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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
2Die Parteien schlossen am 06.07.2017 zwei Darlehensverträge über 217.000,00 EUR (Vertrag Nr. -141, Anlage K1, Bl. 7 GA) bzw. 50.000 EUR (Vertrag Nr. -000, Anlage K2, Bl. 13 GA) zur Finanzierung einer Immobilie. Bei dem Vertrag Nr. -000 handelt es sich um einen KfW-Förderkredit aus dem KfW Wohnungseigentumsprogramm Nr. 000.
3Im Vertrag -000 heißt es:
410.2 Vorfälligkeitsentschädigung Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (Ablösungsentschädigung) durch die Sparkasse erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies ist derzeit die sog. „Aktiv/Passiv-Methode". Durch diese Berechnungsmethode wird die Sparkasse so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre. Für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung wird von einer Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel (Pfandbriefrenditen der Deutschen Bundesbank) ausgegangen. Zunächst wird der Betrag ermittelt, der zum Ablösestichtag erforderlich ist, um sämtliche ursprünglich vereinbarten Zahlungen aus dem Kreditvertrag (Zinsen, Tilgung) sowie das rechnerische Restkapital am Ende der Zinsfestschreibung zu erzielen. Die anfallenden Zinsen sind in diese Berechnung einbezogen. Zusätzlich wird das auf den restlichen Zinsbindungszeitraum entfallende und somit — auf Basis des effektiven Jahreszinses — zu erstattende Disagio in die Berechnung einbezogen, sofern ein Disagio vereinbart wurde.
5Die Sparkasse ermittelt ferner die zukünftig entfallenden Risiko- und Verwaltungskosten und reduziert die Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend.
6Durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entsteht ein Institutsaufwand, der Ihnen in Rechnung gestellt wird.
7Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wird zusätzlich von Folgendem ausgegangen:
8— Berücksichtigung der sich durch die Tilgung verringernden Darlehensschuld; — Schadensmindernde Berücksichtigung vereinbarter Sondertilgungsrechte; — Abzinsung der ermittelten Schadensbeträge auf den Rückzahlungszeitpunkt.
9Sofern der Darlehensnehmer der Sparkasse die Absicht mitteilt, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, übermittelt die Sparkasse dem Darlehensnehmer in Textform unverzüglich Informationen zur Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und gegebenenfalls die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung.
10Da die Kläger die Darlehen vorzeitig zurückführen wollten, wandten sie sich an die Beklagte, die mit Schreiben vom 13.07.2021 (Anlage K3, Bl. 20 GA) und 12.07.2021 (Anlage K4, Bl. 26 GA) die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 18.491,62 EUR bzw. 3.357,50 EUR sowie einer Bearbeitungsgebühr von 150,00 EUR geltend machte. Die Kläger zahlten diese Beträge an die Beklagte.
11Die Kläger bestreiten mit Nichtwissen, dass sich die Beklagte, insbesondere bei dem KfW-Darlehen, refinanziert hat. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 21.07.2022 behaupten die Kläger, die Darlehen seien zurückgeführt worden, weil die finanzierte Immobilie veräußert worden sei.
12Die Kläger sind der Ansicht, wegen eines Verstoßes gegen § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB habe die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gehabt. Die Belehrung sei nach der Entscheidung des LG Rostock, Urteil vom 10.02.2021, 2 O 872/19 unzureichend. Des Weiteren sei es irreführend, über die Berechnung zum Ende der Zinsbindungsfrist und nicht zur erstmaligen Kündigungsmöglichkeit zu informieren. Die Beklagte habe bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht mit negativen Wiederanlagezinsen rechnen dürfen und hätte Sondertilgungsmöglichkeiten berücksichtigen müssen. Der zutreffend berechnete Zinsschaden liege danach bei 18.037,75 EUR bzw. 3.349,30 EUR. Die Bearbeitungsgebühr könne nach § 494 Abs. 4 BGB nicht erhoben werden; die Höhe sei übersetzt.
13Die Kläger beantragen,
14die Beklagten zu verurteilen, an sie 21.999,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 22.04.2022 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte behauptet unter Bezugnahme auf die Anlagen B1 (Bl. 102 GA) und B2 (B. 103 GA), die Refinanzierung über die KfW sei vereinbarungsgemäß erfolgt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist unbegründet.
211.) Den Klägern steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zu. Dieser ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB, da die Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erfolgte. Der Rechtsgrund folgt aus § 502 Abs. 1 BGB.
22a) Es kann dahinstehen, ob die Kläger – wie erstmals mit nachgelassenem Schriftsatz vom 21.07.2022 vorgetragen – ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Rückführung der Darlehen im Sinne des § 500 Abs. 2 BGB hatten, oder ob der Beklagten mangels berechtigtem Interesse ein in den Grenzen des § 138 BGB frei aushandelbares Vorfälligkeitsentgelt zustand (vgl. Samhat, in: Ellenberger/Bunte, Bankrechtshandbuch, 6 Aufl., 2022, § 54 Rn. 164). Selbst wenn man zugunsten der Kläger von einer Vorfälligkeitsentschädigung ausgeht, ist die Forderung der Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Der nachgelassene Schriftsatz vom 21.07.2022 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
23b) Der Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist nicht nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen.
