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Der Angeklagte wird wegen Mordes zu einer
lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt.
Er trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
Angewendete Vorschriften: § 211 Abs. 1, Abs. 2 StGB
Gründe:
I. Zur Person
3Der zum Tatzeitpunkt 21-jährige, heute 57-jährige Angeklagte wurde als achtes von zwölf Kindern in B. geboren und wuchs mit seinen Geschwistern bei seinen Eltern in B.-U. auf. Sein Vater war als Friedhofsgärtner bei der Stadt B. angestellt; seine Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder.
4Der Angeklagte wuchs in einem schwierigen sozialen Umfeld auf. Im Alter von 6 Jahren wurde er eingeschult und besuchte eine Förderschule. Seine Freizeit verbrachte er u.a. in einem Jugendzentrum in U. und kam dabei in Kontakt mit anderen Jugendlichen, mit denen er noch vor der Strafmündigkeit gemeinschaftlich Diebstähle und Einbrüche – zumeist in Fahrzeuge – beging. Im Alter von ca. 14 Jahren kaufte er sich ein Motorrad, an welchem er fortan mit Freunden bastelte und welches er zur Fortbewegung nutze, ohne jedoch über eine Fahrerlaubnis zu verfügen.
5Den krankheitsbedingten Tod des Vaters im Jahr 1981 empfand der zu diesem Zeitpunkt ca. 14-15 jährige Angeklagte als einen schmerzhaften Einschnitt. Er brach die Förderschule nach der 9. Klasse ab und begann, zusammen mit Freunden aus der Nachbarschaft neben Alkohol nunmehr auch Drogen – Cannabis, Amphetamin, später auch gelegentlich Kokain und Heroin – zu konsumieren und in Clubs und Bordellen zu verkehren. Zumeist unterhielt der Angeklagte parallel zu mehreren Freundinnen Beziehungen. Auch, nachdem er im Jahr 1982 seine spätere Ehefrau kennenlernte.
6Seinen Lebensstil finanzierte der Angeklagte, welcher eine zwischenzeitlich begonnene Malerausbildung aufgrund der geringen Einkünfte abgebrochen hatte und zumeist Sozialleistungen bezog, durch die wiederholte Begehung von Vermögensdelikten. Zugleich fiel er wegen Straßenverkehrsdelikten, vereinzelt auch wegen einfachen Körperverletzungen oder Widerstandshandlungen auf. Soweit ihn eine Prostituierte im Oktober 1987 eines Überfalls auf sie bezichtigte, stellte das Amtsgericht Köln mit Urteil vom 06.09.1988 fest, dass es sich um eine falsche Verdächtigung handelte und verurteilte den auf der Flucht vor der Polizei verunfallten Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen Unfallflucht. Seine Strafffälligkeit rechtfertigte der Angeklagte u.a. mit dem schlechten Vorbild seines Onkels, welcher als Polizist selbst unter Alkoholeinfluss Fahrzeuge geführt und ihn als Kind in einer Verkehrskontrolle diesbezüglich zur Lüge anstiftet habe. Zum anderen schob er Verantwortung für sein Handeln auf seinen Freundeskreis, in welchem die Begehung von Straftaten üblich war .
7Diesem Freundeskreis gehörte seit ca. Anfang der 80er Jahre auch der Zeuge O., geb. L., an, der in ca. 500 m Luftlinie entfernt in derselben Nachbarschaft in B.-U. aufwuchs; der Zeuge O. im K.-straße und der Angeklagte in der T.-straße. Später freundete der Zeuge O. sich mit dem gut ein Jahr älteren Angeklagten aber auch dessen Bruder an. Spätestens seit 1987 und jedenfalls noch bis zum Jahr 1997 begingen der Angeklagte und der Zeuge O. gemeinsam Straftaten, für die sie mitunter in denselben Gerichtsverfahren von Amts- und Landgericht Köln verurteilt wurden. In den 90er Jahren gingen der Angeklagte und der Zeuge O. zunehmend getrennte Wege. Dies auch, weil der Zeuge O., der bereits zu Beginn der 90er Jahre zeitweilig in die P. gezogen war, im Jahr 1996 heiratete und mit seiner Ehefrau zusammenzog. Jedenfalls ab 2004 bestand überhaupt kein Kontakt mehr.
8Der Angeklagte wohnte in den 90er Jahren zeitweise bei seiner älteren Schwester, zeitweise bei seiner späteren Ehefrau. Die Geburt seiner ersten Tochter im Jahr 1995 veranlasste den Angeklagten schließlich dazu, seinen Drogenkonsum und kriminellen Lebensstil zu überdenken. Noch im Jahr 1995 hörte er auf Kokain zu nehmen, im Jahr 1997 sodann auch mit Heroin. Er nahm eine Arbeit auf und ging fortan verschiedenen Tätigkeiten nach. Auch zog er mit seiner späteren Ehefrau zusammen, die er heiratete und der er fortan treu war. Im Jahr 2000 wurde seine spätere Ziehtochter geboren.
9Der Angeklagte raucht Zigaretten, konsumiert gelegentlich Alkohol sowie – schmerzbedingt – Cannabinoide und leidet an Bluthochdruck. Seit einem Arbeitsunfall mit neuronaler Verletzung im Jahr 2011 ist der Angeklagte arbeitsunfähig (GdB von 70 %) und leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom, aufgrund dessen er fortdauernd Medikamente aus der Gruppe der Opioide (Oxycodon), der Antikonvulsiva (Lyrica) sowie der Schmerzmittel (Ibuprofen) einnimmt. Im Jahr 2022 wurde ihm zur Schmerzlinderung zudem ein Neurostimulator im Rücken implantiert.
10Die oben genannten Vorstrafen sind inzwischen getilgt und der Bundeszentralregisterauszug weist keine Eintragungen mehr auf.
Am Abend des 00.00.0000, einem Karnevalssamstag, traf sich das spätere Tatopfer, die 24-jährige Q. D. (im Folgenden: Geschädigte) gegen 20 Uhr in B. I. mit ihrer Freundin und Schwägerin, der Zeugin A., sowie einer weiteren Freundin, der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugin N., in der Wohnung der Zeugin A.. Sie wollten sich dort gemeinsam fertig machen um Karneval zu feiern. Zuvor hatte sich die Geschädigtem schon von der Zeugin W., vormals X., schminken und frisieren lassen.
12Die zu diesem Zeitpunkt 18 Monate alte Tochter der Geschädigten, die Nebenklägerin, war bereits am frühen Nachmittag von dem Ehemann der Geschädigten, dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen D., abgeholt worden; von diesem lebte die Geschädigte seit ca. 8 Monaten getrennt. Die Geschädigte trug – ähnlich wie auch ihre Freundinnen – ein weißes langes T-Shirt, welches auf der Vorderseite ein aufgedrucktes Leopardenmotiv sowie am unteren Rand und den Ärmeln Fransen aufwies, dazu eine schwarze Netzstrumpfhose über einer hellbraunen Feinstrumpfhose, eine schwarze knielange Jacke und schwarze Pumps. Weiter trug sie Ohrringe, eine weiße Uhr, drei Ringe sowie um den Hals eine mit Goldfäden durchwirkte Kordel. Zudem führte die Geschädigte einen Brustbeutel sowie eine schwarze Handtasche in Krokodillederoptik mit sich.
13Kurz nach 21 Uhr verließen die drei Freundinnen das Haus, um sich – wie geplant – mit einem Taxi in die B.er Innenstadt bringen zu lassen, wo sie den Karnevalsabend im sog. „E.“ in der Y.-straße in 00000 B., verbringen wollten. Das „E.“, welches nach der in dem „E.“ u.a. befindlichen Diskothek auch insgesamt als „H. C.“ bezeichnet wurde, war eine unterirdische Kneipen- und Diskothek-Zeile, die im Stil eines Dorfes ausgestaltet war und sich unter der damaligen „B.er V.“ (vormals „R. V.“, heutige „S.“) befand. Das „E.“ verfügte über einen zentralen Ein- und Ausgang für Besucher, der über eine Zwischenplattform des Treppenabgangs zur U-Bahn-Haltestelle G.-straße an der Ecke Y.-straße / J.-straße zu erreichen war. Links des Eingangs befand sich die Eintrittskasse, an der ein Eintritt von damals 10,- DM zu entrichten war, wofür die Besucher Verzehrmünzen – sog. „F.“-Taler im Wert von jeweils 2,- DM erhielten. Rechts des Eingangs gelangte man zur zentralen kostenpflichtigen Garderobe. Das E. verfügte insgesamt über ca. 17 Kneipen, die um einen mittig gelegenen Dorfplatz mit dem sog. „Bierbrunnen“ (einer Thekenlandschaft) angesiedelt waren, sowie über mindestens eine Diskothek, das sog. „H. C.“. In der gesamten Zeile fanden mehrere Tausende Besucher Platz, an Karnevalstagen mitunter bis zu 5.000 Besucher. Neben einem Personaleingang, der das unterirdische „E.“ mit der darüber liegenden „V.“ verband, existierte mindestens ein Notausgang zur Z.-straße, der nur von innen zu öffnen war und mitunter vorschriftswidrig von Besuchern bzw. in Begleitung von Angestellten als zweiten Ausgang genutzt wurde.
14Nach Betreten des am Karnevalssamstagabend 0000 gut besuchten „Bierdorfs“ gaben die Geschädigte und ihre Freundinnen ihre Jacken an der Garderobe ab. Im Gedränge fanden sie zunächst neben einer Musikbox in Garderobennähe Platz. Später hielten sie sich an einem Baum am mittig gelegenen „Bierbrunnen“ auf. Über den Abend hinweg tranken sie zahlreiche Gläser „M.“, die sie wechselseitig füreinander kauften, tanzten und unterhielten sich mit Bekannten aber auch Fremden, wobei sich die drei Freundinnen stets im Blickfeld behielten. Betrunken fühlten sie sich aber nicht. Zwischen 3:30 Uhr und 3:45 Uhr, als sich das E. bereits merklich geleert hatte, entschied sich die Geschädigte, mit dem Taxi zum sog. „VV.“ – einer ca. 1 km entfernten Diskothek im PF. – zu fahren, um dort eine weitere Freundin zu treffen. Sie verabschiedete sich nach einer kurzen Diskussion von ihren bereits ermüdeten Begleiterinnen, wobei die Zeugin A. sie noch bis zur Garderobe begleitete. Zuvor hatte die Zeugin A. ihr für die Taxi-DM. noch einen 100,- DM Schein mitgegeben, den die Geschädigte in ihren Brustbeutel steckte, dessen Kordel gerissen war, und den sie deshalb in der Handtasche verstaut hatte.
15Nach Verlassen des „Bierdorfs“, nunmehr gegen 4 Uhr am Morgen des 00.00.0000, bewegte sich die Geschädigte alleine und fußläufig durch die Z.-straße – einer entlang der südlichen Seite des „Bierdorfs“ und der gegenüberliegenden LF. B. verlaufenden Parallelstraße zur Y.-straße – zum nächstgelegenen Taxistand an der LF., JH.-straße/MU.-straße in 00000 B..
16Zur selben Zeit liefen auch der Angeklagte und dessen damaliger Freund, der Zeuge O., nur wenige Meter hinter der Geschädigten durch die Z.-straße zu demselben Taxistand, um sich von dort für ihren gemeinsamen Heimweg nach B.-U. ein Taxi zu teilen.
17Möglicherweise hatten auch der Angeklagte und der Zeuge O. den Karnevalsabend zuvor im „E.“ verbracht und dort auch eine nicht näher bestimmbar Menge an Alkohol konsumiert. Die Geschädigte war dem Angeklagten und dem Zeugen O. unbekannt. Sie hatten sich auch nicht im Rahmen deren Aufenthaltes im „E.“ kennengelernt.
18Am Taxistand angekommen standen der Angeklagte und der Zeuge O. nur wenige Meter neben der bereits wartenden Geschädigten, ohne jedoch mit dieser zu sprechen oder in sonstiger Form Kontakt aufzunehmen. Zwischenzeitlich reihte sich eine weitere, unbekannt gebliebene Person in die Reihe der Wartenden ein.
19Nach einer Weile vergeblichen Wartens entschloss sich die Geschädigte, die Wegstrecke von ca. 1 km zum „VV.“ fußläufig zu bewältigen. Sie ging dafür zurück in die Z.-straße und bog nach rechts in die J.-straße ein, um von dort vorbei am „E.“ zum nord-westlich gelegenen „VV.“ zu laufen. Auch der Angeklagte und der Zeuge O. beschlossen nicht länger vergeblich am dortigen Taxistand zu warten und folgten der Geschädigten durch die Z.-straße. An der Kreuzung zur DV.-straße/J.-straße begab sich der Zeuge O. nach links in die DV.-straße und zum nahegelegenen RO.-straße, der neben einem Taxistand auch über eine U-Bahn auch Anbindung verfügte und wo zur Karnevalszeit vereinzelt Sonderzüge eingesetzt wurden, um von dort die Heimfahrt anzutreten. Der Angeklagte hingegen entschloss sich nunmehr nicht mit dem Zeugen O. gemeinsam nach Hause zu fahren, sondern der vor ihm laufenden und noch in Sichtweite befindlichen Geschädigten zu folgen. An der Ecke von Z.-straße und DV.-straße / J.-straße trennte er sich von dem Zeugen O. und folgte der Geschädigten in nord-westliche Richtung nach.
Der Angeklagte folgte der Geschädigten vom „E.“ aus zunächst über einen halben Kilometer hinweg. Dabei führte ihr Weg zunächst durch die gut beleuchtete Y.-straße, welche im ersten Teilstück (von der Kreuzung J.-straße / Y.-straße bis zur DN.-straße) als Fußgängerzone, später als Wohn- und Einkaufsstraße mit jeweils durchgehender Reihenbebauung ausgestaltet war. Sodann bog die Geschädigte rechtsseitig in die NH.-straße ein, um später über die GO.-straße (oder alternativ die WR.-straße) in den GE.-straße und dessen Seitenstraße „NA.-straße“ zu gelangen, an der das „VV.“ lag.
21Bei der NH.-straße handelte es sich um eine als Einbahnstraße ausgewiesene Wohnstraße mit vereinzelten Geschäften. Die insoweit geschlossene Reihenbebauung wurde erstmals linksseitig, kurz vor der Kreuzung der WR.-straße, von einer an die Rückseite eines Schulgeländes angrenzenden Parkfläche unterbrochen. Auf dieser 29 Meter langen, vom Schulgelände durch einen Grünstreifen und Maschendrahtzaun abgetrennten Parkfläche waren in der Nacht auf den 00.00.0000 – in Vorbereitung auf den am frühen Nachmittag vorbeiziehenden Karnevalsumzug – eine hölzerne Zuschauertribüne sowie hieran angrenzend zwei parallel zum Straßenverlauf ausgerichtete Verkaufsanhänger (ein gelb-grüner Getränkewagen sowie ein holzverkleideter Imbisswagen) abgestellt. Die restliche Parkfläche war von zwei quer zum Straßenverlauf hin ab geparkten Kleinlast- bzw. Geländewagen belegt. Aufgrund dieser Stellverhältnisse lag die rückseitige Parkfläche, insbesondere in dem durch die Zuschauertribüne und die Verkaufswagen von der Straßenbeleuchtung weitgehend abgeschirmten Bereich, im Dunkeln.
22Dies erkannte der Angeklagte als erste auf dieser Wegstrecke gelegene Möglichkeit, einen Überfall auf die vor ihm laufende Geschädigte weitgehend verdeckt auszuführen. Spätestens jetzt entschloss er sich, die Geschädigte anzugreifen und sich von ihr zu holen, was zu holen war. Entweder wollte er mit der Geschädigten auch gegen ihren Willen sexuelle Handlungen durchführen und/oder er wollte ihr werthaltige Gegenstände bzw. Geld entwenden.
23Diesem Tatentschluss folgend griff der Angeklagte die Geschädigte in Höhe der abgestellten Verkaufsanhänger an. Möglicherweise kam es zuvor auch zu einem Wortwechsel, in dem die Geschädigte einen sexuellen Kontakt mit dem Angeklagten aber eindeutig ablehnte. Jedenfalls zog er sie dann gewaltsam durch den 1,20 m breiten Spalt zwischen den Anhängern hindurch auf die Rückseite des holzverkleideten Imbisswagens. Möglicherweise griff er hierbei bereits in ihre um den Hals getragene Kordel und zog daran, wodurch die Geschädigte insbesondere im Nackenbereich gedrosselt wurde. Hinter dem Imbisswagen brachte der Angeklagte die Geschädigte u.a. an den Oberarmen in Rückenlage zu Boden, wobei der Geschädigten beide Pumps von den Füßen glitten. Sodann wirkte der Angeklagte über eine Zeitdauer von mindestens 3-8 Minuten von oben auf die am Boden liegende Geschädigte ein. Hierbei trat, trampelte und stampfte er fortdauernd auf die linke Gesichtshälfte, Kinn und Hals der Geschädigten ein. Auch kniete er zeitweise auf dem Rumpf der Geschädigten oder versetzte ihr einen Schlag gegen den Bauch. Zur konkreten Reihenfolge der Einwirkungen konnte die Kammer keine näheren Feststellungen treffen. Spätestens nach den ersten Tritten gegen den Unterkiefer begann die Geschädigte, aus Mund und Nase zu bluten, und lag erkennbar wehrlos mit schlaffem neben ihrem Kopf angewinkeltem rechten bzw. in ihrer Jacke verhaktem linken Arm da.
24Dies erkannte der Angeklagte, setzte seine Einwirkungen jedoch zunächst fort. Dabei hielt er den Tod der Geschädigten jedenfalls für möglich und nahm diesen mindestens billigend in Kauf.
25Sodann ließ der Angeklagte von der Geschädigten ab, hob deren durch die Tat stark beblutete Handtasche auf und durchwühlte diese neben dem reglosen Körper der schwer verletzten oder schon toten Geschädigten, wobei einzelne Gegenstände – ein Nagellackfläschchen, eine Nähgarnrolle und ein Tampon – zu Boden fielen. Sodann nahm er die Handtasche nebst dem enthaltenen Brustbeutel mit einem 100,- DM Schein an sich und verließ den Tatort.
26Bei Begehung der Tat war der Angeklagte uneingeschränkt in der Lage das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
27Die Geschädigte erlitt – neben diversen Hautunterblutungen u.a. an den Oberarmen und einer Hautabschürfung auf dem linken Knöchel – erhebliche Verletzungen von Kinn bis zu den Schlüsselbeinen. Die Einwirkungen des Angeklagten in diesem Bereich riefen insbesondere einen mehrfachen Bruch der Unterkiefer beidseits sowie des Zungenbeins hervor und zertrümmerten das Kehlkopfskelett einschließlich der Schildknorpelplatten. Es entstand eine ausgedehnte Blutungszone der Weichteile und zerrissene Schleimhäute, die zu einem erheblichen Blutverlust nach innen und – über Mund und Nase – nach außen führte. Die Geschädigte verstarb nach ca. 8 Minuten aufgrund einer durch die flächenhafte Halskompression hervorgerufenen Unterversorgung des Gehirns, die auf den massiven Blutverlust wie auch ein Ersticken zurückging.
28Ihr Leichnam wurde gegen 8:45 Uhr mit dem Kopf leicht unterhalb des holzverkleideten Imbisswagens und bis auf die Hüfte hochgerutschtem T-Shirt aber ansonsten nach äußerem Anschein ordnungsgemäß sitzender Kleidung von einer Spaziergängerin, der Zeugin YY., mit Hund aufgefunden. Unter dem im Kopf- und Halsbereich stark bebluteten Körper hatte sich eine ausgeprägte Blutlache gebildet. Unmittelbar neben dem Leichnam, teils unter der schwarzen Jacke, lagen Kleinteile – ein gerissenes Haargummi, 2 Haarspangen und eine ca. 90 cm lange golddurchwirkte Kordel. Eine entsprechende golddurchwirkte Kordel lag der Geschädigten auch um den Hals. In einer Entfernung von 1,10 m bis 1,50 m vom Leichnam zur Stirnseite des holzverkleideten Imbisswagens hin, lagen die vom Angeklagten beim Durchwühlen der Handtasche verstreuten Gegenstände – das Nagellackfläschchen, ein halbvolles Nähgarnröllchen sowie ein Tampon. Der rechte Schuh lag in einer Entfernung von ca. 1,50 m vom Leichnam entfernt, der linke Schuh unmittelbar neben dem Kopf des Leichnams unter dem Imbissverkaufswagen.
29Während noch die Tatortaufnahme und Spurensicherung in einem abgesperrten Bereich stattfand, gingen die Schul- und Veedelszüge, allerdings unter Ausschluss von Zuschauern, durch die NH.-straße.
In den nachfolgenden Tagen traf der Zeuge O. erneut auf den Angeklagten, wobei ihm ein stark verändertes Erscheinungsbild hinsichtlich der Frisur des Angeklagten auffiel. Nachdem der Zeuge auf eines der seit dem 00.00.0000 u.a. am RO.-straße und G.-straße aufgehangenen Fahndungsplakate aufmerksam geworden war, welches auf die Tat am 00.00.0000 zwischen 3 und 5 Uhr hinwies und dazu aufrief, sachdienliche Hinweise zur Tatnacht im Bereich zwischen dem „E.“ in der Y.-straße und dem PF. zu melden, nahm er an, dass Opfer möglicherweise in der Tatnacht am Taxistand an der LF. gesehen zu habe. Aufgrund des abgedruckten Portraitbilds und der Beschreibung der Bekleidung der Geschädigten auf dem Plakat („schwarze knielange Jacke, weißes T-Shirt, welches im unteren Bereich in Fransen geschnitten war und auf der Vorderseite einen Leoparden zeigte, schwarze Netzstrumpfhose, schwarze Pumps“) erinnerte sich der Zeuge zurück an die in der Tatnacht am Taxistand angetroffene Frau. Als er jedoch den Angeklagten darauf ansprach, ob es sich nicht bei der von ihnen angetroffenen Frau um die Geschädigte handelte, reagierte dieser auffällig aufbrausend: Er habe ein Ermittlungsverfahren wegen einer Prostituierten am Hals und es solle auf keinen Fall der Polizei bekannt werden, dass sie das Opfer möglicherweise vor der Tat getroffen hätten. Daraufhin hatte der Zeuge O. den Verdacht, dass der Angeklagte etwas mit der Tat zu tun haben könnte und es sich möglicherweise um einen „aus dem Ruder gelaufenen Raubüberfall“ des Angeklagten handelte. Um nicht selbst als bekannter „Spannmann“ des Angeklagten in die Sache hineingezogen zu werden, bat er vorsorglich seine Schwester, die Zeugin HM., um ein Alibi für die Tatnacht. Weitere Schritte unternahm er nicht.
