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Der Angeklagte wird wegen Computerbetruges in 19 Fällen und wegen versuchtem Computerbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die in Belgien vom 12.09.2020 bis zum 19.10.2020 erlittene Freiheitsentziehung wird im Maßstab 1:1 angerechnet.
Gegen den Angeklagten wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 26.450,00 EUR angeordnet.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt worden ist.
Angewandte Vorschriften:
§§ 263a Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, S. 2. Nr. 1 und 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2, 53, 73 Abs. 1, 73 c S. 1 StGB
Gründe
2A.
3Zur Person des Angeklagten
4Der zum Zeitpunkt der Verurteilung 25 Jahre alte Angeklagte wuchs als dritter Sohn seiner Eltern gemeinsam mit seiner Mutter in Frankreich auf und hat dort bis heute seinen Lebensmittelpunkt. Seine Eltern trennten sich noch vor seiner Geburt. Sowohl zu seinem Vater als auch zu seinen beiden, bei seinem Vater aufgewachsenen älteren Brüdern, 31 und 33 Jahre alt, pflegte der Angeklagte in seiner Kindheit regelmäßigen Kontakt. Die Familie steht trotz der Umstände des hiesigen Strafverfahrens hinter dem Angeklagten.
5In Frankreich durchlief der Angeklagte die reguläre Schullaufbahn und war ein Jahr auf dem Gymnasium, von dem er indes mit 17 Jahren verwiesen wurde.
6Nach der Schule übte der Angeklagte diverse berufliche Tätigkeiten aus, eine Ausbildung absolvierte er nicht. Er arbeitete im Bereich der Glasfasertechnik, in einem Supermarkt und zuletzt in einer Kfz-Werkstatt als Mechaniker.
7Im Jahr 2016 lernte der Angeklagte seine jetzige Ehefrau kennen und heiratete diese im Jahre 2017. Seit Bestehen der Ehe sind zwei Kinder zur Welt gekommen. Am 22.06.2018 wurde der erste Sohn geboren und am 29.09.2020 – nach der Inhaftierung des Angeklagten – sein zweiter Sohn.
8Probleme mit Drogen und Alkohol hat der Angeklagte nicht. Er leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.
9Der Angeklagte ist in Deutschland nicht vorbestraft. Sein Bundeszentralregisterauszug enthält eine Eintragung mit Suchvermerk von der Staatsanwaltschaft Bonn wegen Strafverfolgung. Der europäische Strafregisterauszug vom 16.11.2020 enthält insgesamt sechs Eintragungen. Am 00.00.0000 wurde der Angeklagte wegen Formen von schwerem Diebstahl ohne Anwendung von Gewalt oder Einsatz von Waffen oder ohne Gewaltandrohung oder Androhung des Einsatzes von Waffen gegen Personen vom „Tribunal Correctionnel de Marseille – 11 CH“ in Frankreich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.
10Am 00.00.0000 wurde der Angeklagte wegen Formen von schwerem Diebstahl ohne Anwendung von Gewalt oder Einsatz von Waffen oder ohne Gewaltandrohung oder Androhung des Einsatzes von Waffen gegen Personen vom „Tribunal Pour Enfants de Marseille“ in Frankreich zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.
11Am 00.00.0000 wurde der Angeklagte ebenfalls Formen von schwerem Diebstahl ohne Anwendung von Gewalt oder Einsatz von Waffen oder ohne Gewaltandrohung oder Androhung des Einsatzes von Waffen gegen Personen vom „Tribunal Correctionnel de Lyon – 11 CH“ in Frankreich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ferner wurde gegen ihn eine Geldstrafe von 400 EUR festgesetzt.
12Am 00.00.0000 wurde der Angeklagte wegen Betrugsdelikten von der „Autorité Judiciaire de Morges - Suisse“ in der Schweiz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Am 00.00.0000 wurde der Angeklagte wegen Betrugsdelikten vom „Tribunal Correctionnel de Marseille“ in Frankreich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
13Zum Vollstreckungsstand der vorbezeichneten Verurteilungen hat die Kammer keine Feststellungen treffen können.
14Zuletzt wurde der Angeklagte am 00.00.0000 rechtskräftig durch das Inner London Crown Court wegen Diebstahls unter Gewaltanwendung oder unter Einsatz von Waffen gegen Personen aufgrund einer Tat vom 00.00.0000 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung für 24 Monate sowie zu einer Geldstrafe von 140 Pfund verurteilt.
15Sämtlichen Verurteilungen lag zu Grunde, dass der Angeklagte von älteren Menschen am Geldautomaten EC-Karten erlangte und mit diesen unberechtigt Geld abhob.
16In der Schweiz wird der Angeklagte aktuell wegen weiteren Betrugsdelikten strafrechtlich verfolgt und per Haftbefehl gesucht.
17B.
