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Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 883.113,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 01.07.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, gegenüber dem Beklagten zu 2) wird sie als unzulässig abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 66,67% und die Beklagte zu 1) zu 33,33% zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Beklagte zu 1) zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) und 3) hat die Klägerin zu tragen.
Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X Service24 GmbH & Co. KG (im Folgenden „Schuldnerin“) Ansprüche gegen die Beklagten geltend. Der Beklagte zu 1) war kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Komplementärin der Schuldnerin. Zu diesem Zeitpunkt firmierte die Beklagte zu 1) unter X1 Sicherheit + Service Verwaltung GmbH. Die Beklagten zu 2) und 3) hatten zu diesem Zeitpunkt die selbe Firma wie die Beklagte zu 1), die selbe Geschäftsanschrift und die selbe Geschäftsführung.
3Die Schuldnerin war im Handelsregister des Amtsgerichts Köln HRA 0000 eingetragen.
4Die Beklagte zu 1) war zunächst im Handelsregister beim Amtsgericht Köln eingetragen. Nachdem ihre Firma im Jahr 2006 in X1 Sicherheit + Service Verwaltung GmbH geändert und ihr Sitz nach Düsseldorf verlegt wurde, war sie im Handelsregister B des Amtsgerichts Düsseldorf, HRB 00000 eingetragen. Die Änderung der Geschäftsanschrift zu Jstraße 000, 00000 Köln wurde im Jahr 2009 ins Handelsregister eingetragen. In der Zeit seit 2017 bis zum 24.05.2019 waren Herr D und Herr D1 als Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen.
5Die Beklagte zu 2) ist im Handelsregister B des Amtsgerichts Jena, HRB 11204 eingetragen. Im Jahr 2006 wurde die Firma in X1 Sicherheit + Service Verwaltung GmbH geändert, die Geschäftsanschrift wurde im Jahr 2009 zu Jstraße 000, 0000 Köln geändert. In der Zeit seit 2017 bis zum 24.05.2019 waren Herr D und Herr D1 als Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen.
6Die Beklagte zu 3) ist im Handelsregister B des Amtsgerichts Köln zu HRB 0000 eingetragen. Seit dem Jahr 2006 firmiert sie unter X1 Sicherheit + Service Verwaltung GmbH, die Geschäftsanschrift wurde im Jahr 2009 zu Jstraße 000, 00000 Köln geändert. In der Zeit seit 2017 bis zum 24.05.2019 waren Herr D und Herr D1 als Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen.
7Mit Eintragung vom 15.01.2019 wurde die Beklagte zu 1) als persönlich haftende Gesellschafterin der Schuldnerin im Handelsregister eingetragen. Mit Eintragung vom 05.02.2019 wurde ihr Ausscheiden im Handelsregister eingetragen.
8Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.04.2019 wurde nach Anträgen vom 07.12.2018 und 04.02.2019 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Zur Insolvenztabelle wurden Forderungen i.H.v. 6.468.152,00 EUR angemeldet, 3.021.040,62 EUR wurden zur Tabelle festgestellt, 231.478,19 EUR für den Ausfall festgestellt, 2.373.262,92 EUR bestritten und 842.370,27 EUR zurückgenommen. Hinsichtlich der einzelnen Forderungen wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen.
9Der Kläger macht gegenüber den Beklagten wegen zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen klageweise Haftungsansprüche i.H.v. 883.113,69 EUR geltend. Hierbei handelt es sich im Einzelnen um folgende zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen: Forderungen des Land Nordrhein-Westfalen (lfd. Nr. 136 der Insolvenztabelle), die i.H.v. 1.177.700,63 EUR festgestellt wurden und i.H.v. 850.000,00 EUR durchgesetzt wurde. Der Kläger macht die noch ausstehenden Steuerforderungen i.H. des Differenzbetrags von 327.700,63 EUR geltend, die bis einschließlich Januar 2019 angefallen sind. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 8, 9, 10 verwiesen.
