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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Beförderungsentgelten in Anspruch.
3Die Klägerin ist eine Postdienstleisterin und verfügt über eine Brieflizenz gemäß § 5 Abs. 1 PostG.
4Die Beklagte hat auf dem Briefmarkt einen Marktanteil von 85 % und verfügt über ein flächendeckendes Zustellnetz in Deutschland.
5Die Klägerin bietet ihren Kunden mit dem Produkt „entfernt.de“ den Ausdruck, die Konfektionierung und die Beförderung von Briefsendungen in Deutschland an. Sie bedient sich für die Beförderung und Zustellung der Dienste der Beklagten. Die Briefe werden mit dem Porto der Beklagten frankiert. Hierzu verwendet die Klägerin eine Frankiermaschine, für deren Verwendung die Klägerin einen Rabatt von 1% auf das reguläre Entgelt erhält.
6Die Klägerin lieferte 2017 1.393.558 Standardbriefe über die Frankiermaschine mit einem Einzelentgelt von 0,70 € bei der Beklagten ein. Der von der Klägerin gezahlte Gesamtbetrag belief sich unter Berücksichtigung des Rabatts auf 965.735,69 €. Das Porto von 0,70 € war das von der Bundesnetzagentur am 4.12.2015 in dem Zeitraum genehmigte allgemeine Entgelt für Standardbriefe. Diese Entgeltgenehmigung wurde von der Klägerin nicht angefochten. Auch der für die Nutzung der Frankiermaschine gewährte Rabatt war von der Entgeltgenehmigung umfasst.
7Durch Urteil vom 27.5.2020 – 6 C 1/19 – entschied das Bundesverwaltungsgericht auf Klage eines anderen Postdienstleisters, die von der Bundesnetzagentur ereilte Entgeltgenehmigung sei rechtswidrig überhöht.
8Auf diese Entscheidung beruft sich die Klägerin und macht einen kartellrechtlichen Erstattungsanspruch geltend. Diesen berechnet sie ausgehend von dem zuvor gültigen Entgelt von 0,62 € und gelangt unter Berücksichtigung des Rabatts zu einer Differenz von 0,0792 €/Brief und damit bei dem Gesamtbriefvolumen zu der Klageforderung.
9Die Klägerin focht gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 26.6.2020 ihr Einverständnis zur Zahlung eines Entgelts von 0,70 € an.
10Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte nehme eine marktbeherrschende Stellung ein, die sie durch Herbeiführung der Entgeltgenehmigung missbraucht habe. Daher stehe der Klägerin ein kartellrechtlicher Erstattungsanspruch, ferner ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Der kartellrechtliche Anspruch sei nicht ausgeschlossen, da die Entgeltgenehmigung unwirksam sei. Das entspreche § 2 Abs. 3 PostG. Das Entgelt habe sich nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gemäß § 20 PostG orientiert. Der um ca. 13% überhöhte Betrag genüge für die Annahme eines Missbrauchs. Die Entgeltgenehmigung binde die Zivilgerichte daher nicht. Die Beklagte habe Einfluss auf die Bestimmung des Entgelts genommen. Die Anfechtung ihres Einverständnisses sei unverzüglich nach Bekanntwerden der Entscheidung des BVerwG erfolgt und sei wegen eines Eigenschaftsirrtums begründet. Die Anfechtung sei nicht wegen § 23 PostG ausgeschlossen.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 110.369,79 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.1.2018 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung, die zwischen den Parteien gezahlten Entgelte seien verbindlich. Die Aufhebung der Entgeltgenehmigung durch das BVerwG wirke ausdrücklich nur für die die Entgeltgenehmigung anfechtende Partei. Ein kartellrechtlicher Anspruch sei nach der Rechtsprechung des BGH betreffend nach dem PostG behördlich genehmigten Entgelten nicht gegeben. Die Entgeltgenehmigung sei auch nicht nichtig, wie sich der Entscheidung des BVerwG ersehen lasse. Mit Blick auf § 23 PostG sei eine andere Vereinbarung als das genehmigte Entgelt nicht möglich. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass das Entgelt missbräuchlich überhöht sei und nicht den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung entspreche. Die von der Klägerin angenommene Überhöhung von 12,9% genüge nicht für die Annahme einer missbräuchlichen Überhöhung.
16Die Anfechtung des Einverständnisses der Klägerin zur Zahlung der Entgelte sei unerheblich, weil nur das genehmigte Entgelt habe vereinbart werden können. Die Anfechtung sei auch nicht unverzüglich erklärt worden.
17Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist unbegründet.
20Der Klägerin steht ein kartellrechtlicher Erstattungsanspruch nicht zu.
