Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63.261,97 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.08.2020 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
Tatbestand:
2Der Kläger macht Ansprüche auf Rückzahlung von verlorenen Einsätzen bei Sportwetten und Onlineglücksspielen geltend.
3Die Beklagte ist Betreiberin der Internetseiten, https://D. und https://C. die öffentliche Glücksspiele wie unter anderem Casino, Roulette, Black Jack, Slots und Sportwetten im Internet anbieten.
4Die Beklagte hat ihren Sitz in Y.. Mit dem Inkrafttreten des GlüStV 2012 setzten die Länder das erste bundesweite Sportwettenerlaubnisverfahren in Gang. Daraufhin beantragte die Beklagte beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport eine bundesweite Konzession für Sportwetten. Mit Schreiben vom 02.09.2014 teilte das Ministerium mit, dass die Beklagte die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung erfülle. Erst im Oktober 2020, nach einem erneuten Vergabeverfahren, wurde die Konzession dem Schwesterunternehmen der Beklagten erteilt.
5Der Kläger nutzte die Internetseiten mindestens im Zeitraum vom 22.02.2017 bis zum 23.05.2020. Er hat seinen Wohnsitz in V.-Q.. Außergerichtlich forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 15.07.2020 zur Zahlung mit Frist bis 05.08.2020 auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 17.08.2020 ab.
6Der Kläger behauptet, er habe sämtliche Glücksspiele aus dem Bundesland V.-Q. entweder von seinem Wohnsitz oder seinem Arbeitsplatz aus getätigt. Er ist der Ansicht, das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiel sei in V.-Q. nach § 4 Abs.4 des Glücksspielstaatsvertrages von 2012 (GlüStV 2012) illegal und die Beklagte verfüge nicht über entsprechende Lizenzen.
7Ihr Angebot sei durch die Verwendung der deutschen Sprache, die Endung „de“ in der Domainadresse und die Abbildung der Deutschlandfahne auf Nutzer in Deutschland ausgerichtet.
8Das Sportwettenangebot der Beklagten verstoße gegen § 4 Abs.1 S. 2 GlüStV 2012 i.V.m.. § 4 Abs.4 GlüStV 2012.
9Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die Angebote der Beklagten legal seien, weshalb er dieses ständig nutzte und dabei insgesamt 63.261,97 € davon 22.723,04 € bei Sportwetten verspielt habe.
10Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich aller beim Glücksspiel und den Sportwetten verlorenen Gelder gegen die Beklagte aus §§ 812 Abs.1 1.Alt BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 4 Abs.1, 4 GlüStV 2012 bzw. § 284 BGB zu.
11Die Beklagte habe gegen den Erlaubnisvorbehalt im GlüStV 2012 und das Internetverbot verstoßen. Eine Leistungskondiktion sei nicht nach § 817 BGB ausgeschlossen.
12Der BGH Beschluss, Az.: XI ZR 515/21, vom 13.09.2022 beziehe sich nur auf das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Spieler und sei auf den hiesigen Fall nicht übertragbar.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63.261,97 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.08.2020 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte ist der Ansicht, dass deutsches Recht nicht anwendbar sei, da ihre AGB unter Ziffer 24 eine Rechtswahlklausel enthalten, die der Kläger akzeptiert habe. Jedoch bestehe auch bei dessen Anwendung kein Anspruch des Klägers.
18Es handele sich um einen Verlust nicht um einen Schaden.
19Das Angebot der Beklagten sei legal, da sie eine ehemals in der EU, nämlich in Y., erteilte Erlaubnis hierfür habe und das Angebot von den öffentlichen Behörden geduldet worden sei. Die Beklagte habe nur zulässige Glücksspiele im Rahmen ihrer Lizenz angeboten. Bei gegenteiliger Ansicht habe der Kläger ebenfalls illegal Glücksspiele gespielt, weshalb die Kondiktionssperre des § 817 S.2 HS.1 BGB greife. Zumindest ein leichtfertiges Verschließen liege vor. Bei § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB handele sich nicht um Schutzgesetzte, sodass die Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 nicht vorlägen. In den AGB der Beklagten werde zudem darauf hingewiesen, dass der Nutzer zu prüfen habe, ob Online Glücksspiel in seinem Staat legal sei. Bei einer Anwendung von § 823 BGB müsse sich der Kläger somit zumindest sein Mitverschulden anrechnen lassen.
20Hinsichtlich der Sportwetten ist die Beklagte der Ansicht, dass die Durchführung des Konzessionsverfahrens unionsrechtswidrig gewesen sei und es deshalb nicht zur Erteilung der Konzession gekommen sei. Ihr könne dennoch nicht entgegengehalten werden, das Anbieten von Sportwetten sei illegal, weil eine Erlaubnis nicht vorliege. Denn die Nichtausgabe einer Konzession habe zum unionsrechtswidrigen Zustand der faktischen Fortgeltung eines – bereits als unionsrechtswidrig festgestellten – Sportwettmonopols geführt. Somit sei auch ihr Sportwettenangebot legal.
