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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.249,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2022 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen geltend, die die Beklagte auf der von ihrem Sitz in I. aus betriebenen Website anbot.
3Die Beklagte betrieb mit einer von der zuständigen Behörde in I. ausgestellten Lizenz eine Plattform für Online-Glücksspiele unter der Adresse „www.R..de“. Sie veranstaltete auf dieser Internetseite öffentliche Glücksspiele wie Roulette, Blackjack und Slots (Spielautomaten). Eine Konzession bzw. Lizenz für das Anbieten von Online-Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder Bayern bestand nicht.
4Der Kläger nutzte die vorgenannte, deutschsprachige Website der Beklagten vom 23. Februar 2018 bis zu dem 26. Oktober 2020 unter den Benutzernamen „A., J., E., O. und T.“ mit der E-Mail-Adresse „E-Mail01“ sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Bayern. In diesem Zeitraum erfolgten die Abbuchungen über das in Deutschland geführte Giro- und Kreditkartenkonto des Klägers in Höhe von insgesamt 16.474,00 Euro. Er erhielt für das Spielerkonto „T.“ in demselben Zeitraum Auszahlungen in Höhe von 224,87 Euro. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Er spielte auf der Internetseite der Beklagten sogenannte Casinospiele und nahm an Sportwetten teil.
5Am 9. März 2021 hat die Beklagte eine Erlaubnis zu der Veranstaltung von Sportwetten im Internet für die Bundesrepublik Deutschland erhalten. Die Beklagte hatte in den Jahren zuvor an dem Sportwetten-Konzessionsverfahren nach dem 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 (GlüStV 2012) teilgenommen, der eine Vergabe von insgesamt 20 Sportwettkonzessionen vorsah.
6Der Kläger behauptet, er habe von der Illegalität des Spielangebots während des Zeitraums, in dem er an diesen teilgenommen habe, nichts gewusst. Anfang des Jahres 2022 sei er zufällig auf einen Artikel gestoßen, in dem diese Fragestellung thematisiert worden sei.
7Der Kläger ist der Ansicht, er könne von der Beklagten seine Spieleinsätze aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, herausverlangen, weil seine Vereinbarungen mit der Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot verstießen (§ 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV) und die abgeschlossenen Online-Glücksspielverträge unwirksam seien. Dem Anspruch stehe die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB nicht entgegen, weil dieser teleologisch zu reduzieren sei. Darüber hinaus stehe ihm gegen die Beklagte ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV zu.
8Der Kläger ist weiter der Ansicht, ihm stehe ein Widerrufsrecht zu, da der Ausschluss aus § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB nicht greife. Die Norm sei im Rahmen gesetzlich verbotener Spielteilnahmen und -verträge – wie sie hier zu konstatieren sind – nicht anzuwenden.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 16.249,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln. Auf den sogenannten Verbrauchergerichtsstand der EuGVVO könne der Kläger sich nicht berufen, weil die Verbrauchereigenschaft eng auszulegen sei und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Trennung zwischen gewerblichen und nicht-gewerblichen Zwecken erfolge, sondern vielmehr eine Gesamtbetrachtung angezeigt sei.
14Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger von der Illegalität des Glücksspielangebots nichts gewusst habe und weiter mit Nichtwissen, dass der Kläger von seinem Wohnsitz aus an dem Angebot der Beklagte teilgenommen habe.
15Sie behauptet, der Kläger habe über das das Spielerkonto „A.“ eine Auszahlung in Höhe von 0,21 Euro erhalten.
16Ein Anspruch aus § 812 BGB scheide aus. Das Online-Glücksspiel des Klägers habe nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, denn § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV sei seinerseits aus europarechtlichen Gründen unwirksam.
17Jedenfalls greife der Kondiktionsausschluss des § 817 S. 2 BGB. Die Beklagte behauptet hierzu, der Kläger habe sich mindestens leichtfertig der Einsicht der Sittenwidrigkeit seines Tuns verschlossen. Dem Vorwurf eines unerlaubten Angebots stehe der eigene Verstoß der Teilnahme an diesen Spielen im Sinne des § 285 StGB gegenüber. Durch die mediale Berichterstattung und Diskussionen in einschlägigen Internetforen habe es für ihn offensichtlich sein müssen, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen illegal sei.
18Zudem würden jegliche Ansprüche wegen eines Verstoßes des Klägers gegen § 242 BGB ausscheiden. Eine erfolgreiche Klage würde es dem Kläger ermöglichen, risikolos spielen zu können und damit die Zufallsabhängigkeit des Glücksspiels und damit dessen Wesen sowie das darauf entsprechend begründete Vertrauen der Beklagten auszuhebeln.
