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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.803,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2019 zu zahlen.
Sie werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Privatsachverständigen U M, U1-Weg 00, 00000 G, von einer Zahlung in Höhe von 545,01 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Leistung von Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des Fahrzeugs Audi Q7 mit dem amtlichen Kennzeichen AB-CD 1234.
4Der Beklagte zu 2 ist Halter des bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw BMW X1 mit dem amtlichen Kennzeichen EF-GH 5678.
5Am 06.01.2019 befuhr die Klägerin mit ihrem genannten Fahrzeug den N-Weg in Köln, aus Richtung der B Straße kommend. Zur selben Zeit befuhr der Beklagte zu 2 mit seinem genannten Fahrzeug die C-Allee in Fahrtrichtung W Weg. An der Kreuzung N-Weg/C-Allee herrscht Rechts vor Links. Im Bereich der Kreuzung kollidierten die beiden Fahrzeuge: Das Klägerfahrzeug stieß mit der Front gegen die Beifahrerseite des Beklagtenfahrzeugs. Die herbeigerufene Polizei nahm den Unfall auf.
6Im Nachgang ließ die Klägerin den an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden durch die Privatsachverständigen M begutachten; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf dessen schriftliches Gutachten vom 21.01.2019 (Anl. K3) verwiesen. Für seine Tätigkeit stellte der Privatsachverständige der Klägerin unter demselben Datum einen Betrag von 1.576,39 EUR in Rechnung (vgl. Anl. K4).
7Für die anschließende Reparatur der Schäden in einer Vertragswerkstatt zahlte die Klägerin 18.803,59 EUR (vgl. Anl. K2). Die verbleibende Wertminderung beträgt 1.400,00 EUR.
8Mit Schreiben vom 09.04.2019 bezifferte die Klägerin ihre unfallbedingten Ansprüche, damals noch mit der vom Privatsachverständigen ermittelten Wertminderung von 1.500,00 EUR. Da die Beklagten zunächst nicht zahlten, erinnerte der Klägervertreter mit seinem Schreiben vom 30.04.2019 an die vollständige Regulierung.
9Mit Schreiben vom 03.05.2019 (Anl. K5) kündigte die Beklagte zu 1 die Zahlung von 15.854,51 EUR. Hinsichtlich der Kürzung wandte sie eine Mithaftung der Klägerin von 20% ein sowie eine Kürzung der Wertminderung auf 1.300,00 EUR sowie Kürzungen bei den Reparaturkosten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Abrechnungsschreiben verwiesen.
10Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihre noch nicht ersetzen Schäden weiter, nämlich:
11Reparaturkosten, 18.803,59 EUR
12Wertminderung, 1.500,00 EUR
13Gutachtenkosten, 1.576,39 EUR
14Nutzungsausfall, 2.499,00 EUR
15Auslagenpauschale, 25,00 EUR
16Summe 24.284,98 EUR
17./. vorgerichtlicher Zahlung 15.854,51 EUR
18verbleiben 8.430,47 EUR
19Sie behauptet, der Unfall habe für sie ein unabwendbares Ereignis dargestellt. Sie sei mit einer angemessenen Geschwindigkeit an die Kreuzung und in diese eingefahren.
20Ihrer Auffassung nach stellten die an die Werkstatt gezahlten Kosten jedenfalls wegen des sog. Werkstattrisikos einen ersatzfähigen Schaden dar. Vorsorglich erklärt sie die Abtretung eventueller Ersatzansprüche gegen die Werkstatt.
21Die Klägerin beantragt,
22die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 7.885,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2019 zu zahlen, sowie sie von weiteren Gutachtenkosten in Höhe von 545,01 EUR freizustellen und insoweit Zahlung in Höhe von 545,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.04.2019 an den Sachverständigen U M, U1-Weg 00, 00000 G zu leisten.
23Die Beklagten beantragen,
24die Klage abzuweisen.
25Sie sind der Auffassung, die Klägerin habe wegen der Grundsätze der „halben Vorfahrt“ teilweise für den aus dem Unfall resultierenden Schaden zu haften. Sie behaupten, der Beklagte zu 2 habe bei Annäherung an die Kreuzung in weiterer Entfernung das klägerische Fahrzeug sich nähern sehen. Zur Kollision sei es dann deshalb gekommen, weil die Klägerin mit wohl deutlich überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei. Ihrer Auffassung ergebe sich daraus eine Haftungsquote der Klägerseite von 50%.
