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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der Kläger macht Ansprüche auf Rückabwicklung eines Versicherungsvertrags nach erklärtem Widerspruch geltend.
3Der Kläger stellte unter dem 28.12.0000 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E I M-AG, einen Antrag auf Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Das Versicherungsverhältnis begann unter der Versicherungsnummer 00000 zum 01.03.0000. Der Vertragsschluss erfolgte im sog. Policenmodell.
4Im Anschluss an den Versicherungsantrag übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem vom Kläger beauftragten Versicherungsmakler, der C W GmbH, den fest zusammengefügten und auf 12 Seiten durchpaginierten Original-Versicherungsschein vom 25.01.0000, der neben den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Kapitallebensversicherung (AVB) und weiteren Verbraucherinformationen als Abschluss die nachfolgende vollständig in Fettdruck und Großbuchstaben gehaltene und mit einem Kasten umgebene Widerspruchsbelehrung enthielt:
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6In den AVB findet sich zudem folgende Information zum Widerspruchsrecht:
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8Der Vertrag wurde in der Folge durchgeführt. Im Jahr 0000 vereinbarten die Parteien eine Laufzeitverkürzung der Versicherung. Nachdem die Versicherung am 28.02.0000 vertragsgemäß auslief, rechnete die Beklagte das Versicherungsvertragsverhältnis mit Schreiben vom 24.02.0000 ab und kehrte einen Betrag in Höhe von 32.007,81 € an den Kläger aus.
9Mit Schreiben vom 30.03.0000 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerspruch und forderte diese zur Zahlung von insgesamt 7.536,74 € bis einschließlich 13.04.0000 auf. Mit Schreiben vom 08.04.0000lehnte die Beklagte die Rückabwicklung ab.
10Der Kläger ist der Ansicht, sein Widerspruch sei fristgemäß erfolgt, da er nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. In den mit dem Versicherungsschein übersandten Unterlagen habe sich keine Belehrung befunden. Bei der Antragstellung sei er fehlerhaft über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Belehrung in den AVB sei nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben.
11Der Kläger beantragt,
121. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.536,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.0000 zu zahlen;
132. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.099,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte meint, dass der Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden und der Widerspruch daher nicht fristgemäß erfolgt sei. Ohnehin seien etwaige Ansprüche verwirkt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
20I.
21Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 7.536,74 € gegen die Beklagte zu. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin haben die eingezahlten Versicherungsbeiträge des Klägers nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, sondern aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrags.
221.
23Der Rechtsgrund ist nicht durch den mit Schreiben vom 30.03.0000 erklärten Widerspruch entfallen, da der Widerspruch nicht fristgerecht erfolgte. Nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. (maßgeblich ist die Fassung vom 21.07.1994) begann der Lauf der vierzahntägigen Widerspruchsfrist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Abs. 1, d.h. Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG, vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Diese Voraussetzungen waren bei Vertragsschluss indes erfüllt, sodass die Widerspruchsfrist im Jahr 0000 bereits abgelaufen war.
24a.
25Dem Kläger lagen sämtliche für den Fristbeginn erforderliche Unterlagen vor. Soweit der Kläger zunächst behauptet hat, dass sich in den Unterlagen, die ihm mit dem Versicherungsschein übersandt wurden, keine Widerspruchsbelehrung befunden habe, ist dies widersprüchlich und somit prozessual unbeachtlich. Dies gilt bereits im Hinblick darauf, dass der Kläger im Prozessverlauf zu der Widerspruchsbelehrung in den AVB vorgetragen und diese auch vorgelegt hat. Insbesondere legt der Kläger aber selbst im Rahmen der Anlage K 9 die von der Beklagten in Bezug genommene Widerspruchsbelehrung vor, die sich auf der letzten Seite der durchpaginierten Versicherungsunterlagen (Versicherungsschein, AVB und Verbraucherinformationen) befindet (Bl. 244 GA). Eine Erläuterung des Klägers hierzu erfolgte auch auf gerichtlichen Hinweis nicht. Der Vortrag des Klägers, er habe den „Aktendeckel“ zur Police nicht erhalten, ist unerheblich. Es wird schon nicht klar, was der Kläger mit „Aktendeckel“ meint. Zumal von der Beklagten nicht behauptet wurde, dass sich die Widerspruchsbelehrung auf einem „Aktendeckel“ befunden habe.
