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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 13.391,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 15.10.2022 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gegen das Versäumnisurteil kann innerhalb von einem Monat ab Zugang Einspruch eingelegt werden.
Tatbestand:
2Die auf Zypern ansässige Beklagte ist ein Unternehmen, das im Internet Online-Glücksspiele anbietet. Die Klägerin nahm im Zeitraum in den Jahren 2020 bis 2022 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an mehreren Online-Glücksspiele teil. Insgesamt tätigte die Klägerin in diesem Zeitraum Einzahlungen von in der Summe 19.820 €. Mittels des eingezahlten Kapitals spielte die Klägerin Slot-Maschinen sowie weitere Online Casino Spiele. Hierbei gingen 13.391,75 € verloren. Die Beklagte verfügte in dem maßgeblichen Zeitraum nicht über eine Konzession im Bundesland Nordrhein-Westfalen, die ihr das Anbieten von Online-Sportwetten erlaubt hätte.
3Die Klagepartei war sich des Umstandes, dass sie es mit einem illegalen und in der Bundesrepublik Deutschland (außerhalb des Bundeslandes Schleswig-Holstein) nicht zugelassenen Online-Glücksspiels zu tun hat nicht bewusst. Ein ordnungsgemäßer Hinweis durch die Beklagte gegenüber der Klagepartei erfolgte nicht.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 13.391,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6Das Gericht hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Klage ist der Beklagten am 14.10.2022 per Einschreiben-Rückschein zugestellt worden.
7Entscheidungsgründe:
8I.
9Die Klage ist zulässig und begründet.
101.
11Die Klage ist zulässig.
12Insbesondere ist das Landgericht Köln nach 18 Abs. 1 Alt. 2 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) international zuständig.
13Danach kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
14Der Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 18 Brüssel Ia-VO ist vorliegend gemäß Art. 17 Brüssel Ia-VO eröffnet. Die Klägerin ist unbestritten Verbraucherin im Sinne des Art. 17 Brüssel Ia-VO. Die Beklagte richtete ihre gewerbliche Tätigkeit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 lit. c Brüssel Ia-VO auf Deutschland aus, indem sie über eine deutschsprachige Internetdomain ihre Dienste Kunden in Deutschland angeboten hat. Da die Klägerin ihren Wohnsitz in H. hat, ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel Ia-VO begründet.
15Die Beklagte hat entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle (§ 331 Abs. 3 S. 1 ZPO). Die einmonatige Verteidigungsfrist begann mit der Zustellung der Klage am 14.10.2022 und endete am 14.11.2022.
162.
17a)
18Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung von 13.391,75 € aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB.
19aa)
20Auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis ist deutsches Recht anwendbar.
21Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet.
22Diese Voraussetzungen liegen vor, da das Angebot der Beklagten von Deutschland aus über ihre deutsche Internet-Domain zugänglich war und auch auf dem deutschen Markt ausgerichtet war.
23bb)
24Die Beklagte hat in den Jahren 2020 bis 2022 von der Klägerin in der Summe, d.h. nach Abzug des Gewinns der Klägerin, insgesamt Zahlungen in Höhe von 13.391,75 € aufgrund der Teilnahme an Online-Glücksspielen erhalten.
25cc)
26Die Leistungen der Klägerin erfolgten ohne Rechtsgrund.
27Der Rahmenvertrag als auch die einzelnen Glücksspielverträge sind gemäß § 134 BGB nichtig. Die Verträge verstoßen gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, der das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verbietet.
28Bei den im Internet angebotenen Sportwetten handelt es sich um öffentliches Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 GlüStV 2012. Ein Glücksspiel ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV gegeben, wenn ein Entgelt für eine zumindest überwiegend zufallsabhängige Gewinnchance gezahlt wird. Öffentlich ist ein Glücksspiel nach § 3 Abs. 2 GlüStV, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht. Bei Online-Glücksspielen handelt es sich um Glücksspiel in diesem Sinne (so BVerwG, Urteil v. 26.10.2017 - 8 C 18/16), welche über die frei zugängliche Internetseite der Beklagten öffentlich angeboten wurden.
29Veranstaltet und vermittelt wird ein Glücksspiel gemäß § 3 Abs. 4 GlüStV 2012 dort, wo die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Die Beklagte bot die Online-Glücksspiele über eine deutsche Internetdomain an und eröffnete so Personen mit Wohnsitz in Deutschland die Möglichkeit zur Teilnahme an den Glücksspielen von dort aus (vgl. auch BGH, Urteil v. 28.09.11 - I ZR 93/10).
30Gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 können Sportwetten im Internet von den Bundesländern erlaubt werden, wofür es aber gemäß § 4a Abs. 1 GlüStV 2012 einer Konzession bedarf, über die die Beklagte im maßgeblichen Zeitraum unstreitig nicht verfügte.
31Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB (vgl. LG Paderborn, Urteil v. 08.07.21 - 4 O 323/20; LG Gießen, Urteil v. 21.01.21 - 4 O 84/20). Diese Vorschrift ist auch europarechts- und verfassungskonform. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstößt nicht gegen Art. 56 AEUV und ist auch im Übrigen mit dem Unionsrecht vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie auch des Oberlandesgerichts Köln verstößt das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 weder gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. BVerwG NVwZ 2018, 895, 898 f.; OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019 - 6 U 196/18). Danach werden mit dem Internetverbot in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele verfolgt, insbesondere solche des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung von Spielsucht und Begleitkriminalität. Dadurch wird der Eingriff in Art. 56 AEUV gerechtfertigt. Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war das vor der Einführung der Erlaubnismöglichkeit für Sportwetten bestehende absolute Onlineverbot für Glücksspiele wegen der Verfolgung legitimer Gemeinwohlinteressen, namentlich der Bekämpfung von Spielsucht und des Jugendschutzes europarechtskonform (vgl. BGH GRUR 2012, 193, 197). Im Übrigen steht die Ince-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil v. 04.02.2016 - C-336/14) dem Schutz dieser legitimen Gemeinwohlinteressen nicht entgegen, da sie die Vermittlung von Sportwetten vor Ort betrifft. Von der Vermittlung vor Ort gehen aufgrund der besseren Kontrollierbarkeit der Spieler und des Erfordernisses des physischen Erscheinens am Teilnahmeort weniger Gefahren aus als von einem Online-Angebot, sodass Sportwetten vor Ort nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar nicht.
32dd)
33Die Rückforderung ist auch nicht gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
34Die Beklagte hat durch das Veranstalten und Vermitteln der Online-Sportwetten in Nordrhein-Westfalen gegen ein gesetzliches Verbot im Sinnes des § 817 S. 1 BGB, namentlich gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen.
35Der Anwendungsbereich der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB ist im vorliegenden Fall jedoch selbst bei Kenntnis der Klägerin von der Gesetzwidrigkeit teleologisch zu reduzieren (vgl. LG Köln, Urteil vom 19.10.2021 - 16 O 614/20; LG Gießen, Urt. v. 25.02.21 - 4 O 84/20; LG Paderborn, Urteil vom 8. Juli 2021 - 4 O 323/20). Ein Ausschluss der Rückforderung ist in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen. Die Regelungen des GlüStV sind ausweislich § 1 Satz 1 Ziff. 1., 3., und 4. GlüStV dazu bestimmt, die Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glückspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm, also das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV, verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck, illegales Glücksspiel zum Schutze der Spieler zu unterbinden (vgl. Heintz/Scholer, VuR 2020, 323). Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (vgl. LG Gießen, a.a.O.). Wäre die Rückforderung im Falle gesetzwidriger Online-Glücksspiele ausgeschlossen, würde der Verbleib der Zahlungen bei den Betreibern der Wetten deren gesetzwidrigem Handeln Vorschub leisten und die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel behindert werden.
36ee)
37Aus den vorstehenden Gründen ist die Rückforderung auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen sein.
38Zwar nehmen die Spieler aus eigenem Handlungsantrieb am Glücksspiel teil. Dennoch sollen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages 2012 und speziell das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gerade vor besonders suchtfördernden und ruinösen Arten des Glücksspiels schützen, bei denen die Hürde für die Teilnahme besonders gering ist. Ein Ausschluss der Rückforderung würde dieses legitime Ziel untergraben. Dies überwiegt gegenüber der Erwägung, dass die Spieler hierdurch risikofrei spielen könnten. Wenn sich die Betreiber an die gesetzlichen Regelungen halten würden, so würde potentiell spielsüchtigen oder minderjährigen und damit besonders schutzwürdigen Personen die Teilnahme an diesen sehr risikobehafteten Formen des Glücksspiels gar nicht erst ermöglicht werden. Insofern ist die Beklagte auch nicht im Sinne des § 242 BGB schutzwürdig (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 - 23 U 55/21; OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 - 12 W 13/21).
39b)
40Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
41II.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
43Der Streitwert wird auf 13.391,75 EUR festgesetzt.
44Rechtsbehelfsbelehrung:
45Gegen das Versäumnisurteil ist der Einspruch statthaft. Dieser muss innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, eingehen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Urteils. Diese Frist kann nicht verlängert werden.
46Der Einspruch kann nur durch eine zugelassene Rechtsanwältin oder einen zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
47Der Einspruch muss die Bezeichnung des angefochtenen Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Einspruch eingelegt wird. Er ist zu unterzeichnen und zu begründen, insbesondere sind Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzutragen. Nur die Frist zur Begründung des Einspruchs kann auf Antrag verlängert werden, wenn dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert wird oder, wenn wichtige Gründe für die Verlängerung vorgetragen werden. Dieser Antrag muss ebenfalls innerhalb der Einspruchsfrist bei Gericht eingehen. Wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig begründet wird, kann allein deshalb der Prozess verloren werden.
48Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
49Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
50Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.