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Die Angeklagte L wird wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in acht Fällen, wobei es in einem Fall (Fall 6 der Anklage) beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und elf Monaten verurteilt.
Der Angeklagte C wird wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen, wobei es in einem Fall (Fall 6 der Anklage) beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten.
Gegen die Angeklagte L wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 219.925 €, gegen den Angeklagten C in Höhe von 197.000 € angeordnet.
Hinsichtlich eines Betrages von 197.000 € haften beide als Gesamtschuldner.
Angewandte Vorschriften:
§§ 263 Abs. 1, 5, 22, 23, 25 Abs. 2, 49, 53, 54, 73 Abs. 1, 73c, 73d Abs.1 StGB
Gründe:
Die Angeklagte L wurde am 00.00.0000 in Szceczin/Polen geboren. Sie gehört, wie der Mitangeklagte C , der Bevölkerungsgruppe der Roma an. Die ersten beiden Lebensjahre wuchs sie bei ihren Eltern auf. Im Alter von drei Jahren gaben ihre Eltern die Angeklagte L zu ihrer Tante, wo sie bis zu ihrem siebten Lebensjahr lebte. Mit 7 Jahren zog sie wieder zu ihren Eltern, die nun in Frankfurt a.M. lebten. Dort blieb sie jedoch nur ein Jahr und kehrte im Alter von acht Jahren wieder zu ihrer Tante nach Polen zurück, weil sie sich fremd fühlte und sich nicht mit ihren Geschwistern verstand. In Polen lebte die Angeklagte bis ungefähr zu ihrem 14. Lebensjahr. Danach zog sie erneut zu ihrem Vater, der nun nach der Trennung von L s Mutter in Köln lebte. Während der gesamten Zeit hatte sie keine Schule besucht. Auch nach der Rückkehr in Deutschland wechselte L häufig ihren Wohnort und lebte zeitweise etwa bei ihrer Mutter oder einer ihrer Schwägerinnen, beide ebenfalls in Deutschland wohnhaft. Kurz vor der Inhaftierung im November 2019 lebte sie zeitweise bei einem Bekannten und bei dem Mitangeklagten C .
3Im Alter von 14 Jahren lernte die Angeklagte L ihren Ehemann kennen. Als L 18 Jahre alt war, heirateten beide standesamtlich. 2012 wurde die Ehe geschieden. Das Zusammenleben war von häuslicher Gewalt geprägt; zudem war L s Ehemann alkohol- und drogenabhängig. Aus der Ehe gingen vier Kinder – zwei Söhne (17 und 12 Jahre) und zwei Töchter (16 und 14 Jahre) – hervor. Im Jahr 2012, also im Jahr der Scheidung, nahm das Jugendamt die Kinder in staatliche Obhut. Die Kinder leben derzeit bis auf den jüngsten Sohn, der in eine Pflegefamilie aufgenommen wurde, im Heim. Zum Zeitpunkt der Taten lebte L in einer losen Liebesbeziehung mit einer Person namens „M “, deren genaue Identität die Kammer nicht feststellen konnte. Darüber hinaus pflegte sie Liebesbeziehungen zu weiteren, ebenfalls nicht näher identifizierbaren Männern, bei denen sie auch im Tatzeitraum übernachtete.
4L s Eltern sind beide berufstätig. Der Vater lebt in Polen und verkauft dort Bekleidung. Die Mutter lebt in Frankfurt a.M. und betreibt einen Kiosk. L hat vier Geschwister: zwei Brüder (40 und 30 Jahre alt) und zwei Schwestern (38 und 31 Jahre alt). Nur die jüngere Schwester lebt in Deutschland, die restlichen Geschwister leben in Schweden.
5In der Vergangenheit litt L zeitweise an Depressionen, diese wurden jedoch 2014/2015 mit einer Psychotherapie erfolgreich behandelt. Seitdem besteht auch wieder am Wochenende oder in den Schulferien Kontakt mit ihren Kindern.
6Die Angeklagte L kann kaum lesen und schreiben. Sie hat keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Lediglich in den Jahren 2017 und 2018 arbeitete sie zeitweise als mobile Altenpflegerin. Diese Arbeit gab sie jedoch auf, weil sie mit der Betreuung ihrer Kinder in den Schulferien nicht zu vereinbaren war.