24(1) Auf das Darlehen – 639 findet die Vorschrift keine Anwendung, weil es sich um ein KfW-Darlehen aus dem Förderprogramm 000 handelt. Nach § 491 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BGB finden die §§ 491ff. BGB mit Ausnahme des § 491a Abs. 4 BGB keine Anwendung.
25Bei einem Darlehensvertrag, dem das "KfW-Wohnungseigentumsprogramm (124)" zugrunde liegt, handelt es sich um einen nur mit einem begrenzten Personenkreis abgeschlossenen Vertrag im Sinne des § 491 Abs. 2 Nr. 5 (BGH, Beschluss vom 04.06.2019, XI ZR 77/18).
26Dass der Vertragszins nicht höher als die seinerzeit marktüblichen Zinsen waren, ergibt sich aus einem Abgleich des Vertragszinses mit den in den Monatsberichten der Bundesbank ausgewiesenen Zinssätzen. Geringfügige Abweichungen bis zu einem Prozentpunkt sind unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2016, XI ZR 103/15). Der von der Bundesbank für den Monat Juli 2017 ausgewiesene Effektivzins für besicherte Wohnungsbaukredite an private Haushalte bei anfänglicher Zinsbindung über 5 bis 10 Jahre betrug 1,60 % (abrufbar unter www. Bundesbank.de, BBK01.SUD160). Im Vertrag -639 wird der Effektivzins mit 1,49% ausgewiesen.
27Das Darlehen ist zunächst tilgungsfrei und bietet dem Darlehensnehmer damit günstigere als die marktüblichen Bedingungen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.06.2019, XI ZR 77/18).
28Nachdem die Beklagte für die Refinanzierung über die KfW Belege eingereicht hat, hat sich die Klägerin hiermit nicht mehr auseinandergesetzt, § 138 Abs. 3 ZPO.
29(2) Die Beklagte hat in dem Vertrag -000 ausreichende Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gemacht.
30Nach der Rechtsprechung des BGH gilt, dass es im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18). Dies ist hier der Fall. Die Belehrung benennt die Aktiv/Passiv-Methode sowie schlagwortartig die für die Berechnung erforderlichen Faktoren. Die Belehrung macht nicht deutlich, in welches Verhältnis die einzelnen Faktoren zueinander zu setzen sind, insbesondere, dass der Wiederanlagevorteil schadensmindern in Abzug zu bringen ist (so zu Recht LG Rostock a.a.O.). Allerdings ist dies nach der Rechtsprechung des BGH auch nicht geboten. In der der genannten BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Belehrung wurden ebenfalls schlagwortartig die relevanten Parameter benannt, nicht hingegen, wie sich aus diesen Parametern die Forderung der Bank errechnet. Ebenso wenig gebietet die Rechtsprechung des BGH, bei der Benennung der wesentlichen Parameter in groben Zügen zwischen den vereinbarten und den durch die Sollzinsbindung begrenzten bzw. durch vorzeitige Kündigungsrechte, Tilgungsanpassungs- oder Sondertilgungsrechte angepassten, fiktiven vertraglichen Zahlungsströmen zu differenzieren (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.2022, 9 U 168/21).
31Die weitergehende Rechtsprechung des EuGH zur Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48 (EuGH, Urteil vom 09.09.2021, C 33/20) findet auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehen keine Anwendung (BGH, Beschluss vom 16.11.2021, XI ZR 170/21). Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17 schreibt eine Belehrung über die Berechnung als Voraussetzung des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht vor (vgl. Art. 25 der RL 2014/17 sowie Grüneberg-Weidenkaff, 81. Aufl., 2022, Art. 247 § 7 EGBGB Rn. 1).
32c) Die Vorfälligkeitsentschädigung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sondertilgungsrechte wurden ausweislich der Anlagen K3 und K4 berücksichtigt. Die Berechnung der Kläger unterscheidet sich einzig bezüglich des Ansatzes eines negativen Wiederanlagezinses. Dieser ist zulässig (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.2022, 9 U 168/21). Bei Allgemeinverbraucherdarlehen schließt § 502 Abs. 3 Nr. 2 BGB eine den Sollzins übersteigende Vorfälligkeitsentschädigung aus. Für Immobiliardarlehen hat der Gesetzgeber die Frage bewusst nicht geregelt. Für den Ansatz negativer Zinsen bei der Wiederanlage durch die Bank spricht, dass diese Kosten nun einmal anfallen (Samhat, in: Ellenberger/Bunte, Bankrechtshandbuch, 6. Aufl., 2022, § 54 Rn. 181).
33d) Das Bearbeitungsentgelt ist ebenfalls nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden. § 494 Abs. 4 BGB steht der Geltendmachung nicht entgegen, da sich eine Kostenregelung in Ziffer 10.2 der Vertragsbedingungen findet. Der Höhe nach ist das Entgelt nicht zu beanstanden.
342.) Mangels Hauptforderung stehen den Klägern auch keine Nebenforderungen zu.
353.) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 100, 709 ZPO.
36Streitwert: 21.999,12 EUR