31Zur selben Zeit war der „Mord“ an der Geschädigten wiederholt Gegenstand der Berichterstattung. Bereits am Karnevalsmontag und -dienstag berichteten der B.er TM. und die B.ische NB. darüber, dass die Geschädigte brutal geschlagen worden sei und an Brust und Hals schwere Verletzungen erlitt, wodurch sie erstickt sei. Verschwunden sei eine schwarze Handtasche und ein Brustbeutel, in dem ein 100,- DM Schein gesteckt habe. Während die B.ische NB. am Karnevalsmontag noch fragte, ob die Geschädigte Opfer eines Raubmordes geworden sei, wenn auch die Polizei eine versuchte Vergewaltigung vermute, stellte der SJ. B. die Tat am Karnevalsdienstag als versuchte Vergewaltigung dar, bei der der Täter den Kopf der Geschädigten mehrmals gegen die hölzerne Imbissbude gehämmert und die Geschädigte wie von Sinnen gewürgt habe. Selbst als die Geschädigte schon blutüberströmt zu Boden gesunken sei, habe der Mörder weiter auf sie eingeschlagen und –getreten. Die Obduktion habe ergeben, dass der Unterkiefer der Geschädigten zertrümmert sei, Hals- und Brustbereich zeigten Spuren schwerster Gewaltanwendung. Offenbar sei die Geschädigte erstickt. Auch der SJ. B. verwies dabei darauf, dass der Täter die Handtasche nebst Brustbeutel mit einem 100,- DM Schein mitgenommen habe. In den folgenden Monaten berichtete die Presse über die Suche nach Zeugen und der schwarzen Handtasche der Geschädigten, später darüber, dass der Täter wahrscheinlich eine schwarze glatte Lederjacke, verwaschene Jeans und braune Wildlederstiefel oder –schuhe getragen habe.
32Im Jahresverlauf 0000 ging die Polizei allen eingegangenen Hinweisen nach und überprüfte insbesondere die durch die Aussagen der Begleiterinnen bekannten Kontaktpersonen der Geschädigten im „E.“ wie auch deren Ehemann. Anhaltspunkte für einen Tatverdacht ließen sich nach Zeugenvernehmungen und negativen Faser- und Handflächenabruckabgleichen nicht begründen, so dass die Ermittlungen zunächst im Sande verliefen.
Am 0.00.0000 wurde der durch eine neue Ermittlungsgruppe für sog. „Cold-Cases“ aufbereitete Fall in der Sendung „ZM. CQ.“ ausgestrahlt. Darin wurde zunächst in nachgestellten Szenen gezeigt, wie die Geschädigte mit zwei Freundinnen den Karnevalsabend im „E.“ verbringt. Die Geschädigte wurde mit einem weißen, knielangem Kleid, schwarzer Jacke und Handtasche nebst Brustbeutel mit „AH. QB.“-Motiv gezeigt, eine ihrer Freundinnen mit einem Oberteil und passendem Hals- und Kopfschmuck in Leopardenmuster. In einer Szene, die durch eine Bildunterschrift „gegen 4 Uhr“ eingeordnet wird, war zu sehen, wie die Geschädigte sich entschließt, alleine ins „VV.“ weiterzuziehen, sich einen höheren Geldschein von einer ihrer Freundinnen leiht, den sie in ihrem abgerissenen Brustbeutel nunmehr in der Handtasche verstaut, und sodann alleine das „H.C.“ verlässt. Sodann wurde gezeigt, wie die Geschädigte alleine in der Nacht durch die Stadt läuft, von einer Erzählstimme benannt als die „NH.-straße“ auf dem Weg zum „VV.“, dort unvermittelt zwischen zwei abgestellten Verkaufsanhängern gezogen und sofort mit beiden Händen am Hals gewürgt wird. Weiter war zu sehen wie die Geschädigte in einem Handgemenge zu Boden gerungen und dort – nunmehr aus Mund und Nase leicht blutend – erneut gewürgt wird. Die Szene zeigte zuletzt die Hände des schwarz gekleideten Täters, welche Handtasche und Brustbeutel der Geschädigten neben deren reglosen Körper durchsuchen und schließlich mitnehmen. In der Sendung wurde weiter u.a. die Tatzeit zwischen 4:15 Uhr und 5 Uhr eingeordnet und der mutmaßliche Fußweg der Geschädigten vom „E.“ über die Y.-straße bis zur NH.-straße sowie die mutmaßliche Täterkleidung mit schwarzer Jacke, stone-washed Jeans und cognacfarbene Wildleder Lederschuhe bzw. –stiefel gezeigt.
34Im unmittelbaren Anschluss an die Ausstrahlung meldete sich der Zeuge O. und benannte den Angeklagten und seinen damaligen Verdacht, woraufhin erstmals Ermittlungen gegen den Angeklagten eingeleitet wurden.
Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen zunächst auf den Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration durch die Sachverständige Dr. med. VC., Fachärztin für (forensische) Psychiatrie und Psychotherapie, über die diese in der Hauptverhandlung glaubhaft berichtet hat, sowie auf den Angaben des Angeklagten in seiner in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen audiovisuellen Beschuldigtenvernehmung vom 25.01.2023.
36Die Angaben des Angeklagten zu seinem Lebensstil in den 80er Jahren werden gestützt und ergänzt durch Angaben der Zeugen O., IQ. und RQ., die in derselben Nachbarschaft wie der Angeklagte aufgewachsen sind und mit diesem bzw. dessen jüngeren Bruder befreundet waren. So haben die Zeugen O. und IQ. übereinstimmend angegeben, demselben Freundeskreis wie der Angeklagte angehört und untereinander befreundet gewesen zu sein. Der Zeuge O. hat weiter ausgeführt, den Angeklagten im Alter von ca. 13-14 Jahren kennengelernt und mit ihm zusammen illegale Sachen gemacht zu haben. Er sei längere Zeit „Spannmann“, also Helfer des Angeklagten insbesondere bei Einbrüchen oder Diebstählen gewesen. Der Zeuge IQ. hat angegeben, im Jahr 1988 nur noch gelegentlich Kontakt mit dem Angeklagten gehabt zu haben, da er seinen Abschluss habe nachholen wollen. Der Angeklagte und der Zeuge O. seien eng befreundet gewesen. Einen Streit zwischen beiden habe er nicht mitbekommen. Zuletzt habe er selbst im Jahr 2002/2003 Kontakt zum Angeklagten gehabt. Der Zeuge RQ., welcher fast 4 Jahre jünger als der Angeklagte ist, hat angegeben, mit dem jüngeren Bruder des Angeklagten befreundet gewesen zu sein. Im Jahr 1988 habe er zu der Familie jedoch bereits keinen Kontakt mehr gehabt, da er im Gefängnis gesessen habe und dann weggezogen sei. Alle drei Zeugen haben angegeben, sich nicht daran erinnern zu können, den Angeklagten jemals sonderlich alkoholisiert erlebt zu haben. Der Zeuge O. hat weiter ausgeführt, der Angeklagte habe jedoch mehrfach – mehr als 10 Mal – mit anderen in seiner Gegenwart Heroin geraucht. Dies sei bei einer Familie „FR.“ in der Nachbarschaft, allerdings nach 1988 gewesen. Der Angeklagte sei – wie die anderen, die Heroin geraucht hätten – ruhig geworden und hätte seine Ruhe haben wollen. Er selber habe zum Glück lediglich „gekifft“, wodurch er immer aktiver geworden sei. Seine Angaben werden im Kern durch den Zeugen IQ. gestützt. Dieser hat angegeben, den Angeklagten zwar nicht unter dem Einfluss von Drogen gesehen zu haben. Er gehe jedoch davon aus, dass er mit Drogen zu tun gehabt habe, da er bei der Familie „FR.“ verkehrt habe und er, der Zeuge, wisse, dass dort Drogen im Spiel gewesen seien. Der ca. vier Jahre jüngere Zeuge RQ. hat angegeben, Drogen seien in seinem Alter kein Thema gewesen, daher könne er nichts dazu sagen. Sie hätten jedoch Bier getrunken.
37Die Feststellungen zur Person des Angeklagten ergeben sich weiterhin aus dem im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Urteil des Landgerichts Köln vom 23.08.1995.
38Die Feststellung dazu, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 14.08.2023, welcher keine Eintragungen aufweist.
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf einer Gesamtwürdigung sämtlicher in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise.
401. Einlassung des Angeklagten
41Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfene Tat in der Hauptverhandlung bestritten und erklärt, er trage keine Verantwortung für den Tod der Geschädigten und habe mit der Sache nichts zu tun. Eine weitere Einlassung hat er in der Hauptverhandlung nicht abgegeben.
42In seiner in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen audiovisuellen Beschuldigtenvernehmung vom 25.01.2023 hat er zusammen gefasst angegeben, er wisse nichts zur Sache und könne daher nicht mehr dazu sagen. Daran, was er an Karneval vor 00 Jahren gemacht habe, könne er sich nicht erinnern. Angesprochen auf das „E.“ könne er sagen, dass er früher mit Kollegen in unterschiedlichen Clubs in B., auch im „E.“, verkehrt habe. Er habe damals harten Alkohol getrunken und Drogen genommen. An Fahndungsplakate zu der Tat im Jahr 0000 oder daran, auf diese Tat von jemanden angesprochen worden zu sein, könne er sich beim besten Willen nicht erinnern. Er sei aber auch jung gewesen und habe sich nur für seine „Geschäfte“ interessiert. Dass die Polizei ins Spiel gebracht worden sein soll, könne er ausschließen. Die Polizei sei damals ein rotes Tuch „bei den Jungs“ gewesen. Wenn von einem Verfahren mit einer Prostituierten die Rede gewesen sein sollte, müsse es sich um den Unfall handeln, den er alkoholisiert und ohne Führerschein mit dem Wagen einer Prostituierten gebaut habe. Die Prostituierte sei zuvor bei Anblick einer Polizeistreife aus dem Auto gesprungen und habe ihn bezichtigt, sie überfallen zu haben – wohl, um von ihrem Gehverbot in B. abzulenken. Bei seiner Flucht sei der Unfall dann passiert. Die Frau lebe jedoch noch; sie hätte ja schon zuvor das Auto verlassen.
43Er berichtete unaufgefordert, dass er die ganze Zeit überlege, ob sich vielleicht jemand an ihm rächen wolle. Da viele ihm als einziger der Zeuge O. ein, der habe irgendwann zu seinem Freundeskreis gezählt; ob jedoch bereits im Jahr 0000, könne er nicht sagen. Mit ihm habe er Geschäfte gemacht. Es sei jedoch einiges schief gelaufen, woran ihre Freundschaft zerbrochen sei – auch weil die Freundin des Zeugen im Spiel gewesen sei. Der Zeuge habe ihm u.a. übel genommen, dass er sich geweigert habe, dieser Freundin Geld auszuhändigen, welches dem Zeugen zugestanden habe, dieser jedoch aus der Untersuchungshaft nicht habe abholen können. Von da an sei nur noch Streit gewesen und sie hätten sich geschlagen.
442. Tatfeststellungen
45Die Tat hat wie festgestellt stattgefunden. Die Geschädigte wurde am Fundort in der NH.-straße in B. in dem festgestellten Tatablauf am 00.00.0000 zwischen 4.00 und 5.00 Uhr nachts getötet, nachdem sie zuvor in dem sogenannten „E.“ mit zwei Freundinnen Karneval gefeiert hatte und sich fußläufig auf dem Weg in die Diskothek „VV.“ befand. Dies folgt aus einer Gesamtwürdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise.
Die Feststellungen zu dem Ablauf des Abends/der Tatnacht bis zu der Tat folgen zunächst aus den Aussagen der Zeugin A., der Zeugin W. und der im Wege des Selbstleseverfahrens und gem. § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO eingeführten Angaben der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugin N..
47Die Zeugin A. hat glaubhaft angegeben, dass sie sich noch gut an den Karnevalsabend erinnern könne. Sie hätten sich wie festgestellt getroffen und fertig gemacht. Dabei seien sie alle in ähnlichen Kostümen gekleidet gewesen, die Geschädigte wie festgestellt. Nur den von der Geschädigten getragenen Schmuck könne sie nicht mehr erinnern. Die Geschädigte habe eine schwarze Handtasche dabei gehabt. Für die Taxifahrt zum „VV.“ habe sie ihr einen 100,-DM Schein gegeben, den die Geschädigte in den Brustbeutel gesteckt habe. Zum genauen Inhalt der Handtasche konnte die Zeugin in der Hauptverhandlung keine Angaben machen. Auch auf Vorhalt ihrer früheren Aussage im damaligen Ermittlungsverfahren, dass sich gemeinsame Schminkutensilien darin befunden hätten, so mehrere Lippenstifte und Augenschminke, konnte sie sich nicht erinnern. Der Verlauf des Abends sei wie festgestellt gewesen. Die Geschädigte habe im Gegensatz zu ihr und der Zeugin N. noch weiter feiern wollen und sei gegen 3.30 oder 3.45 Uhr alleine aufgebrochen, nachdem sie sie noch zur Garderobe begleitet habe. Die Geschädigte habe gesagt, sie wolle ein Taxi nehmen. Es sei schwierig gewesen Karneval ein Taxi zu bekommen.
48Die Angaben der Zeugin A. werden gestützt durch die Angaben der Zeugin N. in ihren damaligen Vernehmungen. Auch sie hat dort wie festgestellt zu der gemeinsamen Abendgestaltung bekundet. Zu der Weggangzeit der Geschädigten aus dem „E.“ hat sie leicht abweichend zunächst angegeben, dass die Geschädigte gegen 4.00 Uhr/4.15 Uhr gegangen sei, was sie in einer späteren Vernehmung auf 3.45 Uhr korrigierte. Aus ihrer damaligen Vernehmung ergibt sich auch, dass die Geschädigte wie festgestellt Schmuck trug und eine Handtasche mit Krokodillederoptik mitführte, in der sich ihre Schminksachen, möglicherweise auch ein Nähgarnröllchen und der Hausschlüssel befanden. Ausweispapiere habe die Geschädigte nicht bei sich gehabt. In ihrem Brustbeutel hätte sich zudem ein 100,-DM Schein befunden.
49Auch die Zeugin W. hat angegeben, die Geschädigte habe eine Art ganz helles T-Shirt mit einem Muster auf der Brust und Fransen am Saum sowie eine Strumpfhose getragen. Sie meine auch, dass die Geschädigte ursprünglich noch einen Gürtel und – anstelle eines Portemonnaies – einen kleinen Brustbeutel in hellblau mit einer AH. getragen habe. An eine Handtasche oder deren Inhalt könne sie sich heute nicht mehr erinnern; auch nicht daran, dass sie in ihrer damaligen Vernehmung angegeben habe, in die zunächst weitgehend leere Handtasche der Geschädigten einen weißen Kajalstift, Rouge, Lippenstifte und Wimperntusche gepackt zu haben und dass von der Geschädigten selbst nur Make up und Zigaretten in der Tasche gewesen seien. Sie gehe aber davon aus, dass es eine solche Handtasche gegeben habe, da die Geschädigte nie ohne Schminksachen fortgegangen wäre.
50Die Angaben der Zeuginnen zu der Aufmachung der Geschädigten werden bestätigt durch die jeweils im Selbstleseverfahren eingeführten Angaben im Tatort- und Befundbericht vom 00.00.0000, dem Sektionsprotokoll vom 00.00.0000 und den Erläuterungen zur Lichtbildmappe (Bl. 1-4, 6-40 Beweismittelhefter Komplex I 3) sowie durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Leichnam am Tatort, (Bl. 9, 11, 13, 15 Beweismittelhefter Komplex I 3, Lichtbilder Nr. 7 – 12 der Lichtbildmappe), wobei wegen der Einzelheiten auf den Akteninhalt gemäß § 267 Abs. 1 S.3 StPO Bezug genommen wird. So ist im Tatort- und Befundbericht und in dem Sektionsprotokoll die Bekleidung der Geschädigten mit dem T-Shirt, der schwarzen Jacke und den Strumpfhosen beschrieben. Diese Bekleidung ist auch auf den die Leiche der Geschädigten abbildenden Lichtbildern Nr. 7 – 12 zu sehen. In dem Sektionsprotokoll wird zudem der Schmuck wie festgestellt beschrieben.
51Die Feststellungen zu den Verhältnissen im „E.“ in der Tatnacht beruhen ebenfalls auf den Angaben der Zeuginnen A. und N., die übereinstimmend bekundet haben, dass sie sich wie festgestellt dort aufgehalten und gefeiert hätten. Die allgemeine Gestaltung und den damaligen Aufbau der Örtlichkeit sowie ihr Fassungsvermögen haben die Zeuginnen QY. (seinerzeit Türsteherin) und UF. (seinerzeit Bedienung) wie auch der Zeuge RW. (seinerzeit Kassierer) übereinstimmend wie festgestellt beschrieben. Die Zeugin JG. (seinerzeit Aushilfe) hat sich nur noch unspezifisch an eine Tätigkeit an der Garderobe des „Bierdorfs“ zu erinnern vermocht. An die Tatnacht selbst konnte sich lediglich die Zeugin QY. noch erinnern. Sie hat angegeben, die Geschädigte bei ihrer Ankunft gesehen und ihre Kleidung für „etwas knapp“ erachtet zu haben. Später habe sie die Geschädigte nicht mehr gesehen, weder im noch bei Verlassen des „Bierdorfs“.
52b) Tatörtlichkeit
53Die Angaben zu dem Weg der Geschädigten zum „VV.“ in der Straße „NA.-straße“ beruhen zunächst auf den glaubhaften Angaben des damaligen Mitgliedes der Mordkommission, des Zeugen EKHK a.D. GD., der sich an seinen damaligen Einsatz noch gut erinnern konnte. Er hat bekundet, dass er den Weg vom „E.“ zum „VV.“ damals selbst abgegangen sei. Der „sinnvollste“ Weg sei für ihn der Weg über die Y.-straße, NH.-straße, GO.-straße und den GE.-straße gewesen. Die Wegstrecke von der Y.-straße bis zum Tatort in der NH.-straße sei selbst bei langsamer Gehweise in unter 10 Minuten zu bewerkstelligen, was er selbst damals gemessen habe. Sie führe durch einen dicht besiedelten und gut ausgeleuchteten Bereich ohne Nischen (Parkanlagen, offene Toreinfahrten o.ä.), so dass die Tatörtlichkeit die erste Möglichkeit geboten habe, einen Überfall relativ verdeckt durchzuführen. Die Angaben des Zeugen werden gestützt durch die in Augenschein genommene Stadtkarte aus dem Jahr 0000 (Bl. 3 Beweismittelhefter Komplex I 3, Lichtbild 1 der Lichtbildmappe), deren Straßenbezeichnungen im Wege der Selbstlesung eingeführt und auf der der genannte Weg der Geschädigten von dem Lokal „E.“ zu dem Tatort und die Lage der Straße „NA.-straße“ nachvollzogen werden kann; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.
54Die Feststellungen zu den Verhältnissen am Tattag in der NH.-straße und am Fundort der Leiche der Geschädigten ergeben sich neben dem Tatort- und Befundbericht vom 00.00.0000 (a.a.O.) aus den glaubhaften Angaben des Zeugen LN. und des weiteren damaligen Mitgliedes der Mordkommission, des Zeugen EKHK a.D. FM., der sich ebenfalls an seinen damaligen Einsatz noch erinnern konnte, und die die Angaben in dem Bericht bestätigten. Danach war die NH.-straße wie festgestellt beschaffen und in der Tatnacht wie festgestellt für den Karnevalsumzug vorbereitet worden. Anhand der er in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder zur NH.-straße (Bl. 9, 11, 13, 15, 17 Beweismittelhefter Komplex I 3, Lichtbilder Nr. 7-15 der Lichtbildmappe) und der Tatortskizze (Bl. 8 Beweismittelhefter Komplex I 2), sowie den im Selbstleseverfahren eingeführten Erläuterungen zur Lichtbildmappe (Bl. 1-4, 6-40 Beweismittelhefter Komplex I 3), waren die Angaben in dem Bericht und die Aussagen der Zeugen gut nachvollziehbar. Weiter sieht man auf den ebenfalls in Augenschein genommenen Lichtbildern Nr. 7 – 15 die Lage der Leiche hinter dem Imbisswagen. Auf der Tatortskizze die Lage der abgestellten Anhänger und Fahrzeuge, sowie des angrenzenden Schulgrundstückes. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.
55c) Tatgeschehen
56Die Verletzungen der Geschädigten und dass und wie die Geschädigte Opfer eines Tötungsdeliktes wurde, folgt insbesondere aus den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. PY., Facharzt für Rechtsmedizin und ehemaliger Direktor der Rechtsmedizin der Universität XN., der die damalige Sektion durchführte, sowie dem Sektionsprotokoll vom 00.00.0000 (a.a.O.) und den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. UR., Fachärztin für Rechtsmedizin und stellvertretende Direktorin der Rechtsmedizin B..
57Prof. Dr. PY. hat die festgestellten Verletzungen der Geschädigten im Einzelnen beschrieben und ausgeführt, dass der Großteil der über 30 diversen Verletzungen durch massive stumpfe Gewalteinwirkungen von oben auf die bereits in Rückenlage am Boden liegende Geschädigte erfolgt sei. Die Einwirkungen seien überwiegend gegen die linke Gesichtsseite bzw. gegen die Region vom Kinn über die Drosselgrube bis zu den Schlüsselbeinen gerichtet gewesen und hätten neben massiven Weichteilblutungen und Schleimhautzerreißungen zu einem mehrfachen Bruch des Unterkiefers beidseits, des Zungenbeins sowie einer Zertrümmerung des Kehlkopfskeletts einschließlich der Schildknorpelplatten geführt.
58Eine konkrete Reihenfolge der Verletzungen sei nicht auszumachen. Ein Großteil der Verletzungen, insbesondere die todesursächlichen Halsweichteilverletzungen, sowie die ausgeprägten Einblutungen an der Körperrückseite, namentlich am Hinterkopf, über beiden Schulterblättern und in die Extremitäten hinein (sog. „Widerlagerverletzungen“), seien sicher im Zuge einer flächenhaft ausgedehnten Gewalteinwirkung von oben auf den am Boden liegenden Körper entstanden. Dies im Sinne eines „Drauftretens“, „Drauftrampelns“ oder auch „Draufstehens“ . Anders ließen sich die Knochenbrüche und Zertrümmerung des Kehlkopfskeletts nicht erklären. Zumal die Schildknorpelplatten im Kehlkopf bei jungen Menschen noch elastisch seien und bei einfacher Kompression nicht brächen. Eine bloße Einwirkung mit den Händen sei aufgrund des Ausmaßes der Verletzungen auszuschließen, da hierdurch die erforderliche Kraft nicht aufgebracht werden könne. Auch habe es grundsätzlich keine Hinweise für die Verwendung von Gegenständen gegeben. Nur am Hals hätten sich Drosselmarken befunden, welche mit dem aufgefundenen Halsschmuck korrespondierten und besonders im Nackenbereich markant ausgeprägt waren.