7Die Angeklagte L ist – teilweise einschlägig – vorbestraft. Ihr Bundeszentralregisterauszug vom 04.09.2020 enthält 8 Eintragungen.
8Mit Strafbefehl vom 08.02.2006 verurteilte das Amtsgericht Köln (Az. 526 Ds 789/05) sie wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je zehn €. Der Strafbefehl ist seit dem 01.03.2006 rechtskräftig. Das Gericht hat insoweit festgestellt, dass L im Zeitraum vom 8.04. bis 14.04.2005 im Toom-Markt in Köln-Kalk Waren, jeweils im Wert von unter 100 €, eingekauft und mittels Lastschriftverfahren bezahlt hatte in der Kenntnis, dass das Konto nicht gedeckt war. L kam es darauf an, die Waren unentgeltlich zu erhalten.
9Es folgten weitere Verurteilungen wegen Diebstahls, im Einzelnen:
10- Strafbefehl des Amtsgerichts Köln vom 26.02.2007 (Az. 528 Cs 125/07), rechtskräftig seit dem 16.03.2007, Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 €;
11- Strafbefehl des Amtsgerichts Köln vom 02.06.2009 (Az. 529 Cs 413/09), rechtskräftig seit dem 18.08.2009, Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 €;
12- Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.04.2010 (Az. 528 Ds 40/10), rechtskräftig seit dem 22.04.2010, Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 4 €;
13- Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.11.2011 (Az. 528 Ds 743/11), rechtskräftig seit dem 15.12.2011, Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 €;
14- Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.06.2012 (Az. 529 Ds 406/12), rechtskräftig seit dem 14.12.2012, Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 €.
15Weiterhin verurteilte das Amtsgericht Köln die Angeklagte L wegen Erschleichens von Leistungen gem. § 265a StGB zwei weitere Male, im Einzelnen:
16- Urteil des Amtsgericht Köln vom 21.05.2013, rechtskräftig seit dem 11.06.2013, Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 €;
17- Urteil des Amtsgericht Köln vom 24.02.2014, rechtskräftig seit dem 04.03.2014, Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 €.
18Alle Geldstrafen waren zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vollständig bezahlt bzw. durch freie Arbeit verbüßt.
Der Angeklagte C , der in Romakreisen auch L1 oder G genannt wird, wurde am 00.00.0000 in Biskupiec/Polen geboren. Als C ungefähr fünf Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Seine leibliche Mutter, die C erst ca. 2014 kennen lernte, verließ die Familie ebenso wie C s Vater. Dieser kehrte nach Italien zurück, wo er herstammte. C wuchs gemeinsam mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester bis ungefähr 1995 bei seiner Tante in Polen auf. Im Anschluss wurde er aufgrund einer Erkrankung der Tante zu seiner Großmutter väterlicherseits nach Köln geschickt. Die Vormundschaft über C übte zu dieser Zeit das Jugendamt der Stadt Köln aus. Ungefähr 1998 kam auch C s Vater nach Köln – gemeinsam mit einer M1 T , welche der Vater als Mutter des C und seiner jüngeren Schwester ausgab. Teilweise lebte C in der Folgezeit weiter bei seiner Großmutter, teilweise bei seinem Vater und der vermeintlichen Mutter M1 T . Auf Veranlassung des Jugendamtes, das weiterhin die Vormundschaft innehatte, wurde 2001 geklärt, dass diese nicht seine leibliche Mutter war. Aus der Beziehung zwischen C s leiblichem Vater und M1 T stammt ein Halbbruder C s (geb. 0000), zu dem er Kontakt hält.
20Ungefähr 1998 lernte C seine spätere Ehefrau kennen und begann eine Beziehung mit ihr. 2013 heirateten beide standesamtlich, 2016 wurde die Ehe wieder geschieden. Aus der Ehe gingen zwei Töchter (18 und 17 Jahre) und ein Sohn (11 Jahre) hervor.
21Im Jahr 2014 nahm C , der dies schon zuvor erfolglos versucht hatte, gemeinsam mit seiner Schwester Kontakt zur leiblichen Mutter beider auf, die mittlerweile in Berlin lebte. Zu ihr hält er weiterhin losen Kontakt.
