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Der Angeklagte ist der Volksverhetzung schuldig.
Er wird deshalb zu einer Geldstrafe von
80 Tagessätzen zu je 50,00 Euro
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Vorschrift:
§ 130 Abs. 3 StGB.
Gründe
2A.
3Feststellungen zur Person
4Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 64 Jahre alte Angeklagte wurde am 00.00.0000 in C. geboren und lebt heute in N.. Er war verheiratet und bekam mit seiner Ehefrau, von der er heute geschieden ist, zwei Kinder. Aus einer weiteren Beziehung hat er außerdem einen Sohn, der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 14 Jahre alt war und der bei seiner Mutter lebt. Der Angeklagte hat vier Enkel. Er ist in einem Angestelltenverhältnis mit einem monatlichen Nettoverdienst von 2.000,00 Euro beschäftigt. Monatlich zahlt er 400,00 Euro Miete und 320,00 Euro Unterhalt an seinen 14-jährigen Sohn.
5Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
6B.
7Feststellungen zur Sache
8Am 30.04.2020 um 09:18 Uhr veröffentlichte der Angeklagte über das von ihm unter dem Benutzernamen „T. O.“ beziehungsweise „I.“ betriebene und öffentlich einsehbare Profil in dem sozialen Netzwerk „W.“ eine karikaturhaft anmutende Abbildung, die den Eingang eines Lagers zeigt, über dessen Zugang der geschwungene Schriftzug „R. X. S.“ angebracht ist. Das abgebildete Eingangstor ist augenscheinlich an die Eingangstore nationalsozialistischer Konzentrationslager, insbesondere an das Eingangstor des Konzentrationslagers Y., und den dortigen geschwungenen Schriftzug „K. X. S.“ angelehnt. Flankiert wird das abgebildete Eingangstor von zwei schwarz gekleideten, soldatisch anmutenden Eingangswächtern, die jeweils eine überdimensionierte, mit einer grünen Flüssigkeit gefüllte Spritze in den Armen halten. Im Hintergrund der Abbildung – im Inneren des Lagers – sind zwei blumengeschmückten Bildnisse zu erkennen, nämlich ein Portrait eines karikaturhaft überzeichneten Chinesen und ein solches des bekannten „D.“-A. und H. G. Z.. Die Abbildung ist untertitelt mit den Worten „„Zitat wurde entfernt““. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die beschriebene Abbildung auf Blatt 14 der Hauptakte verwiesen. Wenigstens 92 Nutzer des sozialen Netzwerks „W.“ teilten den Beitrag, sodass dieser über ihre Profile nunmehr auch den mit ihnen „befreundeten“ „W.“-Nutzern angezeigt wurde. Mindestens 62 „W.“-Nutzer reagierten auf die Abbildung mit Emojis (einer Daumen-hoch-Geste, einem lachenden oder einem weinenden Smiley).
9Zur Tatzeit, im April 2020, herrschte in Deutschland die erste Infektionswelle der COVID-19-Pandemie. Nachdem die Atemwegserkrankung COVID-19 Ende Januar 2020 erstmals in Deutschland nachgewiesen worden war, breitete sich das Coronavirus SARS-CoV-2 in den folgenden Wochen über ganz Deutschland aus, bis die erste Infektionswelle Mitte März 2020 mit über 6.000 bekannten Neuerkrankungen pro Tag ihren Höhepunkt erreichte. Zur Eindämmung des Coronavirus erließen der Bund und die Länder Maßnahmen, die als sogenannter erster Corona-Lockdown zwischen dem 22.03.2020 und dem 04.05.2020 in Kraft und mit zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben verbunden waren. Insbesondere war der Aufenthalt im öffentlichen Raum mit mehr als einer nicht dem eigenen Haushalt angehörenden Person untersagt und galt ein allgemeines Abstandsgebot im öffentlichen Raum von 1,50 m zu anderen Personen beziehungsweise Passanten. Zudem waren Gastronomie- und zahlreiche Dienstleistungsbetriebe sowie – von einer Notbetreuung in Ausnahmefällen abgesehen – Schulen und Kindertagesstätten geschlossen. Am 29.04.2020 beschloss die Bundesregierung überdies eine Maskenpflicht in Geschäften und bei Fahrten mit dem ÖPNV. Als langfristigen Ausweg aus der COVID-19-Panedmie strebte die deutsche Politik die schnellstmögliche Entwicklung eines Impfstoffes gegen SARS-CoV-2 an. Während zahlreiche Bürger die staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus befürworteten, begannen im März 2020 jedoch auch Proteste in Form von Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Maßnahmen und die mit diesen einhergehenden Grundrechtseingriffen. Nachdem viele solcher Kundgebungen anfangs vor dem Hintergrund der geltenden Kontaktbeschränkungen verboten und aufgelöst worden waren, befanden schließlich immer mehr Gerichte allgemeine Versammlungsverbote als unverhältnismäßig. Unter anderem gab das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 17.04.2020 (Az. 1 BvQ 37/20) einem Eilantrag des A. der „P. 000“-Gruppierung aus L. – einer Protestbewegung von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen – hinsichtlich einer für den 18.04.2020 angemeldeten Versammlung statt. Die Demonstrationen und Kundgebungen gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen gewannen bis zur Tatzeit Ende April 2020 und darüber hinaus stetig Zulauf.