59Es sei ein Verletzungsbild flächenhafter Gewalteinwirkung zu sehen, welches „wie aus einem Guss“ durch „Treten“ oder „Draufstehen“ erscheine. Die Geschädigte habe zwar zudem eine innere Verletzung im Bauchraum (Unterblutung des Bauchfells) aufgewiesen, welche auch durch einen Schlag entstanden sein könnte; diese Verletzung könne aber auch Zeichen eines „Draufkniens“ des Täters sein.
60Weitere Verletzungen habe die Geschädigte u.a. an den Extremitäten aufgewiesen. An beiden Armen seien Hautverfärbungen feststellbar gewesen, insbesondere am linken Oberarm in Gestalt von parallel im Abstand von ca. 1 cm zueinander angeordneten Streifen, die als Griffspuren zu erklären seien. Auch sei am linken äußeren Sprunggelenksknöchel der Geschädigten ein feinstreifiger Oberhautdefekt festzustellen gewesen, welcher jedoch als Bagatellverletzung einzustufen sei.
61Infolge der massiven stumpfen Gewalteinwirkung von flächenhaft komprimierender Natur, die „wie aus einem Guss“ beigebracht erschienen, sei es zu Stauungsblutungen und Einblutungen in die Körper(außen)teile und einem Dehnungsriss in der Halsschlagader gekommen. Es sei eine ausgedehnte Blutungszone entstanden, die sich vom Kinn über den ganzen Hals bis zum Brustbein und auf die Schultergelenksrundungen erstreckt und eine – sonst übliche – Präparation der einzelnen Muskelschichten in den Halsweichteilen verhindert habe. Eine derart massive Einwirkung im Halsbereich habe er in 40 Berufsjahren in vielleicht drei Fällen gesehen. Aufgrund der Verletzungen der Kehlkopfregion sei es zu einem Austritt von Luft in die Halsweichteile (sog. „Luftemphysem“) und weiter zu einem Dehnungsriss der zum Gehirn führenden Halsschlagader gekommen. Daneben seien eine starke Lungenüberblähung, Blutungen des Lungenfells (sog. „Erstickungsblutungen“) sowie hämorrhagische Lungenödeme Hinweiszeichen für ein Ersticken.
62Letztlich sei die Geschädigte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der aus der zuvor beschriebenen stumpfen Gewalteinwirkungen folgenden Halskompression verstorben. Todesursächlich sei insoweit ein Kombinationsgeschehen aus Ersticken und Unterbrechung der Blutversorgung zum Gehirn bei größerem Blutverlust nach innen und außen gewesen. Dabei sei von einer Agoniedauer von ca. 3-8 Minuten bis zum Todeseintritt auszugehen. Da eine Bewusstlosigkeit bereits nach wenigen Sekunden der Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn eintrete, sei von einer frühen Wehrlosigkeit der Geschädigten auszugehen, zumal angesichts deren vergleichsweise zierlicher Statur von 166 cm Körpergröße und 55 kg Körpergewicht.
63Den überzeugenden und in sich widerspruchsfreien Ausführungen des aus seiner langjährigen Berufserfahrung heraus sachverständigen Zeugen zur Entstehung und Auswirkung der Verletzungen des Geschädigten schließt sich die Kammer vollumfänglich an. Die Ausführungen werden von der Sachverständige Prof. Dr. UR. bekräftigt und insgesamt bestätigt. Anhand der im Rahmen des von der Sachverständigen Prof. Dr. UR. erstatteten Gutachtens in Augenschein genommenen Lichtbilder Nr. 7 – 15 vom Leichnam der Geschädigten am Tatort, waren die Ausführungen des sachverständigen Zeugen sehr gut nachvollziehbar. So war u.a. die vom sachverständigen Zeugen beschriebene „Verletzungszone“ anhand der Blutspurenmuster, insbesondere der im Kopfbereich hinterlassenen Blutlache, ohne weiteres nachvollziehbar. Zudem war die Massivität der Kieferverletzungen und das Ausmaß der Blutspritzer gut erkennbar, so dass es einleuchtet, dass diese Verletzungen durch eine massive, mehrfache Gewalteinwirkung von oben herbeigeführt worden sein müssen.
64Die Sachverständige Prof. Dr. UR. hat zudem anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder von Leichnam und Tatort (Bl. 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37 Beweismittelhefter Komplex I 3, Lichtbilder Nr. 7-32 der Lichtbildmappe) und des Tatort- und Befundberichtes (a.a.O.) eine Blutspurenmusteranalyse durchgeführt. Danach und dem Ergebnis der Sektion ergibt sich, dass die Auffindestelle der Leiche der Geschädigten dem Ort der Einwirkungen auf sie entspricht und lediglich durch die massiven Einwirkungen während der Tat es noch zu geringen Veränderungen des Körpers der Geschädigten gekommen ist.
65Ihre Analyse hat die Sachverständige zunächst auf das im Selbstleseverfahren eingeführte und von ihr erläuterte Gutachten des zwischenzeitlich verstorbenen Prof. Dr. WH. vom 00.00.0000, ehemaliger Direktor des Institutes für Rechtsmedizin der Universität B. und Sachverständiger für Blutgruppengutachten, gestützt. Aus diesem ergibt sich, dass eine Blutgruppenbestimmung zu den ausweislich des Selbstleseverfahren eingeführten Spurensicherungsberichtes vom 00.00.0000 genommenen Proben aus der Blutlache im Kopfbereich, am Wagen oberhalb der Leiche, Blutanhaftungen auf dem Boden an einem Zündhütchenstreifen, dem Hinterrad eines Mercedes-LKW, der Betonmauer und einem Halteverbotsschild durchgeführt worden ist. Demnach handelt es sich bei allen auf den Lichtbildern vom Tatort erkennbaren rötlichen Spuren – mit Ausnahme der auf Lichtbild Nr. 31 erkennbaren drei Heftzwecken nebst einem Haar mit rötlichen Anhaftungen auf der Holzverkleidung der Stirnseite des Imbisswagens – um Blutspuren von menschlichem Blut mit der Blutgruppe der Geschädigten.
66Prof. Dr. UR. hat sodann ausgeführt, dass die auf den Lichtbildern Nr. 10, 13-15 neben dem Kopf der Leiche ersichtlichen Blutspuren allesamt auf den Austritt von Blut aus Mund – und in geringem Umfang auch Nase – der Geschädigten zurückzuführen seien. Dies ergebe sich daraus, dass nach den von Prof. Dr. PY. mitgeteilten Sektionsergebnissen, keine wesentlichen nach außen blutenden Verletzungen festzustellen gewesen seien.
67Nach Entstehung der wesentlichen Blutungen sei die Geschädigte nicht mehr nennenswert bewegt worden. Belegt werde dies zum einen durch die ausgeprägten Widerlagerspuren (d.h. das kontinuierliche Einbluten in die rückseitigen Körperaußenteile), zum anderen durch die Blutlache auf Kopfhöhe und durch Spritzmuster unmittelbar um den Leichnam herum, wie auf den Lichtbildern Nr. 9 – 15, 19 und 21 ersichtlich sei.
68Aus dem Spritzmuster sei die Massivität und Kontinuität eines Einwirkens auf die bereits blutend am Boden liegende Geschädigte abzuleiten. So seien Spritz- und Schleuderspuren noch am Reifen des – ausweislich Tatortskizze und Tatort- und Befundbericht – ca. 2 m entfernten Transporters aufzufinden gewesen, wie auf Lichtbild NR. 16 und 17 ersichtlich sei. Um das Blut derart weit zu beschleunigen komme nur ein kraftvolles Einwirken in eine bereits blutende Wunde in Frage. Durch ein bloßes Umherschwingen bebluteter Gegenstände, etwa eines bereits bebluteten Schuhs des Täters, ließe sich eine derart entfernte Blutspuren nicht erklären.
69Daneben sei an der unteren Seite des Imbisswagens, unmittelbar oberhalb des Kopfes der Geschädigten, insbesondere auf den Lichtbildern Nr. 13 und 14, ein auffälliges Verteilungsmuster fächerförmig ausgebildeter Spritzspuren zu erkennen, die aus der Endposition des Körpers teilweise unterhalb des Wagens heraus so nicht nachzuvollziehen seien. Hieraus könne geschlossen werden, dass der Körper der Geschädigten durch die Einwirkungen unter den Wagen geschoben worden sei. Ein zeitlich nachgelagertes Schieben des bereits schlaffen Körpers sei kaum zu bewerkstelligen. Auch sei mangels ersichtlicher Wisch- oder Kontaktspuren auszuschließen, dass der Körper erst nach der eigentlichen Einwirkung dorthin bewegt worden sei.
70Den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen schließt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich an. Den anhand der Blutspuren und Endposition des Leichnams rekonstruierten Tatverlauf hat die Sachverständige anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder von Tatort und Leichnam sowie der erläuterten Tatortskizze in der Hauptverhandlung nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei dargelegt. So ist insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Ausformung der Blutanhaftungen einerseits um den Kopf des Leichnams und andererseits zwischen den verstreuten Gegenständen leicht zu erfassen, dass es sich einerseits um Spritz- und Schleuderspuren bzw. um Auftropfungen handelt.
71Für das gefundene Ergebnis, dass die massiven Einwirkungen des Täters hinter dem Imbisswagen in der NH.-straße erfolgte, spricht auch, dass die von der Geschädigten getragenen schwarzen Schuhe in unmittelbarer Nähe neben dem Leichnam aufgefunden wurden. Ausweislich der Ausführungen in den Erläuterungen zu dem in Augenschein genommenen Lichtbild Nr. 23 der Lichtbildmappe, welches u.a. einen am Boden des Tatorts liegenden linken Pumps zeigt, wie auch des im Selbstleseverfahren eingeführten Spurensicherungsberichts vom 00.00.0000, lag der linke Schuh der Geschädigten in einer Entfernung von 150 cm vom Leichnam entfernt, der rechte Pumps in Kopfhöhe neben dem Leichnam unter dem Imbissverkaufswagen. Es ist naheliegend, dass sich die Schuhe infolge des Angriffs von den Füßen gelöst haben.
72Die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr UR. sprechen auch dafür, dass die Geschädigte durch den Täter gewaltsam an den Tatort auf die Rückseite hinter den Imbisswagen verbracht wurde. Die Sachverständige hat zwar keine Blutspuren festgestellt, die für ein vorgelagertes (Kampf-) Geschehen in der Umgebung der Auffindestelle des Leichnams sprechen. Insbesondere die Anhaftungen an der Stirnseite des holzverkleideten Imbisswagens seien ausweislich der serologischen Untersuchungen kein Blut. Die Sachverständige hat aber weiter ausgeführt, dass es bei der Geschädigten Verletzungen gab, die nicht nach außen geblutet haben und die durch einen gewaltsamen ersten Zugriff des Täters auf der NH.-straße in Höhe des Imbisswagens zwanglos erklärt werden können. So die streifenförmigen Hautblutungen an beiden Oberarmen der Geschädigten und die im Nackenbereich markant ausgeprägten Drosselmarken am Hals der Geschädigten. Diese Verletzungen könnten in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Prof. Dr. PY. als Griffspuren des Täters bzw. Folgen eines Drosselvorgangs durch Ziehen des Täters von vorne an dem von der Geschädigten getragenen Halsschmuck erklärt werden.
73Dem schließt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung an. Ein freiwilliges Geschehen wäre hier nur denkbar, wenn sich ein Kontakt der Geschädigten mit dem Täter über eine längere Wegstrecke angebahnt und sie mit dem Täter dann einvernehmlich eine nicht einsehbare Stelle aufgesucht hätte, um ungestört für einen näheren und auch sexuellen Kontakt zu sein, und es dann erst zu dem Angriff des Täters gekommen wäre. Dies ist schon aufgrund der Beschaffenheit der Örtlichkeit aber auch der Persönlichkeit der Geschädigten auszuschließen. Ausweislich des Tatort- und Befundberichtes und des Spurenberichtes hätte sich die Geschädigte dann mit dem Täter an eine Örtlichkeit begeben, wo sich Unrat in Form von Papierabfällen, aber auch Kot, befunden hat. Dies zeigt auch Lichtbild Nr. 7 (a.a.O.), auf dem die Leiche auf einem gepflasterten Abschnitt vor einem verschmutzten Grünstreifen zu sehen ist. Die Zeuginnen A. und N. haben die Geschädigte als zwar in alkoholisiertem Zustand eher lockere und redselige, dennoch aber vorsichtige Frau beschrieben, die ihr unbekannte Personen auf der Straße jedenfalls abgeblockt hätte und sich zudem gerade ein Taxi nehmen wollte, um sicher zum „VV.“ zu gelangen. Nach dem im Wege der Selbstlesung eingeführten Gutachten zur Bestimmung der Blut- und Harnalkoholkonzentration vom 00.00.0000 von Prof. Dr. WH./Dr. CG., wies die Geschädigte mit einem Blutalkoholspiegel von 1,4 Promille auch noch nicht eine Alkoholisierung auf, die bei ihr – als nach Angaben der Zeuginnen A. und N. nicht alkoholungewöhnte Person – zu entscheidenden Beeinträchtigungen geführt hätte. Entsprechendes haben auch die Zeuginnen bekundet, die die Geschädigte als nicht „stinkbesoffen“ beschrieben. Ausgehend davon, dass es sich um einen für die Geschädigte fremden Täter handelte (dazu unter B. II. 2. e) ist ein Motiv dafür, dass sich die Geschädigte freiwillig an einen solchen Ort wie die Auffindestelle ihrer Leiche begeben hätte, um dort Zärtlichkeiten auszutauschen, nicht ersichtlich und kann ausgeschlossen werden.
74d) Tatzeitpunkt
75Dass die Geschädigte zwischen 4.00 und 4.45 Uhr getötet wurde, ergibt sich neben den Feststellungen der Rechtsmedizin aus den Angaben der Zeugen.
76Der Leichnam der Geschädigten wurde nach der im Wege des Selbstleseverfahrens und gem. § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO eingeführten Aussage der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugin YY. gegen 8:45 Uhr von ihr aufgefunden. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Tat wesentlich früher stattfand.
77Anknüpfend an die ebenfalls im Wege des Selbstleseverfahrens und gem. § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO eingeführten Feststellungen des zwischenzeitlich verstorbenen Prof. Dr. QN., seinerzeit Rechtsmediziner des Institutes für Rechtsmedizin der Universität B., bei der Leichenfundortbesichtigung hat der sachverständige Zeuge Prof. Dr. PY. die in dem entsprechenden Vermerk des Prof. Dr. QN. bereits festgehaltene Berechnung zur Leichenliegezeitbestimmung nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei erläutert. Demnach ergibt sich aufgrund der festgehaltenen Temperaturen an Leichnam und Tatort sowie der festgestellten Ausprägung von Leichenstarre und Totenflecken mit hoher Wahrscheinlichkeit (95%iges Konfidenzintervall) eine Todeszeit der Geschädigten zwischen 22:45 Uhr und 4:45 Uhr.
78Nach Angaben ihrer Begleiterinnen verließ die Geschädigte das „E.“ frühestens gegen 3:45 Uhr. Bei einer etwaigen vergeblichen Wartezeit an dem – nach Angaben des Zeugen RW., seinerzeit Kassierer im „E.“ – nächstgelegenen und innerhalb von ca. 3-4 Minuten fußläufig zu erreichenden Taxistand an der LF., sowie der von dem Zeugen GD. angegebenen Gehstrecke von nicht mehr als 10 Minuten, ergibt sich, dass die Geschädigte die Tatörtlichkeit in der NH.-straße nicht vor 4 Uhr, wahrscheinlich aber erst nach 4 Uhr erreicht hat.
79e) Tatmotiv
80Dass der Täter entweder handelte, um der Geschädigten werthaltige Gegenstände bzw. Geld zu entwenden, und/oder um sexuelle Handlungen auch gegen ihren Willen durchzuführen, folgt zunächst daraus, dass der Täter der Geschädigten die Handtasche und das Geld entwendet hat.
81Dass die Geschädigte zum Tatzeitpunkt eine Handtasche mit sich führte, die bei Auffindung der Leiche fehlte, folgt aus den Angaben der Zeuginnen A. und N.. Diese haben wie ausgeführt angegeben, dass die Geschädigte eine schwarze Kunstledertasche mit Krokodilleder-Muster dabei hatte, in der sie u.a. Schminksachen, ihren Hausschlüssel und – nach Angaben der Zeugin N. ihren Brustbeutel mit 100,-DM - nachdem dessen Band im Laufe des Abends zerrissen war- verstaut hatte. Weder diese Handtasche noch der Brustbeutel oder das Geld wurden am Tatort aufgefunden. Dies ergibt sich aus dem genannten Spurensicherungsbericht sowie den Aussagen der Zeugen GD. und FM..
82Dass der Täter die Handtasche mitnahm nachdem er sie durchwühlt hatte, ergibt sich zunächst daraus, dass am Tatort Gegenstände aus der Handtasche der Geschädigten lagen. Nach den Feststellungen in dem genannten Tatort- und Befundbericht und den genannten Erläuterungen zur Lichtbildmappe (a.a.O.) sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern Nr. 8, 22, 23 und 24. Danach lagen in einer Entfernung von 1,10 m bis 1,50 m vom Leichnam zur Stirnseite des holzverkleideten Imbisswagens hin frisch verstreute Gegenstände, namentlich ein Nagellackfläschchen, ein halbvolles Nähgarnröllchen sowie ein Tampon. Diese Gegenstände ordnet die Kammer dem Inhalt der Handtasche der Geschädigten zu. Ausweislich des sauberen Erscheinungsbildes dieser Gegenstände, insbesondere ersichtlich bei dem Tampon, ist auszuschließen, dass sie für einen längeren Zeitraum in dem wie ausgeführt verschmutzten Bereich hinter dem Imbisswagen lagen. Auch handelt es sich um Gegenstände, die nach ihrem Nutzen in der Handtasche der Geschädigten an einem Karnevalsabend zu erwarten sind. So können ein Nähgarnröllchen wie auch ein Nagellack zur Reparatur eines (Karnevals-) Kostüms bzw. Laufmaschen verwendet werden. Dass weder die Zeuginnen A., N. noch W., auch nach ihren damaligen Bekundungen, derartige Gegenstände in der Handtasche der Geschädigten wahrgenommen haben, ist damit erklärbar, dass es sich um Kleinstgegenstände handelt, denen ob ihrer alltäglichen Verwendung zumeist keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Soweit die Zeugin W. in ihrer damaligen Aussage konkretere Angaben gemacht hat, beziehen diese sich auf ein zeitlich vorgelagertes Geschehen. Danach hat sich die Geschädigte nämlich noch in der Wohnung der Zeugin A. gemeinsam mit ihren Begleiterinnen fertig gemacht. So hat auch die Zeugin A. in ihrer damaligen Aussage – ihr heute nicht mehr erinnerlich – bekundet, es seien auch von ihr Schminksachen in der Tasche gewesen. Danach liegt es nahe, dass sich in der Tasche der Geschädigten zuletzt auch Gegenstände befanden, die sich naturgemäß der Kenntnis der Zeugin W. entzogen.
83Die genannten Gegenstände liegen auch deutlich getrennt von den – ausweislich des Spurensicherungsberichts und der Erläuterungen zur Lichtbildmappe (a.a.O.) – unmittelbar neben dem Leichnam, teils unter deren schwarzen Jacke aufgefundenen Kleinteilen (ein gerissenes Haargummi; zwei Haarspangen; eine ca. 90 cm lange golddurchwirkte Kordel, wie sie auch der Geschädigten um den Hals lag), die nach ihrer Lage bei der Tat am Körper der Geschädigten getragen worden sein dürften.
84Dass die Gegenstände aus der Handtasche Geschädigten stammten und der Täter diese Gegenstände dort verstreute, ergibt sich zudem aus den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. UR.. Diese hat ausgeführt, dass – wie auf den Lichtbildern Nr. 22-23 ersichtlich – am Boden neben dem Leichnam zur Stirnseite des holzverkleideten Imbisswagens hin Blutauftropfspuren in in unmittelbarer Nähe zu den oben genannten dort verstreuten Gegenständen festzustellen gewesen seien. Derartige Tropfspuren entstünden, wenn Blut in gerader Linie von einem Gegenstand heruntertropfe. Naheliegend sei, dass es sich bei diesem Gegenstand um die Handtasche der Geschädigten gehandelt habe. Auszuschließen sei, dass die Blutspuren durch Abtropfen von Blut von Kleidungsstücken oder den Händen des Täters entstanden sind. Dies, weil – wie die Sachverständige auch insoweit gut nachvollziehbar ausgeführt hat – nach dem Spuren- und Verletzungsbild am Leichnam jegliche Anhaltspunkte für die hierfür erforderliche massiven Blut(durch)tränkung der Kleidung oder der Hände des Täters fehlten. Dem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an. Nach den von Prof. Dr. PY. mitgeteilten Sektionsergebnissen sind die wesentlichen Blutspuren am Tatort durch die massiven Einwirkungen auf die bereits verletzte Geschädigte durch eine Einwirkung mit den Füßen des Täters entstanden. Die Sachverständige Prof. Dr. UR. hat auch gut nachvollziehbar ausgeführt, dass anhand der Ausformungen der Blutanhaftungen sich die Auftropfspuren deutlich von den weiteren am Tatort festgestellten Blutspuren unterscheiden.
85Sollte die Entwendung der Handtasche nicht handlungsleitend für den Überfall und die Tötung gewesen sein, kommt nach den Tatumständen nur in Betracht, dass der Täter zusätzlich oder stattdessen ein sexuelles Motiv hatte. Anhaltspunkte für andere Motive – aufgrund des Verletzungsmusters (massivste Gewalt durch unmittelbaren Körpereinsatz) überhaupt nur denkbar in Gestalt eines menschen- bzw. frauenverachtenden Vernichtungswillens oder der Mordlust – bestehen nicht.
86Nach dem Gesamtbild der Tatumstände handelte es sich wie ausgeführt um eine junge, relativ leicht bekleidete Frau mit einem kurzen Kleid, Pumps und Netzstrumpfhose, die Tat fand zur Nachtzeit in einer einsamen Straße zur Karnevalszeit statt und die Geschädigte wurde gewaltsam und unfreiwillig an den abseits hinter den Imbisswagen in der Dunkelheit gelegenen Tatort verbracht.
87Die Geschädigte war zudem das Zufallsopfer eines fremden Täters, mit dem sie kein vorheriger Kontakt verband.