18Zur Sache
19I. Vorgeschichte
20Nach seiner Hochzeit hatte der Angeklagte kurzzeitig eine außereheliche Beziehung zu der Schwester des gesondert Verurteilten U L . Diese außereheliche Beziehung stand nicht im Einklang mit den religiösen Vorstellungen der Familien des gesondert Verurteilten L . In der Folge forderte die Familie des L daher zur Wiederherstellung der Ehre der Schwester des L und ihrer Familie einen Geldbetrag in Höhe von 30.000 EUR von dem Angeklagten. Da der Angeklagte aus eigenen finanziellen Mitteln nicht in der Lage war, die geforderte Summe zu zahlen, erklärte er sich bereit, gemeinsam mit dem gesondert Verurteilten L Straftaten zu begehen, um die Forderung begleichen zu können. Da der Angeklagte mit dieser Art von Delikten bereits Erfahrungen hatte, beschlossen sie, im Ausland EC-Karten von älteren Menschen zu erlangen und mit diesen ohne Einwilligung der Karteninhaber Geld abzuheben. In Frankreich wollte der Angeklagte aufgrund seiner Vorstrafen keine weiteren Straftaten begehen.
21II. Tatgeschehen
221. Im Tatzeitraum vom 18.12.2017 bis zum 27.10.2018 ging der Angeklagte gemeinsam mit dem gesonderten Verurteilten L in verschiedene Bankfilialen mit durch die Kunden zu bedienende Geldautomaten und Selbstbedienungsterminals. Dort sprach der Angeklagte ältere Menschen an und drängte diesen bei der Bedienung der dort befindlichen Automaten seine Hilfe auf oder machte sie beim Verlassen der Bank auf vermeintlich zurückgelassenes Geld im Ausgabeschlitz des Automaten aufmerksam. Regelmäßig sprach der Angeklagte die Personen unter Zuhilfenahme des Google-Übersetzers auf Deutsch an und erklärte, dass der Automat defekt sei und man auf die „Abbruchtaste“ drücken und die PIN eingeben müsse. Auf diese Art und Weise gelang es dem Angeklagten, die Geschädigten zur Eingabe ihrer PIN zu bewegen und diese während der Eingabe auszuspähen. In einem von den jeweiligen Geschädigten unbeobachteten Moment gelang es dem Angeklagten dann jeweils, deren EC-Karten aus dem Ausgabeschlitz zu entnehmen und an den gesondert Verurteilten L weiterzugeben und diesem die PIN mitzuteilen. Während der Angeklagte die Geschädigten weiter ablenkte, hob der gesondert Verurteilte L – entsprechend des gemeinsamen Tatplans – mit den zuvor ausgespähten PIN unberechtigt möglichst hohe Bargeldbeträge von den jeweiligen Konten der Geschädigten ab. Anschließend übergab der gesondert Verurteilte L die jeweiligen EC-Karten wieder an den Angeklagten, der diese in der Regel in einem unbemerkten Moment wieder in den Ausgabeschlitz des jeweiligen Automaten steckte, so dass die Geschädigten in dem Glauben blieben, ihre EC-Karten seien die gesamte Zeit über im Automat verblieben. Abweichend von dieser Vorgehensweise behielt der Angeklagte im Fall 8 die Karte des Geschädigten N und hob mit dieser kurz darauf an einem anderen Geldautomaten erneut Geld ab (Fall 9) und versuchte dies ein weiteres Mal einen Tag später (Fall 10). In den Fällen 19 und 20 war neben dem Angeklagten und dem gesondert Verurteilten L auch der gesondert Verfolgte L1 beteiligt.
23Die Tatbeute wurde zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verurteilten L stets hälftig aufgeteilt, wobei der L zustehende Anteil zur Begleichung der Forderung der Familie L diente. Die Kosten für die Anreise nach Deutschland und den Aufenthalt, wie Mietwagenkosten sowie Übernachtungskosten, wurden gemeinsam getragen. Die Forderung der Familie L konnte der Angeklagte durch die Taten, die Gegenstand dieses Urteils sind, und weitere Taten vollständig begleichen. Ob und welchem Umfang der gesondert Verfolgte L1 in den Fällen 19 und 20 an der Beute beteiligt wurde, konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
24Der Angeklagte wusste, dass er nicht befugt war, mit den EC-Karten der Geschädigten Geld abzuheben. Bei allen Taten beabsichtigte er, sich aus der wiederholten und unbefugten Verwendung fremder EC-Karten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Gewicht und Umfang zu verschaffen. Er handelte zudem in der Absicht, durch die Geldabhebungen eine große Zahl an Menschen um die auf ihren Konten befindlichen Geldbeträge zu bringen.
25Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte L begingen die Taten wechselnd in verschiedenen Städten des Bundesgebietes, in das sie ausschließlich zur Begehung der Taten einreisten. Teilweise wurden an einem Tattag unterschiedliche Städte zwecks Begehung von Straftaten angefahren.
262. Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten, bei denen der Angeklagte und der gesondert Verurteilte L insgesamt einen Betrag in Höhe von 26.450,00 EUR von den Konten von 18 Geschädigten abhoben:
27Fall |
Akte |
Tattag |
Tatort |
Geschädigter |
Schaden |
1 |
Fallakte 7 Unterfall 8 |
18.12.2017 15:38 Uhr |
Karlsruhe Commerzbank Lammstraße 9 |
T |
2.000 € |
2 |
Hauptakte |
18.12.2017 11:10-11:15 Uhr |
Köln Commerzbank Dürener Straße 232a |
C |
2.000 € |
3 |
Fallakte 7 Unterfall 6 |
28.12.2017 |
Karlsruhe Commerzbank Lammstraße 6 |
S |
2.000 € |
4 |
Fallakte 7 Unterfall 5 |
06.01.2018 |
Karlsruhe Commerzbank Karl-Friedrich-Straße 11 |
H |
2.000 € |
5 |
Fallakte 2 |
08.01.2018 |
Frechen Commerzbank Hauptstraße 11-13 |
T1 |
2.000 € |
6 |
Fallakte 8 |
12.02.2018 |
Stuttgart LBBW Ostendstraße 65 |
T2 |
1.000 € |
7 |
Fallakte 7 Unterfall 7 |
17.02.2018 |
Karlsruhe Volksbank Kaiserstraße 72 |
B |
1.500 € |
8 |
Fallakte 7 Unterfall 9 |
24.02.2018 12:11 Uhr |
Karlsruhe Sparda-Bank Rheinstraße 34 |
N |
1.000 € |
9 |
Fallakte 7 Unterfall 10 |
24.02.2018 12:15 Uhr |
Karlsruhe Volksbank Am Entenfang 6 |
N |
800 € |
10 |
Fallakte 7 Unterfall 11 |
25.02.2018 13:27 Uhr |
Köln Volksbank Neusser Straße 1 |
N |
0 € Versuch |
11 |
Fallakte 6 Unterfall 1 |
03.03.2018 |
Nürnberg Commerzbank Waldluststraße 125a |
M |
1.900 € |
12 |
Fallakte 6 Unterfall 2 |
03.03.2018 |
Nürnberg Commerzbank Allersbergerstraße 45 |
C1 |
1.700 € |
13 |
Fallakte 9 |
26.03.2018 |
Berlin Sparkasse Blissestr. 2 |
I |
1.900 € |
14 |
Fallakte 7 Unterfall 1 |
05.05.2018 |
Karlsruhe TARGO Bank Kaiserstr. 121 |
M1 |
460 € |
15 |
Fallakte 1 |
07.05.2018 |
Köln Commerzbank Dürener Straße 232a |
G |
1.800 € |
16 |
Fallakte 7 Unterfall 2 |
08.09.2018 |
Karlsruhe Sparkasse Karl-Friedrich-Straße 8 |
T3 |
650 € |
17 |
Fallakte 6 Unterfall 3 |
24.09.2018 13:20 Uhr |
Nürnberg Commerzbank Spitalgasse 5 |
O |
1.300 € |
18 |
Fallakte 6 Unterfall 4 |
24.09.2018 10:10 Uhr |
Nürnberg Sparkasse Hauptstraße 19 |
H1 |
450 € |
19 |
Fallakte 3 |
29.09.2018 10:00 Uhr |
Köln Sparkasse Sülzburgstraße 56 |
U |
1.000 € |
20 |
Fallakte 5 |
29.09.2018 12:26 Uhr |
Köln Commerzbank Maternusstraße 8-10 |
T4 |
990 € |
21 |
Fallakte 7 Unterfall 3 |
27.10.2018 |
Karlsruhe BBBank Rheinstraße 45 |
C2 |
0 € Versuch |
Im Fall 10 wurde die EC-Karte von dem dortigen Automaten nach versuchter Abhebung eingezogen. Im Fall 21 flüchtete der Angeklagte aus der Bankfiliale und ließ die bereits in den Geldautomaten eingeführte Karte zurück, nachdem er durch einen anderen Bankkunden auf sein Verhalten angesprochen wurde.
295. Der durch die unbefugten Geldabhebungen entstandene Schaden der jeweiligen Kontoinhaber wurde diesen im Regelfall durch deren Kreditinstitut erstattet. Der Angeklagte hat sich bereit erklärt, mithilfe seiner Familie den Schaden nach Kräften wiedergutzumachen. Hierfür stünde ein Betrag von 3.000 EUR sofort zur Verfügung. Monatlich könnten zudem 500 EUR gezahlt werden.
30III. Prozessuales
311. Das Ermittlungsverfahren resultiert aus einem deutschlandweiten Verfahrenskomplex im Zusammenhang mit dem Phänomen des „Shoulder-Surfing“, wie die oben beschriebene Art und Weise der Tatbegehung in Bank- und Ermittlerkreisen genannt wird.