10Vor dem Hintergrund der sich aufheizenden gesellschaftlichen Debatte um die staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus war die Veröffentlichung der beschriebenen Abbildung durch den Angeklagten am 30.04.2020 geeignet, gewalttätige Reaktionen derjenigen, die sich als Opfer der Corona-Schutzmaßnahmen sahen und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoCV-2 impfen lassen wollten, hervorzurufen. Zudem war die Veröffentlichung geeignet, bei in Deutschland lebenden Überlebenden des Holocausts beziehungsweise bei Nachkommen der Holocaustopfer ein Klima der Angst und Verunsicherung zu verbreiten. Diese Umstände waren dem Angeklagten bei der Veröffentlichung des Beitrags bewusst und er nahm sie billigend in Kauf.
11Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten waren bei Begehung der Tat unbeeinträchtigt.
12Die Meldestelle „E.“ meldete den Beitrag des Angeklagten am 29.08.2022 an das Bundeskriminalamt und leitete zudem Maßnahmen zur Löschung des Beitrags ein. Der Beitrag war am 07.09.2022 nicht mehr abrufbar.
13C.
14Beweiswürdigung
15I. Feststellungen zur Person
16Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden Angaben seines Verteidigers in der Hauptverhandlung, die der Angeklagte sich zu eigen gemacht hat, sowie auf der ihn betreffenden Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 22.05.2024, die keine Eintragungen enthält.
17II. Feststellungen zur Sache
18Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit er die objektiven Umstände der Tat eingeräumt hat, sowie auf den weiteren Beweismitteln. Im Einzelnen:
19Dass am 30.04.2020 um 09:18 Uhr über das unter dem Benutzernamen „T. O.“ betriebene „W.“-Profil die in den Feststellungen im Einzelnen beschriebene Abbildung veröffentlicht wurde, ergibt sich aus den Lichtbildern auf Blatt 14 und 15 der Hauptakte, bei denen es sich um zwei Screenshots handelt, die von dem betreffenden „W.“-Profil angefertigt wurden, und auf die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Ein Screenshot (Blatt 15 der Hauptakte) zeigt die Startseite des Profils mit – unter anderem – dem Benutzernamen „T. O.“ und dem Profilfoto des Nutzers. Auf dem anderen Screenshot (Blatt 14 der Hauptakte) ist der betreffenden Beitrag zu erkennen, also die in den Feststellungen im Einzelnen beschriebene Abbildung nebst Datum und Uhrzeit seiner Veröffentlichung sowie der Angabe, wie oft der Beitrag geteilt und wie oft auf diesen mittels Emojis reagiert worden ist.
20Die Feststellung, dass es der Angeklagte und keine andere Person war, der die betreffende Abbildung als Betreiber dieses „W.“-Accounts veröffentlichte, beruht zunächst darauf, dass der Angeklagte diesem Umstand am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 12.06.2024, über eine Erklärung seines Verteidigers, die er sich zu eigen gemacht hat, eingeräumt hat. Dazu fügt sich, dass es sich bei dem verwendeten Benutzernamen „T. O.“ um den Vor- und Nachnamen des Angeklagten handelt und das Profilbild des „W.“-Accounts, auf dem ein etwa 60-jähriger Mann mit hellgrauen beziehungsweise weißen Haaren und randloser Brille zu erkennen ist, mit dem äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung übereinstimmt. Darüber hinaus hat die Internetrecherche des Beamten KK J. vom 07.09.2022 – ausweislich der mit Schreiben vom 20.09.2022 an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen übermittelten Daten des BKA-Vorgangs – ergeben, dass auf dem „W.“-Profil am 15. August – dem Geburtstag des Angeklagten – Geburtstagsglückwünsche eingingen.