88Dies ergibt sich zunächst aus den übereinstimmenden Angaben der Zeuginnen A. und N.. Danach entschloss sich die Geschädigte erst dazu alleine im „VV.“ weiterzufeiern, als es spät und ihre Begleiterinnen müde geworden waren. Sie habe soweit ersichtlich alleine ohne Begleitung das „E.“ verlassen. Nach Aussage der Zeuginnen hatte sie die Absicht, ein Taxi zu benutzen. Dass sie dies letztlich nicht tat, wäre für etwaige Kontaktpersonen der Geschädigten demnach nicht vorhersehbar gewesen. Zumal heutige Kommunikationsmethoden, wie etwa Mobiltelefone, damals nicht vorhanden waren. Beide Zeuginnen haben zudem angegeben, dass sich die Geschädigte grundsätzlich während des gesamten Abends im „E.“ in ihrer Begleitung bzw. ihrem Sichtfeld befunden habe. An dem Abend sei nichts Besonderes geschehen. Die Geschädigte habe sich zwar zwischenzeitlich auch mit Fremden unterhalten; letztlich seien sie aber stets zu dritt gewesen.
89Nach den Ergebnissen der Ermittlungen im Jahr 0000, von denen die Zeugen FM. und GD., Mitglieder der damaligen Ermittlungsgruppe, berichtet haben, sind neben dem Ehemann der Geschädigten sämtliche von den Zeuginnen A. und N. benannten Kontakte der Geschädigten in der Tatnacht, sowie die aus vorherigen Abenden oder sonst bekannten Kontakte, namentlich identifiziert und überprüft worden. Mittels Überprüfung genannter Alibis, Faserabgleichen sichergestellter Kleidungsstücke mit den als mögliche Täterkleidung identifizierten Fasern hätten sie die von den Zeuginnen genannten Kontaktpersonen als Täter damals ausgeschlossen. Dies wird bestätigt durch die im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten entsprechenden Ermittlungsvermerke vom 00.00.0000 von KHK HA./KK FM. und vom 00.00.0000 von KK FM..
90Der Annahme eines sexuellen Motivs steht nicht entgegen, dass sich aus der Auffinde- und Bekleidungssituation der Leiche der Geschädigten keine Hinweise ergeben, die einen sicheren Rückschluss zulassen, dass es zur Durchführung sexueller Handlungen durch den Täter schon gekommen war.
91Prof. Dr. UR. hat – gestützt auf das im Selbstleseverfahren eingeführte Gutachten zur Bestimmung der Blut- und Harnalkoholkonzentration vom 00.00.0000 von Prof. Dr. WH./Dr. CG. – ausgeführt, dass Abstriche aus Mund, Scheide und After der Geschädigten keine Hinweise auf Spermien oder genetisches Material eines Täters gegeben hätten. Auch die Bekleidungssituation bei Auffinden des Leichnams lässt keinen sicheren Rückschluss auf die Durchführung sexueller Handlungen des Täters zu. Die insoweit getroffenen Feststellungen beruhen insbesondere auf den Angaben in den Erläuterungen zur Lichtbildmappe vom Tatort, im Sektionsprotokoll und dem hierzu notierten Vermerk des damaligen KK JF. v. 00.00.0000 – die jeweils im Wege der Selbstlesung eingeführt wurden – sowie der Aussage der Zeugin YY.. Demnach war der Leichnam wie festgestellt nach äußerem Erscheinungsbild ordnungsgemäß bekleidet. Zwar waren die Körbchen des BH´s der Geschädigten ausweislich von Sektionsprotokoll und des Vermerks des KK JF. vom 00.00.0000 zum Zeitpunkt der Sektion über die Brustdrüsenkörper nach oben verschoben. Ob dies allerdings durch die Tat verursacht wurde, hat die Kammer nicht feststellen können. Die Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen waren im Ergebnis unergiebig. So hat der Zeuge YK. – seinerzeit als Rettungssanitäter zur Unterstützung des Notarztes eingesetzt – angegeben, sich auch nach Vorhalt seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vom 00.00.0000 nicht an den ursprünglichen Zustand der Oberbekleidung des Leichnams erinnern zu können. Ob die Brust der Geschädigten unter ihrem T-Shirt bereits frei lag, als sie dort die Elektroden des EKG anbringen wollten, könne er nicht sagen. Er wisse lediglich noch, dass keine großen Maßnahmen notwendig gewesen seien. Er selbst sei jedoch nicht durchgängig am Leichnam gewesen, sondern habe zwischenzeitlich das EKG geholt. Dass in dieser Zeit Veränderungen an der Bekleidung vom Notarzt vorgenommen worden sind, könne er nicht ausschließen. Der hierzu befragte Zeuge Dr. MD., seinerzeit Notarzt, konnte den Bekleidungszustand des Leichnams nicht mehr wiedergeben. Er gab lediglich an, dass „der Rock“ der Geschädigten ein bisschen hochgerutscht gewesen sei. Welche Maßnahmen er vorgenommen habe, könne er nicht mehr sagen. Er werde wohl die Kleidung hochgeschoben haben, ob dies auch den BH betraf, erinnere er nicht mehr. Wenn ein BH bei Anlegen der Elektroden störe, werde dieser von ihm im Zweifelsfall etwas verschoben. Soweit dem Vermerk des damaligen KK JF. vom 00.0.0000 zu entnehmen ist, dass die Strumpfhose der Geschädigten zuletzt bei der Sektion im Schrittbereich aufgeschnitten war, ist dies ausweislich der Erläuterungen zur Lichtbildmappe vom Tatort auf Maßnahmen des Rechtsmediziners Prof. Dr. QN. zurückzuführen, der den Leichenfundort – wie dem zugehörigen, ebenfalls im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Vermerk in der Beiakte „Leichenvorgang“ zu entnehmen ist – besichtigte.
92Danach ist aber auch nicht auszuschließen, dass es bereits zu nicht mehr sicher feststellbaren sexuellen Handlungen gekommen war oder aber es zu sexuellen Handlungen nur deshalb nicht mehr kam, da die Geschädigte schon zu schwer verletzt war und der Täter deshalb von ihr abließ. Dafür sprechen auch die Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen Dr. VC.. Diese hat ausgeführt, dass die Handlungsanalyse der Tat zeige, dass hier sowohl sexuelle Motive als auch die Entwendung von werthaltigen Gegenständen als Motiv in Betracht kämen. Der Angriff des Täters mit unmittelbarem Körpereinsatz lasse sich potentiell durch mehrere Aspekte erklären: als ein Handeln aus Wut, Hass bzw. Zorn, sei es begründet in einem spezifischen Näheverhältnis von Täter und Opfer oder aber allgemein, beispielsweise aus frauenfeindlichen Gründen; oder aber als ein Handeln im Übermaß, um das Opfer widerstandsunfähig zu machen – sei es für einen nachfolgenden sexuellen Übergriff und/oder aber das Entwenden von werthaltigen Gegenständen –, wobei das Entwenden von Gegenständen auch eine Ersatz- oder Verdeckungshandlung für eine ursprüngliche gewollte, tatsächlich aber nicht mehr möglich gewordene Sexualstraftat sein könnte.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte der Täter dieser Tat war. So konnten am Leichnam der Geschädigten mindestens 5 Hautschuppen festgestellt werden, die dem Angeklagten zuzuordnen sind und deren Auffinden zur Überzeugung der Kammer nur durch eine Übertragung bei bzw. durch die Tat zu erklären ist.
94a) DNA-Gutachten
95Bei Auffinden des Leichnams der Geschädigten am 00.00.0000 hafteten an diesem im Bereich der Vorderseite des rechten Oberarms an der Jacke (F57), an der Vorderseite des linken Oberarms am Übergang von Jacke und T-Shirt (F63) und auf der Vorderseite der Netzstrumpfhose am linken Knöchel (F5) drei sicher dem Angeklagten zuzuordnende Hautschuppen. An der Netzstrumpfhose hafteten zudem möglicherweise im Bereich der rechten Oberschenkelvorderseite (F14Neu) und der linken Oberschenkelrückseite (F28Neu) zwei weitere Hautschuppen, die mit hinreichender Sicherheit dem Angeklagten zugeordnet werden können. Die auf den Strumpfhosen weiter an der rechten Oberschenkelrückseite (F103) aufgefundene Hautschuppe weist mit gutem Hinweiswert auf den Angeklagten hin. Die Zuordnung einer letzten auf den Strumpfhosen an der vorderen rechten Hüftseite (F34) aufgefundenen Hautschuppe zum Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden. Dies ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C. CL., Leiter der Forensischen Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin B. nebst den hierzu im Selbstleseverfahren eingeführten Gutachten vom 26.07.2023 und vom 12.01.2024 sowie aus dem im Selbstleseverfahren eingeführten Spurensicherungsbericht vom 00.00.0000 und den in Augenschein genommenen Lichtbildern zur Verortung der Spurenfolien am Leichnam und der Strumpfhose.
96Einer forensisch-molekularbiologischen Untersuchung im Institut für Rechtsmedizin B. wurden zunächst sämtliche sog. „Spurensicherungsfolien“ unterzogen, die ausweislich des Spurensicherungsberichts im Jahr 0000 zur Sicherung von Mikro-Übertragungsspuren am bekleideten Leichnam und der näheren Tatortumgebung verwendet und bis heute asserviert wurden. Die Lage der Spurensicherungsfolien am Leichnam ergibt sich aus den hierzu in Augenschein genommenen und hinsichtlich der Nummerierungen verlesenen Lichtbilder der Vorder- und Rückseite der Leiche der Geschädigten am Tatort (Anlage 1 zum Protokoll vom 07.02.2024, Bl 134-135) und Bl. 781, 785 d.A., wobei wegen der Einzelheiten auf die Lichtbilder gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird. Weiter wurden – wie der Sachverständige Dr. CL. erläuterte – ausgewählte asservierte Kleidungsstücken der Geschädigten, namentlich ihr BH, ein Ausschnitt ihres Halsschmucks sowie ihre schwarze Netzstrumpfhose mit neuen Spurensicherungsfolien abgeklebt und diese ebenfalls auf das Vorhandensein von biologischem Material untersucht. Die Lage dieser Spurenfolien ergibt sich ebenfalls aus den hierzu in Augenschein genommenen und hinsichtlich der Lage verlesenen Lichtbilder der asservierten Strumpfhose der Geschädigten (Anlage 1 zum Protokoll vom 07.02.2024, Bl. 137-138), wobei wegen der Einzelheiten auf die Lichtbilder gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird.
97Zu Methodik und Ergebnissen dieser forensisch-molekularbiologischen Untersuchungen hat der Sachverständige Prof. Dr. CL. im Einzelnen insbesondere folgende Ausführungen gemacht:
98Die im Zuge der Untersuchungen von den Spurenfolien händisch unter dem Mikroskop abgesammelten Hautschuppen (Verfahren des sog. „Hautschuppen-Pickings“) seien einzeln mittels standardisierter PCR-Verfahren zunächst quantitativ und sodann – bei ausreichender Menge intakter Teil-DNA – auf das Vorhandensein von Fremd-DNA untersucht worden. Hierzu seien 16 autosomale Merkmalsysteme („Short Tandem Repeat“-Systeme oder „STR“), die unabhängig voneinander vererblich sind, sowie das geschlechtsspezifische Merkmalsystem „Amelogenin“ in zwei Analysevorgängen (Initial- und Bestätigungsanalyse) bei gelelektrophoretischer Darstellung mittels Elektropherogramms ausgewertet und – bei hinreichender Qualität – mit dem aus einer Vergleichsprobe gewonnenen DNA-Profil des Angeklagten abgeglichen worden. Die von den ausgewählten Kleidungsstücken gewonnenen Hautschuppen seien darüber hinaus auf Merkmale in 23 y-chromosomalen Merkmalsystemen untersucht worden, welche in väterlicher Linie unverändert weitervererbt werden (sog. „Haplotyp“).
99Von insgesamt 4.305 aufgefundenen Hautschuppen habe bei 15 Hautschuppen jeweils eine sog. „Mischspur“ – eine aus der DNA unterschiedlicher Personen bestehende Spur – von mindestens zwei Personen reproduziert werden können, deren auswertbare Merkmale im Komposit- bzw. im Konsensusprofil autosomaler Merkmalsysteme für einen direkten Abgleich geeignet gewesen seien. Ein Kompositprofil werde bei degradierter DNA erstellt, um ein möglichst vollständiges Gesamtprofil zu erhalten. Hierbei würden die in die in Initial- und Bestätigungsanalyse mit unterschiedlichen Bausätzen ( „NGM Detect Kit“ in der Initialanalyse; „PowerPlex ESX 17 Fast Kit“ in der Bestätigungsanalyse) generierten und sich insoweit ergänzenden Informationen aus demselben DNA-Extrakt zusammengesetzt. Ein Konsensusprofil hingegen werde bei kontaminierter DNA erstellt, um das zu erstellende Gesamtprofil um sog. „Artefaktsignale“ zu bereinigen. Hierbei blieben die nicht bei beiden Bausätzen auftretenden „Zusatzpeaks“, die nach dem Gesamtbild des Elektropherogramms nicht durch einen konkreten Spurenleger, sondern am ehesten durch zellfreie DNA oder Staubteile aus der Umgebung zu erklären sind, unberücksichtigt. Von mindestens zwei Spurenlegern sei grundsätzlich auszugehen, wenn – wie hier – in den einzelnen Merkmalsystemen mehr als 2 Allele aufzufinden sind, die sich nicht als Artefaktsignale erklären lassen. Da Hautschuppen keine Zellen, sondern Konglomerate abgestoßener Hautlamellen seien, in deren Keratinstrukturen körpereigene wie auch von äußeren Kontakten herrührende fremde Zellen eingebettet sein könnten, sei ein solcher Mischbefund typisch.
100Ein Abgleich der derart identifizierten 15 Mischprofile mit dem DNA-Profil des Angeklagten wie auch der Geschädigten habe ergeben, dass die auswertbaren Merkmale von 7 Hautschuppen – hiervon 5 auf den Spurenfolien am Leichnam, 2 auf den von der Netzstrumpfhose nachträglich angefertigten Spurenfolien – grundsätzlich durch die DNA-Profile des Angeklagten und der Geschädigten vollständig zu erklären sind. Soweit vereinzelt Merkmale festgestellt worden seien, die weder dem Angeklagten noch der Geschädigten zuzuordnen sind, hätten sich diese im Elektropherogramm als nicht maßgebliche „Artefaktsignale“ erwiesen. Ein eindeutiger Hauptverursacher habe sich dabei nicht bestimmen lassen. Im Gegenteil handele es sich – bei Annahme einer Verursachung durch den Angeklagten und die Geschädigte – jeweils um eine Mischung nur von Teilen der DNA beider Personen, deren im Komposit- bzw. Konsensusprofil zusammengesetzten Merkmale mithin als sog. „Teilmischprofile“. Die übrigen 8 Hautschuppen mit Teilkomponenten fremder DNA – hiervon 7 auf den Spurenfolien am Leichnam und 1 auf den nachträglich vom BH angefertigten Spurenfolien – seien 8 unterschiedlichen fremden Personen zuzuordnen, von denen vier aufgrund des Abgleichs mit entsprechenden Datenbanken und Vergleichsproben als am Tatort berechtigterweise anwesende Personen hätten identifiziert werden können.
101Angesichts der – wie oben ausgeführt – Komplexität der reproduzierten Teilmischprofile sei lediglich bei 6 der 7 Hautschuppen, deren auswertbaren Merkmale grundsätzlich durch die DNA-Profile des Angeklagten und der Geschädigten vollständig zu erklären sind, eine biostatistische Bewertung möglich gewesen. Aufgrund der insoweit vorgefundenen Übereinstimmungen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass diese 6 Mischspuren von dem Angeklagten und der Geschädigten verursacht worden sind. Hinsichtlich der auf den Strumpfhosen im Bereich der rechten Hüftvorderseite (F34) aufgefundenen Hautschuppe könne der Angeklagte demgegenüber lediglich nicht als Spurenleger ausgeschlossen werden.
102Im Einzelnen hätten sich – in Hinblick auf die untersuchten 16 autosomalen Merkmalsysteme – folgende Übereinstimmungen mit den insgesamt 28 Merkmalen im DNA-Profil des Angeklagten ergeben, die nur zu einem geringen Anteil auch durch das DNA-Profil der Geschädigten zu erklären seien:
103je 27 Übereinstimmungen (in je beiden Replikaten) bei den Hautschuppen im Bereich der Vorderseite des rechten Oberarms an der Jacke der Geschädigten (F57) und auf der schwarzen Netzstrumpfhose möglicherweise im Bereich der linken Oberschenkelrückseite (F28Neu);
22 bzw. 26 Übereinstimmungen (getrennt nach den Replikaten) bei der Hautschuppe an der Vorderseite des linken Oberarms am Übergang von Jacke zu T-Shirt (F63);
26 bzw. 23 Übereinstimmungen (getrennt nach den Replikaten) bei der Hautschuppe auf der Vorderseite der Strumpfhosen am linken Knöchel der Geschädigten (F5);
24 Übereinstimmungen (in beiden Replikaten) bei der Hautschuppe auf der schwarzen Netzstrumpfhose möglicherweise im Bereich der rechten Oberschenkelvorderseite (F14Neu);
19 Übereinstimmungen (in beiden Replikaten) bei der Hautschuppe auf den Strumpfhosen im Bereich der rechten Oberschenkelrückseite (F103).
Hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Merkmalsystems „Amelogenin“ hätten die Merkmale aller 6 Hautschuppen mit den Merkmalen des Angeklagten („xy“) übereingestimmt (je 2 Übereinstimmungen). Soweit in Hinblick auf die an der Netzstrumpfhose der Geschädigten möglicherweise an der linken Oberschenkelvorseite aufgefundenen Hautschuppe (F14Neu) zudem ein y-chromosomales Teilmischprofil („Haplotyp“) habe erstellt werden können, habe dieses 12 Übereinstimmungen mit denn 23 Merkmalen im DNA-Profil des Angeklagten aufgewiesen.
111Die entsprechend den Empfehlungen der Spurenkommission der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) zur Bewertung von DNA-Mischspuren vorgenommene Berechnung zu den autosomalen Merkmalsystemen habe ergeben, dass bei Zutreffen der Hypothese der Anklage (Hp: Der Angeklagte ist Mitverursacher der Teilmischspur) die festgestellten autosomalen Merkmalskombinationen in der Teilmischspur
112im Bereich der Vorderseite des rechten Oberarms an der Jacke der Geschädigten (F57) sowie auf der Vorderseite der Strumpfhosen am linken Knöchel der Geschädigten (F5) (2 Hautschuppen) um jeweils mehr als 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher,
an der Vorderseite des linken Oberarms am Übergang von Jacke zu T-Shirt (F63) (1 Hautschuppe) um 15 Milliarden Mal wahrscheinlicher,
auf der schwarzen Netzstrumpfhose möglicherweise im Bereich der rechten Oberschenkelvorderseite und der linken Oberschenkelrückseite (F14Neu und F28Neu) - (2 Hautschuppen) um 744.000 bzw. 299.000 Mal wahrscheinlicher und
auf den Strumpfhosen im Bereich der rechten Oberschenkelrückseite (F103) (1 Hautschuppe) um 2.792 Mal wahrscheinlicher
zu beobachten sind, als bei Zutreffen der These der Verteidigung (Hd: Eine unbekannte, mit dem Angeklagten unverwandte Person aus der mitteleuropäischen Bevölkerung ist Mitverursacher der Teilmischspur). Hierbei sei auf gepoolte Populationsdaten aus öffentlich zugängigen Datenbanken zurückgegriffen und Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten der festgestellten Artefaktsignale (sog. „drop in“) und Merkmalsausfälle (sog. „drop out“) konservativ unter Verwendung der hierfür von der Spurenkommission zur Berechnung komplexer Mischspuren empfohlenen, probabilistischen Software geschätzt und in die Berechnung einbezogen worden.
118Soweit hinsichtlich der einen an der Netzstrumpfhose der Geschädigten aufgefundenen Hautschuppe (F14Neu) ein Haplotyp habe identifiziert werden können, sei dieser – aufgrund der abhängigen Vererblichkeit in männlicher Linie – nicht mit der mitteleuropäischen Bevölkerung, sondern mit der Weltbevölkerung in Verhältnis gesetzt worden. Demnach sei diese Hautschuppe bei Zutreffen der Annahme, die Teilmischspur stamme vom Angeklagten oder einem mit ihm in männlicher Linie verwandten Mann, um 289.406 Mal wahrscheinlicher zu beobachten als wenn ein anderer als der Angeklagte oder ein mit diesem in männlicher Linie verwandter Mann die Teilmischspur verursacht hätte. Die insoweit auf dieselbe Hautschuppe bezogenen Plausibilitätsquotienten von autosomaler und y-chromosomaler Merkmalskombination wiesen mithin in dieselbe Richtung, seien jedoch mangels mathematischer Vergleichbarkeit der jeweiligen Größen nicht zu addieren.
119Als Endergebnis sei festzuhalten, dass eine Spurenverursachung durch den Angeklagten bezüglich der an den Oberarmen und dem linken Knöchel aufgefundenen 3 Hautschuppen „praktisch erwiesen“ sei. Die auf der Netzstrumpfhose zuletzt bei erneutem Abkleben aufgefundenen 2 Hautschuppen seien dem Angeklagten „sehr wahrscheinlich“ zuzuordnen. Das hinsichtlich der Hautschuppe auf den Strumpfhosen im Bereich der rechten Oberschenkelrückseite festgestellte Plausibilitätsverhältnis weise einen „guten Hinweiswert“ auf.
120Diesen Ausführungen des als Leiter der Abteilung für Forensischen Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin B. hochqualifizierten Sachverständigen schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Überzeugungsbildung vollumfänglich an. Der Sachverständige hat seine Methodik bei den Berechnungen und Berechnungsgrundlagen in mehrstündigen Befragungen widerspruchsfrei und nachvollziehbar erklärt. Die mit Standardverfahren durchgeführten Untersuchungen erfolgten nach fachlichen Regeln und – wie vom Sachverständigen ausgeführt – gemäß den Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft für Forensische Genetik (ISFG) und der Spurenkommission der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM). Die Kammer hat angesichts der im Detail vom Sachverständigen erklärten Vorgehensweise keine Zweifel daran, dass das Labor erfolgreich an regelmäßig stattfindenden externen Ringversuchen und Qualitätskontrollen teilnimmt. Auch die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsberechnung sind nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat den unterschiedlichen Berechnungsansatz bezüglich der unabhängig voneinander vererblichen autosomalen Merkmalsysteme sowie des in männlicher Linie abhängig vererblichen Haplotyps herausgearbeitet und die jeweiligen Ergebnisse insoweit als lediglich gleichgerichtet, nicht jedoch vergleichbar qualifiziert.
