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1. Die Eigentümerin von Abfalleimern im öffentlichen Raum hat einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Herausgeberin von Plakaten für eine kostenpflichtige Veranstaltung wegen "Wildplakatierens" durch unbekannte Dritte. Eine Veranstalterin, welcher selbst die Plakate in Umlauf gebracht hat, ist verantwortlich für nachfolgendes Wildplakatieren als mittelbare Handlungsstörerin. Rein kommunikative Beschränkungen des Klebens auf privaten Flächen durch eine E-Mail genügen nicht zur Verhinderung des "Wildplakatierens".
2. Zum Streitwert des Unterlassungsanspruch bei "Wildplakatieren".
3. Zur Parteifähigkeit einer satzungsmäßigen Untergliederung eine politischen Jugendorganisation.
4. Ersatz von "Abmahnkosten" kann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gefordert werden.
1. Die Beklagte wird verurteilt,
es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, jeweils zu vollziehen an dem/der/den satzungsmäßigen Geschäftsführer/in bzw. Geschäftsführern/innnen
zu unterlassen,
im Stadtgebiet von Q. Außenwerbung zu betreiben oder betreiben zu lassen, durch die Werbeplakate oder andere Werbeträger auf solchen Flächen unbefugt angebracht werden, die im Eigentum der Klägerin stehen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 713,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2023 an die Klägerin zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und zwar mit Blick auf Tenorziffer zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,- € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche wegen „Wildplakatierens“.
3Die Klägerin wurde im Dezember 2000 durch die Stadt Q. mit der Müllabfuhr und Straßenreinigung für Q. beauftragt. Hierzu gehört auch der Betrieb und die Leerung der öffentlichen Papierkörbe. Sie ist Eigentümerin dieser Papierkörbe bzw. Mülleimer im öffentlichen Raum.
4Die Beklagte ist eine eigenständige Jugendorganisation in politischer Nähe der E. V. Partei. Sie hat eine Satzung mit u.a. folgenden Klauseln:
5„Artikel 5 - Gliederungen
61. Allgemein: Die P. gliedert sich in Bundesverband, Landesverbände, Kreisverbände und Gruppen. Oberstes beschlussfassendes Organ ist der Bundeskongress, auf Landesebene die Landeskonferenz, auf Kreisebene die Kreiskonferenz, auf Gruppenebene die Gruppenvollversammlung. Die jeweiligen Leitungen der Gliederungen sind der Bundesvorstand, die Landes-, Kreis- und Gruppenleitungen.“
7„Artikel 7 – Leitungen
81.
9Aufgaben: Die Leitung vertritt die jeweilige Gliederung nach innen und außen. […]
102.
11Geschäftsführung: Der Bundesvorstand wählt sich eine Geschäftsführung. Die Geschäftsführung ist dem Bundesvorstand rechenschaftspflichtig.“
12„Artikel 11 - Vertretung der Organisation
13Jeweils (einzel-)vertretungsberechtigt i. S. d. § 26 II BGB sind:
14• Auf Bundesebene drei von der Geschäftsführung zu bestimmende Vorstandsmitglieder
15[…]“
16Gegenstand dieses Verfahrens ist die Werbung für die Veranstaltung „K. der B.“ vom 26. bis 29.05.2023 in Q., die die Beklagte organisiert hat. Die Beklagte ließ die dafür genutzten Plakate herstellen und brachte sie in Umlauf.
17Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2023 ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf (Anlage K3). Die Beklagte wies mit Schreiben vom 12.07.2023 (Anlage K4) Ansprüche zurück.
18Die Klägerin behauptet, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass im Stadtgebiet von Q. eine Vielzahl von Plakaten für die Veranstaltung „K. der B.“ auf Papierkörben der Klägerin angebracht gewesen seien. Der Zeuge X. habe am 22.05.2023 30 Plakatierungen und der Zeuge A. am 14.07.2023 10 Plakatierungen festgestellt und durch Fotos dokumentiert (siehe Anlagen K1 und K2). Mülleimer der Klägerin seien systematisch und jeweils räumlich beschränkt besonders dicht beklebt worden.
19Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.
20Die Prozessführungsbefugnis der Beklagten ergebe sich aus § 3 PartG bzw. § 50 Abs. 2 ZPO.