32Neben den Taten, die Gegenstand der Verurteilung sind, richtete sich der Tatverdacht in einer Vielzahl weiterer Fälle gegen den Angeklagten. Konkrete Feststellungen hat die Kammer insoweit zu folgenden Fällen getroffen, in denen die Staatsanwaltschaft Köln das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt hat. Dabei ging der Angeklagte jeweils mit dem gesondert Verfolgten L in der oben unter B. II. 1. beschriebenen Weise vor, wobei er die Karte des Geschädigten G1 behielt und mit dieser in der Folge eine Vielzahl von Abhebungen vor allem in England vornahm. Im Einzelnen:
33Tattag |
Tatort |
Geschädigter |
Schaden |
10.02.2018 |
Rastatt Targo Bank Poststraße 17 |
S1 |
1.500 € |
17.02.2018 |
Rastatt Sparkasse Rastatt-Gernsbach Kaiserstraße |
X |
1.000 € |
09.06.2018 |
Rastatt BB Bank Kaiserstraße 26 |
T5 |
500 € |
09.06.2018 |
Rastatt Targo Bank Poststraße 17 |
G1 |
2.500 € |
10.06.2018 |
Edgware Road 4//Bayswater 6 |
587,46 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
587,46 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
471,15 € |
|
10.06.2018 |
Edgware Road 4//Bayswater 6 |
354,85 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
122,25 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
122,25 € |
|
10.06.2018 |
LBG- Bank Cashpoint//LBG/G |
122,25 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
110,62 € |
|
10.06.2018 |
LBG- Bank Cashpoint//LBG/G |
98,99 € |
|
10.06.2018 |
Halx-Dover/Dover /GB/2 |
17,58 € |
|
11.06.2018 |
Nationwide. W5734X//London |
587,46 € |
|
11.06.2018 |
Nationwide. W5734X//London |
587,46 € |
|
11.06.2018 |
Nationwide. W5734X//London |
587,46 € |
|
11.06.2018 |
Nationwide. W5734X//London |
587,46 € |
|
12.06.2018 |
Canary//London W2 2/GB/2 |
44,19 € |
|
12.06.2018 |
Royal Bank UK.// Tesco EDGW |
486,00 € |
|
12.06.2018 |
Royal Bank UK.// Tesco EDGW |
122,26 € |
|
12.06.2018 |
Royal Bank UK.// Tesco EDGW |
121,50 € |
|
15.09.2018 |
Rastatt Sparkasse Rastatt-Gernsbach Kaiserstraße |
T6 |
500 € |
2. Am 12.09.2020 wurde der Angeklagte aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 29.05.2020 – 242 AR 32/19 – in Belgien festgenommen und befand sich in der Folge in Auslieferungshaft. Seit Auslieferung am 19.10.2020 befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Köln aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 07.05.2020 – 501 Gs 1026/20 –.
353. Mit Abschlussverfügung vom 10.11.2020 hat die Staatsanwaltschaft Köln das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf des Computerbetruges gemäß § 263a StGB beschränkt. Die Kammer hat das Verfahren im Hinblick auf die Fälle 17- 19 der Anklageschrift mit Beschluss vom 03.02.2021 auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
36C.
37Beweiswürdigung
38I. Feststellungen zur Person
39Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung und den dazu im Einklang stehenden glaubhaften Angaben der Zeugin M2, der Mutter des Angeklagten. Widersprüche haben sich hierbei nicht ergeben.
40Die Feststellungen zu den ausländischen Verurteilungen stützt die Kammer auf die in der Hauptverhandlung verlesenen europäischen Strafregisterauszüge vom 16.11.2020 und 07.01.2021 sowie den Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 13.11.2020. Hierzu hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass es sich bei den ausländischen Verurteilungen um gleichgelagerte Straftaten gehandelt habe wie diejenigen, die Gegenstand der Verurteilung sind. Auch in diesen Fällen habe er mit fremden EC-Karten von älteren Personen unberechtigt Geldabhebungen vorgenommen. Gleiches gelte für die offenen Verfahren in der Schweiz. Hinsichtlich der Verurteilung in London hat der Angeklagte erklärt, dass er keine Gewalt gegen eine Person angewandt habe und dass die Tatbezeichnung in diesem Punkt unrichtig sei. Weitere Feststellungen zu den ausländischen Verurteilungen konnte die Kammer nicht treffen, da diese bis zum Ende der Hauptverhandlung nicht vorlagen.
41Zum Vollstreckungsstand der bisherigen Verurteilungen hat der Angeklagte keine näheren Angaben gemacht.
42II. Feststellungen zur Sache
43Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten und der weiteren nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme.