21Der Kläger habe außerdem bereits vor und auch noch nach dem streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten gespielt, sodass es willkürlich sei diesen Zeitraum herauszugreifen.
22Ohnehin sei der Streit bereits höchstrichterlich durch den Beschluss des BGH vom 13.09.2022 Az.: XIZR 515/21 entschieden, der sich generell mit dem § 4 GlüStV beschäftige und deshalb auch auf Fälle, die sich wie der hiesige zwischen den Glücksspielbetreibern und den Spielern abspielen, anwendbar sei.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Klage ist begründet.
26I. Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, 18 Abs. 1 EuGVVO bzw. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO sowie aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG.
27Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Einsätze – abzüglich erfolgter Auszahlungen –in Höhe von 63.261,97 € aus §§ 812 Abs.1 Satz 1 1. Alt. BGB i.V.m. § 134 BGB und § 4 Abs. 4 GlüStV 2012.
28Auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt ist deutsches Recht anwendbar.
29Die In Ziffer 24 der AGB vereinbarte Rechtswahlklausel ist unwirksam, da sie einer AGB-Kontrolle wegen eines Verstoßes gegen das Verständlichkeitsgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht standhält. Die Klausel weist nicht klar darauf hin, dass der Verbraucher auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO darf eine Rechtswahlklausel nicht dazu führen, dass von zwingenden gesetzlichen Regelungen abgewichen werde, die dem Schutz des Verbrauchers nach dem Recht seines Mitgliedstaates dienen (vgl.EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C-191/15, Celex-Nr. 62015CJ0191, juris, Rn. 71; BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, juris, Rn.32; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1280, 1281, OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22, LG Braunschweig, Urteil vom 14. Dezember 2021, 6 O 1177/21).
30Demnach findet die gesetzliche Regelung Anwendung.
31Soweit der Kläger Ansprüche im Zusammenhang dem von ihm mit der Beklagten geschlossenen Verträgen geltend macht, findet gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutsches materielles Recht Anwendung, unabhängig davon, ob der Vertrag nichtig ist oder nicht. Insoweit ist auch die Beurteilung der Wirksamkeit eines Vertrages sowie etwaige Folgen seiner Nichtigkeit umfasst, einschließlich bereicherungsrechtlicher Folgen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872 Rn. 43).
32Der Kläger hat als natürliche Person ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Verbraucher einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, wobei letztere mit dem Anbieten von Online-Sportwetten in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte (Unternehmer) und diese jedenfalls auch im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers (Deutschland) ausübte, Art. 6 Abs. 1 lit. a Rom I-VO. Dass die Beklagte ihr Angebot auch auf den deutschen Markt ausgerichtet hat, ergibt sich daraus, dass der Kläger von Deutschland aus am Angebot der Beklagten über die in deutscher Sprache gestaltete Internetseite mit einer deutschen Domainadresse teilnehmen konnte.
33Der vom Kläger mit der Beklagten geschlossene Vertrag über die Teilnahme an Online-Sportwetten ist wegen eines Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4. GlüStV 2012 nichtig. Das von der Beklagten angebotene Online-Sportwettenangebot stellt ein verbotenes Online-Glücksspiel dar. Der vom Kläger mit der Beklagten geschlossene Vertrag über die Teilnahme an Online-Glücksspielen ist wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4. GlüStV 2012 nichtig. Demnach hat der Kläger seine Einsätze ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.
34Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich verboten gewesen. Diese Regelung stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut ein Verbotsgesetz i.S. des § 134 BGB dar. § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GlüStV 2012 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen unionsrechtliche Vorgaben unanwendbar (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20 Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895 Rn. 38 ff.).
35Die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrags standen nicht in Zweifel. Das Internetverbot trug auch nach Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrags bei (vgl.LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22 ).
36Indem die Beklagte ihr Onlineangebot dem Kläger an dessen Wohnsitz und Arbeitsplatz in V.-Q. zugänglich gemacht hat, hat die Beklagte, die unstreitig nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 verfügte, dagegen verstoßen.
37Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtet.
38Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss. So liegt der Fall hier (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 Rn. 49, LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22). Es mit dem Sinn und Zweck des § 4 Abs.4 GlüStV unvereinbar, die durch den Vertrag getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. Zu diesem Ergebnis führt die gebotene, am Normzweck orientierte Auslegung. Danach ist dann von der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts auszugehen, wenn die infrage stehende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck den Eintritt der mit dem Rechtsgeschäft angestrebten Rechtsfolgen verhindern will und sich somit gegen dessen Inhalt und nicht nur gegen die Art und Weise seines Zustandekommens richtet. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern darüber hinaus gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit im Ergebnis gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (Vossler, in: beck-online. GROSSKOMMENTAR, 01.12.2022, § 134, Rn. 60 m.w.N.).