Anknüpfend an vorstehende Ausführungen ist die Kammer davon überzeugt, dass mindestens 5 Hautschuppen des Angeklagten am Leichnam der Geschädigten hafteten, namentlich jeweils eine Hautschuppe im Bereich der Vorderseite des rechten Oberarms an der Jacke (F57), an der Vorderseite des linken Oberarms am Übergang von Jacke zu T-Shirt (F63), auf der Vorderseite der Strumpfhosen am linken Knöchel (F5) sowie an zwei weiteren, nicht näher zu bestimmenden Stellen an der schwarzen Netzstrumpfhose ( F14Neu und F28 Neu).
122Diese Überzeugung ergibt sich hinsichtlich der Zuordnung der drei Hautschuppen an Oberarmen und Knöcheln des Leichnams auch zum Angeklagten ohne Weiteres aus dem sachverständig berechneten Wahrscheinlichkeitswert, da bei einem Wert im zweistelligen Milliardenbereich kein begründeter Zweifel daran besteht, dass die Hautschuppen auch vom Angeklagten stammen. Weiter hat die Kammer diese Überzeugung auch hinsichtlich der an nicht näher bestimmbaren Stellen an der schwarzen Netzstrumpfhose aufgefundenen Hautschuppen gewinnen können. Zwar liegen die insoweit sachverständig berechneten Wahrscheinlichkeitswerte im 6-stelligen Bereich – konkret 744.000 und 299.000 – und damit leicht unterhalb des für die tatrichterliche Überzeugungsbildung, dass eine DNA-Spur von einer bestimmten Person herrührt, regelmäßig ausreichenden Wahrscheinlichkeitswertes im Millionenbereich (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 StR 362/11 –, juris Rn. 6). Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine Wahrscheinlichkeitsaussage, der grundsätzlich ein hoher Beweiswert zukommt. Zumal bei der Hautschuppe mit dem autosomalem Wahrscheinlichkeitswert von 744.000 noch der weitere Hinweiswert aus der Berechnung des Haplotyp-bezogenen Wahrscheinlichkeitswert von 289.406 hinzukommt. Überdies begründet sich die Überzeugung der Kammer auch auf einer Gesamtschau sämtlicher Untersuchungsergebnisse, nach denen – trotz augenscheinlich hoher Degradation der in den aufgefundenen Hautschuppen nachweisbaren DNA – insgesamt Hinweise auf 9 Spurenleger gefunden werden konnten, jedoch nur auf den Angeklagten eine Mehrzahl von Hautschuppen – zumal in drei Fällen ohne vernünftige Zweifel – deuten. Dass die Wahrscheinlichkeitsaussagen bezüglich einer Spurenverursachung lediglich auf einer statistischen Aussage beruhen, hat die Kammer hierbei ebenso bedacht wie die Tatsache, dass es sich hier um „Teilmischspuren“ von mindestens 2 Personen ohne eindeutigen Hauptverursacher handelt.
Die dem Angeklagten danach zuordenbaren DNA-Spuren sind auch nicht nachträglich angetragen bzw. untereinander übertragen worden. Die Überzeugung von der Zuverlässigkeit der insoweit vom Sachverständigen Prof. Dr. CL. im Rahmen seiner Gutachtenerstattung zugrunde gelegten – und von der Kammer anhand von den genannten Lichtbildern und dem Spurensicherungsbericht nachvollzogenen – Verortung der ausgewerteten Hautschuppen am Leichnam stützt die Kammer insbesondere auch auf die Angaben der Zeuginnen AB. und QO., die mit der Untersuchung der asservierten Spurenfolien im Jahr 0000/00 („Faseruntersuchung“) bzw. im Jahr 2023/2024 („Hautschuppen-Picking“) betraut waren. Nach den Ausführungen dieser Zeuginnen zur Vorgehensweise im Umgang mit den Spurenträgern ist eine nachträgliche Kontamination der Spurenfolien – sei es in Gestalt einer nachträglichen Antragung von DNA des Angeklagten an die bereits asservierten Spurenfolien (sog. „Fremdkontamination“) oder einer nachträglichen Übertragung von DNA-Anhaftungen einer Spurenfolie auf eine andere (sog. „Kreuzkontamination“) – im Laufe der Asservierung und Untersuchungen zur Überzeugung der Kammer auszuschließen.
124Dies begründet sich zum einen in der Art und dem Zustand der verwendeten Spurenfolien, von denen sich die Kammer auch durch Inaugenscheinnahme der asservierten Spurenfolien selbst ein Bild verschaffen konnte. Es handelt sich – entsprechend der Angaben im eingeführten Spurensicherungsbericht – um Streifen einer Scotch-3M-Folie, die nach der Reihe zunächst auf den bekleideten Leichnam und sodann nebeneinander – entsprechend der Nummerierung auf die Innenseiten von an der Falz aufgetrennten zip-Beuteln (sog. „Trägerfolie“) aufgeklebt wurden.
125Die mit der Untersuchung der diesen Spurenfolien anhaftenden Fasern im Jahr 0000/00 betraute Zeugin AB. hat ausgeführt, dass ein Abziehen der derart asservierten Spurenfolien von der jeweiligen Trägerfolie zu keinem Zeitpunkt der Faseruntersuchung erforderlich und deshalb auch nicht erfolgt sei. Vielmehr würden die Folien zunächst nach Fasern abgesucht und deren Fundort mittels einer Filzstiftmarkierung von außen auf der verschlossenen Folie gekennzeichnet. Erst, wenn nach äußerem Anschein ein „Kollektiv“ derselben Faserart vorzuliegen scheine, entscheide man sich zur Präparation der Fasern, um diese chemischen Untersuchungen unterziehen zu können. Hierzu werde die Spurenfolie (oder alternativ die Trägerfolie) unter einem Mikroskop an der jeweiligen Stelle der Fasern mit einem Skalpell zackenförmig eingeschnitten und die so entstandene dreieckige Lasche an der Spitze hochgehoben und zurückgeklappt, um die darunter liegende Faser mit einer Pinzette entnehmen zu können. Sodann werde die Lasche zugeklappt und erst dann die nächste Faser präpariert. Die verwendeten Werkzeuge – Skalpell und Pinzetten – würden im Laufe der Präparation nur bei offenkundiger Verschmutzung gesäubert oder ausgetauscht; bei der Präparation von Spurenfolien werde regelmäßig weder Mundschutz noch Handschuhe getragen. Anders sei dies beim Umgang mit asservierten Kleidungsstücken, die nur einzeln in getrennten Untersuchungsräumen untersucht würden. Am Ende der jeweiligen Untersuchungen würden alle Asservate in der Regel zurück in diejenigen Tüten oder Umschläge verpackt, mit denen sie ursprünglich im Labor eingetroffen seien.
126Die insoweit von der Zeugin AB. – mangels konkreter Erinnerungen an die seinerzeit im Jahr 0000/0000 erfolgten Untersuchungen – allgemein beschriebene Vorgehensweise der Präparation von Fasern wurde von dem Sachverständigen Dr. IK. BM., welcher heute als Sachverständige für forensische Textilkunde in AD. tätig ist, in ihren Grundzügen als noch heute anerkannt bestätigt. Die damals bereits angewendeten Methoden seien im Laufe der Zeit lediglich verfeinert worden – etwa durch die Erfindung von spektralen Farbmessgeräten; auf nass-chemische Untersuchungen der bereits herauspräparierten Fasern werde daher heute verzichtet. Die Präparation als solche sei hiervon nicht betroffen.
127Zum Ablauf des sodann im Jahr 2023/2024 erfolgten „Hautschuppen-Pickings“ hat die mit diesen Untersuchungen betraute Zeugin QO., die seit 25 Jahren in der Forensischen Molekulargenetik tätig ist und seit 12 Jahren selbst „Hautschuppen-Pickings“ durchführt, insbesondere Folgendes ausgeführt:
128Die Untersuchungen erfolgten in in einem Mikrospurenlabor, welches ausschließlich für die Untersuchung von Spurenfolien, nicht aber von andersartigen Asservaten wie Kleidungsstücken o.ä. verwendet werde. In diesem Labor sei fortdauernd einen Ganzkörperschutzanzug sowie Haar-, Hand- und Mundschutz zu tragen, um eine Kontamination der Spurenträger auszuschließen. Dort würden die Spurenträgerfolien einzeln entpackt und die Spurenfolien der Reihe nach einzeln abgezogen und unter ein Mikroskop gelegt. Zu keinem Zeitpunkt sei mehr als eine Spurenfolie geöffnet. Unter dem Mikroskop seien die feinen Mikroanhaftungen in der jeweiligen Klebematrix einer Spurenfolie optisch zu unterscheiden. Die – mit entsprechender Schulung und Erfahrung – als Hautschuppen zu identifizierenden Anhaftungen würden händisch mit einer Pinzette abgesammelt und einzeln in Reaktionspuffer angesetzt, um sie sodann mikrobiologisch untersuchen zu können. Hierbei würde jede Spurenfolie Millimeter für Millimeter abgesucht. Stellen, an denen die Spurenfolien aufgrund vorheriger Untersuchungen aufgeschnitten worden seien, habe sie stets mit einem Sicherheitsradius von ca. 1-2 cm umgangen, um das dort durch die Öffnung der Folien begründete Kontaminationsrisiko auszuschließen. Aus demselben Grund markiere sie Hautschuppen, die an den äußeren Rändern von Spurenfolien aufgefunden werden, vorsorglich mit einem „R“ für „Rand“. Dies sei bei den hiesigen Untersuchungen indes nicht notwendig gewesen, da keine Hautschuppen an den Rändern aufgefunden worden seien.
129Die Zeugin hat weiter ausgeführt, aufgrund der genannten Sicherheitsvorkehrungen und kleinteiligen Vorgehensweise könne alleine das Absammeln der Hautschuppen (sog. „Hautschuppen-Picking“) Monate dauern. Sobald eine Spurenfolie vollständig abgesucht worden sei, werde sie wieder auf den ursprünglichen Spurenträger zurückgeklebt. Da sich die Spurenfolien aufgrund der langen Öffnungszeit und des Absammelns jeglicher relevanter Mikrospuren nicht mehr für weitere Untersuchungen eigneten, gehe sie hierbei nicht mit äußerster Sorgfalt vor. Zumal nach ihrer Kenntnis die die Faseruntersuchungen bereits im Jahr 0000 abgeschlossen worden seien. Der aktuelle Zustand der Spurenfolien mit teils auffälligen Lufteinschlüssen – von denen sich auch die Kammer durch Inaugenscheinnahme ein eigenes Bild verschaffen konnte – sei hierauf zurückzuführen. Zu Beginn ihrer Untersuchungen sei der Zustand der Folien unauffällig gewesen. Relevante Beschädigungen hätte sie notiert und – ähnlich der Stellen von Einschnitten bei der Faseruntersuchung – beim Absammeln der Hautschuppen ausgespart. Auf den Folien, an denen die dem Angeklagten zuzuordnende Hautschuppen aufgefunden worden seien, habe es jedoch weder Beschädigungen noch Einschnitte aufgrund einer Faseruntersuchung gegeben.
130Nach diesen detaillierten Ausführungen der fachlich versierten Zeuginnen kann eine Kontamination der Spurenfolien, soweit sie einer forensisch-molekularbiologischen Untersuchung zu Grunde gelegt wurden, ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte für eine Eröffnung der Klebematrix der asservierten Spurenfolien, aufgrund derer (molekular-)biologisches Material nachträglich an die Spurenfolien hätte gelangen können, sind bis zu Beginn der forensisch-molekularbiologischen Untersuchungen nicht ersichtlich. Letztere wiederum haben unter derart sterilen Bedingungen stattgefunden, dass auch hier eine Kontamination ausgeschlossen erscheint. Dies wird auch dadurch gestützt, dass – wie der Sachverständige Dr. CL. ausgeführt hat – bei sämtlichen Untersuchungen Leer- und Positivkontrollen zur Verifizierung der Untersuchungsergebnisse mitgeführt worden seien. Eine Verfälschung der Untersuchungsergebnisse durch die Spuren(träger)folien selbst oder aber durch die zur Untersuchung verwendeten Hilfsmittel könne nach den Kontrollergebnissen ausgeschlossen werden.
131Anderes gilt lediglich für die nachträgliche Untersuchung ausgewählter Asservate, da diese bis zur Erstellung von neuen Spurensicherungsfolien durch die Zeugin QO. – wie von dieser ebenfalls ausgeführt – zwar in separaten Umschlägen, jedoch innerhalb dieser zusammengefaltet asserviert waren. Eine Kreuzkontamination der an diesen Kleidungsstücken – hier insbesondere der schwarzen Netzstrumpfhose – anhaftenden Hautschuppen lässt sich nicht ausschließen. Hinsichtlich der zu diesen Kleidungsstücken neu angefertigten Spurensicherungsfolien ist daher keine genauere Verortung der dort aufgefundenen Hautschuppen möglich als zu dem jeweiligen Kleidungsstück an sich. So hat auch der Sachverständige Dr. CL. ausgeführt, dass den Kleidungsstücken anhaftende Hautschuppen – anders als die in der Klebematrix von Spurensicherungsfolien sicher gehaltenen Hautschuppen – innerhalb des jeweiligen Asservatenbeutels ohne Weiteres bei mechanischer Einwirkung (etwa Bewegungen beim Transport) von einer zur anderen Stelle transferiert worden sein kann.
132Zum anderen begründet sich die Überzeugung der Kammer von der Verortung der aufgefundenen, auch dem Angeklagten zuzuordnenden Hautschuppen am Leichnam darin, dass über den gesamten Verlauf der Asservierung und Untersuchung keine Berührungspunkte mit anderen Spurenträgern ersichtlich ist, die Hautschuppen des Angeklagten hätten enthalten können. Ausweislich der bereits dargestellten Ermittlungshistorie wurde der Angeklagte bis zur Vernehmung des Zeugen O. im Jahr 2022/2024 zu keinem Zeitpunkt als Tatverdächtiger angesehen. So konnten von ihm - anders als bei den damaligen Tatverdächtigen – keine Kleidungsstücke zu Vergleichszwecken für die Faseruntersuchung sichergestellt werden. Demzufolge gab es keine Spurenträger, von denen überhaupt Hautschuppen auch des Angeklagten auf die Asservate hätte übertragen werden können. Auch soweit – nicht zuletzt aufgrund der Angaben des Beschuldigten selbst im Rahmen von dessen Beschuldigtenvernehmung – zu vermuten steht, dass sein DNA-Profil in anderweitig in der Vergangenheit gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren erfasst worden ist, ist dieser Umstand nicht ersichtlich geeignet, ein Kontaminationsrisiko zu begründen. Denn eine derartige Identitätsfeststellung – heute auf §§ 81g ff. StPO gestützt – stützt sich auf die Entnahme von Blut- oder Speichelproben, nicht aber der insoweit weniger eindeutigen Hautschuppen.
Anzahl und Lage der Spuren des Angeklagten sprechen für einen Zusammenhang zwischen der aufgefundenen DNA des Angeklagten und der Tat. Dass es sich angesichts der Anzahl und Verteilung der aufgefundenen, auch dem Angeklagten zuzuordnenden Hautschuppen lediglich um zufällige Funde von Hautschuppen handelt, die auf sekundären Übertragungswegen an die Kleidung der Geschädigten gelangt sein könnten, ist zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen.
134Das Spurenbild zeichnet sich – wie ausgeführt – durch eine Mehrzahl von dem Angeklagten zuzuordnenden DNA-Spuren aus, welche auf verschiedenen Kleidungsstücken der Geschädigten aufgefunden wurden. Der Sachverständige Prof. Dr. CL. hat hierzu überzeugend – auch unter Darlegung der Empfehlungen Spurenkommission zur Bewertung der Aktivitätsebene - ausgeführt, das Auffinden von Hautschuppen an sich gebe nur in seltenen Fällen Auskunft über mögliche Übertragungswege, da sich Hautschuppen durch Übertragung nicht nennenswert veränderten. Es sei grundsätzlich möglich, die Wahrscheinlichkeit eines Übertragungsweges bei Gegenüberstellung unterschiedlicher Szenarien (z.B. eines direkten Transfers gegenüber eines indirekten Transfers) zu berechnen. Verschiedenste Studien zur sog. „Aktivitätsebene“ belegten grundlegende Wahrscheinlichkeitsaussagen: Etwa, dass sich ein Spurenbild desto schlechter erklärt, je mehr Transferschritte benötigt werden, oder dass grundsätzlich eine Korrelation zwischen der Intensivität eines Kontakts und der Menge der hierdurch übertragenen Hautzellen bestehe. Um im Einzelfall bezifferte Wahrscheinlichkeiten berechnen zu können, seien allerdings nähere Erkenntnisse über eine Vielzahl von zumeist unbekannten Variablen (z.B. Intensität des Kontakts, Quelle und Ausgangsmenge des Spurenmaterials) nötig. Im hiesigen Fall ließen sich daher nur allgemeine Aussagen treffen. So spreche der Umstand, dass eine Mehrzahl von dem Angeklagten zuzuordnender DNA an unterschiedlichen Stellen aufgefunden wurde, für einen direkten Transfer dieser Hautschuppen unmittelbar vom Angeklagten an den Körper der Geschädigten. Dies gelte umso mehr, als die Hautschuppen nicht alle auf demselben Kleidungsstück, sondern sowohl auf der Jacke und/oder dem T-Shirt der Geschädigten als auch auf deren (Netz-)Strumpfhose aufgefunden seien. Eine mittelbare Übertragung, etwa über sich an Garderoben berührende Jacken, erscheine daher wenig plausibel. Dieser Einschätzung der Sachverständigen schließt sich die Kammer nach kritischer Überprüfung und kraft eigener Überzeugung an.
135Für eine Übertragung der aufgefundenen Hautschuppen auch des Angeklagten im Tatkontext spricht maßgeblich, dass diese an (Körper-)Stellen aufgefunden wurden, die nach den bereits dargestellten Ausführungen des sachverständigen Zeugens Dr. PY. mit dem feststellbaren Tatablauf in Zusammenhang stehen. Es handelt sich um Bereiche mit Verletzungsbildern, deren Entstehung der sachverständige Zeuge entweder dem eigentlichen Tötungsgeschehen am Boden oder aber einem vorgelagerten „zu Boden Bringen“ zugeordnet hat. So deckt die am linken Oberarm quer am den Übergang von Jacke zu T-Shirt der Geschädigten aufgebrachte Spurenfolie 63, an welcher die dem Angeklagten zuzuordnenden dortige Hautschuppe F11 aufgefunden wurde, weitgehend den Bereich ab, in welchem bei der Tat als Griffspuren identifizierte Hautverfärbungen entstanden sind. Auch die am rechten Oberarm auf der Jacke aufgebrachte Spurenfolie 57, auf welcher die dortige Hautschuppe G2 aufgefunden wurde, dürfte insoweit in einem Zusammenhang mit dem festgestellten „zu Boden Bringen“ stehen, wenn auch dort keine derart ausgeprägten Hautverfärbungen am bedeckten Oberarm festzustellen waren. Zuletzt ist ein Zusammenhang zwischen der Hautschuppe A11, die auf der quer am linken Fußgelenk angeklebten Folie 5 aufgefunden wurde, und der eben dort festzustellenden Schürfwunde am äußeren Sprunggelenksknöchel anzunehmen, die ebenfalls – als Bagatellverletzung – im Zuge des „zu Boden Bringens“ der Geschädigten entstanden ist.
136Dem steht nicht entgegen, dass an anderen mit dem festgestellten Tatablauf nachweislich oder jedenfalls nicht ausschließbar in Zusammenhang zu bringenden Stellen des Leichnams, namentlich an Hals(-schmuck) und Händen der Geschädigten, keine Hautschuppen des Angeklagten aufgefunden worden sind. Dies ist zunächst darauf zurückzuführen, dass sich diese Stellen weitgehend bereits nicht für eine Spurensicherung von Hautschuppen eigneten. So ist dem eingeführten Sektionsprotokoll zu entnehmen, dass die Fingernägel der Geschädigten derart abgekaut waren, dass eine Asservierung zwecks Sicherung von Mikrospuren nicht möglich war. Auch die Gesichtspartie des Leichnams wurde – ausweislich des eingeführten Spurensicherungsberichts – aufgrund der dortigen starken Beblutung erst gar nicht abgeklebt. Etwaige Hautschuppen des Täters wären in diesem Bereich durch die massiven Blutungen überlagert bzw. fortgeschwemmt worden. Aus demselben Grund wurde die Untersuchungen des Halsschmucks der Geschädigten im Jahr 2004 – ausweislich des im Selbstleseverfahren eingeführten Befunds v. 29.04.2024 – auf relativ unbeblutete Teilstücke beschränkt. Dass auf dem verbliebenen, zuletzt im Jahr 2023/2024 doch noch auf Hautschuppen untersuchten Teilstück des Halsschmucks keine Hautschuppen mit fremder DNA aufgefunden werden konnten, ist insoweit nicht verwunderlich. Weiter hat der Sachverständige Prof. Dr. CL. ausgeführt, dass sich die aus dem Verletzungsbild abzuleitende Intensität und Dynamik des Tatgeschehens nach dem Spurenbild zwar nicht nachvollziehen lasse, da insgesamt nur wenige Hautschuppen aufgefunden worden seien. Hierbei sei jedoch das sog. Persistenzintervall, die zwischen Tat und Spurensicherung einerseits und der Spurenauswertung andererseits vergehende Zeit, in den Blick zu nehmen, da Zeit ein zur Degradation von DNA beitragender Faktor sei. Ein Persistenzintervall von nunmehr 36 Jahren sei insoweit eine „maximal ungünstige“ Situation. Letztlich sei entscheidend zu berücksichtigen, dass ein vollständiges Spurenbild (über den gesamten Leichnam hinweg, wenn auch mit Aussparung des Kopfbereichs) erstellt und hierbei nur wenige Hinweise auf fremde Personen gefunden worden seien. Zumal nur auf den Angeklagten mehrere Mischspuren hindeuteten.
137Eine andere Beurteilung ergibt sich zuletzt auch nicht aus den am Leichnam aufgefundenen Hinweisen auf Kontakt zu weiteren Personen. Von den insoweit aufgefundenen 8 Hautschuppen mit Teilkomponenten jeweils unterschiedlicher, fremder DNA ließen sich zuletzt – ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. CL. sowie des in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerks vom 15.02.2024 – die Hälfte auf die Anwesenheit berechtigter Personen am Tatort (medizinischem Personal bzw. Ermittlungsbeamten) zurückführen. Die Hautschuppen der übrigen 4 unbekannten Personen wurden – wie vom Sachverständigen Prof. Dr. CL. ausgeführt – auf der rechten Hüfte, an der linken Hand sowie – unter der Jacke – auf der T-Shirt Rückseite in Höhe des linken Schulterblattes und am BH der Geschädigten aufgefunden. Eine konkrete Tatrelevanz ist diesen Stellen nach dem Verletzungsbild nicht zuzuordnen. Vielmehr dürften die Hautschuppen ohne Weiteres auf übliche Kontakte zurückzuführen sein, zumal die Geschädigte den Karnevalsabend – wie dargelegt – nachweislich mit ihren beiden Freundinnen sowie verschiedenen Tanz- und Gesprächspartnern verbrachte. Nichtsdestotrotz fand sich von keiner anderen Kontaktpersonen der Geschädigten mehr als eine Hautschuppe auf dem Leichnam, vom Angeklagten hingegen eine Mehrzahl von Hautschuppen an zudem tatrelevanten Stellen.
