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Die Beschwerde vom 19.05.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 11.04.2020 (Az. 506 Gs 703/20) wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Gründe:
21. Die Beschwerde vom 19.05.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 11.04.2020 (Az. 506 Gs 703/00) ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin in dem gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahren ergibt sich daraus, dass sie als Provider des in dem Beschluss genannten E-Mail-Postfachs „entfernt@entfernt.com“ von dem angegriffenen Beschluss betroffen ist, § 304 Abs. 2 StPO.
32. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
4a) Die Beschwerdeführerin wendet sich ausweislich ihrer Beschwerdebegründungen vom 19.05.2020 und 15.06.2020 gegen die unter Buchstaben b)-d) getroffenen Anordnungen des Beschlusses des Amtsgerichts Köln vom 11.04.2020. Durch diesen Beschluss ist
5- die vollständige Überwachung, Aufzeichnung und Ausleitung (Übermittlung) der ein- und ausgehenden E-Mails für die Dauer von drei Monaten (§ 100a StPO),
6- die Erhebung und technische Ausleitung (Übermittlung) der künftig anfallenden Verkehrsdaten in Form der geloggten IP-Adressen für die Dauer von drei Monaten (§ 100g StPO) und
7- die Erhebung und technische Ausleitung (Übermittlung) sämtlicher noch vorhandener retrograden Verkehrsdaten in Form der geloggten IP-Adressen (§ 100g StPO)
8im Hinblick auf das E-Mail-Postfach " entfernt@entfernt.com " angeordnet worden. Zur Begründung führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass der Anwendungsbereich der §§ 100a, 100g StPO nicht eröffnet sei, da sie keine Telekommunikationsdienstleistungen erbringe und hieran auch nicht mitwirke. Die unter Buchstabe a) des Beschlusses angeordnete Beschlagnahme des E-Mail-Postfaches wird von der Beschwerdeführerin hingegen nicht beanstandet.
9b) Die von dem Amtsgericht Köln im Beschluss vom 11.04.2020 angeordneten Maßnahmen sind rechtmäßig.
10Soweit in dem angefochtenen Beschluss unter Buchstabe b) die Überwachung, Aufzeichnung und Ausleitung der ein- und ausgehenden E-Mails für die Dauer von drei Monaten angeordnet wurde, findet dies seine Rechtsgrundlage in § 100a StPO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Erpressung gemäß § 253 StGB, die Gegenstand des gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahrens ist, stellt eine Katalogtat i.S.v. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe k) StPO dar.
11Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 100a Abs. 4 StPO als Betreiberin eines internetbasierten E-Mail-Dienstes (sog. Over-the-Top-Dienst oder OTT) auch zur Umsetzung dieser Anordnung verpflichtet. Gemäß § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Diese Voraussetzungen liegen vor, denn die Beschwerdeführerin wirkt jedenfalls an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten mit. Insofern ist die Beschwerdeführerin zur Mitwirkung verpflichtet, auch wenn sie unter Zugrundelegung des Urteils des EuGH vom 13.06.2019 (Az. C-193/18, juris) als Anbieter eines sog. „Over-the-Top-Dienstes“, der lediglich E-Mail-Dienste ohne gleichzeitige Vermittlung eines Internetzugangs anbietet, nicht als Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen i.S.v. § 3 Nr. 24 TKG anzusehen ist. Denn Adressat der Mitwirkungspflicht gemäß § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO ist nicht nur derjenige, der (eigenständig) Telekommunikationsdienste erbringt, sondern dem Wortlaut nach auch derjenige, der lediglich daran mitwirkt. Auch wenn der Dienst eines OTT-Anbieters nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht (i.S.v. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG), ist zu berücksichtigen, dass der Erbringer eines internetbasierten E-Mail-Dienstes gleichwohl eine Übertragung von Signalen vornimmt, indem er den E-Mail-Adressen die IP-Adressen der entsprechenden Endgeräte zuordnet oder die versendeten und empfangenen, in Datenpakete zerlegten E-Mails über seine E-Mail-Server in das offene Internet einspeist und aus diesem empfängt (EuGH, Urt. v. 13.06.2019 – C-193/18, juris, dort Tz. 34, 37). Insofern wirkt der OTT-Anbieter zugleich an der Erbringung (fremder) Telekommunikationsdienste mit, weshalb er gemäß § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO zur Mitwirkung verpflichtet ist (so auch LG München I, Beschluss vom 04.12.2019 – 9 Qs 15/19, MMR 2020, 336; LG Köln, Beschluss vom 19.02.2020 - 323 Qs 10/20; a.A. LG Hannover, Beschluss vom 04.06.2020, 