21Die Feststellung, dass das „W.“-Profil des Angeklagten zur Tatzeit öffentlich einsehbar war, beruht zunächst ebenfalls auf der Einlassung des Angeklagten, der die objektiven Umstände der ihm zur Last gelegten Tat, zu denen auch die öffentliche Einsehbarkeit seines Profils zählt, am zweiten Hauptverhandlungstag über eine Erklärung seines Verteidigers, die er sich zu eigen gemacht hat, eingeräumt hat. Dazu fügt sich, dass der Zeuge KHK U. in der Hauptverhandlung auf Vorhalt des von ihm verfassten Allgemeinen Berichts vom 13.01.2023 bekundet hat, dass er das Profil im Januar 2023 aufgerufen und bei der Gelegenheit festgestellt habe, dass es öffentlich einsehbar sei. Zudem ist auf den Screenshots, die von dem „W.“-Profil und dem betreffenden Beitrag aufgenommen wurden, anhand des Buttons „Freund/in hinzufügen“ zu erkennen, dass die Screenshots von einer Person angefertigt wurden, die mit dem „W.“-Profil nicht „befreundet“ war. Dass der Beitrag vom 30.04.2020 dieser Person dennoch angezeigt wurde, zeigt, dass das Profil bei Anfertigung der Screenshots öffentlich einsehbar war. Dieser Umstand spricht dafür, dass es – der Einlassung des Angeklagten entsprechend – auch zur Tatzeit öffentlich einsehbar war.
22Aus der Eingangsmeldung des Hessen CyberCompetenceCenters vom 29.08.2022 ergibt sich, dass die Meldestelle „E.“ den Beitrag am 29.08.2022 an das Bundeskriminalamt meldete und Maßnahmen zur Löschung des Beitrags einleitete. Aus den mit Schreiben vom 20.09.2022 an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen übermittelten Daten des BKA-Vorgangs folgt, dass der Beamte KK J. den Beitrag am 07.09.2022 nicht mehr abrufen konnte.
23Bei den Feststellungen zur COVID-19-Panedmie in Deutschland im Frühjahr 2020, den zu dieser Zeit geltenden staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus und den Protesten gegen diese Maßnahmen handelt es sich um allgemeinkundige Tatsachen. Denn die diesbezüglichen Feststellungen betreffen solche Vorgänge, von denen verständige Menschen – jedenfalls solche, die wie der Angeklagte im Frühjahr 2020 in Deutschland gelebt haben – regelmäßig Kenntnis haben und über die sie sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkenntnis sicher unterrichten können (vgl. BGH, Urteil v. 17.05.2018, 3 StR 508/17, Rn. 11 – juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 244 Rn. 51).
24Die Feststellung, dass die Veröffentlichung der Abbildung geeignet war, gewalttätige Reaktionen derjenigen, die sich als Opfer der Corona-Schutzmaßnahmen sahen und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoCV-2 impfen lassen wollten, hervorzurufen, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung folgender Umstände: Vor dem Hintergrund der Ende April 2020 in Deutschland herrschenden COVID-19-Panedmie und der zu dieser Zeit geltenden staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung derselben bringt die Abbildung – insbesondere durch den Schriftzug „R. X. S.“ und die Untertitelung „Zitat entfernt“ – zum Ausdruck, dass die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen unweigerlich auf einen staatlichen Impfzwang hinauslaufen werden. Dass die Abbildung das Eingangstor eines Lagers darstellt, das von zwei schwarz gekleideten, soldatisch anmutenden Eingangswächtern flankiert wird, die offenbar staatliche Repräsentanten sein sollen und jeweils eine überdimensionierte, mit einer grünen Flüssigkeit gefüllte Spritze in den Armen halten, impliziert zudem eine zwangsweise Durchsetzung der Impfung in staatlichen Internierungslagern. Da das abgebildete Eingangstor offensichtlich an die Eingangstore nationalsozialistischer Konzentrationslager, insbesondere an das Eingangstor des Konzentrationslagers Y., und den dortigen geschwungenen Schriftzug „K. X. S.“ angelehnt ist, setzt die Abbildung darüber hinaus die im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bestehenden und zu erwartenden staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus sowie die Benachteiligungen derjenigen, die sich den staatlichen Maßnahmen widersetzen und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen wollen, mit dem nationalsozialistischen Völkermord an Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen in Konzentrationslagern gleich. Dieser Vergleich war geeignet, denjenigen, die sich als Opfer der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen sahen, zu insinuieren, dass die vermeintlich auf einen Impfzwang hinauslaufenden Maßnahmen in ihrem Eingriffscharakter mit den in Konzentrationslagern angewandten Maßnahmen des NS-Staates vergleichbar seien und ihnen Unrecht zugefügt werde, das dem Unrecht des NS-Völkermords gleichzusetzen sei und sie damit aggressiv zu emotionalisieren. Da sich die Abbildung auf ein Zukunftsszenario bezog – im April 2020 gab es weder einen zugelassenen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 noch war eine etwaige Impfpflicht Gegenstand der politischen