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG dar. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich lediglich um eine nicht schutzfähige Spielidee.
36a) Nach § 2 Abs. 1, 2 UrhG sind persönliche geistige Schöpfungen der Literatur, Wissenschaft und Kunst nach dem Urhebergesetz geschützt. Ein Werk und damit Gegenstand des Urheberrechtsschutzes kann dabei nur das Ergebnis der schöpferischen Formung eines bestimmten Stoffs und nicht die bloße Idee sein (BGH GRUR 2003, 876, 878 – Sendeformat). Das bedingt, dass reine Anweisungen an den menschlichen Geist, also Handlungsanweisungen, sich in einer bestimmten Situation oder unter bestimmten Voraussetzungen in einer bestimmten Weise zu verhalten, keinen Urheberrechtsschutz vermitteln können (LG Mannheim NJOZ 2008, 3551, 3553 – Würfelspiel; Loewenheim/Leistner, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 28; vgl. BGH GRUR 2003, 876, 878 – Sendeformat). Folgerichtig vermitteln bloße Spielideen oder -erfindungen, die den Spieler in einem Spiel zu einem bestimmten Verhalten anleiten, als solche keinen urheberrechtlichen Schutz (BGH GRUR 1962, 51, 52 – Zahlenlotto; OLG Hamburg GRUR 1983, 436, 437 – Puckman; LG Mannheim NJOZ 2008, 3551, 3553 – Würfelspiel; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 106; Loewenheim/Leistner, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 28). In ihrer konkreten sprachlichen Ausgestaltung können allerdings auch Spielregeln Schutz genießen (BGH GRUR 1962, 51, 52 – Zahlenlotto; OLG Hamburg GRUR 1983, 436, 437 – Puckman; LG Köln NJOZ 2010, 97, 98 – Fantasy-Rollenspiel; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 106). Voraussetzung hierfür ist, dass die schriftliche Niederlegung der Spielregeln eine für einen Urheberrechtsschutz ausreichende eigenpersönliche Gestaltung erkennen lässt, wobei sich die erforderliche schöpferische Eigenart aus der eigenpersönlichen Prägung der sprachlichen Ausdrucksform, aber auch dem auf individuelle Geistestätigkeit zurückzuführenden Gedankeninhalt ergeben kann (BGH GRUR 1962, 51, 52 – Zahlenlotto). Da die Klägerin sich vorliegend nicht auf die besondere sprachliche Ausdrucksform des „R.“ stützt, kommt es bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung darauf an, ob der Gedankeninhalt der von dem Drittwiderbeklagten entwickelten Spielregeln sich auf Handlungsanweisungen oder Mitteilungen tatsächlicher bzw. technisch-mathematischer Art beschränkt und sich damit in der nicht schutzfähigen Spielidee als solcher erschöpft oder einer auf künstlerisch-schöpferischer Fantasie beruhenden „Fabel” entspricht, die nicht die Benutzung freien Gemeinguts oder fremder Schöpfungen darstellt (vgl. zu diesem Maßstab LG Mannheim NJOZ 2008, 3551, 3553 – Würfelspiel; Loewenheim/Leistner, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 28).
37b) Nach diesen Maßstäben kann die Kammer in der schriftlichen Niederlegung der Regeln des „R.“ keinen Gedankeninhalt erkennen, der inhaltlich an die Erzählung einer Fabel heranreichen würde. Es handelt sich bei den auf dem Papierlos bzw. in dem Online-Konfigurator dargestellten Spielregeln vielmehr um einen Ablaufplan, der dem Spieler Mitteilungen technisch-mathematischer Art im Hinblick auf sein(e) Gewinnziel(e) macht und sich folglich in der Spielidee erschöpft.