26Zur Schadenshöhe behaupten sie, dass von den aufgewandten Reparaturkosten lediglich 18.380,19 EUR unfallbedingt gewesen wären, wie sich aus ihrem Rechnungsprüfungsbericht vom 12.04.2019 (Anl. B1) ergebe. Insbesondere die Kosten für die Lackierung der Fahrzeugteile im eingebauten Zustand seien ihrer Auffassung nicht ersatzfähig, da die einschlägigen Fachregeln die Bearbeitung im ausgebauten Zustand vorsähen. Die abgerechnete Fahrzeugwäsche ebenso wie der Zulassungsservice seien nicht erforderlich und daher ebenfalls nicht ersatzfähig.
27Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
28Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß ihrem Beweisbeschluss vom 26.11.2019 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie durch Vernehmung der Zeugen E und N1. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. H vom 23.10.2020 (Bl. 61 ff. GA) nebst Ergänzungsgutachten vom 27.04.2021 (Bl. 112 ff. GA) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 13.08.2021 (Bl. 151 f. GA) verwiesen.
29Entscheidungsgründe
30Die Klage ist zulässig, hat jedoch nur im tenorierten Umfang Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Ersatz ihres unfallbedingten Schadens, teilweise in Form von Zahlung an sie selbst, im Übrigen in Form von Freistellung. Entgegen der Auffassung der Beklagten erstreckt sich dieser Anspruch auf den vollen unfallbedingten Schaden und nicht nur eine Quote davon. Für sämtliche Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 haftet der Beklagte zu 1 der Klägerin unmittelbar gemäß § 115 VVG.
311.
32Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 zunächst ein Anspruch auf Zahlung von
33aus § 7 Abs. 1 StVO zu. Dass das Eigentum der Klägerin bei Betrieb des Fahrzeugs BMW X1, dessen Halter der Beklagte zu 2 zum Unfallzeitpunkt war, beschädigt worden ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Dass der Unfall auf höherer Gewalt beruhte oder für den Beklagten zu 2 ein unabwendbares Ereignis dargestellt hätte, ist nicht dargetan.
34a)
35Die dann gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge führt zur alleinigen Haftung der Beklagtenseite. In diese sind nur unstreitige oder vom Gericht festgestellte Tatsachen einzustellen. Daher kann die Kammer nur berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin wegen des am Unfallort herrschenden Rechts vor Links wartepflichtig war. Dass der Klägerin auch ein Verstoß gegen Verkehrsregeln vorzuwerfen gewesen wäre, kann die Kammer jedoch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen.
36Insofern stützt sie sich in erster Linie auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. H, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Verkehrsunfallrekonstruktion, welcher der Kamer aus einer Vielzahl anderer Rechtsstreite betreffend Verkehrsunfällen als fachkundiger und gewissenhafter Sachverständiger bekannt ist.
37Danach kann zunächst nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bei Annäherung an die Unfallstelle die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten hätte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen betrug deren Kollisionsgeschwindigkeit nämlich zwischen 23 und 35 km/h. Sicher steht daher zur Überzeugung der Kammer „nur“ fest, dass die Klägerin 23 km/h schnell fuhr; jede Geschwindigkeit darüber ist nach der Aussage des Sachverständigen technisch nur möglich, aber nicht sicher feststellbar. An ein Abbremsen, welches auf eine höhere Annäherungsgeschwindigkeit als diese Kollisionsgeschwindigkeit schließen ließe, konnten sich weder die Zeugin N1 noch der Zeuge E erinnern.