21Die Beklagte sei für die Werbung verantwortlich als mittelbare Handlungsstörerin. Unstreitig ist sie Veranstalterin und hat die Plakate herstellen lassen und an Untergruppen verteilt. Sie habe keine Maßnahmen gegen das Wildplakatieren getroffen. Der bloße schriftliche Hinweis, dass nicht auf private Gegenstände geklebt werden soll, genüge nicht. Die Klägerin meint, für sie streite ein Anscheinsbeweis.
22Die Klägerin habe außerdem Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag.
23Der Schaden der Klägerin, der durch die Entfernung der Plakate entstanden sei, liege bei mindestens 1.150,-€; dies bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Dieser Schaden ist jedoch nicht streitgegenständlich.
24Die Klägerin beantragt,
25die Beklagte zu verurteilen,
261. es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000-€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im Stadtgebiet von Q. Außenwerbung zu betreiben oder betreiben zu lassen, durch die Werbeplakate oder andere Werbeträger auf solchen Flächen unbefugt angebracht werden, die im Eigentum der Klägerin stehen;
272. 713,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.07.2023 an die Klägerin zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagte behauptet, dass sie die Plakate auf Müllbehältern der Klägerin nicht habe anbringen lassen. Sie habe die Plakate nur an ihre Untergliederungen ausgegeben, jedoch mit dem Hinweis, dass die Plakate nur dort aufgehängt werden dürften, wo es abgesprochen oder eine entsprechende Erlaubnis eingeholt worden ist; in keinem Fall dürften die Plakate an öffentlichen Orten wie Litfaßsäule, Bahnhöfen, Wänden, Mülleimern, Stromkästen etc. angebracht werden, da diese Orte in der Regel privat seien. Sie verweist dazu auf eine interne Informationsmail (Bl. 56 f. GA), die Klägerin bestreitet einen solchen Hinweis mit Nichtwissen.
31Die Beklagte ist der Ansicht, der Streitwert sei geringer festzusetzen als 5.000,- €. Demnach sei das Landgericht nicht zuständig.
32Die Beklagte sei nicht prozessführungsbefugt. Dies sei nach Artikel 5 Nr. 1 der Satzung der Beklagten ihr Landesverband.
33Die Beklagte sei auch nicht passivlegitimiert. Es sei auch kein Anscheinsbeweis anwendbar. Die Klägerin müsse sich gegen die Personen wenden, die die Plakate tatsächlich geklebt haben. Die Beklagte sei so wie eine Partei zu behandeln, auch dort sei der Bundesvorstand nicht für jegliche Wahlwerbung verantwortlich.
34Die Beklagte sei – unabhängig von der fehlenden Kausalität vorgeblicher Veranlassung – überhaupt nicht in der Lage gewesen, die hier monierte Störung zu verhindern.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage ist zulässig und begründet.
37I. Die Klage ist zulässig.
381. Zunächst ist die Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben.
39a) Diese folgt in sachlicher Hinsicht aus §§ 23, 71 GVG, weil der Zuständigkeitsstreitwert über 5.000,- € liegt und keine besondere Zuständigkeit des Amtsgerichts einschlägig ist. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass der Streitwert geringer als 5.000,- € festzusetzen sei, kann das Gericht dem nicht folgen. Bei der Wertfestsetzung ist das mit der Klage verfolgte (wirtschaftliche) Interesse zu ermitteln, wobei den Wertangaben der Parteien, insbesondere des Klägers, wenn sie nicht offensichtlich unzutreffend sind, erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 3 Rn. 1).
40Nach diesem Grundsatz erscheint die klägerische Schätzung des Unterlassungsstreitwerts auf 7.000,- € nicht als offensichtlich unzutreffend. Bei der in die Zukunft gerichteten Unterlassungspflicht ist das wirtschaftliche Interesse darin zu sehen, dass der mit der zu unterlassenden Handlung einhergehende Aufwand bzw. die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile vermieden werden. Dies liegt bei dem hier gegenständlichen Plakatieren von Abfalleimern durch eine Vielzahl von Plakaten in dem Aufwand zur Feststellung des „Wildplakatierens“ und im Aufwand zur Beseitigung der Plakate. Dabei kann dieser Aufwand geschätzt werden und muss nicht im Einzelfall festgestellt werden. Insoweit zeigen die etwa als Anlagen B5 und B6 vorgelegten Entscheidungen des LG Köln bzw. OLG Köln, dass in vergleichbaren Fällen auch in der Vergangenheit der Zuständigkeitsstreitwert oberhalb der Grenze von 5.000,- € angenommen worden ist. Im Übrigen sind die Unterlassungsstreitwerte für im weiteren Sinne auch vergleichbare Verstöße gegen § 7 UWG wegen unerwünschter Werbung ebenfalls regelmäßig oberhalb der Streitwertgrenze angesiedelt (vgl. etwa OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.01.2016 – 6 U 196/15; LG Köln Urt. v. 7.4.2022 – 81 O 88/21). Dabei ist vorliegend zu beachten, dass Verstöße gegen § 7 UWG für den Betroffenen in der Regel keinen wirtschaftlichen Beseitigungsaufwand begründen, hier aber der wirtschaftliche Aufwand für die Entfernung von geklebten Plakaten offensichtlich nicht unerheblich ist.