38Zwar erkennt die Kammer, dass der Spieler durch das neue „R.“ im Jahr 2007 in die Lage versetzt wurde, die Art des Gewinns, die Höhe des Gewinns und die Häufigkeit der Ziehungen in Weitem Umfang selbst zu bestimmen, ihm damit statt vier Kombinationsmöglichkeiten – so beim „T.-N.“ – nunmehr 54 Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung standen und er damit in die Lage versetzt wurde, innerhalb eines Loses verschiedene und mehr Entscheidungen als zuvor zu treffen. Allerdings handelt es sich bei diesen Kombinationsmöglichkeiten nach Auffassung der Kammer im Wesentlichen um eine mathematische Notwendigkeit aus der Kombination verschiedener Faktoren, die Gewinnhöhe und Gewinnwahrscheinlichkeit determinieren. Diese Kombination verschiedener Faktoren stellt nach Auffassung der Kammer jedoch nicht monopolisierbares Gemeingut dar. Denn zum einen boten Unternehmen wie das spanische Unternehmen „I.“ mit dem Los „P. O.“ oder der Beklagte mit dem „T.-N.“ vor dem Jahr 2005 bereits Lose an, die dem Spieler Kombinationsmöglichkeiten im Hinblick auf Gewinnhöhe bzw. Art des Gewinns und Gewinnwahrscheinlichkeit eröffneten, zum anderen ist das Prinzip der Kombinationsmöglichkeiten auch aus dem Wettgeschäft bekannt. Denn auch, gerade im Bereich der Sportwetten, entspricht es alltäglicher Übung, dass die einfache Wette durch das Hinzufügen weiterer Wetten zur Kombinationswette erweitert wird, die einen höheren Gewinn verspricht, gleichzeitig aber auch ein höheres Risiko bedeutet. Aufgrund der lediglich eingeschränkten Möglichkeiten, Spiel und Wette zu gestalten, erkennt die Kammer insofern auch ein erhebliches Freihaltebedürfnis.
39Soweit die Klägerin meint, dass der Drittwiderbeklagte mit dem Spiel- und Gewinnplan des „R.“ eine Erlebniswelt geschaffen habe, in der sich den Spielern eine zuvor unbekannte Vielfalt an Spiel- und Gewinnmöglichkeiten geboten habe, indem sich statt vier nunmehr 54 Kombinationsmöglichkeiten ergeben hätten, kann die Kammer diesem Vortrag nicht folgen. Eine Erlebniswelt wie bei einem variationsreichen Gesellschaftsspiel (vgl. OLG München BeckRS 1993, 31151465) oder einem Fantasy-Rollenspiel (LG Köln NJOZ 2010, 97, 98 – Fantasy-Rollenspiel) erkennt die Kammer nicht. Der Spieler wählt in dem Online-Konfigurator lediglich zwischen Gewinnarten, Gewinnhöhen und der Häufigkeit der Ziehungen aus. Die Welt des Spielers des „R.“ besteht in der einmaligen Zusammenstellung des Loses und erschöpft sich hierin. Eine erdachte, fiktionale Gedankenwelt, die einer Fabelerzählung gleicht, ergibt sich nicht. Anders als bei Gesellschafts-, Fantasy- oder Computerspielen ist der Spieler nach der Konfiguration des Loses auch nicht in der Lage, noch in den Spielprozess einzugreifen und strategische Entscheidungen zu treffen.
40Ebenso sieht die Kammer entgegen dem Vortrag der Klägerin keine außergewöhnliche kreative und schöpferische Leistung darin, verschiedene Gewinnkategorien wie Traumhaus, Haushaltsgeld und Rente zu erschaffen und diese dem Spieler anzubieten. Zwar ist der Kategorie der Rente eine gewisse Neuheit zu attestieren. Da zwischen den Parteien aber unstreitig ist, dass es sich bei allen Gewinnen letztlich um Geldgewinne handelt, der Gewinner der W. insbesondere auch kein „Traumhaus“, sondern einen entsprechenden Geldgewinn erhält, den er ggf. in ein „Traumhaus“ investieren kann, stellen die Gewinnarten im Wesentlichen eine Werbe- bzw. Vermarktungsstrategie dar. Diese sind allerdings nicht schutzfähig (BGH GRUR 1962, 51, 52 – Zahlenlotto; OLG Köln GRUR-RR 2010, 140, 141 – DHL im All; Loewenheim/Leistner, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 28).
41Auch aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des OLG Düsseldorf (GRUR 1990, 263 – Automaten-Spielplan) folgt nach Auffassung der Kammer nichts anderes. Soweit das OLG Düsseldorf in dieser Entscheidung einem Automatenspielplan Urheberrechtsschutz zubilligte, ist die Entscheidung schon nicht unmittelbar vergleichbar, da der Spieler bei den Spielautomaten, die dem OLG Düsseldorf zur Beurteilung vorlagen, nach dem Beginn des Spiels durch die Betätigung von Tasten in den Spielablauf eingreifen und hierdurch seine Gewinnchancen steigern konnte. Eine entsprechende spielerische Beeinflussung der W. ist im hier zu entscheidenden Fall nach der Abgabe des Loses jedoch gerade nicht möglich. Wenn das OLG Düsseldorf zudem ausgeführt hat, dass die schöpferische Eigentümlichkeit des Automaten auf dem Gedankeninhalt und der Formgebung beruhe und Spielideen, die der Planer eines Spielgeräts aus einer Vielzahl denkbarer Möglichkeiten auswähle und miteinander verknüpfe, nicht dem Gemeingut angehörten, versteht die Kammer die Entscheidung des OLG Düsseldorf dahin, dass es nur deshalb eine Schutzfähigkeit des Gedankeninhalts des Automaten annahm, weil dieser nicht lediglich abstrakt blieb, sondern der Spiel- und Gewinnplan konkret auf der Frontplatte des Automaten abgebildet war und das OLG Düsseldorf diesem einen Gedankeninhalt im Sinne einer Fabel entnahm (so auch Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 106).