441. Der Angeklagte hat die abgeurteilten Taten in vollem Umfang eingeräumt.
45Er hat insbesondere die Vorgeschichte der Taten, die Forderung der Familie L wegen der außerehelichen Beziehung des Angeklagten zur Schwester des L , wie festgestellt geschildert. Da er bereits in der Vergangenheit Erfahrung mit vergleichbaren Taten in Frankreich gemacht habe, habe er sich bereit erklärt, die Taten gemeinsam mit L zu begehen.
46Auch die Begehungsweise der Taten hat der Angeklagte wie festgestellt geschildert. Die Geschädigte habe er mithilfe des Google-Übersetzers angesprochen und sie am Geldautomaten abgelenkt, um ihre Karte in einem unbeobachteten Moment aus dem Ausgabeschlitz entnehmen zu können. Die Abhebungen habe dann L mit der zuvor ausgespähten PIN getätigt.
47Die Beute sei ebenso wie die Kosten der Anreise, insbesondere für den Mietwagen, und für die Unterkünfte seien stets hälftig untereinander aufgeteilt worden. Durch den L zustehenden Beuteanteil sei die Forderung der Familie L inzwischen beglichen.
48Der Angeklagte hat sich für die begangenen Taten entschuldigt und erklärt, er sei bereit den Geldbetrag mit Hilfe seiner Familie zurückzuzahlen.
49Zu weiteren Taten, insbesondere zu den unter B. III. 1. festgestellten, hat der Angeklagte erklärt, keine konkrete Erinnerung zu haben.
502. Die Einlassung des Angeklagten ist durch die Beweisaufnahme wie folgt bestätigt und ergänzt worden:
51a) Die Einlassung des Angeklagten zur Vorgeschichte der Taten wird durch die Angaben der Zeugin M2 bestätigt, die bekundet, dass der Angeklagte eine außereheliche Beziehung mit der Schwester des gesondert Verurteilten L geführt habe und es infolgedessen sowohl zu einem Streit zwischen ihr und dem Angeklagten als auch zu der anderen Familie gekommen sei. Daraufhin sei es zu einer nicht unerheblichen Geldforderung gekommen. Dies steht im Einklang mit den Angaben gesondert Verurteilten L , die er in einer Videoaufzeichnung gemacht hat, welche die Kammer in Augenschein genommen hat. Der gesondert Verurteilte L hat in diesem Video auch die gemeinsame Tatbegehung bestätigt. Auch unter Berücksichtigung des geringen Beweiswerts einer solchen Videoaufzeichnung hat die Kammer danach keine Zweifel an der Einlassung des Angeklagten zur Vorgeschichte der Taten.
52b) Die Angaben des Angeklagten zu den Taten und deren Begehungsweise werden durch die mit seinem Einverständnis gemäß § 251 Abs. 1 S.1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden, namentlich die Strafanzeigen zu den unter B. II. 2. festgestellten Taten nebst Vernehmungen der Geschädigten und etwaigen weiteren Zeugenaussagen, gestützt. Die Zeugenaussagen der jeweiligen Geschädigten bestätigen den festgestellten Tatablauf sowie die Vorgehensweise des Angeklagten im bewussten Zusammenwirken mit seinem Mittäter, L . Ferner passen die Angaben der Geschädigten zum äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten und seines Mittäters.
53Die Kammer hat zudem die Lichtbilder der Überwachungskameras aus den jeweiligen Vorräumen der Banken in Augenschein genommen, auf denen die Vorgehensweise des Angeklagten und des gesondert Verurteilten L erkennbar ist. Der Angeklagte hat bestätigt, dass die Lichtbilder ihn und L zeigen, zumal beide auf den Bildern in der Regel auch eindeutig erkennbar sind. Soweit auf den Lichtbildern zu Fall 19 nur der gesondert Verurteilte L und der gesondert Verfolgte L1 zu erkennen sind, hat der Angeklagte seine Tatbeteiligung ebenfalls eingeräumt. Der Angeklagte ist auch auf den Lichtbildern zu der weiteren Tat vom selben Tage in Köln eindeutig mit dem gesondert Verurteilten L und dem gesondert Verfolgten L1 zu erkennen (Fall 20).
54Die Feststellungen betreffend Ort, Zeit und Betrag der Geldabhebungen folgen aus den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Unterlagen, insbesondere den Kontoauszügen der Geschädigten und deren Angaben. Die Zuordnung der in Augenschein genommenen Lichtbilder zu den jeweiligen Abhebevorgängen folgt insbesondere aus den auf den Lichtbildern gedruckten Angaben zu Datum, Uhrzeit sowie Kartennummer und Betrag, soweit aufgeführt, die in der Hauptverhandlung verlesen worden sind. Diese Angaben korrespondieren jeweils mit den Angaben der Geschädigten zur Tatzeit und den Angaben auf den im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kontoauszügen.