46 Qs 26/20 und 46 Qs 27/20). Hierfür spricht neben dem Wortlaut des § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO, der den Kreis der Adressaten nicht allein auf die Erbringer von Telekommunikationsdiensten beschränkt, auch der Gesetzeszweck der Vorschrift, eine möglichst effiziente Umsetzung der Überwachungsmaßnahme zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 16/5846, S. 47). Insofern dient die Vorschrift, welche – gleichlautend – zunächst als § 100b Abs. 3 Satz 1 StPO eingeführt worden ist, der Umsetzung des „Übereinkommens über Computerkriminalität“ vom 23.11.2001, dessen Vertragsparteien sich in Art. 17 (i.V.m. Art. 16) in Bezug auf Verkehrsdaten verpflichten, die erforderlichen (gesetzgeberischen) Maßnahmen zur umgehenden Sicherung und (teilweisen) Weitergabe von Verkehrsdaten durch die Dienstanbieter zu treffen. Der Begriff des Dienstanbieters umfasst hier gemäß Art. 1 Buchst. c. des Übereinkommens nicht nur jede öffentliche oder private Stelle, die es Nutzern ihres Dienstes ermöglicht, mit Hilfe eines Computersystems zu kommunizieren, sondern darüber hinaus auch jede andere Stelle, die für einen solchen Kommunikationsdienst oder für seine Nutzer Computerdaten verarbeitet oder speichert. Auf die Beschwerdeführerin als Erbringerin eines internetbasierten E-Mail-Dienstes, welche für ihre Nutzer Computerdaten auf ihren Servern verarbeitet und speichert, trifft letzteres zu (vgl. LG Köln, Beschluss vom 19.02.2020 - 323 Qs 10/20).
12c) Soweit in dem angegriffenen Beschluss unter Buchstabe c) die Erhebung und technische Ausleitung (Übermittlung) der künftig anfallenden Verkehrsdaten in Form der geloggten IP-Adressen für die Dauer von drei Monaten und unter Buchstabe d) die Erhebung und technische Ausleitung (Übermittlung) sämtlicher noch vorhandener retrograden Verkehrsdaten in Form der geloggten IP-Adressen angeordnet wurde, finden diese Anordnungen ihre Rechtsgrundlage in § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2, Abs. 2 StPO i.V.m. § 101a StPO, welche die Zulässigkeit der Erhebung von Verkehrsdaten i.S.v. § 96 TKG regeln.
13Die Erhebung von IP-Adressen stellt eine Erhebung von Verkehrsdaten i.S.v. § 96 Abs. 1 Nr. 1 TKG dar, da es sich bei der IP-Adresse um eine Kennung eines im Rahmen der Telekommunikation beteiligten Anschlusses handelt. Soweit es vorliegend um die Erhebung von IP-Adressen geht, die auf einer Kommunikation des Benutzers des E-Mail-Accounts beruhen und die auf dem Mailserver der Beschwerdeführerin gespeichert sind, geht hiermit ein Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis einher (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.06.2009 – 2 BvR 902/06, juris, dort Tz 46ff.). Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine längerfristige Maßnahme mit dem Ziel handelt, eine bisher unbekannte Person zu identifizieren und deren geographischen Standort zu ermitteln, gebietet die Eingriffsintensität der Maßnahme, diese an den – im Vergleich zu den §§ 94ff. strengeren – Maßstäben des § 100g StPO zu messen. Ob derjenige, bei welchem die Erhebung der IP-Adressen erfolgen soll, selbst Telekommunikationsdienste i.S.v. § 3 Nr. 24 TKG erbringt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn auch wenn die Erhebung von Verkehrsdaten in der Regel allein bei dem Telekommunikationsdienstleister erfolgt und dementsprechend die nachfolgende Abfrage durch die Ermittlungsbehörden den Regelfall darstellt, ist eine Erhebung auf anderem Weg durch den Wortlaut der Vorschrift mit umfasst (BGH, Beschl. v. 23.09.2014 – 1 BGs 210/14, juris, dort Tz. 12).
14Die Beschwerdeführerin ist aufgrund der gerichtlichen Anordnung auch verpflichtet, die Erhebung und Übermittlung der geloggten IP-Adressen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Die entsprechende Verpflichtung ergibt sich aus § 101a Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach bei Erhebungen von Verkehrsdaten nach § 100g StPO u.a. die Vorschrift des § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO entsprechend gilt, welche ihrerseits eine Mitwirkungspflicht für jeden, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, statuiert. Insofern ist die Beschwerdeführerin zur Mitwirkung verpflichtet, da sie - wie soeben unter Ziffer 2 b) dargelegt - an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten mitwirkt. Die entsprechenden Anordnungen gemäß § 100g StPO im Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 11.04.2020 sind daher ebenfalls rechtmäßig.
153. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.