19Die Beklagte ist weiter der Ansicht, der Klägervortrag differenziere nicht ausreichend zwischen der Teilnahme an Online-Glücksspielen und Online-Sportwetten. Der Kläger hätte substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang er seine Einzahlungen auf sein Spielerkonto zur Teilnahme an Online-Sportwetten verwendete, welche Verluste er dabei gemacht hat und welche Verluste stattdessen auf die Teilnahme an anderen Online-Glücksspielen zurückzuführen sind. Das Sportwettenangebot der Beklagten sei legal gewesen.
20Die Beklagte macht darüber hinaus die Einrede der Verjährung für den Zeitraum vom 23. Februar 2018 bis zu dem 31. Dezember 2018 geltend. Für Ansprüche aus dem Jahr 2018 habe die Verjährungsfrist Ende des Jahres 2018 zu laufen begonnen und sei Ende des Jahres 2021 abgelaufen. Es wäre dem Kläger bereits im Jahr 2018 möglich gewesen, von der Rechtslage Kenntnis zu erlangen. Zumindest habe er sich der Kenntniserlangung grob fahrlässig verschlossen.
21Die Klage ist der Beklagten am 11. Juli 2022 zugestellt worden.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die Klage ist zulässig und begründet.
25A.
26Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben. Diese folgt aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handelt. Als Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme an Online-Glücksspielen mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 – C-774/19, beck-online Rn. 50; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO, Art. 17). Anhaltspunkte, die für eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers sprechen, sind nicht ersichtlich.
27Auch richtete die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So waren ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar; wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08, C-144/09, beck-online Rn. 84). Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache gerade auch die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, deutsche Kunden werben zu wollen (so auch LG Meiningen, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2021 – 2 O 616/20, beck-online Rn. 12). Ein weiteres Indiz für die Ausrichtung auf Deutschland ist die Verwendung der von der Beklagten gewählten Top-Level-Domain .de. Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrags (Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 17, beck-online Rn. 5).
28In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen, der neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit umfasst.
29B.
30Die Klage ist vollumfänglich begründet.
31I.
32Die Klägerin hat einen Anspruch in Höhe der Klageforderung gegen die Beklagte gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, Var. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB. Die geleisteten Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund, da die jeweils zugrundeliegenden Glücksspiel- und Wettspielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 GlüStV nach § 134 BGB nichtig waren.
331.
34Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom-I-VO nach deutschem Recht zu beurteilen. Hiernach unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Insoweit gilt oben, in Bezug auf Art. 18 Abs. 1 EuGVVO Gesagtes entsprechend.
352.
36Die Beklagte hat einen Vermögensvorteil in entsprechender Höhe erlangt, zumal der Kläger mit Anlage K 1 substantiiert dargelegt hat, in welcher Höhe jeweils Ein- und Ausgänge auf dem sogenannten Spielerkonto bei der Beklagten über sein Konto zu verzeichnen waren und wie sich der geltend gemachte Verlust errechnet. Dem ist die Beklagte nicht in vergleichbarer Weise gemäß § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert entgegengetreten. Da sie dies unterlassen hat, gilt der von dem Kläger errechnete Betrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
37Dies umfasst auch die von der Beklagten behauptete Auszahlung in Höhe von 0,21 Euro für das Spielerkonto „A.“. Der Kläger hat mit der Anlage K 14 eine Auswertung der Beklagten vorgelegt, in der die von der Beklagten behaupteten 0,21 Euro nicht auftauchen. Die Beklagte hat keinen Beweis dafür angeboten, dass die Auszahlung der 0,21 Euro tatsächlich erfolgt ist.
383.
39Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund. Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag war gemäß § 134 BGB nichtig, da er gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstieß. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Köln, Urteil vom 31. Oktober 2022 (Az.: 19 U 51/22, juris Rn. 52-54) an:
40„Nach dieser Vorschrift war in dem Zeitraum, in welchem nach dem als zugestanden geltenden Klägervortrag Einzahlungen in entsprechender Höhe auf das bei der Beklagten unterhaltene Spielerkonto zum Zweck der Teilnahme an Glücksspielen erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet verboten.
41Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellte sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 92/09; BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris; OLG O., Urteil vom 10.05.2019 - 6 U 196/18, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris).
42Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtet. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (BGH, Urteil vom 12.05.2011 − III ZR 107/10, beck-online m.w.N.). So liegt der Fall indes hier; denn es liefe dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (vgl. auch Vossler, in: BeckOGK, 01.09.2020, BGB § 134, Rn. 219; OLG Celle, Beschluss vom 04.05.2009 - 13 U 42/09, beck-online;Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 31.07.2009 - 3 U 27/09, juris).“
43Der GlüStV 2012 findet vorliegend auch vollumfänglich Anwendung. Nach der Überzeugung des Gerichts spielte der Kläger die gesamte Zeit über in Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Der Aufenthalt des Klägers in F. am 14. und 15. Juni 2019 steht dem nicht entgegen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger zu dieser Zeit das Angebot der Beklagten genutzt hat. Die Darstellung der jeweiligen Einzahlungen des Klägers enthalten keine Transaktionen zu dieser Zeit. Ebenso sind keine Transaktionen vorhanden, die eine Nutzung des Angebots nahegelegt hätten. Die letzte Einzahlung vor dem Aufenthalt in F. datiert von dem 7. April 2018 (Anlage K 1).
444.
45Die Rückforderung ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen.
46a.
47Die Rückforderung ist nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus. Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die – wie hier – gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen (OLG Köln a.a.O., juris Rn. 55 mit weiteren Nachweisen).
48b.
49Die Rückforderung ist nicht gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat eingewandt, der Klägerin falle (ebenfalls) ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last, weil sie gewusst habe, dass die Teilnahme am Online-Glücksspiel verboten sei (und damit vorsätzlich gehandelt habe). Damit kommt dem Grunde nach ein Verstoß der Klägerin gegen § 285 StGB in Betracht. Dies kann jedoch dahinstehen, denn § 817 S. 2 BGB ist im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass er auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Das Oberlandesgericht Köln hat in der vorgenannten Entscheidung überzeugend ausgeführt (Rn. 66 f.):
50„Im Rahmen des Rückforderungsverbots des § 817 S. 2 BGB kann nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Im Einzelfall kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein (BGH, Urteil vom 31.05.1990 – VII ZR 336/89, beck-online). Innerhalb der Leistungskondiktion darf der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm nicht dadurch konterkariert werden, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand perpetuiert oder weiterem sitten- und verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet wird (BGH, Urteil vom 18.12.2008 – III ZR 132/08, beck-online m.w.N.).
51Dies gilt auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. So hat der Bundesgerichtshof etwa für die Fälle der sog. Schenkkreise ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH, Urteil vom 10.11.2005 – III ZR 72/05, beck-online). Auch innerhalb der Leistungskondiktion ist der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden darf (BGH, Urteil vom 13.03.2008 – III ZR 282/07, beck-online). Vorliegend sind Regelungen des GlüStV – wie ausgeführt – dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glückspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (so auch LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021 – 4 O 84/20, Rn. 26-28, juris).“
52Diesen Erwägungen schließt sich das erkennende Gericht an.
53c.
54Aus den vorgenannten Gründen ist die Rückforderung auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift wird unabhängig von den subjektiven Voraussetzungen allgemein als unanwendbar betrachtet, wenn der Empfänger nicht darauf vertrauen durfte, die Leistung behalten zu dürfen (BGH, Urteil vom 7. September 2017 – IX ZR 224/16, NJW 2017, 3516, beck-online Rn. 20). Der Beklagten als gewerblicher Anbieterin von Glücksspielen musste klar sein, dass ihr Angebot in Deutschland verboten ist. Dies ergibt sich bereits aus der von der Beklagten selbst vorgelegten umfassenden Presseberichterstattung (vgl. OLG Köln a.a.O., juris Rn. 70). Auf das Behaltendürfen der Zahlungen des Spielers durfte sie daher nicht vertrauen.
55d.
56Eine Rückforderung ist auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht Köln hat in der vorgenannten Entscheidung überzeugend ausgeführt (juris Rn. 72):
57„Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Indem die Beklagte einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis unterlassen hat, dass die Online-Glücksspiele in Deutschland nicht zulässig waren, ist sie zum einen bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Glücksspiel eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Zum anderen hat der Kläger für
58die von ihm geleisteten Spieleinsätze aber auch keine einklagbaren Forderungen erhalten, so dass es nicht treuwidrig erscheint, die Spieleinsätze zurückzufordern (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 - 8 W 20/21, nicht veröffentlicht). Im Übrigen ist auch im Rahmen von § 242 BGB die oben im Zusammenhang mit der teleologischen Reduktion des § 817 Satz 2 BGB dargelegte Wertung zu beachten (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21, beck-online).“
59Diesen Erwägungen schließt sich das erkennende Gericht an.
