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Die Klage ist hinsichtlich der Zahlungsanträge dem Grunde nach gerechtfertigt.
Der Beklagte wird verurteilt, sein Flurstück, G01, ausreichend gegen Bodenerosionen zu schützen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadenersatz und Unterlassung im Zusammenhang mit angeblichem Schlammeintrag vom Grundstück des Beklagten auf das klägerische Grundstück in Anspruch.
3Der Beklagte ist Landwirt und nutzt das im Klageantrag zu 2) näher bezeichnete Flurstück in U. zur ackerbaulichen Bewirtschaftung, im Sommer 2016 als Maisacker. Die A. GmbH betreibt die in der Nähe befindliche und nach dem Sachvortrag des Klägers in dessen Eigentum stehende Eisenbahnstrecke zur Nutzung mit Fahrraddraisinen. Auf die Unternehmensgenehmigung vom 23.11.2009 (Anlage 2, Bl. 20 f. GA) wird Bezug genommen. Die Ackerfläche des Beklagten liegt einige hundert Meter oberhalb der Gleisanlage. Es kam am im Juni 2016 aufgrund eines Starkregenereignisses zu Schlammeintrag auf der Eisenbahnstrecke auf einer Länge von etwa 50 Metern, der nach der klägerischen Behauptung vom Maisfeld des Beklagten herrührt und bei einer Streckenkontrolle zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt wurde. Die Schadenstelle wird durch eine zum Hang schräg angelehnte Trockenstützmauer am westlichen Gleisbettrand zum Berg hin gesichert. Westlich des Gleisbetts befindet sich ferner eine unterirdische Entwässerungsleitung, die das sich dort ansammelnde Wasser in Richtung N. abführt. Am östlichen Gleisbettrand befindet sich eine gebundene Abmauerung zur unterhalb liegenden V.-straße.
4Ferner grenzt an die Gleisanlage das eine extreme Steillage aufweisende Waldgebiet der Streithelferin an. Das Gefälle oberhalb des Gleiskörpers bis zur Ackerfläche des Beklagten beträgt bei einem Höhenunterschied von ca. 50 Metern auf einer Strecke von ca. 120 Metern über 40%.
5Sowohl die Landwirtschaftskammer S. als auch die Untere Bodenschutzbehörde des F. Kreises waren in der Folge mit dem Vorfall befasst.
6Mit Schreiben vom 31.03.2017 (Anlage K11) lehnte der Haftpflichtversicherer des Beklagten die Schadensregulierung ab.
7Der Kläger behauptet – von dem Beklagten mit Nichtwissen bestritten –, Eigentümer der betroffenen Eisenbahnstrecke zu sein. Hierzu legt er einen Kaufvertrag vom 24.05.1995 (Anlage 1, Bl. 13 ff. GA) vor. Die Genehmigungserteilung stehe in keinerlei Zusammenhang mit der Eigentümerstellung.
8Das Schadenereignis vom 01.06.2016 sei allein ursächlich auf Schlammeinträge von dem Maisacker des Beklagten zurückzuführen. Mitarbeiter des Klägers hätten vor Ort einen üblen Geruch nach Gülle und Bestandteilen von Maispflanzen festgestellt. Der Kläger legt eine Fotodokumentation (Anlage K10, Bl. 257 ff. GA) vor, die vom 03.08.2018 stamme sowie eine Fotodokumentation der Zeugen O. (Anlage K14, Bl. 396 ff. GA), die die Schadensereignisse 2013, 2016 und 2018 betreffe.
9Der Beklagte habe seinen Maisacker unter Verstoß gegen § 17 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) senkrecht zu den Höhelinien und damit „absolut erosionsfördernd“ bebaut. Weiterhin habe er die Vorgaben gemäß § 6 Abs. 1 der Landeserosionsschutzverordnung (LESchV) nicht eingehalten, wonach er verpflichtet gewesen wäre, hangseitig einen mindestens drei Meter breiten Grünstreifen zum Schutz vor Bodenerosion anzulegen.