Diskussion – konnte die Abbildung zudem als Appell verstanden werden, sich gegen die bereits bestehenden staatlichen Schutzmaßnahmen rechtzeitig zur Wehr zu setzen, bevor es zum Äußersten – dem befürchteten staatlichen Impfzwang – kommt. Dieser appellative Charakter der Abbildung war auch nicht auf friedliche Proteste und Kundgebungen gegen die staatlichen Maßnahmen beschränkt, denn durch die Gleichsetzung der künftigen Situation von Ungeimpften in Deutschland mit der der europäischen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen im Nationalsozialismus wurde den nicht impfbereiten Personen eine bevorstehende Position der absoluten Entrechtung attestiert, gegen die sie sich auch mit Gewalt zur Wehr hätten setzen dürfen und unter Umständen sogar müssen. Der gezogene Vergleich lieferte der Personengruppe, die sich als Opfer der staatlichen Maßnahmen sah, somit ein Argument, sich als „Widerstandskämpfer gegen den Staat“ gegen vermeintliches Unrecht zu stilisieren beziehungsweise zu legitimieren. Hinzu kommt, dass die Abbildung zu einer Zeit veröffentlicht wurde, in der die Debatte um die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen bereits aufgeheizt war und es – wie festgestellt – in der Bevölkerung zunehmende, wenngleich bislang friedliche Proteste gegen die Maßnahmen gab. Zu berücksichtigen war in dem Zusammenhang auch, dass der Angeklagte die Abbildung über sein „W.“-Profil veröffentlichte, weshalb der Beitrag in erster Linie die „W.“-Nutzer erreichte, die mit dem Angeklagten über „W.“ „befreundet“ waren. Damit traf der Beitrag nicht auf ein Publikum, von dem anzunehmen ist, dass es sich kritisch mit der Abbildung auseinandersetzte, sondern vielmehr auf ein solches, bei dem davon auszugehen ist, dass es jedenfalls mehrheitlich die Einstellungen des Angeklagten in Bezug auf die COVID-19-Pandemie und den staatlichen Umgang mit dieser teilte. Dafür spricht auch, dass der Beitrag von anderen „W.“-Nutzern mindestens 92-mal geteilt wurde, was in der Regel aus Zustimmung zu dem Inhalt des geteilten Beitrags geschieht. Vor diesem Hintergrund war die Gleichsetzung der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen mit dem nationalsozialistischen Völkermord an Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen geeignet, Bestätigung für die von Teilen der Bevölkerung selbstempfundene Situation der Entrechtung und damit Rechtfertigung für einen nunmehr auch gewaltsamen Widerstand zu liefern.
25Die Feststellung, dass die Veröffentlichung der Abbildung ferner geeignet war, bei in Deutschland lebenden Überlebenden des Holocausts beziehungsweise bei Nachkommen der Holocaustopfer ein Klima der Angst und Verunsicherung zu verbreiten, folgt daraus, dass die Abbildung den Holocaust zum austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene, jedoch nicht im Ansatz mit dem geschichtlich einzigartigen massenhaften NS-Völkermord vergleichbare Maßnahmen degradierte. Da die Anerkennung der Schwere und Außergewöhnlichkeit des Unrechts, das den Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wiederfahren ist, zugleich einen Schutzwall gegen antisemitische Übergriffe bildet, kann eine derartige Bagatellisierung des Holocausts bewirken, dass die Hemmschwellen hinsichtlich antisemitischer Übergriffe gesenkt werden und das Sicherheitsgefühl der in Deutschland lebenden Holocaustüberlebenden beziehungsweise Nachkommen der Holocaustopfer beeinträchtigt wird.
26Die Feststellung, dass dem Angeklagten bewusst war und er billigend in Kauf nahm, dass die Veröffentlichung dazu geeignet war, gewalttätige Reaktionen hervorzurufen folgt daraus, dass dem Angeklagten die vorgenannten Umstände – der Inhalt der Abbildung und die aufgeheizte gesellschaftliche Debatte im Zeitpunkt der Veröffentlichung – bekannt waren und er die Abbildung in Kenntnis dieser Umstände über sein „W.“-Profil veröffentlichte. Dazu fügt sich, dass der Angeklagte am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 12.06.2024, über eine Erklärung seines Verteidigers, die er sich zu eigen gemacht hat, angegeben hat, dass er mit der Veröffentlichung der Abbildung die Intention verfolgt habe, vor Maßnahmen, wie einem staatlichen Impfzwang, die er als diktatorisch empfunden habe, zu warnen. Dann war dem Angeklagten aber auch bewusst, dass Betrachter der Abbildung sich angesichts der durch diese vorhergesagten diktatorischen Verhältnisse auch zu gewalttätigen Protesten veranlasst und legitimiert sehen könnten. Dass dem Angeklagten zudem bewusst war und er billigend in Kauf nahm, dass die Veröffentlichung der Abbildung geeignet war, bei in Deutschland lebenden Holocaustüberlebenden beziehungsweise Nachkommen der Holocaustopfer ein Klima der Angst und Verunsicherung zu verbreiten, ist ebenso aus dem Umstand zu schließen, dass er die Abbildung in Kenntnis ihres Inhalts über sein „W.“-Profli veröffentlichte und damit einem nicht mehr überschaubaren Personenkreis zugänglich machte.
