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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Direktanspruchs gemäß § 115 VVG den Ersatz der von ihr aus Anlass des Versicherungsfalles ihres Versicherten H vom 11.10.2006 gewährten Leistungen, soweit diese dem Ausgleich der dem Versicherten der Klägerin entstandenen Schäden aus dem genannten Unfallereignis dienen und die daher gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf sie übergegangen sind.
3Der Versicherte der Klägerin, H , war zum Unfallzeitpunkt als Fachkraft für Qualitätswesen bei der Firma Q GmbH im Werk C beschäftigt. Bei diesem Betrieb handelte es sich zum Unfallzeitpunkt um ein Mitgliedsbetrieb der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (im Folgenden: BGFE), der heutigen Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (im Folgenden: BG ETEM).
4Der Versicherte der Klägerin, H , befand sich am 11.10.2006 gegen 15:40 Uhr auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Dabei befuhr er mit seinem Motorrad die K in XXXX W in Richtung N. Etwa in Höhe des dortigen „Netto“ - Einkaufsmarktes wurde dem Versicherten der Klägerin von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw-Fahrer S die Vorfahrt genommen, als dieser nach links auf einen Parkplatz einbiegen wollte und den Versicherten der Klägerin dabei übersah.
5Der Geschädigte erlitt bei dem Unfall eine Oberschenkeltrümmerfraktur rechts, eine Fraktur des fünften und sechsten Brustwirbelkörpers und ein Dezelerationstrauma mit dem Verdacht auf eine abdominelle Beteiligung. Der Pkw des Unfallverursachers war bei der E Versicherung AG haftpflichtversichert, die zu einem späteren Zeitpunkt von der Beklagten übernommen wurde.
6Mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten verband die BGFE ein sogenanntes Teilungsabkommen. Dieses Teilungsabkommen bezog sich auf Schadensersatzansprüche, die aus Anlass eines Schadensereignisses, das gleichzeitig einen Versicherungsfall in der Sozialversicherung darstellt, auf den Leistungsträger gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergehen.
7Die BGFE meldete daraufhin die auf sie gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenen Ersatzansprüche aus Anlass des Unfalles ihres Versicherten H mit dem als Anl. K2 beigefügten Schreiben vom 01.02.2007 bei der E Versicherung AG an.
8In der Folgezeit wurden die Ersatzansprüche der BGFE auf der Basis des zwischen dieser und der E AG bestehenden Teilungsabkommens reguliert. Dieses enthielt ein Aufwendungserstattungslimit von 55% (§2, Anlage xxx 1) und bis zu einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35% werden Aufwendungen durch die Berufsgenossenschaft nicht gegenüber der Beklagten regressiert.
9Mit dem als Anl. K3 beigefügten Bescheid der BG ETEM vom 14.09.2015 wurde die Q GmbH, der Arbeitgeber des Versicherten H , zum 01.01.2016 der Klägerin überwiesen. Damit wechselte auch die unfallversicherungsrechtlich entschädigungsrechtliche Zuständigkeit für die Q GmbH, denn diese folgt gemäß § 133 Abs. 1 SGB VII der Zuständigkeit für das Unternehmen, in dem diese tätig sind.
10Die Klägerin meldete daraufhin mit dem als Anl. K4 beigefügten Schreiben vom 22.06.2016 die auf sie aus Anlass des Unfalles ihres Versicherten H übergegangenen Ersatzansprüche an. Mit dem als Anl. K5 beigefügten Schreiben vom 04.09.2017 bezifferte sie gegenüber der Beklagten Heilbehandlungskosten i.H.v. 21,88 €, die von der Beklagten auch am 14.09.2017 ausgeglichen wurden.
11Aufgrund der Verletzungsfolgen des Unfalles vom 11.10.2006 sind dem Geschädigten Verletzungsfolgen am rechten Bein, rechten Kniegelenk, fünften Brustwirbelkörper, an der Lunge sowie eine psychische Beeinträchtigung verblieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Seite 5 der Klageschrift verwiesen. Aufgrund der Verletzungsfolgen erhält der Geschädigte eine monatliche Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 % in Höhe von 973,86 € von der Klägerin als zuständige Berufsgenossenschaft. Nach Auskunft der Firma Q GmbH erlitt der Verletzte keine Einkommenseinbußen, die auf das Unfallereignis vom 11.10.2006 zurückgeführt werden könnten.