41b) Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO, weil die beanstandeten Plakate im Stadtgebiet von Q. geklebt worden sind.
422. Die Beklagte ist auch parteifähig gem. § 50 ZPO sowie prozessfähig und prozessführungsbefugt nach § 51 ZPO.
43a) Die Beklagte ist im Ergebnis als rechtsfähig und folglich parteifähig anzusehen.
44Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, vor Gericht zu stehen, d.h. Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen.
45Dabei stellt sich durchaus die Frage der Rechtspersönlichkeit der Beklagten, die offenbar eine Gruppierung innerhalb des P. darstellt. Aus den Artikeln 5 und 7 der Satzung des P. ergibt sich, dass der Bundesverband durch den Bundesvorstand geleitet wird und die Leitung die jeweilige Gliederung nach innen und außen vertritt. Der Bundesvorstand wiederum wählt sich eine Geschäftsführung, die dem Bundesvorstand rechenschaftspflichtig ist.
46Die Gliederung des P. erinnert dabei an eine politische Partei, wobei sie aber unstreitig keine Partei im Sinne des Parteiengesetzes ist. Es liegt aber vorliegend nahe, die Grundsätze für Parteien oder sonstige politische Verbände zu übertragen, weil der P. eine politische Jugendorganisation darstellt, die neben der Partei N. aktiv ist.
47Die Frage, ob auch Untergliederungen politischer Parteien niedrigerer Stufe aktiv und passiv parteifähig sein können, ist in der Rechtsprechung und im juristischen Schrifttum nicht abschließend geklärt. Abzugrenzen ist im Ergebnis nach dem Grad der Selbständigkeit der Untergliederung. Selbständige Untergliederungen sind rechts- und parteifähig. Gebilden, die unterhalb der Selbständigkeitsschwelle bleiben, mangelt demgegenüber die Verfahrenssubjektqualität (vgl. MüKoZPO/Lindacher/Hau, 6. Aufl. 2020, ZPO § 50 Rn. 37 f. mwN; Musielak/Voit/Weth, 21. Aufl. 2024, ZPO § 50 Rn. 24 f. mwN).
48Die Satzung des P. zeigt, dass der Bundesvorstand des Bundesverbandes ein ständiges und eigenständiges Organ innerhalb der komplexen Struktur des P. ist, das für sich gesehen Rechte und Pflichte haben soll. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass sich der Bundesvorstand als solcher gem. Artikel 7 Abs. 2 der Satzung eine Geschäftsführung wählt. Hätte der Bundesvorstand nach dem Willen der Satzungsgeber keine Selbständigkeit haben sollen, so hätte es nahegelegen, dass der Bundesverband unmittelbar die Geschäftsführung wählt. Mit anderen Worten ist der Bundesvorstand an sich verzichtbar. Aus der Statuierung dieses „Zwischenorgans“ folgt aber eine rechtliche Selbständigkeit, die neben der Gesamtorganisation P. und dem Bundesverband steht. Dieser Bundesvorstand ist auch dauerhaft vorgesehen und mit besonderer Kompetenz ausgestattet. Hingegen können die Geschäftsführer/innen ausgewechselt werden. All dies spricht dafür, dass die Beklagte eine parteifähige Untergliederung des P. ist.
49Nichts anderes folgt, wenn man § 50 Abs. 2 ZPO (a.F. bis 31.12.2023, für den hiesigen Fall jedoch angesichts des Veranstaltungsdatums im Jahr 2023 und der davor durchgeführten Plakatierung noch anwendbar) anwendet. Denn nach den obigen Ausführungen ist die Beklagte als "nicht rechtsfähiger Verein" anzusehen. Durch den Wegfall von § 50 Abs. 2 ZPO hat sich indes nichts geändert. Insoweit führt § 54 Abs. 1 S. 1 ZPO zu keinen materiellen Änderungen (vgl. dazu BeckOK ZPO/Hübsch/Kersting, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 50 Rn. 22).