22Als C 1995 nach Deutschland kam, hatte er weder einen Kindergarten noch eine Schule besucht. Er sprach kein Deutsch und erlernte die Sprache in einer Vorbereitungsschule. Danach besuchte er die Hauptschule, wo er im Jahr 2000 seinen Abschluss machte. Im Jahr 2002 begann er eine Ausbildung zum Bau- und Metallmaler, die er 2005 mit der Gesellenprüfung abschloss. Sodann war er zunächst von 2005 bis 2007 bei der Firma H im Bereich der Metallverarbeitung tätig und wechselte dann 2007 zu den G1, wo er erst als Werkzeugmacher und dann nach Fortbildungen ab 2011 als Konstruktionsmechaniker im Bereich des Prototyp-Modellbaus arbeitete. Aufgrund einer COPD-Erkrankung (s.u.) konnte C jedoch nicht mehr an der Fräsmaschine eingesetzt werden und wurde betriebsintern versetzt. Auch im Folgenden fiel C krankheitsbedingt häufig aus, so dass es zum 01.01.2020 zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung mit G1 gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 78.500 € kam. Aufgrund einer Kontopfändung i.H.v. 65.000 € erhielt C hiervon jedoch nur 13.500 €.
23C ist seit seinem elften Lebensjahr Asthmatiker und leidet an der Lungenkrankheit COPD, die während seiner Beschäftigung bei G1 auftrat. Die Krankheit brachte mehrere Phasen der Arbeitsunfähigkeit verbunden mit Aufenthalten in Reha-Kliniken mit sich. Außerdem wurde C aufgrund seiner Erkrankung ein Schwerbehindertenausweis (GdB 60%) ausgestellt. C leidet zudem an einer Stoffwechselerkrankung, einer Erkrankung der Schilddrüse, Gicht, Rheuma und Bluthochdruck. Alle vorgenannten Krankheiten werden medikamentös behandelt, verursachen ihm aber dennoch Beschwerden (Atemschwierigkeiten, Knochenschmerzen, Sehstörungen).
24Im Jahr 2014 begann C , Drogen und Alkohol zu konsumieren. Wöchentlich nahm er ungefähr 5 Gramm Kokain und 10-25 Gramm Cannabis sowie ungefähr eine Flasche Whiskey pro Tag zu sich. Gerade der Alkoholkonsum führte zu Problemen C s bei der Arbeit. Auch verhielt er sich zunehmend aggressiv gegenüber seiner Ehefrau. Beide Suchterkrankungen ließ C stationär behandeln. Betäubungsmittel nimmt er seit 2018 nicht mehr, Alkohol trinkt er noch gelegentlich. Während und vor den nachfolgend unter 2. dargestellten Taten konsumierte C keinen Alkohol.
25Der Angeklagte C ist vorbestraft. Sein Bundeszentralregisterauszug vom 04.09.2020 weist 7 Vorverurteilungen aus.
26Am 19.05.2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Köln wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (XTC) (Az. 585 Ls 80/09) zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Das Urteil wurde am 10.03.2008 rechtskräftig. Die Strafe wurde zum 02.08.2013 erlassen.
27Am 28.03.2012 verurteilte ihn das Amtsgericht Köln (Az. 523 Ds 44/12) rechtskräftig wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchter mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 €.
28Mit Strafbefehl vom 13.01.2014, rechtskräftig seit demselben Tag, verurteilte das Amtsgericht Köln C unter dem Az. 523 Cs 728/13 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 30 €.
29Ebenfalls im Jahr 2014, am 03.07.,verurteilte ihn das Amtsgericht Bonn (Az. 810 Ds 26/14) wegen vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 €. Das Urteil wurde am 19.08.2014 rechtskräftig.
30Aus dieser Geldstrafe und der vorgenannten Geldstrafe des Amtsgerichts Köln vom 13.01.2014 wurde durch Beschluss vom 01.04.2015 durch das Amtsgericht Bonn nachträglich eine Gesamtstrafe von 180 Tagessätzen zu je 20 € gebildet.
31Am 13.05.2015 verurteilte das Amtsgericht Köln C per Strafbefehl wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25 € (Az. 525 Cs 272/15), am 11.06.2015 verurteilte ihn das Amtsgericht Köln wegen Körperverletzung (Az. 525 Cs 317/15) zu einer weiteren Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 €. Mit Beschluss vom 22.01.2016 bildete das Amtsgericht Köln aus den vorgenannten Geldstrafen eine Gesamtgeldstrafe von 85 Tagessätzen zu je 20 €.