55c) Die Angaben des Angeklagten stehen auch im Einklang mit den Bekundungen der Zeugen S2 , der bei der Polizei in Mannheim die deutschlandweiten Fälle des „Shoulder-Surfings“ im Tatzeitraum gesammelt hat, und Zeugen T7 , bundesweiter zentraler Ansprechpartner der Commerzbank für Taschen- und Trickdiebstähle. Der Zeuge S2 hat insbesondere Angaben zu der bundesweiten Tatserie von „Shoulder-Surfing-Fällen“ von Anfang Dezember 2017 bis Mitte 2018 gemacht. Kennzeichnend für die Tatbegehung sei das Ausspähen von PINs von älteren Damen und Herren und die anschließende trickreiche Wegnahme der Karten zwecks unmittelbar beabsichtigter Geldabhebungen gewesen. Nach zahlreichen Hinweise aus ganz Deutschland hätten der Angeklagte und der gesondert Verurteilte L identifiziert werden können. Der Zeuge hat auch über Hinweise auf Fälle in Österreich und in der Schweiz berichtet; die Schweizer Kollegen hätten ihm mitgeteilt, dass der Angeklagte dort mit Haftbefehl gesucht werde.
56Der Zeuge T7 konnte der Kammer die Tatabläufe und die Häufung der Taten im Tatzeitraum ebenso näher darlegen und hat darüber hinaus bestätigt, dass den jeweiligen Geschädigten der Schaden seitens der Commerzbank erstattet worden sei. Die Kammer geht aufgrund dessen davon aus, dass auch die Kunden anderer Banken den Schaden erstattet bekommen haben, was auch der Erfahrung der Kammer aus zahlreichen Verfahren, die den Missbrauch von EC- und Kreditkarten zum Gegenstand hatten, entspricht.
57Ergänzende Angaben zu den Ermittlungen in Köln und den dort begangenen Taten hat die Zeugin L2 gemacht.
583. Die Feststellung, dass jedenfalls in den Fällen 19 und 20 der gesondert Verfolgte L1 mitgewirkt hat, stützt die Kammer neben der Einlassung des Angeklagten auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder Kölner Polizei vom 29.08.2018 und den ergänzend verlesenen Angaben zu den insoweit aufgenommenen Personalien.
594. Die Feststellungen zu den unter B.III.1.festgestellten, nach § 154 StPO eingestellten Taten folgen aus den insoweit in Augenschein genommen Lichtbildern der Überwachungskameras und den hierzu in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden. Auf den Lichtbildern sind der Tathergang sowie der Angeklagte und der gesondert Verurteilte L als Täter zu erkennen. Datum, Zeit, Ort und Höhe der Abhebungen folgen aus den Angaben auf den Lichtbildern und den Kontoauszügen der Geschädigten. Darüber hinaus ist die Aussage des Geschädigten Rastatter in der Hauptverhandlung verlesen worden, der die Tatbegehung geschildert hat. Ergänzende Angaben zu diesen Fällen hat auch der Zeuge S2 anhand der von ihm erstellten Fallübersicht gemacht. Dass es über die abgeurteilten Taten hinaus zu weiteren Taten gekommen sein muss, entspricht auch der Angabe des Angeklagten, dass die Forderung der Familie L von 30.000 EUR beglichen worden sei. Angesichts einer hälftigen Teilung von Beute und den angefallenen Reisekosten folgt daraus, dass die Tatbeute über 60.000 EUR lag, wobei die Kammer nicht verkennt, dass ein Teil dieses Betrages auch durch Taten im Ausland erlangt worden sein kann. Der Angeklagte hat die Begehung dieser Taten auch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich erklärt, sich an diese nicht konkret erinnern zu können.
606. Unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Ausführungen ist die Kammer aufgrund der Regelmäßigkeit der Abhebungen über den gesamten Tatzeitraum und deren erheblicher Höhe auch davon überzeugt, dass der Angeklagte durch die Taten beabsichtigte, sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und Gewicht zu verschaffen. Die Taten waren zudem auf eine serienmäßige Begehung angelegt, so dass die Kammer keinen Zweifel daran hat, dass der Angeklagte in der Absicht handelten, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.
61D.
62Rechtliche Würdigung
63I.
64Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Computerbetruges in 19 Fällen (Fälle 1-9 sowie 11-20) sowie wegen versuchten Computerbetruges in zwei Fällen (Fälle 10 und 21) gemäß §§ 263a Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, S. 2. Nr. 1 und 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte hat in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Verwendung von Daten beeinflusste, indem er ohne Wissen und gegen den Willen der Geschädigten mit von ihnen zuvor entwendeten EC-Karten nebst ausgespähter PIN Geldbeträge abhob, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb. Der Angeklagte handelte gemeinschaftlich mit dem gesondert Verurteilten L als Mittäter gemäß § 25 Abs. 2 StGB.
65Ein strafbefreiender Rücktritt hinsichtlich der festgestellten Versuchstaten kommt wegen Fehlschlags nicht in Betracht. In Fall 10 war die EC-Karte gesperrt und wurde eingezogen, in Fall 21 wurde der Angeklagte durch das Eingreifen eines Dritten an der Tatausführung gehindert.
