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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines U-Werkstattvertrages vom 01.09.2018 zum 30.09.2020. Die Klägerin begehrt im Wesentlichen die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und damit die Fortsetzung des Vertrages, im Übrigen den Abschluss eines neuen Werkstattvertrages, den die Beklagte seit dem 01.10.2020 gegenüber anderen Werkstätten nutzt.
3Die Klägerin betreibt ein Autohaus mit einer Kraftfahrzeugwerkstatt.
4Die Beklagte ist durch die u.a. für das Gebiet der Europäischen Union autorisierte Importeurin, U N F NV/SA (nachfolgend „U1“), zum Fahrzeugimport für Deutschland autorisiert. Die U1 unterhält europaweit über nationale Importeurgesellschaften wie die Beklagte ein selektives Vertriebssystem für den Vertrieb ihrer Neufahrzeuge und Ersatzteile sowie die Erbringung von Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen.
5Für das Vertriebsnetz nimmt die U1 eine Freistellung vom Verbot vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV auf der Grundlage der Gruppenfreistellungsverordnung VO (EU) 330/2010 vom 20. April 2010 und der Gruppenfreistellungsverordnung VO (EU) 461/2010 vom 27. Mai 2010 in Anspruch.
6Zwischen den Parteien bestand ein U-Werkstattvertrag vom 16.06.2011 (vgl. Anlage K1, Bl. 48-90 dA). Die Klägerin ist zudem Vertragswerkstatt der Marke W.
7Mit Kündigungsschreiben vom 01.09.2018 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung des U-Werkstattvertrages zum 30.09.2020. Auf den Inhalt des Schreibens in Anlage K2 wird Bezug genommen (Bl. 91 dA).
8Hinsichtlich des weiteren Schriftverkehrs zwischen den Parteien wird auf die Anlagen K3 bis K4 Bezug genommen (Bl. 92-99 dA).
9Ab dem 01.10.2020 trat ein neuer U-Werkstattvertrag in Kraft. Auch nach diesem ist es Grundlage des selektiven Vertriebssystems von U, dass die vorgeschriebenen Standards durch alle Mitglieder des U-Servicenetzes eingehalten werden.
10Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Kündigung des Werkstattvertrages unwirksam sei und den Vertrag nicht beendet habe. Jedenfalls hätte die Klägerin nach Beendigung des Werkstattvertrages wiederum einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Servicevertrages.
11Die Klägerin behauptet, dass sie sämtliche Servicestandards der Beklagten erfülle.
12Die Klägerin ist der Auffassung die Marktmacht der Beklagten sei markengebunden zu bestimmen. Hierzu behauptet sie, dass für freie Werkstätten keine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit bestehe, ihre Tätigkeit auch ohne den Status einer U-Vertragswerkstatt auszuüben – sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht.
13Die Klägerin habe zudem bereits im Zeitpunkt der Kündigung ihren Betrieb als U-Vertragswerkstatt eingerichtet und ihren Geschäftsbetrieb nach den Standards und Vorgaben der Beklagten ausgerichtet. Insbesondere habe sie die notwendigen Werkzeuge erworben, ihr Personal geschult und den Innen- und Außenauftritt entsprechend den Vorgaben der Beklagten gestaltet und sei damit nach wie vor abhängig von der Beklagten als marktstarkem Unternehmen.
14Die Umsätze der Klägerin hätten aufgrund der Kündigung und Nichtaufnahme in das neue Vertriebsnetz maßgebliche Einbußen erlitten, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.
15Die Klägerin beantragt,
161. festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 16.06.2011 geschlossene „U-Werkstattvertrag“ (derzeit Anlage K 1 mitsamt den Anlagen 1 bis 2 zum U-Werkstattvertrag) für die Betriebsstätte der Klägerin am Standort Cstraße 00 in 00000 B durch die Kündigung der Beklagten vom 01.09.2018 nicht zum 30.09.2020 beendet worden ist und dieser über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
172. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Klägerin ein Angebot auf Abschluss des von der Beklagten formularmäßig verwendeten „U-Werkstattvertrag“, der mit ihren Servicepartnern ab dem 01.10.2020 in Kraft getreten ist, für die Betriebsstätte der Klägerin am Standort Cstraße 00 in 00000 B abzugeben.
18Hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin
191.1 mit Originalersatzteilen für U-Pkw zu den Konditionen zu beliefern, die die Beklagte ihren autorisierten U-Servicebetrieben für Pkw gewährt;
201.2 alle Werkstatthandbücher, Ersatzteilbücher, technische Unterlagen und/oder Software zur Verfügung zu stellen, betreffend die technischen Informationen aller von der Beklagten vertriebenen U-Pkw, und zwar im gleichen Umfange und zu den gleichen Bedingungen, wie die Beklagte diese Dokumente, Unterlagen und Software auch ihren autorisierten Pkw-Werkstätten zur Verfügung stellt;
211.3 Mitarbeiter der Klägerin zu technischen Schulungen, betreffend die Wartung sowie Durchführung von Reparatur- und Kundendienstarbeiten an U-Pkw in gleichem Umfange und zu gleichen Kosten zuzulassen, wie Mitarbeiter ihrer autorisierten Pkw-Werkstätten.
223. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber wegen der Weigerung zum Abschluss eines U-Werkstattvertrags an der Betriebsstätte Cstraße 00 in 00000 B dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte behauptet, der Status einer U-Vertragswerkstatt sei für die Klägerin nicht notwendig, um sich künftig in wirtschaftlich sinnvoller Weise als freie Werkstatt zu betätigen. Insbesondere besitze die Klägerin weiterhin Zugang zu dem Ersatzteilmarkt. Die Erlöse der Klägerin, welche durch Garantiearbeiten an U2 erzielt worden seien, seien so niedrig, dass ihnen schon per se keine Relevanz zukäme. In technischer Hinsicht könne die Klägerin zudem auf das TechDoc-Programm der Beklagten zugreifen, um technische Informationen zu den Fahrzeugen abrufen zu können. Dass freie Werkstätten ein ausreichendes Betätigungsfeld hätten, belegt nach Ansicht der Beklagten der Umstand, dass bundesweit im Jahr 2019 von 36.600 Werkstätten ca. 21.570 freie Werkstätten seien. Auch der DAT Report 2020 der Deutschen Automobil Treuhand belege die Nachfrage bei freien Werkstätten.
26Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige Klage ist unbegründet.
29I. Antrag zu 2) (Anspruch auf Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines „U-Werkstattvertrages“ unter den ab dem 01.10.2020 geltenden Bedingungen)
30Ein Anspruch auf Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines „U-Werkstattvertrages“ unter den ab dem 01.10.2020 geltenden Bedingungen kommt der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
311. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 33 Abs. 1 GWB i. V. m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.
32Es fehlt hierzu bereits an der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten. Denn die Marktstellung der Beklagten ist markenübergreifend vorzunehmen. Zu einer markenübergreifenden marktbeherrschenden Stellung der Beklagten hat die Klägerin aber bereits nicht vorgetragen. Eine markenspezifische Beurteilung ist nach den Kriterien der Rechtsprechung abzulehnen. Hierzu im Einzelnen:
33Die Anforderungen an eine marktbeherrschende Stellung sind in § 18 Abs. 1 GWB legaldefiniert. Danach ist ein Unternehmen marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne (oder im Wesentlichen ohne) Wettbewerber ist oder jedenfalls im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern eine überragende Marktstellung hat.
34Maßgeblich für die Beurteilung der Marktstellung ist, ob diese markenspezifisch oder markenübergreifend vorzunehmen ist. Während bei einer markenspezifischen Betrachtung die Alleinstellung auf dem Markt ohne weiteres zu bejahen wäre, käme es bei einer markenübergreifenden Betrachtung auf den Vergleich mit Wettbewerbern nach § 18 Abs. 3 GWB an.
35Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es im Grundsatz auf die Verhältnisse auf dem dem Endkundenmarkt vorgelagerten Markt an, auf dem sich die Werkstätten als Nachfrager und die Hersteller von Kraftfahrzeugen und andere Unternehmen als Anbieter von Ressourcen für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an Kraftfahrzeugen gegenüberstehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2011 - KZR 6/09, BGHZ 189, 94 Rn. 11 ff. - MAN-Vertragswerkstatt). Nichtsdestotrotz können die Verhältnisse auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten Ressourcenmarktes haben (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 - KZR 41/14, NJW 2016, 2504 Rn. 22 mwN - Jaguar-Vertragswerkstatt).