39Vorliegend will § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur den Abschluss eines Spielervertrags im Internet unterbinden, sondern die Folgen des dann durchgeführten Glücksspiels. Er dient der Suchtprävention und -bekämpfung, dem Spieler- und Jugendschutz, der Kriminalitätsprävention und der Vermeidung von Gefahren für die Integrität des Sports (Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 S. 4). Demzufolge soll § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht den Abschluss des Vertrages an sich, sondern die mit der Durchführung des Glücksspiels verbundenen Folgen verhindern. Der Spieler soll vor Manipulation, Folgekriminalität und Gesundheitsgefahren geschützt werden. Diese zeigen sich aber erst bei der Durchführung des Vertrages und nicht bereits bei seinem Abschluss (OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22, OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2022 – I-19 U 51/22).
40Zur Duldung durch die Verwaltung führt das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22 aus:
41Die Beklagte kann sich insofern auch nicht auf eine etwaige faktische Duldung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden berufen.
42Der zivilrechtliche Schutz für private (natürliche oder juristische) Personen einerseits und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. Die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche hängt nicht davon ab, ob Verwaltungsbehörden öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20 Rn. 53; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 Rn. 43; KG, Urteil vom 06.10.2020 – 5 U 72/19, GRUR-RS 2020, 49879 Rn. 39).
43Darüber hinaus kann die Beklagte (hinsichtlich der Sportwetten) nicht mit Erfolg geltend machen, ein Verstoß ihrerseits gegen ein gesetzliches Verbot scheide unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung wegen des Verstoßes des Konzessionsverfahrens gegen das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot aus (so aber OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.01.2023 – 8 U 102/22).
44Es kann insofern zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass das mit Inkrafttreten des GlüStV 2012 vom zuständigen Ministerium des Landes durchgeführte Konzessionsvergabeverfahren das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot verletzt hat, weil das Verfahren eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Antragsteller dargestellt hat. Es mag auch sein, dass dann, wenn das Erlaubnisverfahren nicht transparent und nicht diskriminierungsfrei ausgestaltet worden ist, das Fehlen einer Erlaubnis eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nicht begründen kann.
45Das Gericht sieht sich indes an die gesetzgeberischen Wertungen gebunden. Eine Beurteilung darüber zu treffen, ob einem Sportwetten-Anbieter eine Erlaubnis zu erteilen gewesen wäre, ist nicht Sache eines Zivilgerichts in einem Verfahren eines klagenden Vertragspartners mit dem Anbieter. Eine Auswahl dahingehend, ob ein Anbieter zwar nicht gesetzeskonform, indes gleichwohl „legal“, weil genehmigungsfähig, gehandelt hat, steht einem an die deutschen Gesetze gebundenen Gericht nicht zu (vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 Rn. 45).
46Anderes gebietet auch nicht die Überlegung, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. nur Urteil vom 07.08.2018 – C-122/17, BeckRS 2018, 17516) die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen zu berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden haben, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie bzw. EU-Normen auszurichten, damit das von EU-Nomen intendierte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bestimmten Schranken unterliegt. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Urteil vom 07.08.2018 – C-122/17, BeckRS 2018, 17516 Rn. 40; vgl. dazu auch OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 Rn. 38).
47Eine Auslegung der hier in Rede stehenden Regelungen des GlüStV 2012 dahingehend, dass diese unangewendet bleiben könnten, falls davon auszugehen ist, dass bei rechtmäßigem Verhalten der Genehmigungsbehörde eine Genehmigung zu erteilen gewesen wäre, kommt angesichts des klaren Wortlauts nicht in Betracht. Sie verbietet sich auch mit Blick darauf, dass die durch die Regelungen zum Glücksspiel bewirkten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus unionsrechtlicher Sicht im Grundsatz nicht zu beanstanden sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20 Rn. 45). Eine gegebenenfalls mit unionsrechtlichen Anforderungen nicht einhergehende Verwaltungspraxis vermag daran – genauso wenig die eine Duldung durch eine Behörde – nichts zu ändern.
48Denn selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Sanktionierung des Angebots von Sportwetten zu unterbleiben hätte, falls – was hier dahinstehen kann – die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlägen, bleibt es bei dem grundsätzlich bestehenden Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Auch wenn der Beklagten ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession zustünde, so führt dies nicht dazu, dass bereits vor tatsächlicher Konzessionserteilung im Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde.
49Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
50Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2022 (XI ZR 515/21), die sich allein mit dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GlüStV 2012 enthaltenen Verbot befasst.
51Die dort in Rede stehende Frage der Nichtigkeit einer Autorisierung eines Zahlungsvorgangs im Verhältnis des Kunden zum Zahlungsdienstleisters hat keinen Bezug zur hier maßgeblichen Frage der Nichtigkeit eines Vertrags mit einem Sportwetten-Anbieter.
52Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts – hier die Teilnahme des Klägers am Angebot der Beklagten –, das unter Verstoß gegen ein Gesetz abgeschlossen wurde, bleibt von der nachträglichen Aufhebung des Verbotsgesetzes grundsätzlich unberührt ( OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22 –,LG Stuttgart Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22).
53Der Rückforderung steht auch nicht die rechtshindernde Einwendung des § 817 Satz 2 BGB entgegen. Die Beklagte trägt für den Einwand, dass der Kläger gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen habe, die Darlegungs-und Beweislast. Eine nur fahrlässige Unkenntnis reicht hingegen nicht (vgl. Schwab, in: MüKo, BGB, 8. Aufl., § 817 Rn. 88, OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22).
54Diesbezüglich hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt und keinen Beweis angeboten. Sie ist hat vielmehr der Vernehmung des Klägers widersprochen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger der Einsicht der Sittenwidrigkeit leichtfertig verschlossen haben könnte, bestehen nicht. Die von der Beklagten vorgelegten Artikel und Forenbeiträge vermögen keine Aussage über die Vorstellung des Klägers zu geben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger online Recherchen überhaupt vor der Nutzung des Angebots der Beklagten durchgeführt hat. Mit dem Vorbringen der Beklagten behauptet sie lediglich einen fahrlässigen Verstoß des Klägers. Hinzu kommt, dass die in einem damals zur EU zählenden Staat ansässige Beklagte über eine örtliche Lizenz verfügte und sich mit ihrem deutschsprachigen Angebot an die potenziellen Kunden wandte, so dass sich auch deswegen das Fehlen einer notwendigen Lizenz in Deutschland nicht per se aufdrängen musste (OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22, OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1283; Beschl. v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 20 = Anlage K II 2; vgl. LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 21. September 2021 – 2 O 296/20, aaO, Rn. 56).
55Darüber hinaus ist die Regelung des § 817 Satz 2 BGB entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Sachverhalt teleologisch zu reduzieren (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 Rn. 60 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 Rn. 50 ff.).
56Ein Ausschluss eines Anspruchs des Klägers ist nicht mit Blick auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) geboten, nachdem die Beklagte aufgrund ihres Verstoßes gegen die geltenden Bestimmungen des GlüStV 2012 ein schutzwürdiges Vertrauen ihrerseits von vornherein nicht für sich in Anspruch nehmen kann (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 Rn. 67; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, NJW-RR 2022, 1280 Rn. 57, LG Stuttgart Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22).
57Der Kläger kann nach § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB Rückzahlung seiner – nicht durch Auszahlungen ausgeglichenen – Spieleinsätze verlangen. Diese hat er nachvollziehbar und von der Beklagten nicht substantiiert bestritten mit 63.261,97 € beziffert. Insbesondere, da es sich nach dem klägerischen Vorbringen letztlich um Angaben der Beklagten selbst zu den seitens des Klägers vorgenommenen Einzahlungen handelt, wäre ihr ein substantiiertes Bestreiten ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Da sie dies unterlassen hat, gilt der klägerseits errechnete Betrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass sie außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums Auszahlungen an den Kläger geleistet habe, die von der Klageforderung abzuziehen seien, sodass es unerheblich ist, ob der Klägervor oder nach dem streitgegenständlichen Zeitraum das Angebot der Beklagten nutzte.
58Die Bejahung des Bereicherungsanspruchs des Klägers konterkariert auch nicht den Spielerschutz. Ein Spieler von illegalen Online-Glücksspielen kann nicht beliebig oft seinen verlorenen Einsatz gerichtlich zurückfordern. Dies ist ihm lediglich einmal möglich, weil er spätestens mit diesem Rechtsstreit Kenntnis von der Illegalität von Online-Glücksspielen hat. Für alle seine Verluste aus seinem ggf. auch nach Geltendmachung seiner ersten Rückforderung durchgeführten weiteren Spielteilnahmen wären die subjektiven Voraussetzungen von § 817 Satz 2 BGB zu bejahen ( OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22).
59Ob dem Kläger auch aus Delikt Schadensersatzansprüche zustehen, kann dahinstehen.
60Die prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach §§ 286, 288 BGB
61II.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
63Der Streitwert wird auf 63.261,97 EUR festgesetzt.
64