10Angemeldete Forderungen der Bundesagentur für Arbeit i.H.v. 124.255,77 EUR (lfd. Nr. 12), die gemäß § 169 SGB III auf diese übergegangen sind und Arbeitsverhältnisse betreffen, die vor dem Ausscheiden der Beklagten zu 1) aus der Gesellschaft begründet worden sind. Forderungen der C hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 64.287,94 EUR für die Umlagejahre 2015 – 2018 nebst Säumniszuschlägen und Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.03.2019 (Anlage K 12). Forderungen der C1 (lfd. Nr. 6) i.H.v. 54.335,88 EUR betreffend nicht gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.11.2018 bis zum 30.06.2019. Weiterhin festgestellt wurden Forderungen i.H.v. 49.446,58 EUR der Rechtsanwälte L & X2 resultierend aus Rechtsanwaltshonoraren aus der Zeit bis einschließlich Januar 2019. Hinsichtlich der Einzelheiten der Forderungen wird auf die Anlage K 14 verwiesen. Forderungen i.H.v. 37.416,55 EUR der P Corporate Center GmbH, die sich aus einem Vergleichsbeschluss des OLG Köln (Az. 16 U 200/18) vom 10.01.2019 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.03.2019 ergeben. Sowie die Forderung der M und K Partnerschaft mbB, resultierend aus Rechnungen betreffend Leistungszeiträumen bis zum 15.02.2019 i.H.v. 30.883,10 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten der Forderungen wird auf die Anlage K 17 Bezug genommen. Forderungen der L1 Rot-Weiß e.V. i.H.v. 22.650,53 EUR und 10.115,00 EUR aufgrund eines Sponsorenvertrags vom 15.01.2015 wegen nicht gezahlter Sponsorenleistungen in den Zeiträumen vom 01.01.2016 – 31.12.2016 und 01.01.2017 – 30.06.2017. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Forderungsanmeldung, Anlage K 15 Bezug genommen. Festgestellte Forderungen der T GmbH & Co. Autovermietung KG i.H.v. 22.039,93 EUR aus Kraftfahrzeugverträgen aus den Jahren 2017 und 2018; der X3 Elektrotechnik GmbH i.H.v. 20.161,27 EUR, die sich aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 07.12.2018 (Az. 32 O 41/18) und dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 04.02.2019 ergeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 21 Bezug genommen; Forderungen von Herrn T1 i.H.v. 17.086,51 EUR hinsichtlich berechneter Dienstleistungen von Dezember 2018 und Februar 2019. Insoweit wird auf die Anlage K 22 Bezug genommen. Forderungen der T Leasing SE i.H.v. 36.196,89 EUR wegen im Jahr 2018 nicht beglichener Leasingraten und damit verbundenen Kosten. Insoweit wird auf die Anlagen K 18, 19, 20 Bezug genommen. Eine Forderung der G PZ GmbH i.H.v. 13.658,63 EUR, die im Jahr 2017 begründet und mit Teilversäuminsurteil vom 07.02.2018 (LG Köln, Az. 15 O 375/17) tituliert wurde; eine Forderung der Autohaus I GmbH, die i.H.v. 13.223,67 EUR zur Insolvenztabelle festgestellt wurde. Dieser liegt ein Mietverhältnis vom 15.12.2017 zugrunde, von der Schuldnerin wurden Rechnungen im Jahr 2018 nicht bezahlt, wodurch zusätzliche Kosten des Forderungseinzugs entstanden sind. Festgestellte Forderungen i.H.v. 11.876,03 EUR des Herrn L2. Es handelt sich hierbei um eine zugesprochene noch verbleibende Restforderungen aus einem Arbeitsrechtsstreits, der am 15.11.2018 beendet wurde.
11Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte zu 1) hafte aus §§ 161 Abs. 2, 128 Abs. 2 HGB für die hier geltend gemachten, vor dem Ausscheiden der Beklagten zu 1) begründeten Forderungen. Die Beklagten zu 2) und 3) haften aus Rechtsscheinhaftung, da sie den Rechtsschein gesetzt haben mit der Beklagten zu 1) identisch zu sein. Er ist der Ansicht, bei allen geltend gemachten Forderungen handele es sich um Altverbindlichkeiten für die die Beklagten haften.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 883.113,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Die Beklagten beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagten rügen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie sind der Ansicht, die Beklagten haften nicht für die Verbindlichkeiten der Bundesagentur für Arbeit, der C, der C1 und der Kanzlei M und K, da diese teilweise nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 1) begründet worden seien.