36Bei Vertragswerkstätten kommt es für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten Ressourcenmarkt darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an Personenkraftwagen einer bestimmten Marke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des jeweiligen Herstellers auszuüben. Ist dies nicht der Fall, so ist der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für seine Marken marktbeherrschend und der vorgelagerte Ressourcenmarkt markenspezifisch abzugrenzen. Die Zulassungen zu Vertragswerkstätten anderer Marken oder die Möglichkeit, als freie Werkstatt tätig werden zu können, sind nach dem zugrunde zu legenden Bedarfsmarktkonzept dann nicht geeignet, den Bedarf der auf dem Reparatur- und Wartungsmarkt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke tätigen Unternehmen anderweitig zu decken (BGH, NJW 2016, 2504 Rn. 22 - Jaguar-Vertragswerkstatt). Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Würdigung der insoweit auf einem bestimmten Markt bestehenden Verhältnisse Sache des Tatrichters (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2018 – KZR 48/15 –, juris, Rn. 23).
37Für die Würdigung kommt es einerseits darauf an, ob der Klägerin als freie Werkstatt die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Werkstattleistungen ordnungsgemäß zu erbringen und andererseits, ob eine freie Werkstatt eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit hat, diese Tätigkeit auszuüben. Sofern beide Fragestellungen zu bejahen sind, bleibt es bei der markenübergreifenden Marktabgrenzung. Im Prozess hat der Werkstattunternehmer nachvollziehbar darzulegen und nachzuweisen, dass er Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für Fahrzeuge der betreffenden Automarke als freie Werkstatt nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.3.2019 - VI-U (Kart) 16/18, Rz. 20 – Juris; BGH, 23.1.2018, KZR 48/15, Rn. 42, juris, – Vertragswerkstatt).
38Dies ist der Klägerin im hiesigen Fall nicht gelungen. Aus dem klägerischen Vortrag geht nicht hervor, dass eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit im gegenständlichen Bereich grundsätzlich nicht möglich ist. Die dargelegten Umsatz- und Gewinneinbußen genügen hierzu nicht.
39a) Die Kammer geht davon aus, dass sich freie Werkstätten wirtschaftlich sinnvoll durch Werkstattleistungen für U2 betätigen können. Hierzu stützt sich die Kammer insbesondere auf den beklagtenseits dargelegten und unstreitig gebliebenen Report der Deutschen Automobil Treuhand („DAT-Report“).
40Unstreitiges Indiz für die in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvolle Tätigkeit als freie Werkstatt ist die Tatsache, dass es im Jahr 2020 von insgesamt 36.600 Werkstätten insgesamt 22.000 freie Werkstätten und lediglich 14.600 Markenwerkstätten gab (vgl. OLG Düsseldorf, 27.3.2019, VI-U (Kart) 16/18, juris, – Vertragswerkstatt, Rn. 25).
41Die Klägerin behauptet zwar, dass es für potenzielle Werkstattkunden von Bedeutung sei, eine Vertragswerkstatt aufzusuchen. Dies steht einer dennoch wirtschaftlich sinnvollen Betätigung als freie Werkstatt nicht entgegen. Dass die Betätigung überhaupt nicht wirtschaftlich sinnvoll sei, ist nach den unstreitigen Daten aus dem DAT-Report widerlegt. So hab es etwa 2019 21.570 freie Werkstätten und daneben 15.030 Markenwerkstätten. Zwar gab es 2019 einen Anteil von 48 % der Gesamtwerkstattleistungen, die in Markenwerkstätten durchgeführt wurden (33 % bei freien Werkstätten). In Bezug auf Reparaturarbeiten liegt das Verhältnis hingegen bei 43 % zu 43 % (vgl. Anl. B22, Bl. 304 dA). Diesem substantiierten Vortrag tritt die Klägerin nicht entgegen. Selbst wenn eine Markenwerkstatt danach in bestimmten Fällen einen gewissen Vorteil gegenüber freien Werkstätten haben könnte, genügt dies allein nicht, um die Frage, ob freie Werkstätten sich grundsätzlich wirtschaftlich sinnvoll für U2 durch Werkstattleistungen betätigen können, zu verneinen.
42Der klägerische Vortrag zu den konkreten Umsatzzahlen, den sie mit Toyota Kunden durch von der Beklagten vergütete Gewährleistungs- und Garantiearbeiten steht dem ebenso wenig entgegen. Denn diese haben in Bezug auf die Möglichkeit einer Tätigkeit als freie Werkstatt keine ausreichende Aussagekraft.