12Die Klägerin behauptet, dass dem Geschädigten jedoch unfallkausal ein Haushaltsführungsschaden aufgrund der Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 35% - welche ebenfalls streitig ist - entstanden sei. Er habe vor der Verletzung ca. 20 Stunden in der Woche Haushaltstätigkeiten durchführen können. Eine Ersatzkraft müsse ca. 10 Stunden aufwenden, um das durch die Verletzungsfolgen des Unfalles bedingte Defizit in der Haushaltsführung auffangen zu können. Daraus folge einmonatlicher Ersatzanspruch von 119,43 EUR monatlich für das Jahr 2017, insgesamt 1433,16 EUR, und i.H.v. 117,09 EUR monatlich für das Jahr 2016, insgesamt 1405,08 EUR. Daraus ergibt sich die Höhe der Forderung des Antrags zu 1) i.H.v. 2838,24 EUR.
13Die Klägerin ist der Ansicht, dass das zwischen der Beklagten und der BG ETEM geschlossene Teilungsabkommen, welches einen Ersatz des geltend gemachten Ersatzanspruches ausschließt, da entsprechend dem Teilungsabkommen ein Ersatz der Rentenleistungen bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 % nicht vorgesehen ist, vorliegend zwischen den Parteien nicht anwendbar sei. Aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse gelte das Teilungsabkommen als Rahmenvertrag lediglich zwischen dem Haftungsversicherer und der Berufsgenossenschaft, mit der dieses Teilungsabkommen ursprünglich geschlossen wurde. Geht der Anspruch aufgrund eines Wechsels der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft gemäß § 116 Abs. 1 SGB X analog auf eine andere Berufsgenossenschaft über, so gelte das Teilungsabkommen im Rechtsverhältnis zwischen der neuen Berufsgenossenschaft und der Haftpflichtversicherung nicht mehr.
14Die Klägerin beantragt,
151. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2838,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen.
162. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Wege des Rechtsüberganges gemäß § 116 SGB X nach einer Haftungsquote von 100 % über den Leistungsantrag hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, soweit diese dem Ersatz derjenigen Schäden dienen, die ihres Versicherten H aus dem Unfallereignis vom 11.10.2006 bisher erwachsen sind und weiter erwachsen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte ist der Ansicht, dass Rentenleistungen, die aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt werden, erst erstattungsfähig seitens der Beklagten sind, wenn die Minderung mindestens 40% beträgt. Die Klägerin müsse sich als Rechtsnachfolgerin der BG ETEM die Regelung des Teilungsabkommens ebenfalls entgegenhalten lassen. Darüber hinaus sei die Haftungsquote von 55% gemäß Teilungsabkommen-Limit zu beachten.
20Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.
21Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24Antrag zu 1)
25Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.838,24 EUR gemäß §§ 115 VVG, 7, 18 StVG, 116 Abs. 1 SGB X .
26Die Forderung, basierend auf einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35% ist nach § 4 Abs. 1 des zwischen der BGFE und der E -Versicherung AG im Jahr 2005 geschlossenen Teilungsabkommmens, Anlage xxx 1, Bl. 91ff. d.A., nicht regressfähig, da erst Rentenleistungen ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 40% seitens der Beklagten erstattet werden, solange die Aufwendungen für den Geschädigten insgesamt nicht 150.000 EUR übersteigen. Dieses Teilungsabkommen wirkt auch zwischen den an diesem Rechtsstreit beteiligten Parteien.
27Im Einzelnen:
28Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie erlangt ihre Aktivlegitimation analog § 116 Abs. 1 SGB X. Bei einem Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeit gehen die Ersatzansprüche kraft Gesetzes auf den nun zuständigen Sozialversicherungsträger über, sofern die geschuldeten Versicherungsleistungen gleichartig sind (BGH, Urteil vom 01.07.2014, VI ZR 391/13). Dabei erlangt der nachfolgende Sozialversicherungsträger die Forderung(en) in dem Zustand, in dem sie sich bei Rechtsübergang befindet. Hierbei kann es keinen Unterschied machen, ob die Forderung auf einen Gesamtrechtsnachfolger wie die BG ETEM anstelle der BGFE oder im Rahmen eines einzelnen Forderungsübergangs per Legalzession anlässlich der Zuweisung eines Unternehmens zu einer anderen Berufsgenossenschaft wie der Klägerin anstelle der BG ETEM übergeht.
29Zwar ist der Klägerseite zuzustimmen, dass Vereinbarungen wie ein Teilungsabkommen grundsätzlich im vertraglichen Kontext aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse lediglich inter partes wirken. Bei einem gesetzlichen ebenso wie einem gewillkürten Forderungsübergang im Falle der Abtretung haften der einzelnen Forderung jedoch alle diesbezüglich getroffenen Vereinbarungen zwischen dem alten Gläubiger und dem Schuldner an, da der Zessionar die Forderung im Zustand zum Zeitpunkt des Forderungsübergangs derart übernimmt, wie er sie vorfindet (BGH, Urteil vom 01.07.2014, VI ZR 391/13).