17Sie behaupten, die Forderungen der G PZ seien erst durch Versäumnisurteil nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 1) begründet worden und bestreiten das Bestehen eines wirksamen Sponsorenvertrags vom 15.01.2019. Diesbezüglich sind sie der Ansicht, der Kläger hätte hinsichtlich der Forderungen für den Zeitraum ab dem 01.01.2007 bis Ende 2015 Verjährung einwenden können. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagten Zug-um-Zug gegen Feststellung der entsprechenden Regressforderung gegen die Schuldnerin zur Tabelle zu verurteilen. Weiterhin sind sie der Ansicht, eine Rechtscheinhaftung scheide deshalb aus, weil die Komplementärgesellschaften am Rechtsverkehr nicht teilnehmen und damit keinen Rechtsschein setzten, auf den der Rechtsverkehr vertraue; auf rein gesetzliche Haftungsverhältnisse sei die Rechtsscheinhaftung ohnehin nicht anwendbar.
18Die Klage ist den Beklagten am 30.06.2020 zugestellt worden.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist nur teilweise zulässig und im Übrigen zum Teil begründet.
22I. Die Klage ist nur hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) zulässig, insbesondere ist das Landgericht Köln nach § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig. Hiernach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist; Haftungsverhältnisse gehören zu vertraglichen Verbindlichkeiten (z.B. nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB) folglich zu den Vertragsverhältnissen des § 29 ZPO (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 29 Rn. 6a). Bei dem vom Kläger behaupteten Anspruch handelt es sich um Gesellschafterschulden, welche am Sitz der Gesellschaft zu erbringen sind, sodass das Landgericht Köln hiernach hinsichtlich des Beklagten zu 1) als vormaliger Komplementärin örtlich zuständig ist. Hinsichtlich der Beklagten zu 3) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus §§ 12, 17 ZPO.
23Das Landgericht Köln ist für den Rechtsstreit gegenüber der Beklagten zu 2) nicht örtlich zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 29 ZPO i.V.m. Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung. Die Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung sind vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Bei Tatsachen die sowohl für die Zulässigkeit der Klage als auch für die Begründetheit relevant sind, reicht es um zur Zulässigkeit der Klage zu kommen, dass sich diese aus dem schlüssigen Vortrag des Klägers ergeben und die Zulässigkeit hiernach begründet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auch bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers ergibt sich keine Haftung der Beklagten zu 2) für den hier geltend gemachten Anspruch. Die Beklagte zu 2) haftet nicht aus Rechtsscheinhaftung. Dies ergibt sich vorliegend schon daraus, dass die Wirkung der Rechtsscheinhaftung nicht weiter geht als bei Zutreffen des Rechtsscheins. Aus Rechtsscheingrundsätzen können keine weitergehenden Ansprüche hergeleitet werden, als sie bestünden, wenn der Rechtsschein zuträfe, (vgl. BGH, Urteile vom 29. November 1956 - II ZR 32/56, BGHZ 22, 234, 238; vom 20. Januar 1983 - VII ZR 32/82, NJW 1983, 1308 unter II 2 d; Staudinger/Schilken, BGB, Bearb. 2009, § 167 Rn. 43 mwN). Der Vertragsgegner hat deshalb nur die Wahl, den Rechtsschein für die Wirklichkeit zu nehmen und den anderen nach Maßgabe des von ihm geschaffenen Rechtsscheins zu behandeln oder den Rechtsschein beiseite zu schieben und sich auf den wahren Sachverhalt zu berufen. Dagegen kann es ihm nicht erlaubt sein, sich aus beiden Möglichkeiten die ihm jeweils günstigeren Teile herauszusuchen und sich auf diese Weise eine Rechtsposition zusammenzustückeln, die er weder gehabt hätte, wenn der Rechtsschein der Wirklichkeit entsprochen hätte, noch wenn er mit dem anderen nach Maßgabe seines wirklichen Status abgeschlossen hätte (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, Die Lehre vom Scheinkaufmann, Rn. 42). Hiernach ergibt sich keine Haftung des Beklagten zu 2). Bei Zugrundelegung der tatsächlichen Rechtslage haftet die Beklagte zu 2) nicht, da sie tatsächlich keine Komplementärin war. Geht man von der Lage aus, die bestehen würde wenn der Rechtsschein zuträfe, würde sie ebenfalls nicht neben dem Beklagten zu 1) haften. In beiden Situationen stände den Gläubigern eine Gesellschaft mit einem Komplementär als Gesellschafter als Schuldnerin gegenüber. Es sind keine Umstände ersichtlich, noch sind sie vorgetragen, aufgrund derer der Anschein erweckt würde, dass einem Gläubiger eine Gesellschaft mit mehreren Komplementären gegenübersteht. Würde nun der Beklagte zu 2) aus Rechtsscheingesichtspunkten ebenfalls als Komplementär haften, so ständen Gläubiger besser, als bei zutreffen der tatsächlichen Rechtslage. Haftet die Beklagte zu 2) nicht nach Rechtsscheingrundsätzen, so hat sie auch keine Pflicht am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen.