21Es ist schon im Ausgangspunkt fraglich, ob die Klägerin sich gegenüber der Beklagten auf einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 GWB berufen kann und aus diesem Grund einen Erstattungsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 GWB geltend machen kann.
22Unterstellt, dass die Beklagte in dem Bereich des Briefmarktes ein marktbeherrschendes Unternehmen ist, schließt eine Entgeltregulierung für sich genommen nicht grundsätzlich die Annahme eines Marktmissbrauches aus. So hat der BGH bei Festsetzung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung durch die Bundesnetzagentur auf Grundlage von §§ 25, 30, 31, 35 TKG entschieden, dass ein sich hieran orientierendes Entgelt dennoch zu einem marktmissbräuchlichen Verhalten führen kann, wenn das geforderte Geld von demjenigen abweicht, das sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde (BGH KZR 2/15, Urteil vom 24.01.2017 – Kabelkanalanlagen -, Rz. 27). Allerdings betraf dieser Fall nur die Heranziehung der Entgelte als Vergleichsmaßstab, während hier die Klägerin an die Entgeltgenehmigung gebunden ist. Insoweit kann auch auf BGH KZR 31/08, Urteil vom 19.06.2010 – GSM-Wandler –, Rz. 35 abgestellt werden, wonach bei Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmen durch eine Verfügung der Bundesnetzagentur, den Zugang zu bestimmten Bedingungen zu gewähren, regelmäßig der Gefahr einer missbräuchlichen Zugangsverweigerung in einem ausreichendem Maße begegnet wird.
23Vorliegend besteht sogar gemäß § 23 PostG eine gesetzliche Bindung an das genehmigte Entgelt. Weicht in Verträgen das Entgelt von dem genehmigten Entgelt ab, sind diese Verträge nur mit der Maßgabe gültig, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Diese Regelung schließt eine von der Klägerin geforderte abweichende Entgeltvereinbarung gerade aus. Das bedeutet wiederum, dass der Entgeltverpflichtete, der der Auffassung ist, dass eine Entgeltgenehmigung den Maßstäben der Entgeltfestsetzung gemäß § 20 PostG im Sinne einer kosteneffizienten Leistungsbereitstellung nicht entspricht, gegen die Entgeltgenehmigung selbst vorgehen muss. Insoweit beruft sich die Beklagte auch darauf, dass im Hinblick auf die vorgelegte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2020 – 6 C 1/19 – für die Preis-Entgeltregulierungsverordnung vom 19.05.2015 der Effizienzkostenmaßstab verkannt worden sei und daher die Entgeltgenehmigung unwirksam sei.
24Die Regelung in § 2 Abs. 3 PostG ändert hieran nichts. Danach ist im Bereich der Regulierung zusätzlich das GWB anwendbar. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb § 23 PostG nicht zur Anwendung käme.
25Ausgehend von der Annahme der Klägerin, dass die Entgeltgenehmigung von 0,70 € je Standardbrief im Hinblick auf § 20 PostG unwirksam ist, kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass bei Aufhebung einer Entgeltgenehmigung auf Anfechtungsklage das Urteil nur auf die Verträge des klagenden Unternehmens beschränkt ist, während die Verträge anderer Kunden mit dem genehmigten Entgelt fortwirken (Bundesverwaltungsgericht a.a.O. Rz. 23, Inter-partes-Wirkung; so auch BGH, Urteil vom 14.6.2007 – I ZR 125/04, Rz. 24). Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Entgeltgenehmigung als nichtig anzusehen wäre, wofür indes nichts dargelegt ist. Da die Klägerin nicht gegen die Entgeltgenehmigung vorgegangen ist, kann sie sich gegenüber der Beklagten nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Im Verhältnis der Parteien ist damit die Entgeltgenehmigung als wirksam anzusehen. Das führt auch zur Anwendbarkeit von § 23 PostG, wonach ein abweichendes Entgelt nicht vereinbart werden darf.
26Zudem gilt, dass auch der vereinbarte Rabatt von der Entgeltgenehmigung erfasst ist.
27Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zudem auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Hinblick auf die erklärte Anfechtung vom 26.06.2020. Der von der Klägerin angenommene Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft des Beförderungsentgeltes liegt nicht vor. Wie der Anfechtungserklärung zu entnehmen ist, war Grundlage für die Zustimmung zu dem Beförderungsentgelt die Entgeltgenehmigung. Diese hat wie dargelegt im Verhältnis zur Klägerin nach wie vor Bestand, sodass ein Irrtum nicht vorliegt.
28Letztlich vermag sich die Klägerin nur durch eine erfolgreiche Anfechtung der behördlichen Entgeltgenehmigung von der bindenden Entgeltpflicht zu befreien.
29Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
30Streitwert: 110.369,79 €