138c) Aussage Zeuge O.
139Das sich aus dem DNA-Spurenbild ergebende Beweisergebnis, dass es sich bei dem Angeklagten um den Täter handelt, wird weiter durch die konkrete Tatgelegenheit sowie das mit einer Täterschaft plausibel in Einklang zu bringende auffällige Vor- und Nachtatverhalten des Angeklagten bestätigt, welches sich aus Angaben des Zeugen O. ergibt.
140Der Zeuge O. hat in der Hauptverhandlung wie folgt bekundet:
141Er kenne den Angeklagten seit seiner Jugend. Sie hätten beide in U. in ca. 500 m Luftlinie entfernten Straßen, er im K.-straße und der Angeklagte in der T.-straße gewohnt. Er sei eher mit einem Bruder des Angeklagten befreundet gewesen, habe aber auch den Angeklagten öfters getroffen. Mit dem Angeklagten sei er auch bei „krummen“ Sachen unterwegs gewesen. Er würde sich als damaligen „Spannmann“ des Angeklagten bezeichnen, da der Angeklagte ihn bei seinen damaligen Straftaten als zweiten Mann hinzu gezogen habe. Alkohol hätte er selbst damals nicht so viel getrunken. Ab und zu natürlich schon. Der Angeklagte sicher auch. Betrunken habe er ihn aber nie erlebt. Einige Male habe er auch mitbekommen, dass der Angeklagte Heroin konsumiert habe. Man habe sich damals in der Gruppe, insbesondere bei einer bestimmten Familie in der Nachbarschaft, getroffen und Heroin auf Alufolie verdampft und geraucht. Er selbst habe nur einmal mitgemacht, der Angeklagte häufiger. Dies sei aber erst nach 0000 gewesen, denn er habe sehr spät mit dem Rauchen angefangen.
142Einmal, dies müsse vor 0000 gewesen sein, sei der Angeklagte ihm gegenüber körperlich aggressiv geworden. Nach gemeinsamen Geschäften mit Betäubungsmitteln, sei nur er, der Zeuge in Untersuchungshaft gekommen. Er habe dann gehört, dass der Angeklagte Sachen von ihm verkauft hatte. Es habe dann ein Zusammentreffen in einem Bus gegeben, wo der Angeklagte eine Auseinandersetzung angefangen und ohne Vorwarnung aufgesprungen und ihm in das Gesicht geschlagen habe. Letztlich habe der Angeklagte den Kürzeren gezogen und dann den Spruch gebracht, dass man Freunde nicht schlage. Dies, obgleich der Angeklagte begonnen hatte.
143Auf die hiesige Tat sei er damals durch Fahndungsplakate aufmerksam geworden. Diese hätten am RO.-straße und am G.-straße gehangen. Dort sei von einer Frau mit einem Raubkatzenkostüm, er meine einem Tigerkostüm, die Rede gewesen. Er habe angenommen, die Frau in der Tatnacht am Taxistand gesehen zu haben. Er könne sich noch erinnern, dass er und der Angeklagte durch die Z.-straße zum Taxistand vor dem KW.-straße an der MJ.-HJ.-DM. gegangen seien. Er habe, da es spät gewesen sei, unbedingt nach Hause gewollt. Er wisse nicht mehr, ob er oder der Angeklagte etwas getrunken hatten. Vor ihnen sei eine Frau mit einem „solchen Raubkatzenkostüm“ auch dorthin gegangen. Am Taxistand sei noch eine weitere Person dazu gekommen. Gesprochen hätten sie mit der Frau nicht. Der Frau habe es dann zu lange gedauert und sie sei zurück in die Z.-straße gegangen. Er, der Zeuge, sei ebenfalls zurück durch die Z.-straße und sodann nach links zum RO.-straße gegangen, um dort ein Taxi oder öffentliches Verkehrsmittel benutzen zu können. Die Frau sei nach rechts abgebogen. Auch der Angeklagte sei nach rechts gegangen. Warum der Angeklagte nicht mit zum RO.-straße gegangen sei, wisse er nicht. Irgend eine Erklärung werde er gehabt haben. Es sei jedenfalls für ihn nicht ungewöhnlich gewesen. Er habe dem Angeklagten dann auch nicht hinter her gesehen.
144Kurz darauf, ob am nächsten oder übernächsten Tag wisse er nicht mehr, sei er in der Wohnung des Angeklagten gewesen. Die Mutter des Angeklagten sei dort gewesen und der Angeklagte sei den Flur der Wohnung entlang gekommen und habe völlig anders ausgesehen. Er wisse nicht mehr, ob er nunmehr Locken und davor glatte Haare hatte oder seine Frisurveränderung umgekehrt gewesen sei oder er sich die Haare abgeschnitten oder gefärbt habe. Es sei jedenfalls eine starke Veränderung gewesen. Wieder kurze Zeit später, ob an dem Tag noch oder in den folgenden 2 Tagen wisse er nicht mehr, habe er den Angeklagten angesprochen und ihn gefragt, ob sie nicht die Frau die ermordet wurde gesehen hätten. Darauf habe der Angeklagte aufbrausend reagiert und erzählt, er habe ein Verfahren wegen einer Prostituierten und eines Unfalles am DL. „am Laufen“. Die Prostituierte habe behauptet, der Angeklagte wollte sie ausrauben, deshalb wolle er keinesfalls zur Polizei und habe laut, so aufbrausend, gerufen „Nein! Auf keinen Fall! Das ist ein Problem!“.
145Er, der Zeuge, habe dann auch nicht alleine zur Polizei gehen wollen, da er ja weiter in dem Milieu und mit seinen Kontakten hätte leben müssen. Er habe ja auch nicht gewusst, was er der Polizei denn damals hätte sagen sollen. Heute gäbe es ja DNA und eine ganz andere Technik. Jedenfalls sei bei ihm damals das Gefühl entstanden, der Angeklagte habe etwas mit der Tat zu tun und sich deswegen in der Folgezeit in Gegenwart des Angeklagten unwohl gefühlt. Er habe versucht den Kontakt zu dem Angeklagten zu meiden. Ganz abgebrochen sei der Kontakt aber nicht, da es weiter Berührungspunkte gegeben habe und er auch weiter mit dem Angeklagten in unmittelbarer Nachbarschaft gelebt und mit den gleichen Leuten wie der Angeklagte Kontakt gehabt habe. Er habe sich dann eingeredet, es sei eine Art Unfall gewesen, der Angeklagte habe versucht die Handtasche zu stehlen und die Geschädigte sei unglücklich gestürzt und an ihrem Blut erstickt. Glücklicherweise habe der Angeklagte einen neuen Spannmann gehabt. Es selbst sei dann für ca. 2 Jahre in die P. zu seiner Freundin gezogen, danach jedoch wieder zurück gekehrt. Später habe er geheiratet und seinen Namen gewechselt um das Kapitel abzuschließen.
146Den Angeklagten habe er vielleicht noch ein- oder zweimal zufällig getroffen. Er wisse noch, dass er selbst in den 90er Jahren noch verurteilt worden sei und früher Autoaufbrüche begangen habe. An eine derartige Tat zusammen mit dem Angeklagten 1994 könne er sich jedoch nicht erinnern. Eine Verurteilung wegen eines Vorfalls im Baumarkt im Jahr 1997 habe es gegeben. Er habe dem Angeklagten damals erzählt, dass er Briketts benötige und dieser habe ihn zum Baumarkt gefahren und dort dann geklaut. Er selbst sei mit hineingezogen worden, habe aber nichts getan außer auf den Detektiv los zu gehen. Eine letzte Begegnung habe es 2002/2003 gegeben. Er sei zu Hause vorbei gefahren, habe den Angeklagten vor seiner Tür werkeln gesehen und angehalten. Der Angeklagte habe ihm dann erzählt, er habe in einem Ermittlungsverfahren DNA abgeben müssen. Deshalb habe er, der Zeuge, gedacht, dass der Angeklagte vielleicht doch nichts mit der Sache zu tun habe, wenn die Polizei doch jetzt DNA zur Überprüfung habe.
147Die Sendung „ZM. CQ.“ und der dort gezeigte Film habe ihn dann motiviert anzurufen. Der Name Q. D. sei ihm nie aus dem Kopf gegangen. Er habe dann beschlossen einfach anzurufen. Er habe einfach die Ungewissheit loswerden wollen, ob er vielleicht den Mörder kenne. Ihm sei klar gewesen, dass seine Aussagen nicht ausreichen würde um den Angeklagten zu überführen. Deshalb habe er auf DNA-Spuren gehofft. Seine Schwester habe ihm nach der Sendung dann auch erzählt, dass er damals ein Alibi von ihr haben wollte. Er selbst habe sich gar nicht mehr daran erinnert. Es sei für ihn aber nachvollziehbar, dass er damals sich Sorgen gemacht habe selbst in Verdacht zu geraten; er sei ja der polizeibekannte „Spannmann“ des Angeklagten gewesen. Es spreche ja auch jetzt nicht für ihn, dass er sich damals ein Alibi verschaffen wollte.
148Er habe das Protokoll der ersten Vernehmung bei der Polizei nicht unterschreiben wollen, da er mit der Polizei keine guten Vorerfahrungen habe und deshalb misstrauisch gewesen sei. So habe er mal als Zeuge eine Aussage bei der Polizei gemacht und diese sei dann 1 : 1 in der Zeitung zu lesen gewesen. Ihn habe auch gestört, dass die Vernehmungsbeamten immer gleich von Q. D. gesprochen hätten, wenn er eigentlich nur eine entsprechende Schlussfolgerung von der Frau mit Tigerkostüm am Taxistand auf die Geschädigte habe mitteilen wollen. Auch habe er den Eindruck gehabt, die Vernehmungsbeamten hätten ihm etwas vorgeben wollen: so, dass er gesehen habe, dass der Angeklagte der Frau tatsächlich gefolgt ist. Er habe das aber so nicht sagen können, da er ja lediglich gesehen habe, dass auch der Angeklagte wie auch zuvor die Frau mit dem Tigerkostüm nach rechts abgebogen sei.
149Ihm sei auch bewusst, dass er vor Gericht genau differenzieren müsse. Gegenüber Freunden wäre das anders, da würde er sich freier fühlen die Dinge zu vereinfachen, da es ja sonst manchmal auch schwer zu verstehen sei.
150d) Würdigung der Angaben des Zeugen O.
151Die Angaben des Zeugen O. sind glaubhaft. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Zeuge O. weder eine bewusste noch unbewusste Falschaussage getätigt hat. Es bestehen keine Zweifel daran, dass er das von ihm geschilderte Geschehen zutreffend wahrgenommen, erinnert und wiedergegeben hat.
152aa)
153Die Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung sind weitgehend konstant und stehen in Übereinstimmung mit seinen Angaben in den polizeilichen Vernehmungen, den Angaben in den Telefonaten nach der Sendung „ZM. CQ.“ und den Angaben gegenüber seiner Schwester TE. HM. und seinem Freund PT. DI..
154(1) Angaben in den Telefonaten vom 07.12.2022 nach der Sendung „ZM. CQ.“
155Bereits in dem in der Hauptverhandlung durch Anhören in Augenschein genommenen Mitschnitt des Anrufes des Zeugen O. am 07.12.2022 unmittelbar nach der Ausstrahlung der Sendung „ZM. CQ.“ mit einem Mitarbeiter der Sendung hat er im Wesentlichen geschildert, warum bei ihm ein Verdacht gegen den Angeklagten bestanden hat.
156So hat er in dem Anruf bei einem Mitarbeiter der Sendung „ZM. CQ.“ seinen eigenen Namen genannt und gesagt, das er etwas zu dem Karnevalsmord an Q. D. mitteilen wolle. Sie habe ein Tigerkostüm getragen. Dies sei ja in der Sendung nicht gezeigt worden, er habe das aber von den damaligen Plakaten in Erinnerung. Er habe zusammen mit einem Bekannten mit der Geschädigten am Taxistand der MU.-straße gestanden und auf ein Taxi gewartet. Er sei auch im „E.“ gewesen und der Bekannte sei der Geschädigten hinter her gegangen, während er selbst in eine andere Richtung gegangen sei. Das sei 10 Minuten vor ihrem Versterben gewesen. Es sei ja auch so, dass die Geschädigte nicht gewürgt, sondern getreten worden und an ihrem Blut erstickt sei. Der Bekannte habe sich am nächsten Tag sehr verändert und statt glatter Haare gelockte getragen. Angesprochen auf Q. D. sei der Bekannte sehr aggressiv geworden und habe nicht zur Polizei gehen wollen. Er habe Angst vor dem Bekannten gehabt. Seit vielen Jahren habe er zu dem Bekannten keinen Kontakt mehr. Den Namen des Bekannten wolle er lieber nicht nennen. Er habe schon genug Probleme mit einer anderen Person.
157In einem Telefonat aufgrund eines Rückrufes gegen 22.00 Uhr noch am 07.12.2022 des Zeugen KHK DE., dessen Inhalt dieser in der Hauptverhandlung glaubhaft wiedergab, wiederholte der Zeuge O. seine Angaben. Zudem gab er an, dass er, falls herauskäme den Namen eines mutmaßlichen Mörders benannt zu haben, einen „Irren mehr an der Backe“ habe. Zudem erklärte er auf Nachfrage des Zeugen KHK DE., dass er nicht richtig Angst vor dieser Person habe, aber wisse, dass dieser richtig aggressiv werden könne. Diese Person habe auch im Zeitraum der Ermordung der Geschädigten eine Strafanzeige wegen versuchter Vergewaltigung einer Prostituierten gehabt. Den Namen der Person wolle er auch dem KHK DE. nicht nennen, sondern erst wenn er mit einem bestimmten Richter gesprochen habe. Die Freundin des Zeugen O. habe aufgrund ihrer neuen Beziehung mit ihm Probleme mit ihrem Ex-Freund, der sie bedrohen und stalken würde. Deshalb sei dieser zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, sei aber nicht in Haft geblieben. Solange der Richter diesen Ex-Freund nicht inhaftiere, werde er nicht den Namen seines damaligen Begleiters nennen.
158(2) Polizeiliche Vernehmung vom 03.01.2023
159Auch in seiner ersten polizeilichen Vernehmung vom 03.01.2023 hat der Zeuge im Wesentlichen wie in der Hauptverhandlung bekundet. Vom Inhalt seiner Angaben hat sich die Kammer neben den Angaben des Zeugen O. durch die Vernehmung der Zeugen KHK DE. und KHK EZ., welche übereinstimmend und glaubhaft von der Vernehmung berichtet haben, überzeugt. Auch die Zeugen KHK DE. und KHK EZ. haben übereinstimmend mit dem Zeugen O. angegeben, dass der Zeuge O. lediglich eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Identität der Geschädigten am Taxistand gezogen habe und dies möglicherweise nur in der Vernehmung und dem entsprechenden Protokoll nicht ganz deutlich geworden sei. So hat der Zeuge KHK DE. bekundet, dass er nicht ausschließen könne, dass der Name der Geschädigten von den Vernehmungsbeamten so benannt wurde. Der Zeuge O. habe dann auch das Protokoll nicht unterschreiben wollen und habe auf schlechte Vorerfahrungen mit der Polizei hingewiesen, dass die Aussage dann in der Presse gestanden habe.
160Demnach hat der Zeuge O. in dieser Vernehmung erklärt, er habe zusammen mit seinem Kumpel nach dem Besuch des „Bierdorfes“ am Taxistand gestanden. Dort habe auch eine Dame im Tigerkostüm gestanden. Im „E.“ habe er die Person nicht wahrgenommen. Die Dame sei dann nach ca. 10 Minuten des vergeblichen Wartens wieder zurück in Richtung „E.“ gegangen. Er und sein Kumpel wären auch gegangen und zwar zum Taxistand am RO.-straße. Die Dame sei dann hinter der LF. nach rechts abgebogen und er sei nach links zum RO.-straße gegangen. Sein Kumpel sei wie die Dame nach rechts abgebogen. Dass es sich bei der dort wahrgenommenen Dame um Frau D. gehandelt habe, schlussfolgere er nur, da er später Fahndungsplakate mit ihrem Bild und der Angabe zu einem „Tigerkostüm“ gesehen habe. Nachdem er die Fahndungsplakate gesehen habe, habe er seinen Kumpel darauf angesprochen, dass dies doch die Frau vom Taxistand sei und der Kumpel habe aggressiv reagiert. Der Kumpel habe damals wohl ein Verfahren wegen einer Prostituierten am Hals gehabt. Mit dieser Argumentation habe er begründet, dass keine Mitteilung der Beobachtung an die Polizei erfolgen sollte. Der Angeklagte sei früher sehr gewalttätig gewesen. Der Angeklagte habe auch veränderte Haare gehabt. Ob vorher oder nachher Locken wisse er nicht mehr. Er sei mit diesem Kumpel alleine unterwegs gewesen, den genauen Tag könne er nicht benennen, nur das es Karneval gewesen sei. Mit seinem Kumpel habe er später nicht mehr über den Vorfall gesprochen. Er habe sich auch in dessen Gegenwart dann unwohl geführt und ihn nur noch wenige Male zufällig getroffen. Nach der Sendung „ZM. CQ.“ habe ihn seine Schwester Frau HM. angesprochen, dass er damals ein Alibi von ihr gewollt habe, damit er keine Probleme bekomme. Er habe sich jetzt nach der Sendung gemeldet, da bei ihm die Sache wieder „hoch“ gekommen sei. Er könne den Namen des Kumpels – QS. GX. – mitteilen. Er habe gedacht, es gebe ja vielleicht DNA-Spuren und es fehle nur ein Name. Er könne sich gut vorstellen, dass der Kumpel ihre Tasche wollte, sie sich gewehrt habe und der Kumpel dann reingetreten habe.
161(3) Polizeiliche Vernehmung vom 05.04.2023 / 26.04.2023
162In der am 05.04.2023 begonnenen und am 26.04.2023 fortgesetzten polizeilichen Vernehmung durch den Zeugen KHK DE., von der dieser und der Zeuge O. übereinstimmend in der Hauptverhandlung berichtet haben, hat der Zeuge O. nochmals betont, dass er die Frau am Taxistand nur deshalb der Frau auf dem Fahndungsplakat zugeordnet habe, da er am Taxistand eben eine Frau mit Tigerkostüm gesehen habe. Erkannt habe er die Frau nicht. Er habe nur alles zusammen gebracht und geschlussfolgert, dass die Frau das Opfer sein könne. Deshalb könne der Vernehmungsbeamte nicht sagen, dass er, der Zeuge O., das Opfer am Taxistand gesehen habe. Zudem hat der Zeuge O. in der Vernehmung angegeben, er könne sich nicht erinnern, was er ansonsten vor der Begegnung mit der Frau im Tigerkostüm zusammen mit dem Angeklagten gemacht habe. Er könne sich auch nicht erinnern, ob er oder der Angeklagte zuvor tatsächlich im „E.“ waren. Entsprechend könne er sich auch nicht erinnern, ob sie die Frau im Tigerkostüm dort schon trafen und ob der Angeklagte dort eine Jacke an der Garderobe abgab. Erinnern könne er nur die Situation ca. 10 Meter vor dem Taxistand. Dort sei die Person im Tigerkostüm schon gewesen. Er und der Angeklagte hätten dort dann auch gestanden. Es sei vielleicht noch eine weitere Person dazu gekommen. Der Angeklagte sei dann in die gleiche Richtung wie die Frau im Tigerkostüm gegangen und er selbst zum Taxistand am RO.-straße.
163(4) Gespräche mit der Zeugin HM.
164Gegenüber seiner Schwester, der Zeugin TE. HM., hat der Zeuge O. das Geschehen schon 0000 übereinstimmend – wenn auch teilweise nur rudimentär – wie in der Hauptverhandlung bekundet. Zudem hat die Zeugin HM. übereinstimmend mit dem Zeugen O. ausgesagt, dass er sich selbst nicht mehr habe erinnern können, dass er damals ein Alibi von ihr gewollt habe.
165Die Zeugin HM. hat glaubhaft angegeben, dass ihr Bruder nach Karneval im Jahr 0000 zu ihr in die Wohnung gekommen sei. Er habe von ihr ein Alibi für Karneval gewollt. Das Wort „Alibi“ habe er nicht gebraucht. Sie habe sagen sollen, dass er bei ihr gewesen sei. Er habe ihr erzählt, dass einer Frau etwas passiert sei, dass er in die eine Richtung und der Angeklagte, den sie nur als Jugendlichen flüchtig aus der Nachbarschaft gekannt habe, dieser Frau nachgegangen sei und seine Frisur verändert habe. Deshalb habe ihr Bruder Angst gehabt, dass der Angeklagte etwas gemacht habe und er mit reingezogen werde. Dass die Frau umgebracht wurde, habe ihr Bruder nicht erzählt. Deshalb habe sie gedacht, vielleicht habe der Angeklagte der Frau die Tasche gestohlen oder so. Auch in der Zeitung habe sie geschaut, aber nichts gefunden. Sie hätte ihrem Bruder aber kein solches Alibi gegeben. Das habe sie ihm auch gesagt.
166Jetzt nach der Ausstrahlung der Sendung „ZM. CQ.“ habe sie mit ihrem Bruder gesprochen, ob persönlich oder telefonisch wisse sie nicht mehr, und er habe ihr erzählt, dass in der Sendung der Fall, wo der Angeklagte der Frau nachgegangen sei, gebracht worden sei. Sie habe ihren Bruder darauf hingewiesen, dass er ja damals ein Alibi von ihr gewollt habe. Daran habe er sich aber nicht mehr erinnern können. Sie habe ihm auch gesagt, dass er das melden solle. Er habe ihr gesagt, dass er das schon getan habe.
167Die Angaben der Zeugin HM. stehen auch in Einklang mit dem Inhalt eines polizeilich überwachten Telefonates vom 07.01.2023 mit dem Zeugen O., welches im Wege der Selbstlesung der Mitschrift des Wortlautes des Telefonates in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Der Zeuge O. hat auch auf Vorhalt der Mitschrift bestätigt, dass er das Telefonat mit diesem Inhalt mit der Zeugin HM. geführt hat. In diesem Telefonat erzählt der Zeuge O. der Zeugin HM. von seiner Anzeige bei der Polizei und dass er bei der Vernehmung gesagt habe, dass er damals bei ihr nach einem Alibi gefragt habe.