32Schließlich verurteilte ihn das Amtsgericht Köln mit Strafbefehl vom 11.04.2018 (Az. 523 Cs 44/18), rechtskräftig seit dem 19.04.2018, wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 €.
33Alle Geldstrafen waren zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vollständig bezahlt.
Im Zeitraum von Juli bis November 2019 begingen die Angeklagten gemeinsam mit weiteren unbekannten Mittätern mehrere Taten nach dem Modus Operandi „Enkeltrick“.
35Hierbei handelt es sich allgemein um folgende Vorgehensweise:
36In der Regel unbekannte Täter mutmaßlich mit Sitz in Polen (sog. Keiler) rufen Personen aus dem Telefonbuch mit alt klingenden Vornamen an; in Einzelfällen werden die Anrufe auch aus Deutschland getätigt. Die Keiler erzählen den Angerufenen eine Legende, die stets den Kern enthält, dass der Anrufer eine dem Opfer nahestehende Person (z.B. Enkel) sei und sich in einer Notlage befinde (Autokauf, Hauskauf, Unfall). Um diese aufzulösen, werde dringend ein größerer Geldbetrag benötigt, um den das Opfer gebeten wird. Der Name der nahestehenden Person wird von den Keilern zu Beginn des Gesprächs geschickt herausgefragt und danach im Gespräch weiter verwendet. Nachdem sich die Opfer auf Drängen der Keiler dazu bereit erklären, Geld oder andere Vermögenswerte an die vermeintlich nahestehende Person zu übergeben, wird ein Treffen vereinbart. Die Opfer haben das Geld entweder zu Hause bereit oder holen es von der Bank. Aus diesem Grund sind insbesondere Donnerstage und Freitage bei den Tätern als Tatzeitpunkte beliebt, da die Banken im Anschluss über das Wochenende geschlossen haben und hierdurch die Drucksituation bei den Opfern gesteigert wird. Den Opfern wird regelmäßig (aber nicht immer) vorgespielt, dass die nahestehende Person selbst zum Treffen erscheint. In diesem Fall werden die Opfer kurz vorher informiert, dass die nahestehende Person nicht erscheinen könne (z.B. wegen eines Verkehrsstaus) und aus diesem Grund eine andere Person geschickt werde.
37Während der langen Telefongespräche mit den Opfern, was der psychischen Zermürbung selbiger dient, setzen sich die Keiler parallel mit Kontaktpersonen aus Deutschland in Verbindung. Diese sind vor Ort und können Abholungen organisieren (sog. Logistiker). Die Logistiker holen das Geld entweder selbst ab (Regelfall) oder delegieren die Abholung an eine andere untergeordnete Person. Sie selbst fungieren dann nur als Fahrer. Der Fahrer bringt den Abholer direkt zum mit dem Opfer vereinbarten Treffpunkt oder zu einem vorgelagerten Ort. Von diesem fährt der Abholer das letzte Stück in der Regel mit einem unbeteiligten Verkehrsmittel (z.B. Taxi). Dies dient der Verwischung von Spuren und der Erschwerung der Verfolgung. Der Kontakt zwischen den Beteiligten erfolgt über Wegwerf-Handys und Prepaid-Karten, die oft getauscht werden. Die Kommunikation der Täter untereinander ist daher nur schwer bis gar nicht nachverfolgbar. Eigene private Handys werden dagegen regelmäßig ausgeschaltet; während der Tatbegehung ist dieser Kommunikationsweg zwischen den Tätern unerwünscht, da die privaten Telefone von den Tätern über längere Zeit genutzt werden und somit eine Zuordnung zu den tatsächlichen Nutzern für die Ermittlungsbehörden leichter ist.
38Der Abholer begibt sich im Folgenden zu dem mit dem Opfer vereinbarten Treffpunkt. Dort übergibt das Opfer Geld und/oder andere Wertgegenstände entweder freiwillig oder – bei einer Weigerung – nachdem weiterer Druck ausgeübt wird. Zu diesem Zweck hält der Abholer die vermeintlich nahe stehende Person (tatsächlich den Keiler) oftmals in einer laufenden Verbindung am Mobiltelefon. Dieses wird dem Opfer übergeben und der Keiler führt die Legende weiter aus (z.B., dass der Enkel sich umbringt, wenn er das benötigte Geld nicht erhalte; teilweise wird auch Weinen und Verzweiflung simuliert). Diese Maßnahme dient dazu, durch dauerhafte Telefongespräche und einer Dramatisierung der Situation den Druck/Stress auf die betagten Opfer zu erhöhen.