43Die Klägerin betätigt sich nach eigenem Vortrag auf dem Markt für Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen und auf dem Markt für den Verkauf von Pkw. Hierzu behauptet sie konkret, dass sie in den Jahren 2017 18,66 %, 2018 23,48 %, 2019 29,05 % und 2020 41,13 % ihrer Erlöse „mit U Kunden durch von der Beklagten vergütete Gewährleistungs- und Garantiearbeiten“ erwirtschaftet habe. Hierzu legt sie ihre Finanzberichte aus 2017 bis 2021 als Anlagenkonvolut K 11 vor.
44Hierdurch legt die Klägerin ihre Umsatzzahlen mit Gewährleistungs- und Garantieleistungen im Verhältnis zu ihrer Gesamttätigkeit (nur) mit U2 dar. Durch die Zahlen wird zum einen deutlich, dass sogar im Jahr 2020 ein Anteil von beinahe 60 % innerhalb des „U3“ bestand, der im Grundsatz unabhängig von der Stellung als Vertragswerkstatt betätigt werden konnte. 2017 waren es sogar über 80 %. Aus den Zahlen geht für die Kammer nicht hervor, inwiefern die Betätigung in Bezug auf U2 als freie Werkstatt allgemein nicht wirtschaftlich sinnvoll ist. Zum anderen ist ein gesamter Umsatzrückgang bereits ab dem Jahr 2019 ersichtlich.
45Dass der Umsatzrückgang nach Ende 2020 erheblicher wird, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn ein gewisser Erlösrückgang ist grundsätzlich hinzunehmen und bleibt für die Frage, ob überhaupt eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit möglich ist, ohne Relevanz. Für Letzteres kommt es nicht darauf an, ob eine Werkstatt denselben geschäftlichen Erfolg hat, den sie als Vertragswerkstatt hatte. Es genügt vielmehr, wenn sie als freie Werkstatt ebenfalls wirtschaftlichen Erfolg haben kann. Dabei ist von der betreffenden Werkstatt zu erwarten, dass sie sich in ihrer geschäftlichen Betätigung auf die geänderte Sachlage ausrichtet (LG Köln, Urteil vom 20. März 2018 – 88 O (Kart) 70/17 –, juris).
46Zu Letzterem trägt die Klägerin schon nicht vor, da sie sich auf die Darstellung ihres Umsatzes in Bezug auf U2 beschränkt und diese nicht ins Verhältnis mit anderen setzt.
47Der weitere Vortrag der Klägerin zu Umsätzen und Gewinnen im Rahmen des nachgelassenen Schaftsatzes vom 01.12.2022 ist nicht zu berücksichtigen. Der Schriftsatznachlass ist ausdrücklich nur „zum tatsächlichen Vortrag im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 02.11.2022“ gewährt worden. Dieser Schriftsatz enthält indessen keinen (neuen) Vortrag der Beklagten zu den Umsatzzahlen der Klägerin, es wird vielmehr lediglich der bisherige Vortrag der Klägerin aufgegriffen und zum Teil bestritten. Indem die Klägerin über den bisherigen Vortrag hinaus zu ihren Umsätzen und Gewinnen vorträgt, geht sie daher über den Schriftsatznachlass hinaus. Der neue Vortrag hat im Übrigen auch keine Aussagekraft dazu, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, als freie Werkstatt Leistungen an U2 anzubieten. Hier vergleicht die Klägerin ihren Gewinn mit dem Gesamtgewinn im Bereich von U- und W1. Der Gewinnrückgang bei der Klägerin vermag aber die objektiven Darlegungen durch den DAT-Report nicht zu erschüttern oder gar dessen Gegenteil nahezulegen.
48b) Ebenso ist eine Betätigung im Bereich von Toyotafahrzeugen als freie Werkstatt technisch sinnvoll möglich. Auch freien Werkstätten ist es möglich, Reparaturen an Toyotafahrzeugen vorzunehmen.