24II. Die Klage ist nur gegenüber der Beklagten zu 1) in dem tenorierten Umfang begründet, gegenüber dem Beklagten 3) ist sie unbegründet.
251. Die über § 93 InsO geltend gemachte persönliche Haftung des Beklagten zu 1) aus § 161 Abs. 2, § 128 S. 1 HGB ist gegeben, da entsprechende Verbindlichkeiten der Schuldnerin bestanden und die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Entstehung der Ansprüche persönlich haftende Gesellschafterin der Schuldnerin war.
26a) Wird im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer insolventen OHG oder KG eine Forderung zur Tabelle festgestellt, so wirkt die Feststellung gemäß §§ 161 Abs. 2, 129 Abs. 1 HGB mittelbar auch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter (BGH 30.1.61 – II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429). Die Feststellung der Forderung hat jedoch keine Wirkung nach § 178 Abs. 3 InsO gegenüber Dritten, die nicht am Verfahren beteiligt waren; insbesondere ist sie kein Anerkenntnis i.S.v. § 781 BGB und kann deshalb auch nicht auf diese Weise gegenüber Dritten Wirkung entfalten (OLG Brandenburg InVo 1999, 47). Aus diesem Grund wirkt die Feststellung einer Gesellschaftsverbindlichkeit einem Gesellschafter gegenüber nur dann, wenn dieser am Prüfungsverfahren beteiligt wurde und Gelegenheit zum Widerspruch hatte (so für den Fall der Durchgriffshaftung BGHZ 165, 85, 95); nicht jedoch für einen ausgeschiedenen Gesellschafter (OLG Hamm NZI 2007, 584).
27Nach diesen Grundsätzen hatten die in der Insolvenztabelle festgestellten Forderungen keine Titelwirkung gegenüber der Beklagten zu 1). Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und insbesondere zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Insolvenztabelle war sie bereits nicht mehr Gesellschafterin der Schuldnerin. Sie hatte aus diesem Grund nicht die Möglichkeit, sich an dem Anmeldungsverfahren zu beteiligen und Widerspruch gegen die Forderungen zu erheben.
28b) Substanzielle Einwendungen sind gegen die Forderungen aber nicht erhoben worden. Der Beklagte zu 1) haftet für die Verbindlichkeiten der Bundesagentur für Arbeit, der C, der C1 und auch der Rechtsanwälte M und K, da es sich hierbei um Altverbindlichkeiten handelt. Um eine Altverbindlichkeit der Gesellschaft handelt es sich, wenn die Verbindlichkeit vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründet worden ist (§ 160 Abs. 3 S. 1). Hinsichtlich der Ansprüche der Rechtsanwälte M und K ergibt sich dies bereits daraus, da diese – wie sich aus der Anlage K 16 ergibt –aufgrund von Tätigkeiten vor dem Ablauf des Jahres 2018 entstanden sind und somit vor dem Ausscheiden der Beklagten zu 1) begründet worden sind.