168(5) Telefonat vom 04.01.2023 mit PT. DI.
169Der Zeuge O. hat zudem auch in einem weiteren durch die Polizei überwachten Telefonat vom 04.01.2023 mit PT. DI., welches ebenfalls im Wege der Selbstlesung der Mitschrift des Wortlautes des Telefonates in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, seine Erinnerungen und seinen Verdacht gegenüber dem Angeklagten weitgehend übereinstimmend mit seinen Bekundungen in der Hauptverhandlung mitgeteilt. Der Zeuge O. hat auch auf Vorhalt der Mitschrift bestätigt, dass er das Telefonat mit diesem Inhalt mit PT. DI., bei dem es sich um einen guten Freund von ihm handele, geführt hat.
170In dem Telefonat mit PT. DI. hat er diesem erzählt, dass er bei der Polizei gewesen sei und nun hoffe, dass es DNA-Spuren gebe und die Polizei nun einen Namen habe. Er und der Angeklagte hätten die Geschädigte am Taxistand getroffen und der Angeklagte sei ihr rechts hinterher. An einen Besuch vorher im „E.“ könne er sich nicht erinnern. Kontakt am Taxistand hätten sie mit der nicht gehabt. Vielleicht blöd angesprochen, was man ja als „Jungs“ so mache. Aber auch das wisse er nicht mehr. Er habe dann Fahndungsplakate gesehen und dass sie die totgetrampelt haben und die Tasche geklaut. Alles hätte gepasst, auch die Uhrzeit. Der Angeklagte sei sehr aggressiv geworden und habe ihn bedroht und habe nicht zur Polizei gewollt, da er ein Verfahren wegen einer Prostituierten gehabt habe. Der Angeklagte habe seine Haare verändert. Zunächst Locken und dann glatte Haare oder umgekehrt. Das wisse er nicht mehr. Er habe auch einen Tag nach der Sendung „ZM. CQ.“ mit seiner Schwester gesprochen und die habe gemeint, er habe ihr damals davon erzählt und ein Alibi gewollt, da er Angst hatte, da mit reingerissen zu werden. Er glaube, der Angeklagte habe die Handtasche stehlen wollen, dann auf sie eingetreten, weil sie nicht losließ und die Geschädigte sei dann an ihrem Blut erstickt.
171bb)
172Neben der weitgehenden Konstanz seiner Angaben ist die Aussage des Zeugen O. auch in sich stimmig, weist keine Belastungstendenz auf und ist davon geprägt, dass der Zeuge O. seine eigenen Erinnerungen selbstkritisch von Schlussfolgerungen oder dem, was er aus anderen Quellen weiß, abgegrenzt. Zudem konnte die Kammer auch kein Motiv dafür finden, den Angeklagten falsch zu belasten.
173Der Zeuge O. hat inhaltlich konstant seine Beobachtungen im Hinblick auf die Begegnung am Taxistand, die Situation der Trennung von dem Angeklagten, der Schlussfolgerung von den Fahndungsplakaten auf die Geschädigte und der Veränderung der Frisur des Angeklagten geschildert. Schon unmittelbar nach der Sendung „ZM. CQ.“ hat er dies angegeben und dann durchgängig so geschildert. Er hat auch konstant angegeben, der Angeklagte habe sehr erregt reagiert, als der Zeuge O. ihn auf die Fahndungsplakate und den Umstand angesprochen habe, dass sie dem Opfer ja vielleicht kurz vor der Tat begegnet seien. Konstant hat er auch geschildert, dass der Angeklagte in diesem Zusammenhang ein Verfahren wegen einer angeblichen versuchten Vergewaltigung einer Prostitutierten angesprochen habe. Gleichfalls konstant hat er ab der ersten polizeilichen Vernehmung angegeben, dass er ein Alibi bei seiner Schwester erfragt hat, ihm dies allerdings nicht mehr erinnerlich gewesen sei.
174Die Kammer verkennt nicht, dass der Zeuge O. bei der Schilderung der damaligen Geschehnisse in der Hauptverhandlung auch Angaben gemacht hat, die von seinen im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben und Aussagen abweichen. Daraus ergeben sich aber keine Widersprüche, sondern es handelt sich – wie auch in seinen Angaben deutlich wird – um Präzisierungen seiner Erinnerungen, die vor dem Hintergrund des langen Zeitablaufes und der jeweiligen Befragungssituationen gut erklärbar sind.
175So, wenn der Zeuge hinsichtlich eines vorherigen Besuchs des „Bierdorfes“ zunächst angab, zusammen mit dem Angeklagten im „E.“ gewesen zu sein, dazu dann später und in der Hauptverhandlung angab, keine Erinnerungen mehr an einen solchen Besuch zu haben. Es handele sich vielmehr um eine Mutmaßung, da er aufgrund der Lage des Taxistandes in der Nähe des „Bierdorfes“ und des Umstandes, dass er zur damaligen Zeit sich öfter im „E.“ aufgehalten habe, davon ausgegangen sei, dass sie vorher gemeinsam dort gewesen seien. Konkret erinnern könne er das aber nicht. Es ist nachvollziehbar, dass der Zeuge unter Berücksichtigung der jeweiligen Befragungssituation ursprünglich eine eher vereinfachte Darstellung abgegeben hat. So hat der Zeuge KHK EZ. angegeben, dass der Zeuge O. bereits in der ersten polizeilichen Vernehmung vom 3.1.2023 keine Erinnerung an einen Kontakt mit der Geschädigten im E. hatte und der erste von dem Zeugen O. benannte Kontakt am Taxistand gewesen sei. Entsprechend ist ein vorheriger Besuch des „Bierdorfes“ nicht näher hinterfragt worden, da dies zunächst nicht den Kernbereich der Beobachtungen des Zeugen O. betraf.
176Gleiches gilt soweit der Zeuge O. das Verhalten des Angeklagten zunächst als aggressiv und bedrohlich benannt und dies dann später in der Hauptverhandlung dahin differenziert hat, dass der Angeklagte nur außerordentlich erregt reagiert habe, als er ihn auf das Fahndungsplakat angesprochen habe und dies habe auf ihn aggressiv und sehr auffällig gewirkt.
177Auch soweit der Zeuge O. angegeben hat, er habe sich dann in der Gegenwart des Angeklagten nicht mehr wohl gefühlt und deshalb versucht, den Kontakt zu vermeiden, obgleich er tatsächlich noch bis weit in die 90er Jahre hinein wegen gemeinsamer Straftaten mit dem Angeklagten verurteilt wurde, handelt es sich nicht um einen Widerspruch. Der Zeuge O. hat in der Hauptverhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass es sicher weiter noch Kontakt gegeben habe und er natürlich den Kontakt mit dem Angeklagten nicht abrupt habe abbrechen können. Er habe ja weiter im selben Milieu mit denselben Kontakten wie der Angeklagte und in unmittelbarer nachbarschaftlicher Nähe des Angeklagten gelebt und sei der sog. „Spannmann“ des Angeklagten bei Straftaten gewesen. Allerdings habe er sich dann in dessen Gegenwart nicht mehr wohl gefühlt und sei froh gewesen, als dieser einen anderen „Spannmann“ gehabt habe. Soweit er sich an gemeinsame Straftaten mit dem Angeklagten teilweise nicht mehr konkret erinnern konnte ist auch diese Erinnerungslücke damit gut erklärbar, dass sich der Zeuge wie von ihm angegeben zur damaligen Zeit im kleinkriminellen Milieu bewegte. Verurteilungen stellten für ihn somit keine Besonderheit dar, sondern waren eher alltäglich. Dabei hat der Zeuge seine Erinnerungslücke offen eingeräumt und sich mit dem ihm insoweit vorgehaltenen Gerichtsurteil dergestalt selbst- und erinnerungskritisch auseinandergesetzt, als er den Inhalt nicht pauschal bestätigte, sondern angegeben hat, sich auch trotz kritischen Nachdenkens weiterhin nicht an den Inhalt erinnern zu können.
178Gut nachvollziehbar und in sich stimmig hat der Zeuge auch angegeben, dass er nur noch konkrete Erinnerungen an einzelne Szenen „wie aus einem Film“ habe, die er vor seinem geistigen Augen ablaufen sehe. Dies ist ohne weiteres mit dem sehr großen Zeitablauf von über 00 Jahren seit den Geschehnissen zu erklären. Ebenso plausibel ist, dass der Zeuge sich an einzelne Szenen noch gut erinnern kann, da sie für ihn hervorstechende Eindrücke darstellten.
179So ist es plausibel, dass er sich an die Begegnung am Taxistand erinnert, nicht aber das Geschehen vor dieser Begegnung. Anlass für diese Erinnerung war nämlich der Anblick der Fahndungsplakate und der daraufhin von ihm erst hergestellte Zusammenhang mit der Begegnung mit der Frau im Tigerkostüm am Taxistand und damit einem schweren Verbrechensgeschehen. Die Ereignisse vor dieser Begegnung waren dagegen ohne feststellbare Bedeutung.
180Ebenso gut nachvollziehbar ist auch, dass er seinen damals entstandenen Verdacht, dass der Angeklagte aufgrund seines veränderten Aussehens und der aufbrausenden Reaktion etwas mit der Tat zu tun habe, erinnert, nicht aber mehr Einzelheiten zu der Veränderung der Frisur des Angeklagte wusste. Anlass für die Erinnerung des Zeugen war nach seinen Angaben der Eindruck, der Angeklagte wolle seine Identifizierung erschweren und nicht die Details der Umsetzung.
181Gleiches gilt für den Umstand, dass der Zeuge sich nicht an die Angabe eines Leopardenmotivs auf den Fahndungsplakaten erinnert, sondern an die Angabe einer Frau im Raubkatzenkostüm, er meine einem Tigerkostüm. Auch hier ist offensichtlich Anlass der Erinnerung nicht das Detail des Kostüms, sondern der Umstand, einer Frau mit dem auf den Plakaten beschriebenen Kostüm in der Tatnacht kurz vor der auf den Plakaten angegebenen Tatzeit begegnet zu sein. Zugleich war diese Schlussfolgerung für ihn derart eindrücklich, dass er sie noch heute nachdrücklich, zumal entgegen der gegenteilige Nachstellung in der Sendung „ZM. CQ.“ zu bekunden wusste.
182Es ist auch gut nachvollziehbar, dass der Zeuge sich noch erinnert, dass sich der Angeklagte nach der Begegnung mit diese Frau hinsichtlich einer gemeinsamen Heimfahrt um entschieden hatte und in die gleiche Richtung wie die Frau verschwand, nicht aber mehr erinnert, ob er selbst dann vom RO.-straße mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fuhr. Der Zeuge hat hierzu weiter ausgeführt, dass er damals eigentlich immer versucht habe, aus Kostengründen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, und sich deshalb wundere, warum er zunächst zusammen mit dem Angeklagten versucht habe ein Taxi zu bekommen. Dies unterstreicht zugleich das selbstkritische Bemühen des Zeugen um eine zutreffende Erinnerung und diese mit seinen sonstigen damaligen Lebensumständen abzugleichen und gerade nicht sie unzutreffend zu ergänzen.
183So auch wenn er immer wieder betont, nicht sicher zu sein, tatsächlich die Geschädigte am Taxistand gesehen zu haben, da er nur eine Erinnerung an seine damaligen Schlussfolgerungen aus dem Fahndungsplakaten und dem Verhalten des Angeklagten habe. Oder wenn er differenziert mitteilt, dass seine Schwester ihm gesagt habe, dass er damals ein Alibi gewollt habe. Selbst daran habe er sich nicht mehr erinnert.
184Dafür, dass die Aussage des Zeugen O. erinnerungsbasiert ist, spricht auch, dass seine Angaben erkennbar losgelöst von den in der Sendung „ZM. CQ.“ mitgeteilten Fakten erfolgt sind. Neben den abweichenden Angaben zur Bekleidung der Geschädigten betrifft dies auch seine Aussage, dass er die Geschädigte am Taxistand getroffen habe. In der in Augenschein genommenen Sendung ist dargestellt, dass die Geschädigte sich direkt vom „E.“ zu Fuß zum Tatort in der NH.-straße begeben habe. Auch seine Angabe zur Tatausführung, die Geschädigte sei „totgetrampelt“ worden, findet sich in der in der Sendung nicht wieder. Dort werden Tritte des Täters weder gezeigt noch benannt.
185Der Zeuge O. ist auch gerade bemüht den Angeklagten nicht zusätzlich zu belasten. Aus den Aussagen des Zeugen wird deutlich, dass er auch nach der Sendung „ZM. CQ.“ eigentlich einen konkreten Verdacht gegen den Angeklagten nicht mitteilen wollte, sondern sich lediglich als Hinweisgeber sah und auf von seiner Person unabhängige Ermittlungen der Polizei hinsichtlich von nunmehr auswertbaren Spuren hoffte. So hat er zunächst sogar versucht, diesen überhaupt nicht namentlich zu benennen und sich vorgestellt, dass dieser möglicherweise aufgrund weiterer Ermittlungen überführt werden könne.
186Es ist auch kein Motiv ersichtlich, den Angeklagten zu Unrecht in Verdacht zu bringen. Der Angeklagte und der Zeuge haben seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr und lebten in unterschiedlichen sozial angepassten Verhältnissen. Ein persönliches Motiv scheidet danach aus.
187Zudem hat der Zeuge O. auch selbst ein angespanntes Verhältnis zu den Ermittlungsbehörden und daher gerade kein Interesse eine derartige Anzeige zu erstatten. So wenn er zunächst die Angabe des Namens des Angeklagten verweigert und ein Vernehmungsprotokoll nicht unterschreibt, da er der Polizei misstraut. Damit in Einklang steht auch, dass er damals bei seiner Schwester ein Alibi erfragt hat. Dies verdeutlicht seine Befürchtungen, bei einem Kontakt mit den Ermittlungsbehörden selbst aufgrund seiner nahen Stellung zu dem Angeklagten in Verdacht geraten zu können.
188Die Kammer schließt danach auch aus, dass die in der Sendung „ZM. CQ.“ genannte Belohnung für Hinweise die zu der Ergreifung des Täters führen, den Zeugen O. veranlasst haben könnte, eine Falschaussage zu tätigen. Der Zeuge ist zudem auch selbst nicht überzeugt gewesen, dass seine Angaben den Angeklagten überführen könnten. So sieht er sich lediglich als Hinweisgeber und hofft dass der Angeklagte erst aufgrund eigenständiger weiterer Ermittlungen ggf. überführt wird. Dies wird auch darin besonders deutlich, dass er bei seinem Hinweis in dem Telefonat vom 7.12.2022 den Namen des Angeklagten nicht nennt. Dies ist mit dem Motiv der Auszahlung einer Belohnung kaum in Einklang zu bringen.
189Für die Glaubhaftigkeit spricht zudem, dass die Angaben des Zeugen durch die weiteren Beweismittel gestützt werden. So hat die Zeugin A. angeben, dass die Geschädigte sich mit dem Taxi zu der Diskothek „VV.“ begeben wollte, so dass es naheliegt, dass sie den Taxistand an der LF. dafür aufgesucht hat.
190Aus den – jeweils im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten – Vermerken vom 00.00.0000 und 00.00.0000 des KK GD. und vom 00.00.0000 des POM IP. einschließlich der beigefügten Fahndungsplakate, von deren optischen Gestaltung sich die Kammer zudem durch Inaugenscheinnahme in der Hauptverhandlung ein eigenes Bild verschafft hat und auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S.3 StPO Bezug genommen wird, ergibt sich weiter, dass es entsprechend der Angaben des Zeugen O. schon kurz nach der Tat die Öffentlichkeitsfahndung mit den von dem Zeugen bekundeten Angaben zu Tat und Opfer gab.
191Die Schwester des Zeugen O. hat wie oben ausgeführt bestätigt, dass bei dem Zeugen O. schon kurz nach der Tat ein Verdacht gegen den Angeklagten entstanden war, weshalb er sogar ein Alibi von ihr gewollt habe.
192Aus dem im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Urteil des Landgerichts Köln vom 00.00.0000 ergibt sich weiter, dass gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen eines vermeintlichen Überfalls auf eine Prostituierte im Oktober 1987 geführt worden ist, an dessen Ende der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 06.09.1988 u.a. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen Unfallflucht verurteilt wurde.
193Gleiches gilt hinsichtlich der Angaben des Zeugen zu der Tatmodalität, dass die Geschädigte „totgetrampelt“ worden sei. Ausweislich der im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten festgestellten Presseveröffentlichungen ist diese Tatmodalität damals veröffentlicht worden und konnte somit der Zeuge dieses Detail diesen Veröffentlichungen entnehmen. Auch insoweit hat der Zeuge seine Erinnerung selbstkritisch hinterfragt, indem er in der Hauptverhandlung angegeben hat, dass er zwar diese Tatmodalität erinnere, aber nicht mehr sagen könne, woher er dieses Wissen habe. Er hat demgemäß gerade nicht versucht, seine unvollständige Erinnerung mit Informationen aus anderen Quellen plausibel zu machen oder die Information zurück zu halten, um sich keine Blöße zu geben, was für die Zuverlässigkeit seiner Angaben spricht.
194Gegen die Glaubhaftigkeit der Angabe des Zeugen, der Angeklagten habe seine Frisur verändert, sprechen auch nicht die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder des Angeklagten, auf denen er jeweils mit einer Lockenfrisur zu sehen ist. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf den Akteninhalt Bl. 830 und Bl. 831 d.A. und die dortigen Lichtbilder Bezug genommen. Auch wenn der Zeuge KHK EZ. bekundet hat, dass er ein mit dem Lichtbild Bl. 830 identisches Bild, welches mit einem Datumsstempel November 0000 versehen war, im Rahmen der Durchsuchung bei dem Angeklagten gefunden und abfotografiert habe und es sich bei dem Lichtbild Bl. 831 um ein im Zusammenhang mit der Ausstellung des Reisepasses im Jahr 0000 erstelltes Foto handelt, schließt dies die von dem Zeugen bekundete Veränderung der Haarfrisur nach der Tat nicht aus. Zunächst ergibt sich kein Beleg aus dem Datumsstempel, dass dieses Lichtbild tatsächlich erst nach der Tat erstellt wurde. Es handelt sich um einen Datumsstempel, der bei Abzug des Fotos im November 0000 entstanden ist und somit keinen Hinweis darauf liefert, wann davor der Angeklagte tatsächlich fotografiert wurde. Es ist allgemeinkundig, dass 0000 der entsprechende Film erst entwickelt werden musste und dann teilweise Lichtbilder mit einem Datumsstempel versehen wurden. Zudem besteht auch die Möglichkeit, dass der Angeklagte vor der Tat in dem Zeitablauf nach 0000 glatte Haare hatte. Der Zeuge O. konnte sich an die konkrete Veränderung der Frisur gerade nicht erinnern.
195Auch der Zeuge IQ. konnte sich an die von dem Angeklagten zur fraglichen Zeit getragene Frisur zwar nicht mehr erinnern, hat aber angegeben, dass der Angeklagte durchaus sehr unterschiedliche Frisuren und sogar mal eine Glatze getragen habe.
196Schließlich spricht es auch nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen, dass er seinen Verdacht erst so spät mitgeteilt hat. Der Zeuge hat plausibel erklärt, dass ihn die filmische Darstellung der Tat in der Sendung „ZM. CQ.“ derart aufgerüttelt habe, dass er sich spontan zu dem Anruf bei der Sendung veranlasst sah. Er habe seinen all die Jahre gehegten Verdacht verdrängt und erst durch die Darstellung der Tat in der Sendung und insbesondere den dort genannten Umstand, dass die Geschädigte eine kleine Tochter hinterlassen habe, sich veranlasst gesehen, einen Hinweis zu geben.
In der Gesamtschau der Angaben des Zeugen O. und der DNA-Gutachten und weiteren Beweismittel ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei der von dem Zeugen O. beschriebenen Frau um die Geschädigte handelte, der Angeklagte ihr zielgerichtet gefolgt ist, und die dem Angeklagten zuzuordnenden Hautschuppen durch die Tat auf den Körper der Geschädigten gelangt sind.
198Der Zeuge O. hat völlig unabhängig von der Feststellung von DNA-Spuren des Angeklagten bei der Geschädigten glaubhaft bekundet, dass der Angeklagte Gelegenheit zu der Tat hatte, da er der Geschädigten in der Tatnacht auf ihrem Weg folgte und dies, obgleich sie eigentlich zunächst zusammen die Heimfahrt antreten wollten. Zwar hat der Zeuge O. angegeben, dass der Angeklagte öfters mal seine Pläne geändert habe. Einen Grund dafür, dass der Angeklagte zu der späten Stunde nicht mit ihm gemeinsam zum RO.-straße ging, um dort ein Verkehrsmittel zu benutzen, hat der Zeuge aber nicht benennen können. Ein sonstiger Grund, abgesehen davon, dass der Angeklagte der Geschädigten folgen wollte, um die Tat zu begehen, ist auch nicht ersichtlich. Der Angeklagte wohnte zur damaligen Zeit in B.-U. und somit einem Stadtteil, der fußläufig nicht ohne Weiteres aus der Innenstadt zu erreichen gewesen wäre. Zudem hat der Zeuge glaubhaft angegeben, dass bei ihm aufgrund des beschriebenen Verhaltens des Angeklagten nach der Tat, schon damals der Verdacht gegen den Angeklagten entstanden sei, der Angeklagte habe etwas mit der Tat zu tun. Es ist auch davon auszugehen, dass der Zeuge das Verhalten des Angeklagten schon aufgrund des Umstandes, dass er zur damaligen Zeit mit dem Angeklagten gemeinsam Straftaten beging, gut einschätzten konnte.
199Der Angeklagte und die Geschädigte kannten sich vor der Tat nicht. Sie haben sich auch nicht in der Tatnacht kennen gelernt bzw. hatten vor der Tat im sog. „E.“ einen Kontakt, der eine Übertragung der aufgefundenen DNA-Spuren erklären könnte. Der Zeuge O. hat zwar angegeben, dass er möglicherweise mit dem Angeklagten in der Tatnacht ebenfalls im sogenannten „E.“ gefeiert habe. Erinnerungen daran habe er aber nicht. Dies ergebe sich für ihn nur daraus, dass das „E.“ damals eine beliebte Feierstätte auch für ihn und den Angeklagten gewesen sei und das „E.“ sich nahe dem Taxistand an der LF. befand. Die Geschädigte bzw. die Person von der er aufgrund des Fahndungsplakates annahm, es sei möglicherweise die Geschädigte, sei ihm aber erstmalig am Taxistand aufgefallen; dort sei es zu keinerlei Kontaktaufnahme mit dieser Frau gekommen. Der Angeklagte und er hätten dort in einem Abstand von wenigen Metern zu der Frau wartend gestanden und sie hätten nicht mit ihr gesprochen. Danach gab es zuvor keine persönliche Beziehung zu der Geschädigten aufgrund gemeinsamen Feierns.
