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1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstands, zu unterlassen,
in Bezug auf Verträge mit Verbrauchern über den Erwerb von Porto-Codes zur Frankierung von Briefen und Postkarten (Mobile Briefmarke) die folgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden
„[. . .] Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. [. .. ] Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2022 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; hinsichtlich des Tenors zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.750,00 EUR; hinsichtlich des Tenors zu 2) und 3) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Der Kläger beanstandet eine Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und macht insoweit einen Unterlassungs- sowie einen Aufwendungsersatzanspruch geltend.
3Der Kläger ist der Dachverband der 16 W der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Er widmet sich satzungsgemäß der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen.
4Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an. Zur Frankierung von Briefen und Postkarten bietet sie Verbraucher:innen die Nutzung einer sogenannten „mobilen Briefmarke“, auch „Portocode“ genannt, an. Kauf und Zahlung dieser mobilen Briefmarke erfolgen durch die Verbraucher:innen über die Smartphone-App „Q und E“ der Beklagten. Nach der Bestellung und Bezahlung wird den Verbraucher:innen in der App der achtstellige Porto-Code zur Frankierung angezeigt, damit diese ihn handschriftlich auf die Briefsendung oder die Postkarte anbringen können.
5In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es im dritten Teil, zweiter Abschnitt „Internetmarke und Mobile Briefmarke“, Ziff. 2 Abs. 3 wie folgt:
6Die Mobile Briefmarke ist lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.
7Auf die dort geregelte Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher:innen bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin.
8Wegen der vorgenannten Klausel mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 30.09.2021 ab und forderte sie unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und – unter weiterer Fristsetzung – zum Aufwendungsersatz auf. Die Beklagte wies die Ansprüche des Klägers mit E-Mail vom 03.11.2021 zurück.
9Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte gegen § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 195,199 BGB verstoße. Die angegriffene Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der §§ 195, 199 BGB nicht zu vereinbaren.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen,
121. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstands, zu unterlassen,
13in Bezug auf Verträge mit Verbrauchern über den Erwerb von Porto-Codes zur Frankierung von Briefen und Postkarten (Mobile Briefmarke) die folgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden
14[. . .] “Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. [. .. ] Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“,
152. an den Kläger 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie ist der Ansicht, die angegriffene Klausel unterliege bereits nicht der Inhaltskontrolle, sondern stelle eine zulässige Leistungsbeschreibung dar, da die Gültigkeitsdauer der mobilen Briefmarke ein mit dem Produkt untrennbar verbundenes Leistungsmerkmal sei und somit Kern der Vertragsleistung nicht der Verkauf einer zeitlich unbegrenzt gültigen Briefmarke sei. Unabhängig davon stelle die begrenzte Gültigkeitsdauer keine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen dar. Sie behauptet, parallel zu der Bestellung und Bezahlung erfolge die Zusendung einer Bestellbestätigung mit allen relevanten Informationen (Bezahlmethode, Produkt, Code und Gültigkeit) an die im Kaufprozess angegebene E-Mail-Adresse. Die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit der Codes sei aufgrund der hohen Anzahl der verkauften mobilen Briefmarken und der zugleich begrenzten Anzahl von Zeichen sowie zur Sicherung des Produktes und zur Vermeidung von Missbrauch erforderlich. Ihr stehe nur eine begrenzte Anzahl an Codes zur Verfügung, sodass ein einmal verkaufter Code nach einer gewissen Zeit wieder anderen Kund:innen der Beklagten zur Verfügung gestellt werden müsse.
19Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22I. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 UKlaG sowie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG klagebefugt (und aktivlegitimiert).
23Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Auch steht das mit der Klage verfolgte Ziel mit den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers in Einklang.
24II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen AGB gemäß § 1 UKIaG zu, da die Klausel die Verbraucher:innen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.
251. Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ist eröffnet.
26Der Bundesgerichtshof hat zum Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausgeführt:
27„Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gelten diese Vorschriften nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab […]. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind […]. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann […]. Diese zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden Abreden sind von den kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, aber nicht das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen, sondern als ergänzende Regelungen lediglich Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben. Diese treten neben eine bereits bestehende Leistungshauptabrede und an deren Stelle kann, wenn eine vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht gelten […] (BGH, Urt. v. 5.10.2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534).
28[…]
29Die Bedingungen sind dabei ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.“
30Die beanstandete Klausel ist eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung und damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB.
31Auch ergibt die Auslegung der beanstandeten AGB der Beklagten, dass diese keine bloße Leistungsbeschreibung enthält. Unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze regelt sie nicht unmittelbar die Hauptleistungspflichten der Parteien. Zwar wird in der angegriffenen Klausel die mobile Frankierung als „ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch“ bezeichnet. Der Kern der Vertragsleistung wird jedoch dadurch bestimmt, dass Verbraucher:innen gegen Zahlung eines Entgelts einen Code erhalten, mit welchem sie einen Brief oder eine Postmarke durch handschriftliche Anbringung frankieren können. Die Gültigkeitsbefristung ist somit für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich; der wesentliche Vertragsinhalt mit den Hauptleistungspflichten der Parteien ist auch ohne die Befristung der Gültigkeit bestimmt. Bei der Gültigkeitsbefristung des Codes handelt es sich nach alledem um eine neben die Hauptleistung tretende, zusätzliche Bestimmung, die lediglich Art und Weise der Leistungserbringung bzw. eine Leistungsmodifikationen zum Inhalt hat.
322. Die angegriffene Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
33Nach der vorgenannten Norm sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH, NJW 2010, 57; NJW 2005, 1774 [1775] m.w.N.). Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
34Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt im Streitfall vor.
35Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen (BGH, Urt. v. 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 26). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Vertrag über den Erwerb einer mobilen Briefmarke nicht als Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB zu qualifizieren, da ein solcher erst durch die Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt (vgl. BGH, Urt. v. 11. 10. 2005 - XI ZR 395/04, juris; LG Bonn, Urt. v. 14. Mai 2004 – 10 O 17/04 , juris). Er ist vielmehr als Kaufvertrag einzustufen. Mithin findet auch die besondere, für wirksam abgeschlossene Frachtverträge geltende Verjährungsvorschrift des § 439 HGB keine Anwendung, sodass es bei den vorgenannten allgemeinen Regelungen verbleibt.
36Auch für den mit dem Erwerb der mobilen Briefmarke verknüpften Anspruch gegen die Beklagte ist keine gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarke der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
37Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 27), das durch die Verjährungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet wird. Die streitige Gültigkeitsbefristung greift in das Äquivalenzverhältnis des Vertrags insoweit ein, als die Verbraucher:innen die mobile Briefmarke nur im Rahmen der Geltungsdauer von 14 Tagen zur Frankierung ihrer Briefe und Postkarten nutzen können.
38In ihrer konkreten Ausgestaltung enthält die streitgegenständliche Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarke einen so weitgehenden Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis, dass sie als unangemessene Benachteiligung der Verbraucher:innen zu qualifizieren ist.
39Es kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschlussfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 29: zur Verkürzung der Gültigkeitsdauer bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem Inhaber die Möglichkeit verschaffen, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen). Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht (OLG München, Urt. v. 17. 1. 2008 - 29 U 3193/07, NJW-RR 2008, 1233).
40Die Umstände des vorliegenden Falls führen jedenfalls dazu, dass die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der Gültigkeitsbefristung der von ihr angebotenen mobilen Briefmarke bei einer Abwägung ihrer Interessen und derjenigen der Verbraucher:innen als eine die Verbraucher:innen unangemessen benachteiligende, nicht hinnehmbare Abweichung vom Äquivalenzprinzip anzusehen ist.
41Die angegriffene Klausel zielt auf eine Benachteiligung der Verbraucher:innen im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung der §§ 195, 199 BGB ab, nach der entsprechende Ansprüche mit dem Ablauf einer Frist von drei Jahren – beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht – verjähren. So wird der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs – die Beförderung eines mit der mobilen Briefmarke versehenen Briefes bzw. einer Postkarte – möglich ist, auf einen minimalen Bruchteil (ca. 1 %) des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt. Der dadurch bewirkte ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher:innen dar.
42Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild betreffend die Rechtsfrage, wie sich der Zeitablauf auf einen bestehenden Anspruch auswirkt, begründet die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen, weil keine anerkennenswerten höherrangigen oder zumindest gleichwertigen Interessen der Beklagten für eine derartige Regelung sprechen. Die Berufung der Beklagten auf eine erforderliche zeitliche Begrenzung der Codes zur Sicherung des Produktes bzw. zur Vermeidung von Missbrauch sowie der nur begrenzten Verfügbarkeit einer bestimmten Anzahl von Codes ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte verwendet unstreitig achtstellige Codes. Selbst wenn für die Generierung der Codes lediglich Ziffern verwendet werden, bestehen 100.000.000 Möglichkeiten für die Erstellung verschiedener Codes. Unter Zugrundelegung des beklagtenseits behaupteten Umfangs von 12 Mio. verkauften mobilen Briefmarken pro Jahr würde die Anzahl der Codes für einen Zeitraum von acht Jahren und 4 Monaten ausreichen. Auch der Verweis auf eine etwaig bestehende Missbrauchsgefahr ist nicht geeignet, die durch die angegriffenen Klauseln bewirkte Beschneidung der Rechte der Verbraucher:innen zu rechtfertigen. Es handelt sich insoweit um Folgen, die in dem von der Beklagten zur Steigerung ihres Umsatzes selbst gewählten Geschäftsmodell angelegt und daher nicht zu berücksichtigen sind. Es obliegt der Beklagten, ihr System derart zu gestalten, dass eine mehrfache Verwendung von Codes erkannt und verhindert wird.
43Jedenfalls aber folgt die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen daraus, dass bei Nichtnutzung der mobilen Briefmarke innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folgt. Denn nach Ablauf der Frist von 14 Tagen ist eine Erstattung des geleisteten Betrages durch die Beklagte an die Verbraucher:innen gerade nicht vorgesehen. Die Beklagte führt nur dazu aus, dass eine Stornierung innerhalb der 14 Tage nach Erwerb möglich sei und der gezahlte Betrag auf das getätigte Bezahlmittel erstattet werde. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist nach den AGB der Beklagten aber gerade ausgeschlossen.
44Dass die Beklagte vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke auf die begrenzte Gültigkeitsdauer hinweist, lässt die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen nicht entfallen.
453. Die mündliche Verhandlung war nicht wiederzueröffnen, da ein Wiedereröffnungsgrund im Sinne des § 156 ZPO nicht vorliegt. Soweit nach der Replik des Klägers bestimmter Tatsachenvortrag der Beklagten streitig ist, führt dies aus den oben ersichtlichen Gründen auch bei Wahrunterstellung des Tatsachenvortrages der Beklagten nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit die Replik der Klägerin neuen Tatsachenvortrag enthält, war dieser nicht entscheidungserheblich.
464. Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten folgt aus § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage 2022, § 13, Rn. 132; aaO, § 5 UKlaG, Rn 4).
47Der korrespondierende Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
48III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
49Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.