29Auch bei den weiteren Forderungen handelt es sich um Altverbindlichkeiten. Rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten sind vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründet, wenn der Vertrag vor dem Ausscheiden abgeschlossen wurde und sich daraus ohne Hinzutreten weiterer Abreden zwischen Gläubiger und Gesellschaft die Verpflichtung der Gesellschaft ergeben hat (BGH NJW 1983, 2256, 2258). Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Rechtsgrundlage bereits im Vertrag angelegt, so dass ein Altvertrag laufend neue Altverbindlichkeiten zustande bringt (BGHZ 150, 373). Hiernach haftete die Beklagte zu 1) für die Forderungen der Bundesagentur für Arbeit, der C und der C1 , da sämtliche Arbeitsverhältnisse bereits vor dem Ausscheiden des Beklagten zu 1) begründet worden sind und es sich aus diesem Grund bei den Forderungen um Altverbindlichkeiten handelt.
30Die Einwendungen zur Wirksamkeit der Sponsorenverträge mit der L1 Rot-Weiß e.V. verfangen nicht. Auch insoweit handelt es sich um eine wirksam begründete Altverbindlichkeit. Bei der Datumsangabe auf Seite 8 unten der Klageschrift bezogen auf den Vertragsschluss handelt es sich offensichtlich um einen Tippfehler. Nach der Forderungsanmeldung vom 24.05.2019 wurde der Vertrag am 15.01.2015 geschlossen, was sich auch aus dem Vertrag selbst ergibt. Die Bedenken der Beklagten zur Wirksamkeit aufgrund fehlender Vertretungsmacht sind vor diesem Hintergrund unbegründet, da zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht die Beklagte zu 1) vertretungsbefugt war. Auch im Übrigen greift der Verjährungseinwand nicht durch. Nach der mit der Anlage K 25 zu den Akten gereichten Aufstellung handelt es bei den festgestellten Forderungen um solche, die frühestens im Jahr 2016 begründet worden sind.
31Auch hinsichtlich der Forderung der G PZ GmbH haben die Beklagten keine substantiierten Einwendungen vorgebracht. Diese ist bereits vor dem Ausscheiden der Beklagten zu 1) begründet worden. Auf die Titulierung kommt es nach dem zuvor Gesagten nicht an. Entscheidend ist insoweit alleine die Entstehung der Verbindlichkeit.
32c) Ein Bestreiten der Forderungen der Beklagten zu 1) mit Nichtwissen war nicht zulässig, denn ihr war eine nähere Stellungnahme zu den Forderungen, die in der Insolvenztabelle festgestellt sind und vom Kläger mit der Klage geltend gemacht werden, möglich. Die erforderlichen Informationen kann sie von der Schuldnerin einfordern bzw. während der laufenden Insolvenz vom Kläger verlangen; zudem steht ihr ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO zu (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018, II ZR 272/16, juris Rn. 20).
33d) Hinsichtlich der Forderungshöhe sind keine Einwendungen vorgebracht, noch sind sie ersichtlich. Insoweit reicht die Bezugnahme des Klägers auf die Insolvenztabelle nebst Anlagen aus. Soweit der Kläger vereinzelt die Forderungsanmeldungen der jeweiligen Gläubiger nicht vorlegt ist dies nicht schädlich, da sich die konkrete Höhe bereits aus dem schriftsätzlichen Vortrag ergibt. Damit genügt er seiner Substantiierungslast.
34Eine Zug-um-Zug-Verurteilung war vorliegend nicht angezeigt, da in diesem Verfahren keine Feststellung zur Tabelle erfolgen konnte.
352. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
36II. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagten zu 3) nicht zu. Diese haftet nicht nach Rechtsscheingrundsätzen. Auch insoweit kommt eine Haftung nicht in Betracht, weil eine Haftung dazu führen würde, dass Gläubiger besser stehen würden als beim Zutreffen der Rechtsscheinlage oder beim Zutreffen des tatsächlichen Sachverhalts.
37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
38Der Streitwert wird auf 883.113,00 EUR festgesetzt.