10Das Handeln des Beklagten sei grob sorgfaltswidrig gewesen, zumal es bereits am 20.06.2013 zu Schlammeintrag auf die Bahnstrecke des Klägers aus dem Maisacker des Beklagten gekommen sei. Am 30.05.2018 sei es wiederum zu Schlammeintrag vom Maisacker des Beklagten auf die Bahnstrecke des Klägers gekommen.
11Zusätzlich zu dem Schlammeintrag auf der Bahnstrecke bestehe auch eine unmittelbare Gefahr für die Standsicherheit der angrenzenden Stützmauer, weil durch den Schlammeintrag die Drainage nicht mehr ordnungsgemäß funktioniere und damit Ausspülungen im Mauerwerk eingetreten seien.
12Er, der Kläger, beabsichtige, die Bahnstrecke sobald wie möglich im touristischen Personenverkehr mit Eisenbahnzügen zu nutzen.
13Die Streithelferin behauptet, die fragliche Fläche des Beklagten sei zum Anbau von Mais nicht geeignet. Schadensursache sei nicht der Wald. Der Bewuchs auf der Parzelle der Streithelferin habe eine Schutzfunktion.
14Ursprünglich hat der Kläger beantragt,
151. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 134.047,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
162. es zu unterlassen, sein Flurstück weiterhin nicht ausreichend gegen Bodenerosionen zu schützen.
17Mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 147 GA) hat der Kläger den Klageantrag zu 1) auf 214.396,93 Euro (= 204.281,93 Euro brutto = 171.665,49 Euro netto [Angebot vom 30.05.2018, Anlage K8, Bl. 244] + 10.115,00 Euro brutto = 8.500,00 Euro netto [Standsicherheitsuntersuchung Stützmauer, Angebot vom 17.10.2017, Anlage K9, Bl. 249 ff. GA]) erweitert. Mit Schriftsatz vom 03.08.2018 (Bl. 255 GA) hat der Kläger die Klage um die Geltendmachung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.480,44 erweitert.
18Sodann hat der Kläger die Klage (Klageantrag zu 1) auf die jeweiligen Nettobeträge zurückgenommen.
19Der Kläger beantragt nunmehr,
201. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 180.165,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
212. den Beklagten zu verurteilen, sein Flurstück, G01, ausreichend gegen Bodenerosionen zu schützen;
223. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.480,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 03.08.2017 zu zahlen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Der Beklagte behauptet, seiner Information nach sei Eigentümerin der Bahnstrecke die A. GmbH, denn dieser sei die Genehmigung für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur erteilt worden.
26Er behauptet weiter, in den 40 Jahren, in denen die Ackerflächen und die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen in gleicher Art und Weise bewirtschaftet worden seien, sei es zu keinem vergleichbaren Schadenereignis gekommen. Er habe sämtliche bodenschutz- und umweltrechtlichen Bestimmungen eingehalten. Eine Bewirtschaftung quer zur Hangneigung, die in dem betreffenden Bereich im Übrigen auch praktisch nicht möglich sei, sei nicht erforderlich gewesen. Die Bewirtschaftung der Fläche erfolge seit über 40 Jahren immer in der gleichen Weise nach der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft. Ursächlich für die Erosion seien die örtlichen Gegebenheiten in Verbindung mit den extremen Niederschlägen im Zeitraum Ende Mai/Juni 2016.
27Die Erosion verursacht habe vielmehr weit überwiegend die an die Fläche des Beklagten sowie die Gleisanlage angrenzende Waldparzelle. Von der Ackerparzelle des Beklagten laufe nur ein kleiner Teil – wie ein Dreieck – leicht abfallend zu einer Waldecke ab. Dort seien keinerlei Spuren von Abspülungen der Ackeroberfläche zu erkennen. Betrachte man gleichzeitig die Struktur des Waldes näher, sei klar zu erkennen, dass in Blickrichtung rechts aus dem Wald eine deutliche Spur vorhanden sei, aus der vermutlich im oberen Teil des Waldes Wasser rinne und im Verlauf des Waldes zusammen und sodann weiter hinabfließe. Der gesamte Wald sei mit steilen Schluchten versehen, die bei stärkeren Regenfällen immer wieder Waldboden abspülten. Dies sei keinesfalls verursacht durch den Acker des Beklagten. Ursächlich für das Schadenereignis seien die zeitweise extrem hohen Wassermengen, die aufgrund der steilen Hanglage im angrenzenden Waldbereich zur Gleisanlage enorme Kräfte entwickelten, welche wiederum zur Loslösung nicht nur von kleineren Bodenteilchen, sondern auch von Steinen geführt hätten.