49Ob freie Werkstätten Zugriff auf das TechDoc-Programm der Beklagten haben, was zwischen den Parteien streitig ist, kann dahinstehen. Dieser Zugang ist jedenfalls nach Art. 5 der Verordnung (EG) 461/2010 gesetzlich abgesichert. Danach ist es verboten, den Verkauf von Kraftfahrzeugersatzteilen durch Mitglieder eines selektiven Vertriebs-systems sowie den Verkauf von Instandsetzungsgeräten, Diagnose- oder Ausrüstungsgegenständen durch sonstige Anbieter an unabhängige Werkstätten zu beschränken. Die Klägerin hat also jedenfalls einen Anspruch auf die notwendigen Programme, die die Tätigkeit in technischer Hinsicht ermöglichen.
50Die Pflicht, freien Werkstätten technische Informationen für Reparatur- und Wartungsarbeiten diskriminierungsfrei bereitzustellen und Zugang dazu einzuräumen, ergibt sich aus der allgemeine Typgenehmigungsrahmenverordnung (EU) 2018/858 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich des Zugangs zu Reparatur- und Wartungsinformationen. Die Typgenehmigungsrahmenverordnung ist am 4. Juli 2018 in Kraft getreten und ist seit dem 1. September 2020 anwendbar.
51Gemäß Art. 61 VO (EU) 2018/858 ist der Hersteller zudem verpflichtet, freien Werkstätten unbeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen zu verschaffen und solche Informationen bereitzustellen. Freie Werkstätten haben insbesondere auch Zugang zu Gerätschaften wie Diagnose- und sonstige Geräte sowie Werkzeugen nebst einschlägiger Software und fachlicher Unterweisung. Zudem müssen auch On-Board-Diagnose-Systeme bereitgestellt und zugänglich gemacht werden. Auch sicherheitsrelevante Informationen müssen freien Werkstätten zugänglich gemacht werden.
52Demnach und eingedenk der Tatsache, dass freie Werkstätten im Allgemeinen ebenso in der Lage sind Aufträge unabhängig von einer Marke durchzuführen, liegt kein hinreichender Vortrag in Bezug auf eine technische Unmöglichkeit vor.
53Auch in diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob ggf. technische Einschränkungen hinzunehmen sind (etwa weniger Schulungen, Ersatzteile mit geringerer Gewinnmarge), sondern darauf, ob die Tätigkeit technisch möglich ist (im Ergebnis so: OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2019 – VI-U (Kart) 16/18 –, juris, Rn. 42ff). Dem jedenfalls steht der Klägervortrag nicht entgegen.
542. Der Klägerin kommt gegen die Beklagte der mit dem Antrag zu 2) begehrte Anspruch auch nicht aus §§ 33 Abs. 1 i. V. m. 20 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB zu. Denn die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat eine relative Marktmacht der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
55Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit ist gemäß § 20 Abs. 1 GWB und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann anzunehmen, wenn ein Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen so stark auf ein bestimmtes anderes Unternehmen auf der anderen Marktseite ausgerichtet ist, dass er nur unter Inkaufnahme gewichtiger Wettbewerbsnachteile auf dem betreffenden Markt auf andere Unternehmen überwechseln kann (OLG Frankfurt, Urteil vom 12. März 2019 – 11 U 8/15 (Kart) –, juris, Rn. 73; BGH, Urteil vom 26.1.2016, KZR 41/14 - Jaguar Vertragswerkstatt, Rdnr. 28; Urteil vom 23.2.1988 - KZR 20/86 - Opel Blitz I; Urteil vom 21.2.1995 - KZR 33/93, WRP 1995, 708, 711 - Kfz-Vertragshändler).
56Dies wurde hier nicht hinreichend dargelegt. Allein die Tatsache, dass die Klägerin von 2011 bis 2020 U-Vertragswerkstatt war, begründet eine solche Abhängigkeit nicht.
57Zum einen gründet die Klägerin ihr Geschäftsmodell auf eine Mehrmarkenstrategie. Schließlich ist sie auch W-Vertragswerkstatt. Sofern die Klägerin argumentiert, es könne der Beklagten nicht zum Vorteil gereichen, dass sich die Klägerin gezwungenermaßen um die Vertiefung anderer Betätigungsfelder bemühen müsse, greift dieses Argument nicht hinsichtlich der ausweislich der vorgetragenen Umsatzzahlen jedenfalls seit 2017 bestehenden Tätigkeit als W-Vertragswerkstatt. In dem Urteil des OLG Frankfurts, welches dieses Argument aufgreift (OLG Frankfurt, Urteil vom 12. März 2019 – 11 U 8/15 (Kart) –, juris, Rn. 73), war die Mehrmarkenstrategie erst nach der dort gegenständlichen Kündigung und damit Beendigung einer jahrzehntelangen Spezialisierung auf K und M-S aufgenommen worden. Dies ist hier anders.