605.
61Im Übrigen kommt es auf eine Unterscheidung zwischen Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten nicht an. Das Anbieten von Online-Sportwetten verstieß ebenso gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, da eine Befreiung von dem Verbot für Online-Sportwetten gemäß § 4 Abs. 5, 10a GlüStV 2012 zwar möglich war, die Beklagte über die hierfür notwendige Konzession nach §§ 4a-c GlüStG 2012 aber in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht verfügte.
62Das Veranstalten von Online-Spielwetten setzte nach dem maßgeblichen GlüStV 2012 zwingend die Erteilung einer Konzession durch die zuständige Verwaltungsbehörde voraus. Solange diese nicht erteilt war, bestand das grundsätzliche Verbot fort. Das bloße Recht auf die (künftige) Erteilung einer Konzession kann im Verhältnis zu dem Spielteilnehmer aus dem verbotenen kein erlaubtes Online-Wettspiel machen. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsverfahrens ist nicht die Sache der Zivilgerichte (LG Hamburg, Urteil vom 20. März 2023 – 301 O 92/21, juris Rn. 33; LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22, juris Rn. 48, 51). Auf eine spätere Legalisierung des Angebots der Beklagten kann es schon deshalb nicht ankommen, weil hiermit keine rückwirkende Heilung des einzelnen, in der Vergangenheit abgeschlossenen Vertrags mit einem Spieler verbunden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21, juris Rn. 47)
63Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der sogenannten Ince-Entscheidung des EuGH, die sich mit der Vereinbarkeit des im GlüStV 2012 geregelten Konzessionsvergabeverfahrens mit Unionsrecht befasst (Urteil vom 4. Februar 2016 – C-336/14). Zwar mag dem zugunsten der Beklagten entnommen werden, dass das mit Inkrafttreten des GlüStV 2012 vom zuständigen Ministerium durchgeführte Konzessionsvergabeverfahren das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot verletzt hat, weil das Verfahren eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der jeweiligen Antragsteller dargestellt hat. Auch mag es sein, dass trotz fehlender Erlaubnis eine Untersagung des Sportwettangebots dann nicht zulässig ist, wenn das Erlaubnisverfahren als solches nicht transparent ausgestaltet worden ist. Eine Unionsrechtswidrigkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV mit der Folge einer etwaigen Unanwendbarkeit der Norm wurde in der genannten Entscheidung jedoch nicht festgestellt. Der EuGH führte vielmehr zu dem Ergebnis der ihm vorgelegten Rechtsfrage aus, dass Art. 56 AEUV einer Ahndung durch die Strafverfolgungsbehörden in Fällen wie diesen entgegensteht. Ob und inwieweit die Vorschrift im nationalen Zivilrecht deshalb unanwendbar ist, bleibt offen.
64Das erkennende Gericht sieht sich angesichts des Vorstehenden an die gesetzgeberischen Wertungen – insbesondere unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 4 GlüStV – gebunden. Eine Beurteilung darüber zu treffen, ob einem Sportwetten-Anbieter eine Erlaubnis zu erteilen gewesen wäre (was hier angesichts eines im Raum stehenden Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV 2012 zudem nicht selbsterklärend wäre), ist nicht Aufgabe des Zivilgerichts in einem Verfahren zwischen einem Verbraucher und dem Anbieter. Eine Entscheidung dahingehend, dass ein Anbieter zwar nicht gesetzeskonform, gleichwohl aber nicht illegal, sondern genehmigungsfähig gehandelt hat, steht dem Zivilgericht an dieser Stelle nicht zu (OLG Dresden, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 736/22, juris Rn. 45; LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023, 53 O 180/22). Auch wäre es mit dem Schutzzweck des GlüStV nicht vereinbar, die Anwendbarkeit der Verbotsnormen davon abhängig zu machen, inwieweit ein Wettanbieter an dem seinerzeitigen Konzessionsvergabeverfahren bereits frühzeitig teilgenommen hat oder nicht.