39Nach der Geldübergabe kehrt der Abholer (wiederum in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln) zum Logistiker, sofern dieser nicht persönlich die Abholung durchgeführt hat, zurück. Das Geld wird im Anschluss geteilt bzw. der Logistiker entnimmt seinen Anteil. Üblich ist hier eine grundsätzliche Teilung von 50% der Beute zugunsten der Logistiker und 50% zugunsten der Keiler in Polen. Wie diese Anteile im Folgenden weiterverteilt werden, hängt davon ab, wie viele Personen jeweils auf der entsprechenden Seite beteiligt sind. Der Logistiker jedenfalls sorgt für den Weitertransport der Beute zu den Hintermännern in Polen. Dies geschieht entweder durch eigene Fahrten des Logistikers in regelmäßigen Abständen nach Polen oder durch Übergabe der Beute an Kurierfahrer. Die Opfer erhalten Geld und Vermögensgegenstände – so wie in den nachfolgend dargestellten Einzeltaten auch – regelmäßig nicht mehr zurück.
Die Angeklagten L und C waren Teil einer – möglicherweise auch mehrerer – Gruppierungen, die nach dem vorbeschriebenen Muster arbeiteten.
41Der Angeklagte C fungierte dabei als Logistiker, der Kontakt zu unbekannten Hintermännern in Polen hielt, welche die oben genannten Anrufe tätigten. Weiterhin fuhr er die Mitangeklagte L zu den Übergabetreffpunkten zwecks Abholung der Tatbeute und kümmerte sich um den Weitertransport der Beute zu den polnischen Hintermännern.
42Der Angeklagten L kam die Rolle einer Abholerin im oben genannten Sinne zu. Sie ließ sich auf Abruf von einem Logistiker in die Nähe der Tatorte fahren. Weiterhin kam ihr die Aufgabe zu, die Beute von den Opfern einzusammeln und sodann zu dem entsprechenden Logistiker zu verbringen.
43L arbeitete nicht durchgängig mit C zusammen. Vielmehr fassten beide unter nicht näher aufklärbaren Umständen vor dem 15.08.2019 (also vor Begehung der Tat zum Nachteil der Eheleute L2 [= Fall 3 der Anklage]) den Entschluss, gemeinsam Taten zu begehen. In diesem Sinne sprach L C an und fragte nach Möglichkeiten zur Beteiligung an entsprechenden Taten. Auf dieser Basis kam es zu den Fällen 3 bis 8 der Anklage.
44In den Fällen 1 und 2 der Anklage arbeitete L mit anderen Logistikern zusammen. Mutmaßlich handelte es sich dabei um die Zeugen S L3 (alias L4 ) und T1 T2 (alias C1 ). Zweifelsfrei konnte die Kammer dies jedoch nicht aufklären. Gleiches gilt für die Frage, ob es sich bei allen Fällen um identische Anrufer handelte oder ob diese auch wechselten.
45L und C sahen sich jedenfalls bei der Begehung der im Folgenden beschriebenen Taten als Mitglieder einer nach dem Enkeltrick agierenden Gruppierung.
Am 09.07.2019 rief ein unbekannter Mittäter der o.g. Gruppierung, dessen Identität die Kammer nicht aufklären konnte, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen der Angeklagten L und weiteren unbekannten Mittätern die 89jährige Zeugin T3 aus Köln-Seeberg an. Am Telefon gab er sich wahrheitswidrig als ihr Enkel Max aus. Weiterhin gab er vor, etwas kaufen zu wollen, könne allerdings nicht sagen, um was es sich handele. Um den Druck auf die Zeugin zu erhöhen, teilte der Anrufer mit, er befinde sich in einer Notlage und habe nicht genug Geld für die Anschaffung. Zunächst forderte er 24.000 € von der Zeugin T3 . Nachdem diese erklärte, nicht so viel Geld zur Verfügung zu haben, erklärte der Anrufer sich auch mit 10.000 € zufrieden. Die Zeugin T3 stimmte, in der Vorstellung, dass es sich wirklich um ihren Enkel Max handele und dieser in einer Notlage sei, einer Geldübergabe zu. Dabei hatte sie erhebliche Angst um ihren Enkel.