28Ursprünglich hat der Kläger Klage vor dem Landgericht Wuppertal erhoben, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.04.2018 (Bl. 134 GA) an das hiesige Gericht verwiesen hat.
29Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.03.2019 (Bl. 308 GA) durch Vernehmung der Zeugen C., X. und Z. sowie gemäß Beweisbeschluss vom 02.01.2020 (Bl. 562 GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2019 (Bl. 390 ff. GA), das Gutachten des Sachverständigen T. vom 16.10.2020 (Bl. 625 ff. GA), dessen 1. Ergänzungsgutachten vom 20.01.2021 (Bl. 825 ff. GA) und dessen 2. Ergänzungsgutachten vom 17.05.2022 (Bl. 1069 ff. GA) sowie hinsichtlich der mündlichen Erläuterungen auf das Sitzungsprotokoll vom 07.06.2023 (Bl. 1200 ff. GA) Bezug genommen.
30Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
31Entscheidungsgründe
32Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Zahlungsanträge dem Grunde nach gerechtfertigt und im Übrigen begründet.
33A.
34Die Klage ist zulässig.
35I.
36Der Zulässigkeit steht nicht die unterbliebene Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß § 15a EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustizG NW entgegen.
37Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustizG NW ist die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen erforderlich, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt. Vorliegend greift die Rücknahme der vorgenannten Vorschrift ein. Zwar ist Ackerbau kein Gewerbebetrieb im handelsrechtlichen Sinne. Allerdings ist der Begriff des Gewerbebetriebes vom Sinn und Zweck der Regelung abzuleiten. Das Schlichtungsverfahren ist auf persönlich geprägte nachbarliche Beziehung ausgerichtet. Erfolgt die Einwirkung im Rahmen einer dauerhaften, auf Gewinnerzielung ausgerichteten berufsmäßigen Tätigkeit, bedarf es eines Schlichtungsverfahrens nicht (Erdel, MDR 2005, 721). Darunter fällt die landwirtschaftliche Bewirtschaftung durch den Beklagten.
38Keiner Beurteilung bedarf, ob Zahlungsansprüche daneben ohnehin nicht der obligatorischen Streitschlichtung unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2016 – V ZR 96/15 betreffend S.-Pfalz).
39II.
40Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrages zu 2) zulässig.
41Bestimmtheitsbedenken (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bestehen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. Im Rahmen des § 1004 BGB darf der Anspruchsteller dem Anspruchsgegner die zu ergreifenden Maßnahmen gerade nicht vorgeben.
42B.
43Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
44I.
45Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
46Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist gemäß § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt gemäß § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligen den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
47Die Verursachungsvermutung nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB greift auch dann ein, wenn einer der möglichen Schadensverursacher aus unerlaubter Handlung haftet und ein anderer aufgrund eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs angemessenen Ausgleich schuldet (BGH, Urteil vom 27.05.1987 – V ZR 59/86, Rz 34). Eine Verantwortlichkeit nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB greift dann ein, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer ihn durch seine Handlung verursacht hat (BGH, a.a.O., Rz 17). Die Vorschrift setzt voraus, dass
48(a) bei jedem Beteiligten ein anspruchsbegründendes Verhalten – abgesehen vom Nachweis der Ursächlichkeit – gegeben ist
49(b) einer der unter dem Begriff „Beteiligung“ zusammengefasster Personen den Schaden verursacht haben muss und
50(c) nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden tatsächlich (ganz oder teilweise) verursacht hat (BGH, a.a.O., Rz 18).