38Ebenso konnte die Kammer nicht feststellen, dass die Klägerin die zur Annäherung an die Kreuzung, an welcher unstreitig Rechts vor Links galt, gebotene Geschwindigkeit überschritten habe. Diese hat der Sachverständige H in seinem Ergänzungsgutachten nachvollziehbar und deshalb überzeugend als „Variante 3“ ermittelt. Die von ihm dabei zugrunde gelegten Rahmenbedingungen – Annäherung eines gegenüber der Klägerin vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs mit einer Geschwindigkeit von bis 30 km/h – sind nicht zu beanstanden. Wegen der baubedingt eingeschränkten Sichtbedingungen hätte die Klägerin nach seinen Ausführungen eine Sichtweite von 12-14 m erst ca. 5 m vor Beginn der Kreuzungsmitte gehabt. Hieraus schließt der Sachverständige dann überzeugend, dass die Klägerin maximal 21-24 km/h, um mit einer Vollbremsung auf ein ihr gegenüber vorfahrtsberechtigtes, „plötzlich“ auftauchendes Fahrzeug reagieren zu können. Wie bereits ausgeführt kann die Kammer allenfalls eine Geschwindigkeit von 23 km/h feststellen. Eine erhebliche Überschreitung stellt dies aber nicht dar.
39b)
40Mithin hat die Beklagtenseite der Klägerin deren gesamten unfallbedingten Schaden zu ersetzen, welcher jedoch nur in Höhe von 24.202,83 EUR bestand.
41aa)
42Die von der Klägerin an die Fachwerkstatt gezahlte Rechnung ist weit überwiegend ersatzfähig, nämlich 15.716,34 EUR netto bzw. 18.702,44 EUR brutto.
43Soweit die Beklagten mit Verweis auf den Prüfbericht der Fa. ControlExpert einen von der Werkstatt unnötigen Aufwand bei der Erstellung eines Farbmusterblechs, die Nutzung der Mischanlage Sicherheitsmaßnahmen für Ofentrocknung sowie die Lackierung im nicht ausgebauten Zustand moniert, so schließt dies nach Auffassung der Kammer die Ersatzfähigkeit dieser Kosten nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung trägt der zum Schadensersatz Verpflichtete das sog. Werkstattrisiko, d.h. er haftet auch dann, wenn die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Rechnung stellt oder sogar solche, die überhaupt nicht ausgeführt worden sind. Genau dies behauptet jedoch die Beklagtenseite.
44Zu den erstattungsfähigen Kosten gehört auch die der Reinigung nach Reparatur – 60,00 EUR netto bzw. 71,40 EUR –, da die Klägerin deren Erforderlichkeit nachvollziehbar mit der notwendigen Kontrolle der Lackierarbeiten begründet hat (vgl. Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 249 Rn. 261 f).
45Jedoch ist die Schadensberechnung der Klägerin um die Kosten des Ummeldeservices – 85,00 EUR netto bzw. 101,15 EUR brutto – zu kürzen, da diese nicht erstattungsfähig sind (vgl. Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, a. a. O., § 249 Rn. 268 m. w. N.).
46bb)
47Die von der Klägerin geltend gemachten Nutzungsausfall von 2.499,00 EUR sowie die Auslagenpauschale von 25,00 EUR sind unstreitig. Ebenfalls war zuletzt die merkantile Wertminderung mit 1.400,00 EUR unstreitig.
48c)
49Entsprechend sind folgende Schäden der Klägerin ersatzfähig:
50Reparaturkosten, 18.702,44 EUR
51Wertminderung, 1.400,00 EUR
52Sachverständigenkosten, 1.576,39 EUR
53Nutzungsausfall, 2.499,00 EUR
54Kostenpauschale, 25,00 EUR
55Summe: 24.202,83 EUR
56Hierauf hat der Beklagte zu 1 insgesamt bereits 15.854,51 EUR gezahlt, sodass 8.348,32 EUR. Aus der Herausrechnung der noch offenen Sachverständigenkosten, welche unbestritten 545,01 EUR betragen, ergibt sich der ausgeurteilte Zahlbetrag von 7.803,31 EUR.
572.
58Der darauf ausgeurteilte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.
593.
60Aus denselben Gründen wie Ziff. 1. haben die Beklagten die Klägerin von sämtlichen noch offenen Forderungen des Privatsachverständigen M freizustellen. Diese betragen unbestritten 545,01 EUR. An der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit dieser Kosten bestehen seitens der Kammer nicht die geringsten Zweifel, da diese eine zweckmäßige Aufwendung zur Rechtsverfolgung waren.
61Allerdings ist dieser Freistellungsanspruch nicht zu verzinsen (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 288 Rn. 6 m. w. N.).
624.
63Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
64Streitwert: 8.430,47 EUR