47Nachdem die Zeugin T3 mit dem Anrufer ein Treffen vor ihrem Haus vereinbart hatte, ging sie zur Bank und hob von ihrem Sparbuch eine Summe 10.000 € in Scheinen zu je 200 € ab. Dieses Geld packte die Zeugin in einen Umschlag und stellte sich ungefähr gegen 16:00 Uhr vor ihr Haus, um nach ihrem Enkel Ausschau zu halten. Zwischenzeitlich hatten unbekannte Mittäter – mutmaßlich L3 und T2 (s.o.) – L in die Nähe der Wohnanschrift der Zeugin gefahren. Das letzte Wegstück legte L alleine mit dem Taxi zurück. Dabei bestand durchgängig Kontakt zu den Mittätern. Vor Ort übergab die Angeklagte L der Zeugin T3 , die sich wunderte, dass anstelle ihres Enkels nun eine Frau erschien, ein Mobiltelefon mit laufender Verbindung. Es meldete sich wiederum der vermeintliche Enkel der Zeugin als Sprecher. Dieser erhöhte erneut den Druck auf die Zeugin und flehte sie mehrfach um das Geld an. Schließlich übergab die Zeugin T3 die 10.000 € der Angeklagten in der Vorstellung, ihrem Enkel damit aus der vorgespiegelten Notlage zu helfen. Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte und nahm ein Taxi bis zum Rudolfplatz in Köln. Im Anschluss traf sie die weiteren Mittäter. Das Geld wurde aufgeteilt, wobei die Angeklagte L für ihren Beitrag zur Tat jedenfalls 1.600 € erhielt, um es für sich zu behalten. Die Zeugin T3 erhielt die 10.000 € nicht zurück.
48Aufgrund der Tat leidet die Zeugin T3 , die sich selbst die Schuld für den Verlust des Geldes gibt, bis heute unter Angstzuständen und Schlafstörungen. Ihr allgemeines Sicherheitsgefühl ist eingeschränkt; insbesondere wenn die Zeugin alleine nach draußen geht fühlt sie ein verstärktes Bedürfnis, sich mehrfach umzusehen. Auch am Telefon ist sie vorsichtiger und zurückhaltender geworden.
Am 30.07.2019 rief ein unbekannter Mittäter aus der Gruppierung – auch dieser konnte im Verlauf der Hauptverhandlung nicht identifiziert werden – aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen der Angeklagten L und weiteren unbekannten Mittätern die geschädigten Eheleute G2 (81 und 85 Jahre alt) aus Köln-Ehrenfeld gegen 14:45 Uhr an und gab sich wahrheitswidrig als ihr Enkel Mirko aus. Er gab vor, sich bei einem Rechtsanwalt in Aachen zu befinden, ein Auto ersteigert und mit 6.000 € angezahlt zu haben. Allerdings benötige er weitere 17.000 €. Die Geschädigten G2 stimmten, in der Vorstellung, es handele sich wirklich um ihren Enkel Mirko, einer Geldübergabe zu. Hierbei war für die Geschädigten auch entscheidend, dass der Anrufer bat, ihn nicht im Stich zu lassen. Während des Gesprächs übernahm zeitweilig ein weiterer Mittäter das Telefon und gab sich als Rechtsanwalt aus. Der Anrufer, welcher sich als Enkel ausgab, setzte die Geschädigten zusätzlich unter Druck und gab an, das Geld bis 16:30 Uhr zu benötigen und sich umbringen zu wollen, falls er das Geld nicht erhalte. Zusätzlich bot er an, das Geld abholen zu lassen. Als Treffpunkt vereinbarten die Anrufer und die Geschädigten die Haustür des Wohnhauses der Geschädigten. Für die Übergabe legten sie das Codewort „Blume“ fest.
50Die Eheleute G2 trugen die vereinbarten 17.000 € Bargeld, bestehend aus 170 einzelnen 100 € Scheinen, im Haus zusammen. Zwischenzeitlich fuhren die weiteren Mittäter, mutmaßlich L3 und T2 (s.o.), die Angeklagte L in die Nähe des Hauses der Eheleute. Von dort aus ging sie absprachegemäß zu Fuß weiter zum Haus der Geschädigten. Dabei bestand durchgängig Kontakt zu den Mittätern.