51§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB findet aber dann keine Anwendung, wenn die Verursachungsanteile der einzelnen Beteiligten, notfalls unter Zuhilfenahme von § 287 ZPO, voneinander abgrenzbar sind (BGH, a.a.O., Rz 37).
52Die Voraussetzungen des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB liegen vor.
53Vorliegend haften der Beklagte für den Schlammeintrag im Sommer 2016 gemäß § 823 Abs. 1 BGB und die Streithelferin in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die einzelnen Verursachungsanteile lassen sich nicht ermitteln.
541.
55Der Beklagte hat rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum des Klägers verletzt, indem er die streitbefangene Ackerfläche entgegen der Grundsätze der guten fachlichen Praxis (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 Bundesbodenschutzgesetz [BBodSchG]) bewirtschaftet hat.
56Der Kläger ist Eigentümer der vom Schlammeintrag betroffenen Fläche. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Erklärung des Vertreters des Klägers im Termin vom 20.02.2019 gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest, wonach der Kläger Eigentümer des Schienenabschnitts sei und nach Abschluss des Kaufvertrages keine eigentumsrelevanten Vorgänge mehr stattgefunden hätten. Der Genehmigungsbescheid sei deshalb an die A. GmbH adressiert gewesen, weil die Erteilung einer Genehmigung eine unternehmerische Stellung erfordere, was durch einen Verein schwierig umzusetzen sei. Die Kammer hat keine Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Aussage. Dabei verkennt sie nicht, dass es sich bei Angaben im Rahmen einer persönlichen Anhörung nicht um eine förmliche Beweisaufnahme handelt. Ungeachtet dessen sind die Angaben einer Berücksichtigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zugänglich.
57Der Beklagte hat bei Bewirtschaftung der Ackerfläche keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst allerdings nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Unabhängig davon, ob es sich bei den in § 17 Abs. 2 Nr. 4 BBodSchG normierten Grundsätzen der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handelt, sind diese Grundsätze nach dem Dafürhalten der Kammer heranzuziehen, um die gebotenen Maßnahmen, um andere vor Schäden zu bewahren, zu konkretisieren.
58Der Beklagte hat bei Bewirtschaftung der Ackerfläche diese Grundsätze nicht beachtet. Dies steht nach dem Ergebnis der sachverständigen Begutachtung durch den Sachverständigen T. fest. Der Sachverständige hat die Bewirtschaftung in seinem Gutachten vom 16.10.2020 (Seite 19) als nicht standortgerecht eingestuft. Er hat auf Seite 8 seines Ergänzungsgutachtens vom 20.01.2021 nachvollziehbar und plausibel näher ausgeführt, welche erosionshindernden Maßnahmen hätten ergriffen werden können. Dazu hat der Sachverständige erneut im Rahmen seiner mündlichen Anhörung im Termin ausgeführt.
59Der Beklagte handelte auch fahrlässig. Schon aufgrund der Hanglage musste ihm die Gefahr von Schlammeintrag vor Augen stehen.
60Entgegen der Ansicht des Beklagten scheidet eine Haftung nicht unter Heranziehung der Entscheidung des BGH vom 17.10.2013 – V ZR 15/13 aus. Die dortige Sachverhaltskonstellation ist mit der hiesigen nicht vergleichbar. Die dortige Beklagte traf schon deshalb keine Unterhaltungspflicht, weil sie Veränderungen an der dort schadensauslösenden Rohrleistung gar nicht hätte vornehmen dürfen. Der hiesige Beklagte hat hingegen aktiv die Bewirtschaftung der Ackerfläche vorgenommen.
61Den Kläger trifft kein Mitverschulden (§ 254 BGB) an dem Schadensereignis. Keiner Beurteilung bedarf, ob der Kläger die Stützmauer hinreichend in Stand gehalten hat. Der Sachverständige T. hat im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen im Termin ausgeführt, dass dieselbe auf das Geschehen keinen großen Einfluss gehabt habe, weil der Abfluss seitlich der Stützmauer und nicht über diese hinweg erfolgt sei.
62Ein Mitverschulden trifft den Kläger auch nicht deshalb, weil die Entwässerungsrinne Bewuchs aufwies. Die Entwässerungsrinne dient schon nicht dazu, Schlamm aufzunehmen, sondern lediglich Wassermengen.