27Es haben sich weder aus dem Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung noch aus seiner Einlassung oder den weiteren Beweismitteln Hinweise darauf ergeben, dass bei ihm bei Begehung der Tat eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorgelegen haben und seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit möglicherweise beeinträchtigt gewesen sein könnte.
28D.
29Rechtliche Würdigung
30Der Angeklagte hat sich der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB schuldig gemacht.
31Durch die Veröffentlichung der in den Feststellungen im Einzelnen beschriebenen Abbildung über sein öffentlich einsehbares „W.“-Profil am 30.04.2020 hat der Angeklagte die Tatbestandsvariante des öffentlichen Verharmlosens einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung im Sinne des § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) verwirklicht.
32Zunächst bezieht sich die von ihm veröffentlichte Abbildung auf eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung im Sinne des § 6 Abs. 1 VStGB, nämlich auf die auf Vernichtung angelegte Deportation und den massenhaften Mord von Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen in Konzentrationslagern im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VStGB. Denn sie stellt ein Lager dar, dessen Eingangstor durch den geschwungenen Schriftzug „R. X. S.“ offensichtlich an die Eingangstore nationalsozialistischer Konzentrationslager, insbesondere an das Eingangstor des Konzentrationslagers Y., und den dortigen geschwungenen Schriftzug „K. X. S.“ angelehnt ist (so auch BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023, 206 StRR 1/23, Rn. 15 – juris; KG Berlin, Urteil v. 13.02.2023, 121 Ss 140/22, Rn. 6 – juris).
33Durch die Veröffentlichung der Abbildung verharmloste der Angeklagte den nationalsozialistischen Völkermord an Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen in Konzentrationslagern.
34Ein Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB liegt vor, wenn eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung im Sinne des § 6 Abs. 1 VStGB in tatsächlicher Hinsicht heruntergespielt, beschönigt oder in ihrem wahren Gewicht verschleiert wird. Hiervon erfasst werden nicht nur das explizite Herunterspielen oder Beschönigen, sondern alle denkbaren Facetten agitativer Hetze wie auch verbrämter diskriminierender Missachtung, ebenso wie alle Formen des Relativierens oder Bagatellisierens des Unrechtsgehalts einer NS-Gewalttat (vgl. BGH, Urteil v. 22.12.2004, 2 StR 365/04, Rn. 24 – juris; BGH, Urteil v. 06.04.2000, 1 StR 502/99, Rn. 13 – juris; BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023, 206 StRR 1/23, Rn. 21, 29 – juris). Dabei ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG der inhaltliche Gesamtaussagewert der Äußerung aus Sicht eines verständigen Zuhörers, Lesers oder Betrachters durch genaue Bild- beziehungsweise Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil v. 06.04.2000, 1 StR 502/99, Rn. 13 – juris; KG Berlin, Urteil v. 13.02.2023, 121 Ss 140/22, Rn. 8 – juris).
35Anhand dieses Maßstabs kann die Veröffentlichung der Abbildung nur als Verharmlosung des NS-Völkermords an Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen verstanden werden. Durch die Darstellung eines Lagers mit einem Eingangstor, das offensichtlich an die Eingangstore nationalsozialistischer Konzentrationslager, insbesondere an das Eingangstor des Konzentrationslagers Y., angelehnt ist und die Abwandlung des dortigen geschwungenen Schriftzugs „K. X. S.“ zu „R. X. S.“ setzt die Abbildung – wie bereits ausgeführt – die zur Tatzeit bestehenden und zu erwartenden staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus sowie die Benachteiligungen derjenigen, die sich den staatlichen Maßnahmen widersetzen und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen wollen, mit dem nationalsozialistischen Völkermord an Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen gleich. Die Situation von Gefangenen in Konzentrationslagern unter der Herrschaft des Nationalsozialismus und die dortige geschichtlich einzigartige, gleichsam fabrikmäßig begangene massenhafte Vernichtung menschlichen Lebens ist jedoch nicht einmal ansatzweise mit der Situation der Menschen vergleichbar, die sich im April 2020 den staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen, die in der Regel bußgeldbewehrt waren, widersetzten. Auch waren im heutigen rechtsstaatlichen Deutschland nicht einmal im Ansatz mit dem NS-Unrecht vergleichbare Repressalien gegenüber Menschen, die sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen wollten, – wie etwa eine zwangsweise Durchsetzung einer Impfung in Internierungslagern – zu befürchten oder gar zu erwarten. Durch die qualitative Gleichsetzung der durch die Abbildung verglichenen, jedoch nicht im Ansatz vergleichbaren Sachverhalte wurde das historisch einzigartige Unrecht der Vernichtung von Millionen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen in Konzentrationslagern mithin erheblicher Weise in seinem wahren Gewicht verschleiert und bagatellisiert (zu vergleichbaren Fällen im Ergebnis so auch BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023, 206 StRR 1/23, Rn. 20 ff. – juris; KG Berlin, Urteil v. 13.02.2023, 121 Ss 140/22, Rn. 7 ff. – juris; LG Augsburg, Urteil v. 02.12.2021, 2 Ns 103 Js 112562/21, Bl. 32 ff. SB „Gerichtsentscheidungen“; AG Baden-Baden, Strafbefehl v. 29.04.2021, 17 Cs 550 Js 1126/21, Bl. 18 ff. SB „Gerichtsentscheidungen“).