66Die jeweiligen Abhebevorgänge stehen in Tatmehrheit gemäß § 53 Abs. 1 StGB zueinander.
67E.
68Strafzumessung
69Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
701. Die Kammer hat die Strafe in allen Fällen außer Fall 10 dem Strafrahmen der §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB entnommen. Der Angeklagte hat an allen Fällen die Voraussetzungen zweier Regelbeispiele des besonders schweren Falls des Computerbetruges erfüllt, weil er gewerbsmäßig handelte und in der Absicht, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Anzahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Der Annahme dieser Variante steht nicht entgegen, dass der Schaden in einzelnen Fällen überschaubar war, da die Vorschrift gerade auch den Massenbetrug mit jeweils geringen Schadenssummen erfassen soll (Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 263 Rn. 218).
71Die Indizwirkung der Regelbeispiele wird vorliegend nicht durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert. Eine solche Kompensation kann nur angenommen werden, wenn strafmildernde Umstände vorliegen, die jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung aller Faktoren die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften und die Anwendung des Strafrahmens des besonders schweren Falles unangemessen erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2001 – 3 StR 36/01 –, Tz. 5, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die – im Rahmen der konkreten Strafzumessung näher erörterten – strafmildernden Umstände die strafschärfenden nicht erheblich überwiegen, wobei im Rahmen der erforderlichen Abwägung den einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und der gezielten Ausnutzung der Unsicherheit der älteren Geschädigten beim Umgang mit Geldautomaten besonderes Gewicht zukommt.
72Lediglich in Fall 10 ist die Kammer unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vom Regelstrafrahmen des § 263a Abs. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Eine Kompensation der Indizwirkung der beiden verwirklichten Regelbeispiele ohne Berücksichtigung der Versuchsmilderung kam aus den zu den übrigen Fällen erörterten Gründen nicht in Betracht. Die Kammer hat insoweit bedacht, ob anstatt des Regelstrafrahmens der gemilderte Strafrahmen der §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 1 StGB anzuwenden war, was aber angesichts des höheren Strafrahmens für den Angeklagten ungünstiger gewesen wäre.
73In Fall 21 hat die Kammer davon abgesehen, die Strafe gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Während in Fall 10 eine Gefahr für das Vermögen des Geschädigten nicht mehr bestand, weil die Karte bereits gesperrt war, wurde der Eintritt des Erfolgs in Fall 21 nur durch das zufällige Eingreifen eines Dritten verhindert.
742. Bei der Strafrahmenwahl und der Bemessung der Einzel- sowie der Gesamtstrafe hat die Kammer insbesondere folgende Umstände berücksichtigt:
75Erheblich zu Gunsten des Angeklagten fällt zunächst ins Gewicht, dass er frühzeitig, am ersten Hauptverhandlungstag, ein umfassendes und rückhaltloses Geständnis abgelegt und für Rückfragen in den nachfolgenden Hauptverhandlungstagen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat. Dies hat die Beweisaufnahme erheblich abgekürzt und den älteren Geschädigten eine Vernehmung in der Hauptverhandlung, die auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie problematisch gewesen wäre, erspart. Auch ansonsten hat sich der Angeklagte kooperativ verhalten und unter anderem der Verlesung zahlreicher Zeugenangaben aus dem Ermittlungsverfahren zugestimmt.
76Strafmildernd hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte glaubhaft Einsicht bekundet, sich für die Taten entschuldigt und seine Bereitschaft zur Zahlung einer Entschädigung an die Opfer mit Unterstützung seiner Familie angeboten hat.
77Strafmildernd hat sich weiter ausgewirkt, dass die Taten bereits zwei bis drei Jahre zurückliegen, seit Herbst 2018 keine Taten mehr bekannt geworden sind und dass mit den fortlaufenden Taten von einer sinkenden Hemmschwelle für die Begehung weiterer Taten auszugehen ist. Überdies war der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch sehr jung.
78Zu Gunsten des Anklagten war auch seine Tatmotivation zu werten. Er hat die Taten aufgrund des Drucks L begangen, wobei einschränkend zu berücksichtigen war, dass die Beute hälftig geteilt wurde, so dass dem Angeklagten aus den Taten auch erhebliche finanzielle Vorteile zugeflossen sind.
79Strafmildernd war ferner die Erstattung der Schäden durch die Kreditinstitute der Geschädigten zu berücksichtigen, gleichwohl es sich um eine bloße Schadenverlagerung handelt.
80Hinsichtlich der Fälle 10 und 21 war darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es insoweit jeweils bei einem Versuch blieb und kein Schaden eingetreten ist.
81Schließlich waren zugunsten des Angeklagten seine erhöhte Haftempfindlichkeit aufgrund seiner fehlenden Sprachkenntnisse, der Geburt seines zweiten Sohnes nach seiner Festnahme und die pandemiebedingten Einschränkungen der Haftbedingungen zu berücksichtigen.
