Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.245,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2022 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau, Frau Dr. P. R., und die gemeinsamen Kinder, E. S. R. und L. B. R., bei der Beklagten für den 27.07.2022 einen Flug in der Economy Class von J./K. nach M. I., der Flug hatte die Flugnummer LH456. Am 26.07.2022 wurde der Flug seitens der Beklagten annulliert (Anlage K 2).
3Auf die im V. Chat Assistant gestellte Anfrage nach Flugalternativen von J. nach M. I. am 27.07.2022 wurde seitens des Servicecenters der Beklagten erklärt, es seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Alternativen zu dem Flug verfügbar, es solle eine andere Option gewählt werden oder ein späterer Versuch unternommen werden (Anlage K 3).
4Für den Kläger, seine Ehefrau und die beiden Kinder wurde eine Flugverbindung mit der Fluggesellschaft T. G. von J./K. über D. nach M. I. mit den Flugnummern AC841 und AC791 in der Business-Class zum Preis von 27.216,32 CAD, umgerechnet 20.845,62 Euro gebucht.
5Mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.07.2022 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.08.2022 namens des Klägers, seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder aufgefordert, eine Zahlung von insgesamt 23.245,62 Euro auf das Konto des Klägers vorzunehmen (Anlage K 5). Eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht.
6Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei zu einer Ausgleichszahlung in Höhe von 4 x 600,00 Euro, insgesamt 2.400,00 Euro, sowie zur Erstattung der Kosten für die Flüge mit T. G. verpflichtet. Der Kläger behauptet, seitens seiner Ehefrau und der beiden Kinder seien deren Ansprüche gemäß Abtretungsvereinbarung vom 11.08.2022 (Anlagen K 8 – K 10) an ihn abgetreten worden.
7Es sei erforderlich gewesen, zeitnah in M. I. anzukommen, da bereits im Voraus Tickets im Wert von 3.432,66 Euro für eine Theateraufführung gekauft worden seien, zudem habe er – der Kläger – vor Ort einen wichtigen Termin mit einem kalifornischen Rechtsanwalt gehabt, bei dem es um ein Grundstücksgeschäft im Wert von 4 Mio. Euro gegangen sei. Die einzige angebotene Flugverbindung sei die gebuchte Verbindung bei der T. G. gewesen, dort sei in der Economy Class nur noch ein einziger Platz verfügbar gewesen, vier Plätze seien nur noch in der Business-Class buchbar gewesen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.245,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2022 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, einen Vermögensschaden auf Klägerseite, eine Bezahlung aus eigenen Mitteln und die Behauptung, dass ausschließlich Flugscheine in der Business-Class zu erwerben gewesen seien.
13Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage ist zulässig und begründet.
16Der Kläger kann von der Beklagten gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 2.400,00 Euro verlangen.
17Die Beklagte ist ausführendes Luftfahrtunternehmen i.S.v. Art. 2 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 261/2004, welches im Rahmen eines Vertrages mit dem Kläger und dessen Angehörigen einen gebuchten Flug, nämlich den Flug Nr. LH456 von J. nach M. I., am 27.07.2022 durchführen sollte. Diesen Flug hat die Beklagte nicht durchgeführt und ihn damit i.S.v. Art. 2 lit. l) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 annulliert.
18Der Kläger ist berechtigt, wegen dieser Annullierung Ausgleichsansprüche geltend zu machen, denn er, seine Ehefrau und seine Kinder waren Fluggäste, die auf einem Flughafen im Gebiet der Europäischen Union, nämlich dem Flughafen von J./K., diesen Flug antreten wollten und über eine bestätigte Buchung für diesen Flug verfügten, Art. 3 Abs. 1 lit. a) Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Ehefrau des Klägers, Frau Dr. P. R., und seine Kinder, Frau L. B. R. und Herr E. S. R., haben ihre diesbezüglichen Ansprüche unter dem 11.08.2022 an den diese Abtretung annehmenden Kläger abgetreten. Der Kläger hat diese Abtretungsvereinbarung durch die Vorlage der entsprechenden Schriftstücke (Anlagen K 8-K 10), deren Authentizität von der Beklagten nicht bestritten worden ist, ausreichend belegt.