36Andere Deutungsmöglichkeiten, die nicht zu einer Strafbarkeit führen würden, sind hingegen ausgeschlossen. Insbesondere kann die Abbildung nicht dahingehend verstanden werden, dass sie – wie in Bezug auf ähnliche Abbildungen teilweise vertreten worden ist (vgl. etwa LG Köln, Beschluss v. 04.03.2022, 111 Qs 13/22, Bl. 89 ff. BA 121 Js 858/21) – das den Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus zugefügte Unrecht gerade nicht bagatellisiert, sondern lediglich das eigene Leid im Sinne einer überzogenen Dramatisierung aufwertet, was voraussetzt, dass die Verbrechen des NS-Völkermords anerkannt werden. Denn zunächst geht es bei dem Verharmlosen – anders als beim Leugnen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB – gerade nicht darum, ob die NS-Verbrechen anerkannt oder bestritten werden, sondern um eine quantitative oder qualitative Abwertung derselben. Eine qualitative Bagatellisierung findet jedoch offensichtlich statt, wenn die (befürchteten) Benachteiligungen solcher Menschen, die sich im April 2020 den staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus widersetzten und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen wollten, verglichen werden mit dem unvorstellbaren Leid von Gefangenen in Konzentrationslagern unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Denn durch diesen Vergleich wird – auch wenn dies nicht das alleinige oder das vorrangige Ziel der Abbildung sein sollte – das wahre Gewicht der damaligen Verfolgung und Vernichtung der Juden und anderer verfolgter Gruppen in erheblicher Weise verschleiert, indem durch die Gleichstellung mit den (befürchteten) Benachteiligungen der Gegner der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen im heutigen rechtsstaatlichen Deutschland der Eindruck erweckt wird, dass das NS-Unrecht ein vergleichbares als unliebsam und belastend empfundenes Übel gewesen sei, wodurch jedoch das geschichtlich einzigartige Ausmaß der massenhaften Vernichtung menschlichen Lebens unter der Herrschaft des Nationalsozialismus unterschlagen wird. In Bezug auf die von dem Angeklagten veröffentlichte Abbildung sind somit die Überzeichnung eigener Betroffenheit von staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen im heutigen rechtsstaatlichen Deutschland und die damit verbundene missachtende Abwertung des Schicksals der in Konzentrationslagern internierten Menschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus nicht voneinander zu trennen (zu vergleichbaren Fällen im Ergebnis so auch BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023, 206 StRR 1/23, Rn. 28, 34 – juris; KG Berlin, Urteil v. 13.02.2023, 121 Ss 140/22, Rn. 12 – juris).
37Da der Angeklagte die Abbildung über sein öffentlich einsehbares „W.“-Profil veröffentlichte und sie damit für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis unmittelbar wahrnehmbar war, erfolgte die Verharmlosung öffentlich im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Urteil v. 12.12.2000, 1 StR 184/00, Rn. 44 – juris).
38Die Veröffentlichung der Abbildung war schließlich auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
39Anders als in den Fällen der Leugnung und der Billigung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB, in denen die Störung des öffentlichen Friedens indiziert ist, ist für den Fall der Verharmlosung die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens eigens festzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.06.2018, 1 BvR 2083/15, Rn. 23 – juris). Im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien zielt, nicht tragfähig. Der Schutz vor einer „Vergiftung des geistigen Klimas“ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht (vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.06.2018, 1 BvR 2083/15, Rn. 26 – juris). Art. 5 Abs. 1 StGB ermächtigt erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen. Dies ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden in dem Verständnis als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.06.2018, 1 BvR 2083/15, Rn. 17 – juris). Eine Verurteilung kann dann an Meinungsäußerungen anknüpfen, wenn sie über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können (vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.06.2018, 1 BvR 2083/15, Rn. 27 – juris). Ob dies der Fall ist, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen, bei der insbesondere die Art, der Inhalt, die Form und das Umfeld der Äußerung zu berücksichtigen sind, aber auch – je nach den Umständen des Einzelfalls – die Stimmungslage in der Bevölkerung und die politische Situation eine Rolle spielen können (vgl. BayObLG, Beschluss v. 17.02.2023, 207 StRR 32/23, Rn. 15 – juris; OLG Saarbrücken, Urteil v. 08.03.2021, Ss 72/2020, Rn. 21 – juris; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 130 Rn. 13a).