51Vor der Haustür traf L auf die Geschädigte G2 . Diese ließ sich von L zunächst einen Ausweis zeigen. L reichte der Geschädigten G2 darauf einen deutschen Personalweis mit ihrem Foto, aus dem der Nachname X und der Wohnort Aachen ersichtlich waren. Daraufhin übergab die Geschädigte der Angeklagten L das Geld in der Vorstellung, ihrem Enkel damit aus der vorgespiegelten Notlage zu helfen.
52Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte in Richtung der Venloer Straße und nahm ein Taxi bis zum Rudolfsplatz in Köln. Im Anschluss traf sie sich mit den Mittätern. Das Geld wurde aufgeteilt, wobei die Angeklagte L jedenfalls 2.000 € erhielt, um es für sich zu behalten. Die Geschädigten G2 erhielten die 17.000 € nicht zurück.
53Die Eheleute G2 , die sich ebenfalls für den Verlust des Geldes die Schuld geben, leiden seit der Tat an einer massiven Einschränkung ihres Sicherheitsgefühls. Sie sind durch die Tat sehr ängstlich geworden und befürchten, in ihrer Wohnung Opfer eines Diebstahls oder Raubes zu werden. Der Geschädigte G2 nimmt seit der Tat verschiedene Psychopharmaka gegen seine Angstzustände, die Geschädigte G2 leidet seitdem an Bluthochdruck.
Am 15.08.2019 rief ein unbekannter Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L , C und weiteren unbekannten Mittätern die Geschädigten L2 und C2 -L2 (beide zum Tatzeitpunkt 87 Jahre alt) an und gab sich wahrheitswidrig als deren Sohn Georg aus. Er gab vor, am Amtsgericht Düsseldorf zu sein und eine Wohnung ersteigert zu haben. Hierfür benötige er schnell 28.000 €. Die Geschädigten glaubten dies, weil ihr Sohn für seine Tochter, die Enkelin der Geschädigten, tatsächlich in diesem Zeitraum eine Wohnung gesucht hatte. Demnach stimmten sie, in der Vorstellung, dass es sich wirklich um ihren Sohn handele und dieser in einer Notlage sei, einer Geldübergabe zu.
55Die Eheleute gingen zur Bank und hoben von ihrem Sparbuch einen Betrag in Höhe von 28.000 € ab. Dabei rief der Mittäter die Eheleute immer wieder auf ihrem Mobiltelefon an und setzte diese weiter unter Druck. In dem Gespräch änderte er mehrfach den Ort der Geldübergabe, bis schließlich die Adresse „Am Südpark 11“ in Solingen in der Nähe des alten Bahnhofs ausgemacht wurde. Zuvor rief bei den Eheleuten ein weiterer männlicher Mittäter an und gab sich als Polizeibeamter Schulz aus. Dieser versicherte sich, dass die Polizei nicht verständigt worden war.
56Zwischenzeitlich fuhr C die Angeklagte L in die Nähe des Treffpunkts. Von dort aus fuhr sie absprachegemäß alleine mit dem Taxi zum alten Bahnhof in Solingen und ging dann weiter zu Fuß zum Treffpunkt. Dort wartete sie auf die Geschädigten L2 und C2 -L2 . Dabei war L weiterhin mit den unbekannten Mittätern per Mobiltelefon in ständigem Kontakt. Als die Eheleute ihren Pkw am Bahnhof abstellten und dann zur genannten Adresse gingen, kam L auf sie zu. Gleichzeitig rief einer der Hintermänner erneut auf dem Mobiltelefon des Zeugen L2 an und forderte ihn auf, „der Dame“ das Geld zu geben. Diese Anweisung befolgte der Geschädigte händigte L den Umschlag mit den 28.000 € aus.
57Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte zu Fuß zu einer Bushaltestelle und nahm ein Taxi bis Solingen in die Stadt. Dort traf sie sich mit dem Angeklagten C und fuhr mit diesem nach Köln-Porz. L und C nahmen von der Beute mindestens jeweils 2.500 €, um diese für sich zu behalten. Den Rest gab der Angeklagte C selbst oder über Dritte an die Hintermänner weiter. Die Zeugen L2 und C2 -L2 erhielten die 28.000 € nicht zurück.