58Durch die klägerseits vorgetragenen Erlös- und Gewinnzahlen wird eine Abhängigkeit nach § 20 Abs. 1 GWB nicht deutlich. Aus der Tabelle und den Anlagen zum Schriftsatz vom 17.06.2022 (Bl. 340 dA) geht nämlich nicht erkennbar hervor, welchen Anteil die Gewährleistungs- und Garantieleistungen, welche wiederum durch die Stellung als Vertragswerkstatt bedingt sind, an dem Gesamterlös und –gewinn der Klägerin ausmachen. Der Vergleich in der Tabelle beschränkt sich auf den mit U gemachten Gesamtumsatz, nicht aber auf den Gesamtumsatz der Klägerin mit den weiteren Werkstatt- und Verkaufsleistungen. Allein daraus, dass die Gewährleistungs- und Garantieleistungen einen Anteil des gesamten mit U gemachten Umsatz begründeten, ergibt sich eine Abhängigkeit nicht. Hierfür wäre vielmehr eine Gesamtbetrachtung des Geschäftsmodels der Klägerin notwendig.
59Hierauf hat die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2022 auch ausdrücklich hingewiesen. Eine Gesamtbetrachtung des Geschäftsmodells wird aber auch in dem Schriftsatz vom 01.12.2022 (Bl. 464 ff. dA), abgesehen davon, dass der entsprechende Vortrag in diesem Schriftsatz aus den o.g. Gründen nicht zu berücksichtigen ist - zumal die Klägerin hierzu auch keinen Schriftsatznachlass beantragt hatte -, nicht dargelegt. Die dort aufgeführten Zahlen beschränken sich vielmehr auf die Darstellung des Verhältnisses zu den Umsätzen und Gewinnen mit der Marke W. Dies hat jedoch keine Aussagekraft darüber, ob die Klägerin in ihrem Gesamtgeschäft wirtschaftlich von der Beklagten abhängig ist.
60Dass sich die Klägerin in ihrer geschäftlichen Betätigung auf die geänderte Sachlage ausrichtet hat (LG Köln, Urteil vom 20. März 2018 – 88 O (Kart) 70/17 –, juris), hat sie in diesem Zusammenhang ebenso wenig vorgetragen. Dies wäre aber notwendig gewesen.
61Die markenübergreifende Betrachtungsweise schlägt im Übrigen auch auf die Beurteilung im Rahmen von § 20 Abs. 1 GWB durch (vgl. hierzu LG Köln, Urteil vom 20. März 2018 – 88 O (Kart) 70/17 –, juris, Rn. 71 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2019 – VI-U (Kart) 16/18 –, juris, Rn. 84-86).
62Auch der Vortrag der Klägerin, dass Gewährleistungsarbeiten, Garantiearbeiten, Kulanzarbeiten, Rückrufaktionen, Wartungsarbeiten, Verschleißreparaturen und Unfallreparaturen für Vertragswerkstätten vorteilhaft seien, begründet noch keine Abhängigkeit iSd § 20 Abs. 1 GWB.
633. Ein Anspruch aus § 33 GWB i.V.m. Art. 101 AEUV kommt vorliegend nicht in Betracht. Art. 101 AEUV verbietet wettbewerbsbeschränkende „Vereinbarungen“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ verschiedener Unternehmen. Vorliegend geht es jedoch um ein einseitiges Handeln der Beklagten, die sich weigert, mit der Klägerin einen Werkstattvertrag abzuschließen.
64Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei dem neuen Werkstattnetz der Beklagten um ein nicht nach der VO (EU) Nr. 330/2010 (Vertikal-GVO, ab dem 01.06.2022 VO (EU) 2022/720) bzw. der VO (EU) Nr. 461/2010 (KFZ-GVO) freigestelltes quantitativ selektives Vertriebssystem handelt, so geht aus dem Vortrag der Klägerin jedenfalls nicht hervor, dass die Entscheidung der Beklagten, mit der Klägerin keinen Werkstattvertrag abzuschließen, auf einer entsprechenden Vereinbarung oder zumindest Abstimmung mit ihren anderen Vertragspartnern beruht.