65Eine Auslegung der hier maßgeblichen Regelungen des GlüStV 2012 dahingehend, dass diese unangewendet bleiben, falls davon auszugehen ist, dass bei rechtmäßigem Verhalten der genehmigenden Behörde eine Genehmigung zu erteilen gewesen wäre, kommt angesichts des klaren Wortlauts nicht in Betracht. Sie verbietet sich auch mit Blick darauf, dass die durch die Regelungen zum Glücksspiel bewirkten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus unionsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden sind (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – I ZR 194/20, juris Rn. 45.) Eine gegebenenfalls mit unionsrechtlichen Anforderungen nicht einhergehende Verwaltungspraxis vermag daran ebenso wenig wie eine von der Beklagten angeführte faktische Duldung eines Angebots durch die Behörde etwas zu ändern.
66Denn selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Sanktionierung des Sportwettenangebots zu unterbleiben hätte, falls die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlägen, bleibt das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bestehen. Auch wenn der Beklagten ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession zustünde, kann dies nicht dazu führen, dass bereits vor tatsächlicher Konzessionserteilung zum Nachteil des spielenden Verbrauchers aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels ein erlaubtes Glücksspiel würde (LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023, 53 O 180/22). Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Schutzzwecks des Gesetzes lässt sich daher auch aus dem Argument der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kein anderes Ergebnis herleiten. Das erkennende Gericht folgt vielmehr der Auffassung, dass der zivilrechtliche Schutz für private Personen einerseits und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits grundsätzlich unabhängig nebeneinanderstehen. Auf eine zivilrechtlich relevante Duldung kann sich die Beklagte daher nicht berufen (OLG Dresden, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 736/22, juris Rn. 43).
67II.
68Ob der Kläger darüber hinaus zu dem Widerruf der geschlossenen Spielverträge gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB berechtigt war und er nach Abgabe der entsprechenden Erklärung seine Spieleinsätze auch aus diesem Rechtsgrund zurückfordern konnte, kann hiernach dahinstehen.
69III.
70Die Beklagte kann sich nicht auf die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB berufen. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers im Jahr 2018 nach § 199 Abs. 1 BGB können von dem erkennenden Gericht nicht festgestellt werden. Positive Kenntnis des Klägers liegt nach Auffassung des Gerichts fern.
71Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich groben Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (Ellenberger, in: Grüneberg, 82. Auflage, § 199 Rn. 39). Die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt der Schuldner. Soweit es um Umstände aus der Sphäre des Gläubigers geht, hat dieser aber an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – VI ZR 1118/20, beck-online Rn. 16; Ellenberger, in: Grüneberg, 82. Auflage, § 199 Rn. 50).
72Die Beklagte hatte die Einrede der Verjährung in der Klageerwiderung vom 14. Oktober 2022 maßgeblich darauf gestützt, dass aufgrund einer Vielzahl von Presseberichten und Medienerzeugnissen die fehlende Wahrnehmung der Diskussion um die Illegalität von Online-Glücksspiel lebensfremd sei. Zwar mögen die vorgelegten Presseberichte und Medienerzeugnisse ein Indiz dafür sein, dass man die Problematik über die Medien hätte wahrnehmen können. Sie sagen jedoch nichts darüber aus, ob der Kläger diese Berichterstattung auch tatsächlich wahrgenommen hat. Ohne diesen Zwischenschritt knüpft der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit aber letztlich an die unterbliebene Kenntnisnahme des Klägers von der Medienberichterstattung über die Illegalität des Online-Glücksspiels an; dem Kläger wird mit anderen Worten das Unterlassen eines wenigstens gelegentlichen Nachrichten- und Medienkonsums zum Vorwurf gemacht. Aber niemand ist von Rechts wegen gehalten, im Verjährungsinteresse etwaiger Schuldner generell die Medien zu verfolgen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – VI ZR 1118/20, beck-online Rn. 18 f.).
73Dabei ist sich das erkennende Gericht darüber bewusst, dass es selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bedarf. Der für das praktische Leben brauchbare Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, konnte vorliegend aber nicht erreicht werden. Der Kläger hat insoweit ausgeführt, dass er Anfang des Jahres 2022 Kenntnis von der Illegalität des Online-Glückspiels erlangt hatte, nachdem er auf einen Artikel gestoßen sei, der die Illegalität des Online-Glücksspiels thematisierte. Daraufhin habe er seine jetzigen Prozessbevollmächtigten im Internet recherchiert, die ihm die Rechtslage erläutert hätten. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
74IV.
75Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB seit dem 12. Juli 2022, da die Klage der Beklagten am 11. Juli 2022 zugestellt worden ist.
76V.
77Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
78Der Streitwert wird auf 16.249,13 EUR festgesetzt.