Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd
für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagekonvolut K 3 des Urteils.
II. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger wie Gesamtschuldner € 374,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13.01.2023 zu zahlen.
III. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich der Unterlassung 5.000,00 € und im Übrigen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren C. e.V. U.. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG umfassend auch in diesem Rechtsstreit klagebefugt.
3Die Beklagten zu 2) und 3) bilden als Gesellschafter die Beklagte zu 1) und betreiben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis unter der Bezeichnung „J. & N. Privatpraxis für Ästhetische Medizin und kosmetische Chirurgie“. Zu Werbezwecken unterhalten die Beklagten eine unter der Domain „link entf.“ geschaltete Internetseite.
4Auf der vorbezeichneten Internetseite werben die Beklagten für verschiedene operative plastisch-chirurgische Eingriffe mit Fotos, die behandelte Patienten vor und nach einer Behandlung durch die Beklagten zeigen sollen (Vorher-Nachher-Bilder). So werben die Beklagten etwa für eine Behandlung von Nasen- und Kinnpartie mit dem nachstehend eingelichteten Bilderpaar:
5„Bilddarstellung wurde entfernt“
6Alle streitgegenständlichen Bilder gem. dem Anlagenkonvolut K 3 sollen jeweils das Ergebnis einer Unterspritzung der Haut mit Hyaluronsäure oder sog. „Fillern“ zeigen (Giabella, Hohlwangenunterspritzung, Krähenfüßebehandlung, Nasolabialfaltenbehandlung, Volumenaufbau, Wangenunterspritzung, Faltenbehandlung). Bei einer solchen Behandlung wird zur Veränderung der äußeren Erscheinung des Patienten ein Präparat mittels einer Spritze unter die Haut eingebracht.
7Der Kläger, der hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht- sowie das Wettbewerbsrecht sieht, hat die Beklagten erfolglos abgemahnt (Anlage K 4).
8Der Kläger beantragt,
9wie erkannt.
10Die Beklagten beantragen,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagten verteidigen ihre Werbung. Die Kammer nimmt insbesondere auf die Ausführungen in der Klageerwiderung Bezug.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage hat Erfolg.
16I. Unterlassungsantrag
17Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 8, 3a UWG i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 3. Nr. 1 HWG zu.
18Gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG ist es untersagt, für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff zu werben.
19Unter einem operativen plastisch-chirurgischen Eingriff ist jeder instrumentelle Eingriff am oder im Körper des Menschen zu definieren, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (Meyer, Das Verbot von Vorher-Nachher-Bildern bei Schönheitsoperationen, GRUR 2006, S. 1007). Hierunter fällt auch das Unterspritzen der Haut mit Hyaluronsäure oder „Fillern“ mittels einer Kanüle. Dieses stellt einen solchen instrumentellen Eingriff zur Form- und Gestaltsveränderung dar. Der Eingriff findet unter der Haut des Patienten und mithin im menschlichen Körper statt, so dass ein operativer chirurgischer Eingriff vorliegt.
20Die Kammer schließt sich der Beurteilung der Frankfurter Kollegen an.
21Das Landgericht (Urt. v. 03.08.2021, Az. 3-06 O 16/21, Anlage K 6) hat hierzu ausgeführt:
22„Bei der Vorher-Nachher-Werbung der Beklagten wie aus Anlage K 2 ersichtlich handelt es sich um eine Werbung für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Ein solcher liegt vor bei einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (Meyer, Das Verbot von Vorher-Nachher-Bildern bei Schönheitsoperationen, GRUR 2006, Seite 1007). Ein solcher Eingriff setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass eine Operation vorgenommen wird in dem Sinne, dass mit einem Skalpell die gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr ist ein instrumenteller Eingriff auch dann gegeben, wenn die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird. Auch dabei handelt es sich um einen instrumentellen Eingriff am Körper eines Menschen, da die Unterspritzung unter die Haut vorgenommen wird - anders als bei einer kosmetischen Behandlung an der Hautoberfläche. Eine solche Einordnung trägt dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung, mit dem Werbeverbot solche Eingriffe zu erfassen, bei denen das Risiko einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung gegeben ist (Meyer, a.a.O). Mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff darf nicht geworben werden, weil dies insbesondere bei jüngeren Menschen einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Fritzsche, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 11 HWG Rn. 51).“
23Das Oberlandesgericht U. (Az. 6 U 204/21) hat sich dieser zutreffenden Auffassung angeschlossen und die dortige Beklagte zu einer Rücknahme der Berufung bewegt. So heißt es in dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung:
24„Nach der vorläufigen Ansicht des Senats verstößt die streitgegenständliche Werbung gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG. Die Anlage K2 stellt eine Werbung mit einer Vorher-Nachher-Darstellung dar. Es ist unstreitig, dass der Eingriff durch das Unterspritzen der Haut mit Collagenpräparaten oder Hyaluronsäure mittels einer Kanüle erfolgt. Dabei handelt es sich nach der Auffassung des Senats eindeutig um einen operativ plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 11 HWG. Es widerspricht nicht dem Wortlaut der Bestimmung („operativ“, „chirurgisch“), darunter das Unterspritzen mittels einer Kanüle zu fassen, denn es geht nicht um die Begriffe „Operation“ oder „Chirurgie“ als allgemeine medizinische Termini, sondern speziell um den Begriff des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ im Sinne der Schönheitsmedizin. Und nach der maßgeblichen Gesetzesauffassung werden in diesem Sinne nicht nur Eingriffe als operativ oder chirurgisch verstanden, die mittels eines Skalpells ausgeführt werden, für die eine Narkose zwingend erforderlich ist oder bei denen ein bestimmtes Maß an Invasivität erforderlich ist. Vielmehr können dazu - in Abgrenzung zur bloßen kosmetischen Behandlung - auch Verfahren rechnen, bei denen plastische Veränderungen des Körpers durch das Einbringen von Stoffen mittels Kanülen erfolgt, wie im vorliegenden Fall.“
25Maßgeblich sind daher nicht die Schwere, das Risiko oder die Intensität des Eingriffs, sondern ob – unstreitig wie hier - eine plastische Veränderung des Körpers durch das Einbringen von Stoffen – hier mittels einer Kanüle – erfolgt.
26Der Einholung eines Sachverständigengutachtens, etwa durch Einholung eines dermatologischen oder chirurgischen Sachverständigengutachtens, zu den von den Beklagten aufgeworfenen Fragen (vgl. Klageerwiderung S. 2 – 7), bedurfte es daher nicht.
27II. Abmahnkostenpauschale
28Der Kläger kann des Weiteren von den Beklagten den Ersatz der Kosten verlangen, die ihm aufgrund der Abmahnung der Beklagten entstanden sind.
29Der Klageanspruch beruht auf § 13 Abs. 3 UWG. Soweit die Abmahnung – wie vorliegend - berechtigt ist, ist der Abgemahnte verpflichtet, dem Abmahnenden die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen kann der Kläger von den Beklagten dabei den anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale verlangen.
30Deren Höhe ist unstreitig.
31Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
32Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
33Streitwert: 25.000,00 €