40Die vorgenannten Anforderungen sind erfüllt. Wie unter C. II. im Einzelnen dargelegt, ist die Kammer anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände, bei der sie insbesondere den Inhalt der Abbildung, die Art und Weise ihrer Veröffentlichung über das soziale Netzwerk „W.“, die politische Situation und die Stimmungslage in der Bevölkerung im April 2020 berücksichtigt hat, zu der Feststellung gelangt, dass die Veröffentlichung der Abbildung vor dem Hintergrund der sich aufheizenden gesellschaftlichen Debatte um die staatlichen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus geeignet war, gewalttätige Reaktionen derjenigen, die sich als Opfer der Corona-Schutzmaßnahmen sahen und sich insbesondere nicht gegen SARS-CoCV-2 impfen lassen wollten, hervorzurufen. Da die Abbildung – wie ausgeführt – denjenigen, die sich als Opfer der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen sahen, insinuierte, ihnen werde Unrecht zugefügt, das dem NS-Völkermord gleichzusetzen sei, war sie geeignet, diese Betrachter aggressiv zu emotionalisieren. Überdies konnte die Abbildung als Appell verstanden werden, sich gegen die staatlichen Maßnahmen rechtzeitig zur Wehr zu setzen, bevor es zum Äußersten – dem befürchteten staatlichen Impfzwang – kommt. Wie bereits ausgeführt, war dieser Appell auch nicht auf friedliche Proteste und Kundgebungen gegen die staatlichen Maßnahmen beschränkt, da durch die Gleichsetzung der künftigen Situation von Ungeimpften in Deutschland mit der der europäischen Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen im Nationalsozialismus nicht impfbereiten Personen eine bevorstehende Position der absoluten Entrechtung attestiert wurde, gegen die sie sich auch mit Gewalt zur Wehr hätten setzen dürfen und unter Umständen sogar müssen. Der gezogene Vergleich lieferte der Personengruppe, die sich als Opfer der staatlichen Maßnahmen sah, somit ein Argument, sich als „Widerstandskämpfer gegen den Staat“ gegen vermeintliches Unrecht zu stilisieren beziehungsweise zu legitimieren. Mithin hat die Veröffentlichung der Abbildung die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und ist in eine konkrete Gefährdungslage für den öffentlichen Frieden im Sinne der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung umgeschlagen (zu vergleichbaren Fällen im Ergebnis so auch BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023, 206 StRR 1/23, Rn. 46; LG Augsburg, Urteil v. 02.12.2021, 2 Ns 103 Js 112562/21, Bl. 32 ff. SB „Gerichtsentscheidungen“).
41Soweit die 20. große Strafkammer des Landgerichts Köln durch Beschluss vom 01.03.2022 (Az. 120 Qs 7/22, Bl. 114 ff. BA 121 Js 479/21) in Bezug auf eine Veröffentlichung der gleichen, jedoch mit den Worten „RM. QT. SW. TX. OE.“ untertitelten Abbildung über den Messenger-Dienst „B.“ im April 2021 ausgeführt hat, dass die Abbildung nicht geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, da die Gleichsetzung des freiheitlich-demokratischen Staates mit dem NS-Regime zwar geeignet sei, dem Widerstand insbesondere gegen staatliche Corona-Maßnahmen Vorschub zu leisten, die Abbildung darauf aber nicht erkennbar angelegt sei, überzeugt diese Argumentation nicht. Denn die Verwirklichung des § 130 Abs. 3 StGB setzt eine besondere Absicht, den öffentlichen Frieden zu stören, nicht voraus, sondern es genügt – auch in Bezug auf die Eignung zur Friedensstörung – bedingter Vorsatz (vgl. BGH, Urteil v. 03.04.2008, 3 StR 394/07, Rn. 28 – juris; KG Berlin, Urteil v. 13.02.2023, 121 Ss 140/22, Rn. 28 – juris).