50b) Die Prozessführungsbefugnis ist streng von der Sachlegitimation (hier: Passivlegitimation auf Seiten der Beklagten) zu unterscheiden. Die Sachlegitimation gehört zur Begründetheit der Klage. Die Prozessführungsbefugnis ist dagegen Prozessvoraussetzung (Musielak/Voit/Weth, 21. Aufl. 2024, ZPO § 51 Rn. 14). Auf Passivseite folgt die Prozessführungsbefugnis hier bereits daraus, dass die Beklagte als prozessfähige Partei verklagt wird und sich als solche zu verteidigen hat.
513. Der Unterlassungsantrag ist auch hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin fordert ein abstraktes Verbot, das jedoch hinreichend klar formuliert ist, sodass eine nachfolgende Zwangsvollstreckung ohne die Ausfüllung von unbestimmten Begriffen möglich ist. Insbesondere ist das Verbot räumlich und sachlich klar eingegrenzt.
52II. Die Klage ist auch begründet.
531. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.
54a) Die Klägerin ist für diesen Anspruch aktivlegitimiert als Eigentümerin. Dass die Klägerin Eigentümerin der Abfalleimer im Q.er Stadtgebiet ist, ist unstreitig geblieben. Zwar handelt es sich bei der Frage des Eigentums, um eine Rechtsfrage, nicht um eine Tatsache. Jedoch sind vorliegend keine Tatsachen streitig, die die Einordnung der Klägerin als Eigentümerin der Abfalleimer in Frage stellen. Die Beklagte hat sich insoweit nicht eingelassen.
55b) Dieses Eigentum der Klägerin ist vorliegend auch durch die Plakatierung verletzt.
56Die Klägerin hat durch Vorlage der Anlagen K1 und K2 konkrete Orte und Anzahl der Plakate substantiiert vorgetragen und hierzu Fotos vorgelegt. Dies hat die Beklagte zwar zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten.
57Gleichwohl ist das Gericht im Wege des Indizienbeweises auch ohne Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vortrag der Klägerin zutreffend ist. So lassen sich zunächst auf den eingereichten Fotos ohne Zweifel Abfalleimer erkennen, wie sie im Q.er Stadtgebiet üblich sind. Dies ist gerichtsbekannt. Auch ist es naheliegend, dass für die Veranstaltung in Q. auch gerade in Q. Werbung durch Plakate gemacht wird. Die angegebenen Orte der Plakate erscheinen auch sinnvoll für die Werbeaktion, weil sie in der Innenstadt gelegen sind, wo potentielle Interessenten für die Veranstaltung die Plakate wahrnehmen.
58Auch ergibt sich aus den Fotos, dass die Plakate fest verklebt waren und sich nicht einfach und rückstandslos entfernen ließen. Insoweit wird auf das letzte Foto von Anlage K2, Bl. 15 GA, verwiesen, wo das Plakat bereits teilweise abgerissen ist und sich Kleber- bzw. Plakatreste am Abfalleimer zeigen. Insofern ist auch eine Sachbeschädigung im Sinne des objektiven Tatbestands von § 303 Abs. 2 StGB gegeben, womit eine Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB einhergeht.
59c) Die Beklagte ist hierfür als mittelbare Handlungsstörerin passivlegitimiert im Sinne von §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.
60Mittelbarer Handlungsstörer ist, wer das störende Verhalten zwar nicht selbst unmittelbar vornimmt, es jedoch adäquat ursächlich veranlasst und in der Lage ist, die Störung zu verhindern. Dabei obliegt es dem derart in Anspruch Genommenen darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er alles ihm billigerweise Zumutbare unternommen hat, um das störende Verhalten zu verhindern oder abzustellen (vgl. Beschluss des OLG Köln v. 04.01.2008, Az. 3 W 77/07, vorgelegt als Anlage K6; Urteil des LG Köln v. 20.07.2010, Az. 16 O 691/09, vorgelegt als Anlage K5). Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, dass der in Anspruch Genommene das Wildplakatieren adäquat kausal veranlasst hat und in der Lage ist, die Störungen zu beseitigen. Der Beklagte muss hingegen beweisen, dass er alles zur Verhinderung Zumutbare unternommen hat (s.o. OLG Köln, Anlage K6).