422. Mangels schutzfähigen Werks kommt es auf die weiteren tatsächlichen wie rechtlichen Fragestellungen, die zwischen den Parteien in Streit stehen, nicht an. Insbesondere ist nicht zu bewerten, ob sich die Vergütung des Drittwiderbeklagten unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen der Parteien als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des „R.“ durch den Beklagten erweist.
43II. Die Drittwiderklage ist zulässig und begründet.
441. Die „isolierte“ Drittwiderklage ist zulässig.
45Eine Widerklage setzt nach § 33 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein anhängiges Verfahren zwischen den Parteien voraus. Daher ist eine Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten in der Regel nur zulässig, wenn sie zugleich gegenüber dem Kläger erhoben wird. Eine Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet, ist grundsätzlich unzulässig (BGH NJW 2014, 1670 Rn. 14). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht der BGH jedoch – insbesondere in Abtretungskonstellationen –, wenn die zu erörternden Gegenstände der Klage und Widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch dessen Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden (BGH NJW 2019, 1610 Rn. 19 m. w. N.).
46Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die tatsächliche und rechtliche Verknüpfung folgt aus dem Umstand, dass der Drittwiderbeklagte seine Ansprüche nach § 32a Abs. 1 UrhG an die Klägerin abgetreten hat, jedenfalls die Abtretung zukünftiger Ansprüche jedoch gem. § 32a Abs. 3 UrhG unwirksam ist. Die vorgelegte Abtretungserklärung erfasst nämlich ausdrücklich auch zukünftige Ansprüche. Da über die Ansprüche nach § 32a Abs. 1 UrhG aber gem. § 32a Abs. 3 UrhG nicht im Voraus verfügt werden kann (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 32a Rn. 56; Wandtke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 32a Rn. 46), ist die Abtretung des Klägers insoweit unwirksam. Unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits hätte deshalb der Drittwiderbeklagte, nicht die Klägerin, weiterhin die Möglichkeit, Nachvergütungsansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen. Unter diesen Umständen brächte eine Aufspaltung des Rechtsstreits in zwei Prozesse, nämlich der Klägerin gegen den Beklagten auf Nachvergütung und des Beklagten gegen den Drittwiderbeklagten auf negative Feststellung, dass diesem keine Ansprüche zustehen, keine prozessökonomischen Vorteile, sondern nur Mehrbelastungen und zudem das Risiko einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen. Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Beklagte auch ein entsprechendes Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO. Denn aufgrund der Unwirksamkeit der Abtretung bezüglich etwaiger zukünftiger Ansprüche könnte sich der Drittwiderbeklagte gegenüber dem Beklagten erneut eines Nachvergütungsanspruchs berühmen und diesen gerichtlich geltend machen, da über künftige Ansprüche in der Klage nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Der Beklagte hat ein Interesse daran, dieses Risiko durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage gegen den Drittwiderbeklagten auszuschließen. Das Landgericht Köln ist in entsprechender Anwendung des § 33 ZPO (vgl. hierzu BGH NJW 2011, 460 Rn. 4) insbesondere auch örtlich zuständig. Der Drittwiderbeklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2024 zudem rügelos eingelassen, § 39 ZPO.
472. Spiegelbildlich zur Unbegründetheit der Klage ist die Drittwiderklage begründet. Da das Konzept des „R.“ kein Werk im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 UrhG darstellt, hat der Drittwiderbeklagte auf dieser Grundlage auch in der Zukunft keine Ansprüche gegen den Beklagten.
48III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
49Der Streitwert wird auf 632.875,00 EUR festgesetzt. Die Erhöhung des Streitwerts im Vergleich zur vorläufigen Festsetzung ergibt sich aus der zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung noch nicht erfolgten Klageerweiterung der Klägerin.