42Schließlich gefährdete die Veröffentlichung der Abbildung den öffentlichen Frieden in dem Sinne der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung auch unter dem Gesichtspunkt, dass sie geeignet war, bei in Deutschland lebenden Überlebenden des Holocausts beziehungsweise bei Nachkommen der Holocaustopfer ein – die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassendes – Klima der Angst und Verunsicherung zu verbreiten. Denn die Abbildung degradiert den Holocaust zum austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene, jedoch nicht im Ansatz mit dem geschichtlich einzigartigen massenhaften NS-Völkermord vergleichbare Maßnahmen (vgl. BayObLG, Beschluss v. 17.02.2023, 207 StRR 32/23, Rn. 18 – juris). Da die Anerkennung der Schwere und Außergewöhnlichkeit des Unrechts, das den Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wiederfahren ist, zugleich einen Schutzwall gegen antisemitische Übergriffe bildet, kann eine derartige Bagatellisierung des Holocausts bewirken, dass die Hemmschwellen hinsichtlich antisemitischer Übergriffe gesenkt werden und das Sicherheitsgefühl der in Deutschland lebenden Holocaustüberlebenden beziehungsweise Nachkommen der Holocaustopfer beeinträchtigt wird (vgl. LG Augsburg, Urteil v. 02.12.2021, 2 Ns 103 Js 112562/21, Bl. 32 ff. SB „Gerichtsentscheidungen“), wenngleich dies zur Begründung der Eignung zur Friedensstörung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB allenfalls ein Hilfsargument sein kann, da eine solche Herabsenkung von Hemmschwellen der öffentlichen Verharmlosung des Holocausts regelmäßig innewohnt.
43Die Veröffentlichung der Abbildung unterfällt auch nicht der Sozialadäquanzklausel nach §§ 130 Abs. 8, 86 Abs. 4 StGB, da sie keinem der in § 86 Abs. 4 StGB genannten Zwecke diente.
44Die subjektive Tatseite in Gestalt des wenigstens bedingten Vorsatzes ist erfüllt. Der Angeklagte handelte in Kenntnis der objektiven Umstände der Tat, zudem war ihm bewusst und nahm er billigend in Kauf, dass die Veröffentlichung der Abbildung dazu geeignet war, gewalttätige Reaktionen hervorzurufen und bei in Deutschland lebenden Überlebenden des Holocausts beziehungsweise bei Nachkommen der Holocaustopfer ein Klima der Angst und Verunsicherung zu verbreiten.
45E.
46Strafzumessung
47Der Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.
48Bei der konkreten Strafzumessung hat sich die Kammer von den folgenden für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkten leiten lassen:
49Zugunsten des Angeklagten war insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: Der Angeklagte ist trotz seines höheren Alters nicht vorbestraft. Er war weitgehend geständig, indem er die objektiven Umstände der Tat eingeräumt hat. Ferner beging er die Tat aus einer Situation heraus, in der er angesichts der in Deutschland erst seit wenigen Monaten herrschenden COVID-19-Pandemie und des staatlichen Umgangs mit derselben verunsichert und besorgt war. Zu seinen Gunsten war auch die lange Verfahrensdauer von knapp zwei Jahren bis zum Beginn der Hauptverhandlung zu berücksichtigen. Zudem lag die Tat im Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits über vier Jahre zurück. Schließlich hat die Kammer in den Blick genommen, dass die Sache zum Zwecke der höchstrichterlichen Klärung der mit dem Fall verbundenen Rechtsfragen vor dem Landgericht angeklagt worden ist, während in vergleichbaren Fällen der Strafrichter beim Amtsgericht zuständig ist und häufig ein Strafbefehl erlassen wird. Durch die Durchführung der Hauptverhandlung vor einer großen Strafkammer und das damit verbundene mediale Interesse an dem Fall war der Angeklagte einer erhöhten Belastung verglichen mit anderen wegen vergleichbarer Taten Angeklagten ausgesetzt.
50Zulasten des Angeklagten war insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: Da der Beitrag von weiteren „W.“-Nutzern wenigstens 92-mal geteilt wurde, erlangte er eine erhebliche Reichweite. Zudem hat der Angeklagte durch die Veröffentlichung der Abbildung – über die tatbestandsmäßige Verharmlosung des Holocausts hinaus – auch das antisemitische Narrativ einer kapitalistischen jüdischen Weltverschwörung weitergetragen und -verbreitet. Durch die Darstellung zweier blumengeschmückter Bildnisse im Inneren des Lagers, die einen Chinesen und den bekannten „D.“-PQ. und Q. G. Z. zeigen, drückt die Abbildung aus, dass diese Personen das Lager beherrschen und von dem dargestellten Impfzwang profitieren. Da G. Z. jedoch regelmäßig – insbesondere auch im Zusammenhang mit der COVID-19-Panedmie – mit dem antisemitischen Verschwörungsmythos einer finanzstarken, jüdischen Elite, die die Geschicke der Weltgeschichte lenken soll, in Verbindung gebracht wird, kann die Abbildung in dieser Hinsicht nur so verstanden werden, dass besagte Elite – für die das Bildnis von G. Z. exemplarisch steht – die Bevölkerung mittels des Coronavirus und der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zum Zweck des eigenen Profits unterdrückt.
51Nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer – angesichts des Überwiegens der strafmildernden Umstände – eine Geldstrafe von
5280 Tagessätzen zu je 50,00 Euro
53für tat- und schuldangemessen gehalten.
54F.
55Kosten
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 S. 1 StPO.