65Bei dem Verhalten der Beklagten handelt es sich vielmehr um ein vom Kartellverbot nicht erfasstes einseitiges unternehmerisches Verhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2019 – VI-U (Kart) 16/18 –, juris, Rn. 87). Anlass für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sieht die Kammer nicht.
664. Auch aus § 33 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. Art. 102 AEUV ergibt sich der begehrte Anspruch nicht.
67Die Weigerung der Beklagten, mit der Klägerin einen neuen Werkstattvertrag abzuschließen, stellt keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt i.S.d. Art. 102 AEUV dar. Es fehlt schon an der Normadressatenschaft. Die Beklagte ist – wie ausgeführt – auf dem inländischen Ressourcenmarkt nicht marktbeherrschend. Dass sie auf einem europaweit abzugrenzenden Ressourcenmarkt eine beherrschende Stellung besitzt, wird klägerseits schon nicht vorgetragen. Es fehlt zudem an der Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2019 – VI-U (Kart) 16/18 –, juris, Rn. 88 ff.).
68II. Antrag zu 1) (Unwirksamkeit der Kündigung)
69Der Antrag zu 1) ist unbegründet. Denn der der zwischen den Parteien am 16.06.2011 geschlossene „U-Werkstattvertrag“ wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 01.09.2018 zum 30.09.2020 beendet und besteht nicht fort.
70Die Kündigung ist wirksam, da sie als ordentliche Kündigung nach § 5 Abs. 2 des Werkstattvertrages mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten den vertraglichen Anforderungen entspricht. Grundsätzlich bedarf eine ordentliche Kündigung auch keiner Begründung (BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler). Nichtsdestotrotz enthält die Kündigung eine Begründung dahingehend, dass die wesentlichen vertraglichen Standards in den Werkstattverträgen ab dem 01.10.2020 angepasst werden sollen.
71Mittelbar geht daraus auch hervor, dass sämtliche Altverträge gekündigt werden. Allein die Tatsache, dass aus der Begründung nicht hervor geht, weshalb die Klägerin aus dem neuen Werkstattnetz ausgeschlossen werden soll, führt nicht zu einer Unwirksamkeit wegen fehlender Begründung.
72Hierauf kommt es nämlich nicht an. Die Frage, ob die Klägerin nicht in das neue Werkstattnetz aufgenommen werden sollte, weil sie die hierfür geschaffenen Standards nicht erfüllte, oder ob ihr die Aufnahme verweigert wurde, obwohl sie die qualitativen Voraussetzungen erfüllte oder zu erfüllen in der Lage war, die für eine Aufnahme in das neue Werkstattnetz erforderlich sind, betrifft nicht die Kündigung des alten Vertrages, sondern nur die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Vertrages zu den jetzt geltenden Bedingungen hat (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – KZR 41/14 –, juris, Rn. 46).
73Die Kündigung stellt auch keine Ungleichbehandlung dar, da sämtliche Altverträge gekündigt wurden.
74Die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 1 AEUV oder Art. 102 Abs. 1, 2 lit. c) AEUV liegen – entgegen der klägerischen Argumentation nicht vor (s.o.).
75III. Hilfsanträge 1.1, 1.2, 1.3 (Anspruch auf Behandlung wie autorisierte Servicebetriebe)
76Ein solcher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
77Soweit die Voraussetzungen der §§ 19, 20, 33 GWB ebenso wenig erfüllt sind wie die der Art. 101, 102 AEUV ist nicht ersichtlich, aus welcher Anspruchsgrundlage sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergeben soll. Wären die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, bestünde ein Kontrahierungszwang und kein anderweitiges Recht auf Gleichbehandlung.
78Den Hilfsanträgen trotz der Verneinung des Hauptantrages stattzugeben, würde zu einer Umgehung der Voraussetzungen der benannten Normen führen.
79IV. Antrag zu 3) (Feststellung eines Schadensersatzanspruches wegen der Weigerung zum Abschluss eines Toyota-Werkstattvertrages)
80Der Antrag zu 3) teilt das Schicksal der Anträge zu 1) und 2).
81Die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage nach § 33a Abs. 1 GWB setzt einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB voraus, welcher nicht gegeben ist (s. unter Ziff. I. und II.).
82Der Streitwert wird auf 150.000,00 EUR festgesetzt.
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