30Das Teilungsabkommen stellt auch keinen Rahmenvertrag dar, der vollkommen losgelöst von der einzelnen Forderung ausschließlich bei einer Abwicklung der Ansprüche zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgern Wirkung entfalten sollte. Vielmehr stellt das Teilungsabkommen in Bezug auf die einzelne Forderung einen Erlassvertrag in Bezug auf einen bestimmten prozentualen Anteil dar.
31Dagegen spricht auch nicht § 10 des streitgegenständlichen Teilungsabkommens, vgl. S. 5 des Teilungsabkommens, Bl. 95 der Gerichtsakte. Der Regelungsbereich der Vereinbarung ist nicht eröffnet. Die Parteien treffen keine Vereinbarung darüber, ob auf eine Forderung die Regelungen des Teilungsabkommens auch bei Übergang der Forderung auf einen Dritten als neuen Gläubiger anwendbar bleiben. Die Vertragsparteien regeln lediglich die Frage, ob das Abkommen anwendbar ist, wenn die Berufsgenossenschaft und die Haftpflichtversicherung als Vertragsparteien des Teilungsabkommens am Unfalltag (noch) nicht leistungspflichtig waren, sondern dieses erst durch Rechtsnachfolge zu einem späteren Zeitpunkt werden. Im Falle, dass die Vertragspartner des Teilungsabkommens durch Rechtsnachfolge nicht mehr Gläubiger und Schuldner sind, gilt daher die gesetzliche Regelung, §§ 404, 412 BGB. In diesem Sinne wurde auch zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der BG ETEM, als Rechtsnachfolgerin der BGFE (ursprüngliche Vertragspartnerin des Teilungsabkommens) und der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der E -Versicherung-AG (ebenfalls ursprüngliche Vertragspartnerin des Teilungsabkommens) verfahren. Warum die Beklagte sich gegenüber einer Gesamtrechtsnachfolgerin der Berufsgenossenschaft auf Gläubigerseite in Bezug auf die Forderungshöhe auf das Abkommen berufen können soll, nicht jedoch gegenüber einer Rechtsnachfolgerin in Bezug auf eine einzelne Forderung, überzeugt nicht.
32Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die BG ETEM mit der Beklagten keinen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter geschlossen. Vielmehr muss sich der Zessionar einer Forderung grundsätzlich alle Einwendungen entgegen halten lassen, die der Schuldner gegenüber dem Zedenten hätte erheben können, § 404 BGB. Diese Vorschrift ist auf die Legalzession entsprechend anwendbar, § 412 BGB. Insoweit § 116 Abs. 1 SGB X durch richterliche Rechtsfortbildung auf die vorliegende Konstellation eines Wechsels der zuständigen Berufsgenossenschaft für den Betrieb des im Rahmen eines Wegeunfalls Geschädigten entsprechend angewendet werden kann, so rechtfertigt dies keine Abweichung von §§ 404, 412 BGB. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs führt zu einer vereinfachten Regressmöglichkeit der eintrittspflichtigen Berufsgenossenschaft gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners für Fälle der Neuzuordnung eines Betriebes zu einer anderen Berufsgenossenschaft, ohne dass es einer vertraglichen Abtretungsvereinbarung zwischen der ehemalig und der nunmehr zuständigen Berufsgenossenschaft bedürfte. Dies kann jedoch nicht zulasten des Haftpflichtversicherers, also der Beklagten, gehen. Würde der Anspruch mangels Anwendbarkeit des zwischen der ehemaligen Berufsgenossenschaft und der Schuldnerin vereinbarten Teilungsabkommens wieder in voller Höhe bestehen, die neue Berufsgenossenschaft jedoch gleichzeitig von der Hemmung der Verjährung nach § 212 durch Zahlungen der Haftpflichtversicherung auf die Forderung an die ehemalige Berufsgenossenschaft profitieren, so würde die Haftpflichtversicherung unangemessen benachteiligt, da die Klägerseite sich einerseits auf die Kontinuität der Vertragsbeziehung für verjährungshemmende Eigenschaften stützen könnte, jedoch andererseits die Forderung in dem Zustand ihrer Entstehung im Jahr 2006 erhalten würde.
33Die Nebenforderung trägt das Schicksal der Hauptforderung.
34Antrag zu 2)
35Der Antrag ist zulässig; ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO besteht.
36Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der zukünftigen Haftung zu 100% im Rahmen des streitgegenständlichen Unfallereignisses. Auf obige Ausführungen wird verwiesen.
37Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
38Der Streitwert wird auf bis zu 8000 EUR festgesetzt.
39Rechtsbehelfsbelehrung:
40Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.