61Ein Veranstalter bzw. Mitveranstalter, welcher selbst die Plakate in Umlauf gebracht hat, ist verantwortlich für nachfolgendes Wildplakatieren. Denn wer Plakate in die Welt setzt, kann billigerweise damit rechnen, dass diese plakatiert werden (s.o. OLG Köln, Anlage K6 mit Verweis auf u.a. OLG Koblenz, NJW RR 2002, 1031).
62Von diesen Voraussetzungen ausgehend ist die Beklagte vorliegend als mittelbare Handlungsstörerin anzusehen. Die Beklagte ließ unstreitig die dafür genutzten Plakate herstellen und brachte sie in Umlauf. Sie forderte mit der E-Mail in Anlage 2 der Klageerwiderung (Bl. 56 f. GA) auch direkt zur vermehrten Werbung für die Veranstaltung auf. Sie hatte also ein besonderes Interesse daran, dass die zur Verfügung gestellten Plakate weite Verbreitung erfahren. Sie lobte in der o.g. E-Mail auch einen Preis für die Gruppe mit den meisten verkauften Tickets aus. Hierin liegt ohne Weiteres die adäquat kausale Veranlassung.
63Die Beklagte war auch in der Lage, die Störungen zu beseitigen. So wie sie zur Werbung aufforderte, hätte sie im Umkehrschluss auch den Werbestopp bzw. die Entfernung aller Plakate anordnen können. Auch insoweit ist die Verantwortlichkeit der Beklagten anzunehmen.
64Die Beklagte konnte hingegen nicht vortragen, geschweige denn beweisen, dass sie alles Zumutbare zur Verhinderung der hiesigen „Wildplakatiererei“ unternommen hat. Für die Klägerin spricht der Beweis des ersten Anscheins, dass die Beklagte in der Lage war, das Plakatieren zu verhindern (siehe OLG Köln, Anlage K6). Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht erschüttert. Denn es kann unterstellt werden, dass die Beklagte nur in der E-Mail in Anlage 2 der Klageerwiderung (Bl. 56 f. GA) folgende Anmerkung gemacht hat:
65„Wie immer gilt: hängt nur Plakate dort auf, wo ihr es abgesprochen habt bzw. eine Erlaubnis habt, in keinem Fall an öffentlichen Orten wie Litfaßsäulen, Bahnhöfen, Wänden, Mülleimern, Stromkästen etc. da diese Orte in der Regel privat sind.“
66Dies genügt nach Ansicht des Gerichts nicht. Wie in den oben genannten Entscheidungen des LG Köln und OLG Köln (Anlage K5 und K6) meint auch das hiesige Gericht, dass die Gefahr der Plakatierung auf „privaten Flächen“ vorliegend ganz naheliegend war und deshalb auch die rein schriftliche Aufforderung erfolgte, dass diese Orte nicht plakatiert werden sollen. Es ist aber auch offensichtlich, dass diese rein kommunikative Beschränkung nicht effektiv ist und vor allem keine Rückverfolgbarkeit der unmittelbaren Störer bzw. Täter ermöglicht. Die vom LG Köln (Anlage K5) genannte Möglichkeit der Nummerierung und Rückverfolgbarkeit von Plakaten hält auch das hiesige Gericht für naheliegend, zumutbar und effektiv. Dann hätte sich die subsidiär haftende Beklagte als mittelbare Störerin durch Preisgabe der Information zu den potentiellen unmittelbaren Störern aus der Haftung befreien können und zugleich der Klägerin die Rechtsdurchsetzung zu den tatnäheren Beteiligten eröffnen können, bei denen ggf. auch Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden könnten.
67Hinzu kommt, dass die Beklagte vorliegend in keiner Weise Informationen zu den Abnehmern der Plakate gemacht hat. Dabei hat es gerade in der durch die Satzung des P. ersichtlichen Struktur nahegelegen, dass für die Plakatierung in Q. der ansässige Orts- oder Landesverband verantwortlich war.