26b.
27Die maßgebliche Widerspruchsbelehrung, die sich auf der letzten Seite der durchpaginierten Versicherungsunterlagen befindet, ist formal ordnungsgemäß. Insbesondere ist sie drucktechnisch deutlich hervorgehoben. Dabei muss die Belehrung sich grundsätzlich gesondert präsentieren oder drucktechnisch so stark hervorgehoben sein, dass sie dem Versicherungsnehmer bei Durchsicht seiner Unterlagen nicht entgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2004 - IV ZR 58/03). Die Belehrung befindet sich auf der letzten Seite der Versicherungsunterlagen und bildet somit deren Abschluss, sie ist dabei als einziger Absatz der Unterlagen komplett in Fettdruck und Großbuchstaben gehalten. Zudem ist die Belehrung vollständig umrahmt. Dass einzelne dieser Hervorhebungsmittel auch für weitere Passagen innerhalb der Versicherungsunterlagen verwendet werden, ist unschädlich, weil die Widerspruchbelehrung durch die Kombination verschiedener Hervorhebungsmittel, die sich so in den Versicherungsunterlagen sonst nicht findet, eine weitere, besondere Hervorhebung erfährt (so auch OLG Köln, Beschluss vom 02.08.2022 – 20 U 229/22). Durch diese optische Gestaltung ist ohne weiteres gewährleistet, dass die Belehrung auch einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der nicht nach einer Belehrung sucht, ins Auge fällt.
28c.
29Die Widerspruchsbelehrung ist zudem inhaltlich nicht zu beanstanden. Die fristauslösenden Unterlagen, d.h. Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation, werden im ersten Satz der Belehrung ordnungsgemäß bezeichnet. Deshalb ist es für den Versicherungsnehmer ohne weiteres ersichtlich, auf welche Unterlagen der folgende Satz mit der Formulierung „o.g. Unterlagen“ Bezug nimmt. Darüber hinaus wird die vierzehntägige Frist ebenso korrekt bezeichnet wie die erforderliche Schriftform des Widerspruchs. Schließlich findet sich in der Belehrung auch die Angabe, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt.
30d.
31Dass der Kläger bei Aushändigung des Versicherungsscheins zusätzlich in den AVB über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde, schadet nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Belehrung in den AVB inhaltlich und formal ordnungsgemäß ist. Denn selbst formal oder inhaltlich unzureichende Mehrfachbelehrungen führen - wenn jedenfalls eine Belehrung den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird - nur dann zu einer insgesamt mangelhaften Belehrung über das Widerspruchsrecht, wenn der Versicherungsnehmer durch die weitere Belehrung irregeführt und dadurch von einem Widerspruchsrecht abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern der Kläger durch die Belehrung in den AVB irregeführt worden sein könnte. Die Mehrfachbelehrung ist somit auch nicht dazu geeignet, den Versicherungsnehmer von der Ausübung des Widerspruchs abzuhalten.
32e.
33Soweit der Kläger rügt, dass die Belehrung in dem Versicherungsantrag nicht drucktechnisch deutlich hervorgehoben und überdies inhaltlich nicht ordnungsgemäß sei, wird verkannt, dass es auf diese Belehrung bereits nach dem Wortlaut des § 5a Abs. 2 VVG a.F. nicht ankommt. Nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. kommt es alleine auf diejenige Belehrung an, die der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins erhält.
342.
35Ob der Widerspruch des Klägers wegen der vereinbarten Laufzeitverkürzung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, bedarf demnach keiner Entscheidung.
363.
37Die Zinsen und Rechtsanwaltskosten teilen als Nebenforderungen das Schicksal der Hauptforderung.
38II.
39Das Verfahren war auf den Antrag des Klägers vom 27.09.0000 nicht nach § 148 ZPO auszusetzen, da es auf die Fragen, die das Landgericht Erfurt dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, im hiesigen Verfahren nicht streitentscheidend ankommt.
40III.
41Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
42IV.
43Der Streitwert wird auf 7.536,74 € festgesetzt.