200Entsprechend waren auch weder der Angeklagte noch der Zeuge O. Gegenstand der damaligen umfangreichen Ermittlungen hinsichtlich der Kontakte der Geschädigten in der Tatnacht. Wie oben ausgeführt, haben die Zeuginnen A. und N. angegeben, dass sich die Geschädigte grundsätzlich während des gesamten Abends im „E.“ in ihrer Begleitung bzw. ihrem Sichtfeld befunden habe. Die von den Zeuginnen angegebenen Männerkontakte der Geschädigten in der Tatnacht sind wie von den Zeugen FM. und GD. ausgeführt, allesamt namentlich ermittelt und überprüft worden. Der Angeklagte und der Zeuge O. waren nicht dabei.
201Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Angeklagte – sollte er denn den Abend ebenfalls im „E.“ verbracht haben – überhaupt eine Jacke dabei und diese an der Garderobe abgegeben hatte. Eine Pflicht, mitgebrachte Jacken an der Garderobe abzugeben, bestand ausweislich der Angaben der Zeugin QY., die zum damaligen Zeitpunkt als Türsteherin arbeitete, nicht, wenn auch eine entsprechende Empfehlung. Die Zeugin hat weiter ausgeführt, sie könne nicht ausschließen, dass an der Garderobe auch schon mal die Jacken unterschiedlicher Gäste aufeinander lagen. Dies etwa, wenn Gäste als Gruppen angekommen seien und die abgegebenen Jacken daher nicht schnell genug hätten aufgehangen werden können. Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Situation überhaupt in der Tatnacht entstanden sein könnte, hat die Zeugin indes nicht erinnert. Auch die Vernehmung weiterer ehemaliger Angestellte des „Bierdorfs“ (den Kassierer Herrn RW., die Bedienung Frau UF. und die Aushilfe Frau JG.) war insoweit unergiebig.
202In Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte kann die – wie dargetan auch sonst äußerst unwahrscheinliche – Hypothese einer Übertragung der Hautschuppen des Angeklagten bei einem irgend gearteten Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten bzw. ihrer Kleidung danach sicher zurück gewiesen werden. Auch sonst ist eine Erklärung wie mindestens 5 Hautschuppen des Angeklagten an unterschiedlichen Stellen an die Geschädigte gelangt sein könnten, wenn nicht durch die Tat, nicht ersichtlich. Das Beweisergebnis hat keine konkreten Anhaltspunkte für eine derart anderweitige Übertragung erbracht, so dass weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten von lediglich denktheoretischen Möglichkeiten einer anderweitigen Antragung der aufgefundenen Hautschuppen des Angeklagten als bei bzw. durch die Tat auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 24.08.2022 – 6 StR 109/22 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Urt. v. 01.06.2017 – 3 StR 31/17 -, juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hat die Kammer mithin keine begründeten Zweifel an dem festgestellten Sachverhalt.
Die Feststellungen zum Tötungsvorsatz folgen aus einer Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn zudem billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit ihm abfindet. Bei der Tathandlung des Angeklagten handelt es sich um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung. Sie richtete sich gegen den Kopf- und Halsbereich des Körpers, wo nach den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. PY. und der Sachverständigen Prof. Dr. UR. eine Kompression binnen Sekunden zunächst zur Bewusstlosigkeit und sodann zu dem lebensbedrohlichen Zustand einer Unterversorgung im Gehirn führen kann. Der Täter kann daher nicht darauf vertrauen, dass Einwirkungen in diesem Bereich glimpflich ausgehen. Der Angeklagte hat hier wiederholt kräftig und gezielt mit den (Stampf-)Tritte in Richtung von Kopf und Hals der Geschädigten ausgeführt. Spätestens nach den ersten Tritten lag sie erkennbar wehrlos mit erschlafften Gliedmaßen dar, so dass eine Beeinträchtigung der lebenswichtigen Versorgungsstränge im Halsbereich auch für den Angeklagten deutlich erkennbar war, ihn jedoch nicht von einer weiteren massiven und flächenhaften Einwirkung auf die Geschädigte abhielt.
204Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte aufgrund eines vorausgegangenen Alkohol- und Drogenkonsums möglicherweise in Kombination mit einem Erregungszustand derart enthemmt war, dass er den Eintritt des Todes der Geschädigten als Folge seines Handelns nicht für möglich hielt. Zwar war zu sehen, dass der Angeklagte seinen Tatenschluss hinsichtlich der konkreten Art seiner Einwirkung auf die Geschädigte möglicherweise erst spontan in Rahmen eines dynamischen Geschehens möglicherweise auch nach einer Zurückweisung durch die Geschädigte fasste und zudem möglicherweise infolge eines vorausgegangenen Alkohol- und Drogenkonsums enthemmt war. Diese Umstände lassen aber keine erheblichen Zweifel am Vorliegen des Wissens- und Wollenselement aufkommen. Zwar spricht das Ausmaß der „wie aus einem Guss“ erfolgten Gewalteinwirkung für eine affektive Akzentuierung des Geschehens. Hinweise für eine tunnelartige Einengung des Bewusstseins des Angeklagten bei der Tat liegen hingegen nicht vor. Vielmehr legte der Angeklagte noch nach Beginn des Angriffs auf die Geschädigte ein kontrolliertes Verhalten an den Tag, als er sie zwischen den Verkaufswagen hindurch zu der verdeckt gelegenen Tatörtlichkeit zog, um sie erst dort zu Boden zu bringen und auf sie einzuwirken. Zudem nahm er auch die Handtasche an sich und durchsuchte sie nachdem er auf die Geschädigte eingewirkt hat. Danach war der Angeklagte ungeachtet einer möglichen affektiven Erregung oder konsumbedingten Enthemmung zu jedem Zeitpunkt in der Lage, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für die Geschädigte realistisch wahrzunehmen, zu bewerten und gewichten. Entsprechend hat die Sachverständige Dr. VC. ausgeführt, dass bei dem Angeklagten keine Anhaltspunkte für psychopathologische Veränderungen zur Tatzeit bestanden.
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der hiesigen Tat folgen aus dem in der Hauptverhandlung erstatteten überzeugenden Gutachten der Sachverständigen. Dr. VC., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, welche auf der Grundlage der Aktenkenntnis, ihrer Anwesenheit in der Hauptverhandlung und der durchgeführten Exploration bei dem Angeklagten zu dem überzeugenden Ergebnis gekommen ist, dass aus psychiatrischer Sicht bereits kein Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt sei.
206Zum Inhalt der Angaben des Angeklagten in der Exploration, welche sich im Wesentlichen auf dessen Lebenslauf bezogen, hat die Sachverständige insbesondere ausgeführt, der Angeklagte habe seine damaligen Straftaten eher abgetan und sich als Mitläufer in einem dissozialen Milieu beschrieben. Zu seinem Drogenkonsum habe er angegeben, dass er mit 14 oder 15 Jahren angefangen habe Drogen zu nehmen, weil ihm dies ein gutes Gefühl gegeben habe. Ab diesem Zeitpunkt sei er auch abends regelmäßig feiern gegangen. Ohne Kokain sei er eher lustlos gewesen und mit Kokain gut drauf. Auch Alkohol habe er häufig getrunken, fast jeden Tag, auch mal bis zum Erbrechen. Auch unter Alkohol sei er lustig gewesen und nie gewalttätig. Ein Alkoholproblem habe er nicht. Er sei nie psychiatrisch behandelt worden. In den 80er oder Anfang 90er Jahre sei er nur einmal für kurze Zeit wegen seines Heroinkonsums in der Psychiatrie in B. DK. gewesen. Er habe da aber nicht bleiben wollen. 1997 habe er dann aus eigenem Antrieb mit dem Drogenkonsum aufgehört. Zur Sache habe er angegeben, dass er mit der Tat nichts zu tun habe, und zu dem Tatabend nichts sagen könne.
207Die Sachverständige hat auf dieser Grundlage ausgeführt, dass bei dem Angeklagten sicher nicht die Eingangsmerkmale der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, der Intelligenzminderung oder der schweren anderen seelischen Störung vorgelegen hätten. Der Angeklagte sei in der Exploration zwar als unterdurchschnittlich intelligent aufgefallen und bei ihm bestehe sicher eine Lernbehinderung; krankheitswertig sei dies jedoch nicht. So habe der Angeklagte der 2 Stunden und 20 Minuten andauernden Exploration ohne weiteres folgen können, sei bewusstseinsklar und in seinem Durchhaltevermögen nicht beeinträchtigt gewesen. Die zeitliche Einordnung von biografischen Daten sei ihm teilweise schwergefallen und sprachlich habe er sich eher einfach und kindlich unbedarft gezeigt. Es liege aber sicher keine krankheitswertige Intelligenzminderung vor. Auch habe bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorlegen. Dies sei ein existentieller Ausnahmezustand mit einer tunnelartigen Einengung des Bewusstseins. Hierfür könnte allein die massive Einwirkung gegen Kopf und Hals der Geschädigten sprechen. Allerdings fehle es an weiteren Kriterien wie einer spezifischen Vorgeschichte der Tat mit einer konflikthaften Täter-Opfer-Beziehung oder Ähnlichem. Bei dem Angeklagten habe auch keine schwere andere seelische Störung vorgelegen, insbesondere leide der Angeklagte nicht an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. So habe sich der Angeklagte insbesondere in den 80er und 90er Jahren zwar dissozial gezeigt, indem er Straftaten begangen und Drogen und Alkohol konsumiert habe. Dies seien aber dissoziale Akzentuierungen der Persönlichkeit des Angeklagten, die ebenfalls keinen Krankheitswert hätten. Die Sachverständige beschrieb dies vielmehr als eine Art „lifestyle“, indem der Angeklagte in einem strukturlosen Milieu Eigentums- und Vermögensdelikte begangen und dort Alkohol und Drogen konsumiert habe.
208Der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt aber einen polytropen Substanzkonsum betrieben, was jedenfalls als schädlicher Gebrauch, ggf. sogar als Abhängigkeit einzustufen sei. Der Angeklagte sei im Jahr 0000 ein aktiver Konsument von Alkohol, Cannabis, Kokain und auch Heroin gewesen, wobei er das Heroin nur geraucht habe. Das Alkohol und auch das Zusammenwirken von Alkohol und Kokain das Hemmungsvermögen senken könne, aber auch die Reizbarkeit erhöhen könne, sei bekannt. Dieser Umstand allein reiche aber nicht aus, um eine Auswirkung dieses allgemeinen Konsums auf die Tat anzunehmen. Eine Intoxikation zur Tatzeit könne nur dann Einfluss auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten gehabt haben, wenn diese auch psychopathologisch beschrieben werden könne. Nur der Umstand, dass jemand Alkohol und Drogen konsumiere, wenn er an diesen Konsum gewöhnt sei, hieße noch nicht, dass ein psychopathologischer Zustand auftrete, der das Steuerungsvermögen beeinträchtige. Vorliegend würden keine Anhaltspunkte für psychopathologische Veränderungen zur Tatzeit bestehen.
209Dieser Einschätzung der Sachverständigen schließt sich die Kammer nach kritischer Überprüfung und kraft eigener Überzeugung an. Die Kammer geht auf Grundlage der von der Sachverständigen zutreffend genannten Anknüpfungstatsachen davon aus, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung zwar alkohol- und ggf. drogenbedingt enthemmt gewesen sein mag, dass seine Unrechtseinsichtsfähigkeit und seine darauf basierende Steuerungsfähigkeit bei der Tatbegehung aber vollständig erhalten waren. Diese Rechtsfrage ist auf Grundlage der §§ 21, 20 StGB wie zur beurteilen: Nach den zutreffenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. VC. kommt hier für die Frage einer möglichen Verminderung der Schuldfähigkeit nur das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung i. S. d. §§ 20, 21 StGB als akute Intoxikationspsychose in Betracht. Eine rauschunabhängige Minderung der Schuldfähigkeit allein infolge stoffgebundener Abhängigkeit ist auszuschließen. Diese ist nur ausnahmsweise möglich bei schweren Persönlichkeitsveränderungen infolge langjähriger Alkohol- und/oder BtM-Abhängigkeit oder bei Beschaffungsdelikten unter starken Entzugserscheinungen. Beides war bei dem Angeklagten offensichtlich nicht der Fall. Er berichtete in der Exploration nicht von Entzugserscheinungen und konnte mit dem Konsum weitgehend eigenständig aufhören.
210Auch eine akute Intoxikationspsychose zur Tatzeit, die Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hätte haben können, ist sicher auszuschließen. Feststellungen zu einem Konsum des Angeklagten in der Tatnacht konnten nicht getroffen werden. Mangels Angaben des Angeklagten zu seinem Konsum und aufgrund des Fehlens weiterer Erkenntnisquellen für einen möglichen Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten in der Tatnacht, war die Kammer auch nicht gehalten theoretische Berechnungen für eine mögliche Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit anzustellen. Denn ein Versuch der Eingrenzung eines Konsums des Angeklagten in der Tatnacht entzieht sich sowohl zeitlich als auch mengenmäßig jeglichem konkreten Anhaltspunkt. In diesem Fall richtet sich die Beurteilung der Schuld nach psychodiagnostischen Kriterien (BGH, Urt. v. 26.11.1998 – 4 StR 406/98 –, NStZ-RR 1999, 297).
211Aus einer Bewertung des Verhaltens des Angeklagten vor, während und nach der Tat ergibt sich, dass dieses psychodiagnostisch unauffällig, und er somit bei der Tatbegehung nicht in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Der Angeklagte legte vor, während und nach der Tatbegehung ein kontrolliertes Leistungsverhalten an den Tag. Der alkohol- und drogengewöhnte Angeklagte folgte der Geschädigten und startete die Tatbegehung erst zu dem Zeitpunkt, als sich die erste günstige Gelegenheit ohne starke Wohnbebauung und die Möglichkeit einer möglichst unbeobachteten Tatbegehung ergaben. Anschließend wirkte er wie festgestellt massiv auf Kopf, Hals und Oberkörper der Geschädigten ein, was jedenfalls einige Minuten gedauert hat, und ebenfalls eine entsprechende Leistungsfähigkeit und Motorik benötigte. Nach dem Einwirken auf die Geschädigte durchsuchte er die Handtasche der Geschädigten am Tatort und nahm diese mit samt des Inhaltes von insbesondere 100,- DM an sich. Auch der Zeuge O. beschrieb, dass ihm in der Tatnacht keine alkohol- oder drogenbedingten Auffälligkeiten im Verhalten oder der Motorik des Angeklagten mehr erinnerlich seien.
212Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Angeklagte in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung berichtete, dass er eigentlich nie gewusst habe, wie er vom Feiern nach Hause gekommen sei, weil er immer so stark betrunken gewesen sei. Zum einen beziehen sich diese Angaben schon nicht auf den konkreten Tatabend, zum anderen vermögen sie die Beurteilung des (Vor- und Nach-) Tatverhaltens des Angeklagten aus oben genannten Gründen nicht zu beeinflussen. Etwas Anderes folgt deshalb auch nicht daraus, dass der Angeklagte nicht mit weiteren (Körper-)Verletzungsdelikten zum Nachteil von Frauen in Erscheinung getreten ist, und die vorliegende Tat deshalb für ihn möglicherweise nicht wesenseigen ist. Zumal der Angeklagte sich jedenfalls zur Tatzeit wie beschrieben dissozial verhielt und sich auch in einem solchen Milieu bewegte.
213Es mag so gewesen sein, dass der Angeklagte zur Tatzeit affektiv erregt und möglicherweise alkohol- und drogenbedingt enthemmt war, dies reicht für die Annahme einer krankhaften seelischen Störung i. S. d. § 20 StGB aber nicht aus. Die konkreten Umstände des (Vor- und Nach-)Tatgeschehens sprechen deutlich gegen eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit. Für die Anwendung des Zweifelssatzes besteht deshalb vorliegend kein Raum (BGH, Beschl. v. 25.07.2006 – 4 StR 141/06 –, NStZ-RR 2006, 335).
Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen gem. § 211 Abs. 1 2 StGB strafbar gemacht; eine Verjährung tritt hinsichtlich dieses Verbrechens nicht ein (§ 78 Abs. 2 StGB).
215Der Angeklagte tötete die Geschädigte aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 Gruppe 1 StGB. Bei Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Angeklagten maßgeblichen Faktoren ergibt sich, dass die Tatmotive des Angeklagten – hier der Geschädigten werthaltige Gegenstände zu entwenden und/oder sexuelle Handlungen auch gegen den Willen der ihm zuvor unbekannten Geschädigten durchzuführen – nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Dabei ist unerheblich, dass die Kammer hinsichtlich des Tatmotivs zu keiner eindeutigen Feststellung gelangt ist, weil sie keinen von mehreren nach dem Beweisergebnis in Betracht kommenden Beweggründen ausschließen oder aber als sicher tatbeherrschend feststellen konnte. In einem solchen Fall ist eine Verurteilung jedenfalls dann möglich, wenn – wie hier – ein jeder dieser Beweggründe als niedrig anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2005 – 1 StR 234/05 –, juris).
216Soweit der Angeklagte bereits zum Zeitpunkt des Angriffs auf die Geschädigte in der NH.-straße plante, die Geschädigte gewaltsam widerstandsunfähig zu machen, um ihr sodann werthaltige Gegenstände bzw. Geld zu entwenden, erfüllt dies die Voraussetzungen für die Annahme von Habgier gem. § 211 Abs. 2 Var. 3 StGB. Dem Mordmerkmal unterfallen Taten, die sich dadurch auszeichnen, dass der Täter das Opfer um eines Vermögensvorteils willens tötet und sich hierin ein über die Gewinnsucht hinaus gesteigertes, abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis äußert. So liegt der Fall hier. Denn dem Angeklagten genügte dann – sofern der Vermögensgewinn bereits anfänglich seine Handlungen tatbeherrschend leitete – die zufällige Begegnung mit der zierlichen und augenscheinlich von einem längeren Karnevalsabend im „E.“ heimkehrenden Geschädigten, um diese unter massivstem Gewalteinsatz zu töten und sich eine erwartbar geringe Geldmenge im Äquivalent der ursprünglich angestrebten Taxifahrt anzueignen.
217Soweit der Angeklagte die Geschädigte hingegen zunächst (vorrangig) aus sexuellem Motiv angriff und daher eine übersteigerte Gewinnsucht des Angeklagten bei der Tötung der Geschädigten keine (tatbeherrschende) Rolle spielte, so sind bei Gesamtwürdigung der näheren Tatumstände und der Person des Angeklagten gleichsam die Voraussetzungen für die Annahme von sonst niedrigen Beweggründen gem. § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB gegeben. Denn der Angeklagte tötete die Geschädigte dann aus Wut bzw. Verärgerung über das Ausbleiben sexueller Befriedigung, möglicherweise nach vorausgehender Verweigerung sexueller Handlungen durch die Geschädigte. Eine solche Gefühlsregung entbehrt – zumal unter Berücksichtigung der fehlenden Beziehung zwischen dem Angeklagten und Opfer, die sich in dieser Nacht zum ersten Mal zufällig auf der Straße begegneten – eines beachtlichen Grundes und beruht daher auf einer niedrigen Gesinnung i.S.v. § 211 Abs. 1 Var. 4 StGB. Zugleich kommt in der besonderen, gegen das Gesicht einer wehrlosen Person gerichteten Brutalität und Aggressivität der Tatausführung ein menschenverachtender Vernichtungswille des Angeklagten zum Ausdruck. Ein spezifisch frauenfeindliches Handeln oder ein Handeln aus unnatürlicher Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens ist demgegenüber unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. VC. zur Person des Angeklagten und dessen in dieser Hinsicht gänzlich unauffälligen Lebensgeschichte auszuschließen.
218Dem Angeklagten waren bei Ausführung der Tat die Umstände bewusst, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen. Ebenso war er in der Lage, die gefühlsmäßigen Regungen, die sein Handeln zuletzt möglicherweise bestimmten, gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2020 – 5 StR 124/20 –, juris Rn. 15; Beschluss v. 12.09.2019 – 5 StR 399/19 –, juris Rn. 11). Dies zumal das außerordentliche Missverhältnis zwischen Anlass und Folgen der Tat des Angeklagten hier derart krass und die Verwerflichkeit seiner Handlungsweise so offensichtlich sind, dass an die Feststellung, der Angeklagte sei sich ihrer bewusst gewesen, keine hohen Anforderungen zu stellen sind.
219Denn der Angeklagte machte die ihm zuvor unbekannte Geschädigte zum willkürlichen Objekt seiner gewinnsüchtigen und/oder sexuellen Neigungen. Dabei richtete sich seine etwaige Wut bzw. Verärgerung über eine verbale Zurückweisung seiner sexuellen Neigungen nicht gegen die Geschädigte als Person, sondern den Verlauf ihres Zusammentreffens, ohne dass die Geschädigte – oder auch eine andere beliebige Frau unter diesen Umständen – diesen maßgeblich hätte beeinflussen können. Dass der im Übrigen voll schuldfähige Angeklagte dieses Bewusstsein bei Tatausübung verloren haben könnte, ist ausgeschlossen. Insbesondere sind weder zeitliche noch situative Brüche im Tatverlauf gegeben. Vielmehr zeichnet sich das zum Tod der Geschädigten führende Tatgeschehen durch eine sich stetig steigernde Gewaltausübung gegenüber der Geschädigten aus, ohne dass Zäsuren der Geschädigten auch nur die Möglichkeit für erhebliche Handlungen, gar eine Gegenwehr eröffnet hätten.
220D. Strafzumessung
221Gemäß § 211 Abs. 1 StGB ist im Falle der Begehung eines Mordes auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Eine Milderung des Strafrahmens nach § 49 Abs. 1 StGB wegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen ließen, ist in den Fällen des Mordes aus niedrigen Beweggründen – wie hier – weder von Verfassungs wegen noch einfach-rechtlich angezeigt (BGH, Urt. v. 21.02.2018 – 5 StR 267/17 –, juris Rn. 26; BGHSt 30, 105). Zumal das festgestellte strafbare Verhalten des Angeklagten ohnehin nicht die Annahme außergewöhnlicher Umstände rechtfertigen würde.
222Eine besonders schwere Schuld i.S.v. §§ 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57 b StGB war hingegen nicht festzustellen. Umstände von besonderem Gewicht, aufgrund derer das Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit so stark von den erfahrungsgemäß vorkommenden Mordfällen abweichen würde, dass die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Prognose unangemessen wäre (BGHSt 40, 360), liegen nicht vor. Zumal zugunsten des Angeklagten zu werten war, dass er zuletzt strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.