632.
64Die Streithelferin trifft eine Haftung in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
65Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmen Beeinträchtigung übersteigen (BGH, Urteil vom 30.05.2003 – V ZR 37/02). Nach den sachverständigen Ausführungen ist auch Schlammeintrag vom Grundstück der Streithelferin auf das Grundstück des Klägers erfolgt, auch wenn die aus dem Waldgrundstück der Streithelferin abgetragene Bodenmenge von untergeordneter Bedeutung sei und der Schlammeintrag überwiegend vom Maisacker des Beklagten stamme. Es handelt sich insoweit um rechtswidrige Grobimmissionen vom Grundstück der Streithelferin, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig abgewehrt werden konnten.
663.
67Mangels Ermittelbarkeit der konkreten Verursachungsbeiträge haftet die Beklagte gemäß § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB.
68Es steht aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen T. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Schlammeintrag weit überwiegend vom Grundstück des Beklagten herrührt, aber nicht mehr festgestellt werden kann, welcher genaue Anteil vom Grundstück des Beklagten und welcher vom Grundstück der Streithelferin herrührt (Seite 16 des Gutachtens vom 16.10.2020 und Seite 3 des Ergänzungsgutachtens vom 20.01.2021). Auch die Zeugen C. und Q. vermochten nicht einzuschätzen, zu welchem Anteil der Schlammeintrag von der Ackerfläche des Beklagten und der Fläche der Streithelferin stammt.
69Die Kammer folgt den sachverständigen Feststellungen. Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen bestehen nicht. Soweit der Beklagte moniert, der Sachverständige habe keine Bodenproben genommen, trifft dies nicht zu. Der Sachverständige hat ausweislich der Angabe im Termin im Rahmen des durchgeführten Ortstermins Ausgrabungen mittels Spaten vorgenommen.
70Der Beklagte dringt mit seinem Einwand, dass die Aufwuchshöhe des Mais am 01.06.2016 ausreichenden Schutz gegen Bodenerosionen gewährt habe, nicht durch. Selbst wenn die Aufwuchshöhe der Maispflanzen zu diesem Zeitpunkt nicht anhand von Bildmaterial nachvollzogen werden kann, so hat der Sachverständige aufgrund des kühlen Klimas Ende April/Anfang Mai 2016 darauf schließen können, dass der Aufwuchs unabhängig vom Zeitpunkt der Aussaat noch nicht derart hoch gewesen sein könne, dass er ausreichenden Schutz gegen Bodenerosionen bot. Wie hoch der Mais am 02.07.2022 stand, ist unerheblich und lässt keine Rückschlüsse auf die Aufwuchshöhe am 01.06.2016 zu.
71Die Einholung eines Zweitgutachtens war nicht veranlasst. Dies kommt gemäß § 412 Abs. 1 ZPO lediglich dann in Betracht, wenn das eingeholte Gutachten mangelhaft (unvollständig, widersprüchlich, nicht überzeugend) ist und wenn eine mündliche Erläuterung erfolglos bleibt. Das erkennende Gericht stuft das Gutachten als aussagekräftig und zuverlässig ein. Verstöße gegen Denkgesetzte vermag es nicht zu erkennen. Der Sachverständige T. begründet seine Schlussfolgerungen in nachvollziehbarer Weise.
72II.
73Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu.
74Gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Sind weitere Beeinträchtigung zu besorgen, so kann der Eigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Unterlassung klagen.
75Durch den Schlammeintrag ist das Eigentum des Klägers beeinträchtigt worden. Der Beklagte ist Handlungsstörer, denn der Schlammeintrag wurde durch eine nicht fachgerechte Bewirtschaftung verursacht. Aufgrund der bereits eingetretenen Beeinträchtigung wird vermutet, dass zukünftige Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Der Kläger ist auch nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet.
76III.
77Die prozessuale Nebenentscheidung beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
78Weitere prozessuale Nebenentscheidungen waren nicht veranlasst.
79Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 27.06.2023 bietet keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 156, 296a ZPO.