68Wenn oben an anderer Stelle eine Parallele zu politischen Parteien gezogen worden ist, so ist dies auch an dieser Stelle geboten. Jedoch kann sich die Beklagte insoweit nicht auf die Entscheidung des OLG Koblenz zu „S.-Plakaten“ (NJW 2003, 2837) stützen, weil der Fall hier anders liegt. Wenn die Beklagte etwa Plakate im politischen Meinungskampf erstellt und verteilt hätte, wäre eine Übertragung der dortigen Gedanken möglich. Jedoch sind die hier gegenständlichen Plakate solche, die für eine Veranstaltung werben. Für diese wurden laut Anlage 2 der Klageerwiderung (Bl. 56 f. GA) Tickets verkauft. Ausweislich der Plakate gab es Live-Musik. Es mag sein, dass auf dieser Veranstaltung politische Meinungskundgabe erfolgt. Primär sind die Plakate aber Werbung für eine kostenpflichtige Veranstaltung und müssen deshalb auch denselben Anforderungen unterstehen wie vergleichbare Werbeplakate für nicht politische Veranstaltungen. Der hiesige Fall ist also eher mit dem Urteil des OLG Koblenz zu Plakaten für eine „Ballermann Party“ (NJW-RR 2002, 1031) vergleichbar, wobei die Veranstaltung der Beklagten damit nicht marginalisiert werden soll.
69d) Die Eigentumsverletzung war auch rechtswidrig. Die Klägerin hat der Plakatierung ersichtlich nicht zugestimmt. Auch kann die Beklagte sich nicht auf Rechtfertigungsgründe stützen. Verschulden hingegen ist für den bloßen Unterlassungsanspruch nicht notwendig.
70e) Die Wiederholungsgefahr ist durch die erfolgte Rechtsverletzung indiziert. Die Beklagte hat sich insbesondere nicht strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet. Sie hat auch sonst nichts dazu vorgetragen, dass eine Wiederholungsgefahr ausnahmsweise aus anderen Gründen ausgeschlossen wäre.
71f) Die Klägerin kann auch ein abstrakt generelles Verbot des Betreibens von Außenwerbung durch Werbeplakate oder andere Werbeträger auf Flächen im Eigentum der Klägerin im Q.er Stadtgebiet fordern. Einer Bezugnahme auf die in Anlagen K1 und K2 vorgetragenen konkreten Verletzungsformen war vorliegend entbehrlich, weil durch die Antragsformulierung keine Gefahr dahingehend besteht, dass vom Unterlassungstenor auch erlaubte Handlungsweisen umfasst wären.
722. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Die Abmahnung vom 30.06.2023 (Anlage K3) war nach den obigen Ausführungen berechtigt. Mit der Abmahnung hat die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit eröffnet, die Angelegenheit ohne Gerichtsverfahren zu erledigen, worin die Geschäftsführung für die Beklagte zu erkennen ist. Demnach kann sie die RVG-Vergütung als Aufwendungen ersetzt verlangen.
73Bei Ansatz eines Gegenstandswerts von 7.000,- €, der nach den oben im Rahmen der Zuständigkeit gemachten Ausführungen keinen Bedenken begegnet, ergibt sich wie von der Klägerin beantragt eine Vergütung von 713,76 € brutto. Dabei kann die Klägerin auch die Bruttogebühren trotz unterstellter Vorsteuerabzugsberechtigung fordern, weil die Abmahnung als umsatzsteuerliche Leistung und nicht als Schadensersatz anzusehen ist (vgl. zu Abmahnungen nach dem UWG oder dem UrhG: BFH Urteil v. 21.12.2016 - XI R 27/14; Urteil vom 13.02.2019 - XI R 1/17).
74Dieser Betrag war auch nach § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen. Jedoch nicht wie beantragt, ab dem 08.07.2023. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Frist zur Zahlung bis zum 07.07.2023 gesetzt. Mit der Abmahnung wurde die Forderung aber erstmals geltend gemacht. Eine weitere Mahnung gem. § 286 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Beklagte hat aber mit dem Schreiben in Anlage K4 die Forderung ernsthaft und endgültig zurückgewiesen, sodass § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eingreift. Nach § 187 Abs. 1 ZPO analog waren die Verzugszinsen ab dem Folgetag geschuldet.
753. Die Ordnungsmittelandrohung folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO und wurde im Wege der Auslegung an die Vertretungssituation der Beklagten angepasst.
76III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO. Das teilweise Unterliegen betrifft nur wenige Tage des Zinslaufes und damit nur eine nicht streitwertrelevante Nebenforderung.
77IV. Der Streitwert wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.