19Die Unterrichtung der Kläger erfolgte am Vortag des vorgesehenen Fluges und damit in einem Zeitraum von weniger als 2 Wochen vor der gebuchten Abfahrtszeit, ohne dass seitens der Beklagten eine anderweitige Beförderung angeboten worden ist, Art. 5 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Der Höhe nach beläuft sich der danach bestehende Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf 600,00 Euro pro Fluggast, da die Entfernung von J./K. nach M. I. Luftlinie 9.302,48 km und damit mehr als 3.500 km beträgt, Art. 7 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004.
20Des Weiteren kann der Kläger gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Schadensersatz in Höhe von weiteren 20.845,62 Euro verlangen.
21Die Beklagte hat mit der Annullierung des für den Kläger, seine Ehefrau und seine beiden Kinder gebuchten Fluges am 27.07.2022 von J./K. nach M. I. ihre Pflicht aus dem entsprechenden Vertragsverhältnis zur Beförderung des Klägers und seiner Angehörigen verletzt, denn sie hat den Flug annulliert, ohne dem Kläger und seinen Angehörigen ein Angebot für eine anderweitige Beförderung nach Art. 8 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anzubieten. Diese Pflichtverletzung war auch schuldhaft, denn die insoweit gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB darlegungsbelastete Beklagte trägt diesbezüglich nichts zu ihrer Entlastung vor.
22Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es nicht, denn die Erklärung der Beklagten, zum damaligen Zeitpunkt seien keine Alternativen zu dem gebuchten Flug verfügbar, verbunden mit der Bitte, eine andere Option zu wählen oder es später noch einmal zu versuchen, ist als Erfüllungsverweigerung i.S.v. § 281 Abs. 2 BGB zu sehen.
23Die Buchung des Ersatzfluges bei der Fluggesellschaft T. G. und der hierfür gerechnete Preis sind durch die dem Kläger vorgelegte Booking Confirmation vom 26.07.2022 ausreichend belegt worden.
24Hinsichtlich der Geltendmachung dieses Schadens ist der Kläger, wie vorstehend dargelegt, jedenfalls aufgrund der von ihm vorgelegten Abtretungsvereinbarungen vom 11.08.2022 berechtigt.
25Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers oder seiner Angehörigen i.S.v. § 254 BGB ist für das Gericht nicht erkennbar. Dem steht nicht entgegen, dass der seitens des Klägers und seiner Angehörigen gebuchte Ersatzflug bei der Fluggesellschaft T. G. in der Business-Class erfolgte und damit höherwertig war als der bei der Beklagten gebuchte Flug in der Economy Class. Der Kläger hat jedoch dargetan, dass die für ihn und seine Angehörigen nur die gebuchte Flugverbindung bei der Fluggesellschaft T. G. verfügbar war und dort auch nur noch ein einziger Platz in der Economy Class zur Verfügung stand, während für 4 Personen nur noch Plätze in der Business-Class vorhanden waren. Die Aufteilung der Familie des Klägers dahingehend, dass ein Familienmitglied in der Economy Class, die anderen drei Personen in der Business-Class transportiert wurden, war für den Kläger und seine Familie unzumutbar. Dass für den Kläger und seine Angehörigen eine anderweitige günstigere Flugverbindung vorhanden war, wird von der Beklagten, die hinsichtlich des Mitverschuldens des Klägers darlegungs- und beweisbelastet ist, nicht dargetan. Hiergegen spricht auch, dass die Beklagte sich selbst nicht in der Lage gesehen hat, dem Kläger und seinen Angehörigen eine anderweitige Ersatzverbindung anzubieten.
26Eine Anrechnung der Ausgleichszahlung in Höhe von 2.400,00 Euro auf den Schadensersatzanspruch ist nicht vorzunehmen, denn eine solche Anrechnung nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist nur für Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz geboten (vgl. Woitkewitsch, MDR 2002, 193, 107).
27Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Mit Ablauf der im Schreiben vom 26.07.2022 gesetzten Zahlungsfrist bis zum 10.08.2022 ist die Beklagte in Verzug geraten, die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus dem gesetzlichen Verzugszinssatz unter Beteiligung von Verbrauchern.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
29Streitwert: 23.245,62 Euro.