82Strafschärfend hat sich dagegen das gesteigerte Maß an krimineller Energie ausgewirkt, das der Angeklagte bei der Tatbegehung zum Ausdruck gebracht hat. Der Angeklagte handelte im geschickten und abgestimmten Zusammenwirken mit dem gesondert Verurteilten L . Die Taten bereiteten sie aufwändig vor, indem sei ein Fahrzeug anmieteten und von Stadt zu Stadt reisten. Um die PINs und EC-Karten zu erlangen, wandten sie eine perfide Masche an, die darauf abzielte, die Unsicherheit und Gutgläubigkeit älterer Menschen auszunutzen. Insoweit war allerdings in den Fällen 9 und 10 einschränkend zu berücksichtigen, dass es sich um reine Verwertungstaten handelte, bei denen der Geschädigte gerade nicht angesprochen wurde.
83Strafschärfend waren zudem die einschlägigen Vorstrafen zu berücksichtigen.
84Strafschärfend fiel darüber hinaus der Gesamtschaden von knapp 27.000 EUR, auf den die Tatserie von vorn herein angelegt war, ins Gewicht. Insoweit hat sich auch der durch die unter B.III.1. festgestellten, nach § 154 StPO eingestellten weiteren Taten verursachte Schaden zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt.
85Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich weiter die Erfüllung von zwei Regelbeispielen bei jeder Tat aus.
86Zu Lasten des Angeklagten konnte auch die Einreise in das Bundesgebiet zwecks ausschließlicher Begehung von Straftaten gewertet werden.
873. Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer unter Berücksichtigung des jeweils entstandenen Schadens folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessen erachtet:
88Schaden |
Einzelstrafe: |
0 € |
6 Monate Freiheitsstrafe (Fall 10 – Versuch und Verwertungstat) |
unter 500 € |
1 Jahr Freiheitsstrafe (Fälle 14 und 21 (Versuch) + Fall 9, weil nur Verwertungstat) |
ab 500 € bis unter 1.000 € |
1 Jahr 3 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 9, 16 und 23) |
ab 1.000 € bis unter 1.500 € |
1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 6, 8, 20 und 22) |
ab 1.500 € |
1 Jahr 9 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 1 bis 5, 7, 11, 12, 13 und 15) |
Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer unter angemessener Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafe gebildet. Bei der Bemessung der Gesamtstrafe hat die Kammer alle bereits aufgeführten Strafzumessungserwägungen erneut gegeneinander abgewogen. Tat- und schuldangemessen und zur Erreichung sämtlicher Strafzwecke erforderlich, aber auch ausreichend erschien der Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von
903 Jahren und 6 Monaten,
91wobei der relativ kurze Tatzeitraum und die schnelle Abfolge der Taten einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen ermöglichten.
92Ein Nachteilsausgleich im Hinblick auf die fehlende Einbeziehbarkeit der Strafen aus den Verurteilungen der Autorité Judiciaire de Morges, Suisse, vom 00.00.0000 und des Tribunal Correctionnel de Marseille vom 00.00.0000 war dem Angeklagten unabhängig vom Vollstreckungsstand nicht zu gewähren. Hätte es sich bei der Verurteilung vom 09.01.2018 um eine deutsche Entscheidung gehandelt, hätte diese Zäsurwirkung gehabt, so dass vorliegend zwei Gesamtstrafen zu bilden gewesen wären mit der Folge einer für den Angeklagten höheren Gesamtsanktion. Ein Nachteilsausgleich war daher nicht geboten (vgl. BGH, Beschl. v. 12.01.2021, Az.: 1 StR 404/20, juris). Das Gesamtstrafübel hat die Kammer bei der Bildung der Gesamtstrafe bedacht.
93Eine Kompensation aufgrund der fehlenden Einbeziehbarkeit der durch das Inner London Crown Court am 00.00.0000 verhängten Strafe war ebenfalls nicht veranlasst, weil es für den Angeklagten keinen Nachteil darstellt, dass diese Strafe nicht in die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden kann. Während eine Einbeziehung grundsätzlich zu einer Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe geführt hätte, muss der Angeklagte nicht damit rechnen, die durch das Inner London Crown Court verhängte Strafe verbüßen zu müssen, weil diese zur Bewährung ausgesetzt ist und die Bewährungszeit bereits am 00.00.0000 abgelaufen ist.
94G.
95Einziehungsentscheidung
96Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 26.450,00 EUR beruht auf den §§ 73 Abs. 1, 73c StGB. Aus den Taten der hat der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 26.450,00 EUR erlangt. Er haftet insoweit gesamtschuldnerisch mit dem gesondert Verurteilten L , was im Tenor versehentlich nicht zum Ausdruck gebracht worden ist
97H.
98Kostenentscheidung
99Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.