58Der Geschädigte L2 leidet seit der Tat unter Schlafstörungen, sofern er an die Tat zurückdenkt. Die Eheleute, die sich selbst an der Tat die Schuld geben, haben ihre Vornamen aus dem Telefonbuch entfernt.
Am 11.09.2019 gegen 11:30 Uhr rief ein unbekannter Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L und C sowie weiteren unbekannten Mittätern mehrfach den zum Tatzeitpunkt 93-jährigen Geschädigten Erwin L5 an und gab sich wahrheitswidrig als dessen Enkel aus. Er gab vor, 7.500 € für den Kauf eines Oldtimers angezahlt zu haben. Er sei bei einem Rechtsanwalt und müsse weitere 32.000 € zahlen, sonst sei seine Anzahlung verloren. Um den Druck auf den Geschädigten zusätzlich zu erhöhen, gab der Anrufer vor, zu weinen und sich das Leben zu nehmen, falls er das Geld nicht bekomme. Der Geschädigte L5 stimmte, in der Vorstellung, dass es sich wirklich um seinen Enkel handele und dieser in einer Notlage war, einer Geldübergabe zu.
60Der Geschädigte L5 hatte in seinem Haus in einem Versteck Geld deponiert. Er nahm dieses Geld und hielt sich für eine Übergabe bereit. Mit dem Anrufer vereinbarte er zunächst, dass der Enkel das Geld selbst abholt. Dabei wurde der Geschädigte über die ganze Zeit am Telefon gehalten. Anrufe bei anderen Verwandten wurden ihm untersagt, weil niemand von der Sache erfahren dürfe. Kurz vor der Geldübergabe teilte der Mittäter dem Geschädigten mit, dass er – der vermeintliche Enkel – im Stau stehe und daher eine Sekretärin des Rechtsanwalts das Geld abholen komme.
61Zwischenzeitlich fuhr C die Angeklagte L zum Bahnhof in Grevenbroich. Von dort aus fuhr sie absprachegemäß allein mit dem Taxi zum Wohnhaus des Geschädigten. Die Angeklagte war mit den unbekannten Mittätern per Mobiltelefon in Kontakt. Sie reichte ihr Mobiltelefon an den Zeugen L5 weiter. Auf diesem sprach der vermeintliche Enkel erneut mit dem Geschädigten. Im Anschluss erhielt die Angeklagte L gegen 18:30 Uhr vom Geschädigten einen Umschlag mit 32.000 € sowie ihr Mobiltelefon wieder ausgehändigt.
62Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte zu Fuß zum Bahnhof und nahm ein Taxi nach Köln-Porz. Im Anschluss traf sie sich mit dem Angeklagten C . Das Geld wurde an einem unbekannten Ort an den Angeklagten C weitergegen und von diesem aufgeteilt, wobei die Angeklagten L und C jeweils jedenfalls 3.000 € erhielten, um es für sich zu behalten. Den restlichen Anteil gab der Angeklagte C selbst oder über Dritte an die Hintermänner weiter. Der Geschädigte L5 erhielt die 32.000 € nicht zurück.
63Der Geschädigte L5 verlor bei der Tat sein komplettes Vermögen. Er erzählte seiner Tochter erst eine Woche später von dem Vorfall, wohl weil er sich schämte. Er war jedoch bereits unmittelbar nach der Tat völlig wesensverändert. Während er sich zuvor noch selbst versorgen und sich um sein Haus mit Garten kümmern konnte sowie Freizeitaktivitäten wie dem Angeln nachging, baute er unmittelbar nach der Tat geistig und körperlich extrem ab. Die Tochter beantragte eine Pflegestufe, welche auch genehmigt wurde. Der Geschädigte litt an Albträumen und durchlebte den Vorfall immer wieder. Im Wege eines schleichenden Prozesses steigerte sich auch die Demenz bis der Geschädigte am 12.08.2020 an einer Lungenentzündung/Lungenkarzinom verstarb.
Am 26.09.2019 rief gegen 13:30 Uhr ein unbekannter Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L und C sowie weiteren unbekannten Mittätern die 93-jährige Geschädigte E an und gab sich wahrheitswidrig als eine nahestehende Person – den in Amerika wohnhaften Bekannten Michael – aus. Die Person gab vor, einen Verkehrsunfall verursacht und dabei den sehr teuren Mercedes des Unfallgegners beschädigt zu haben. Zum Teil übernahm auch ein weiterer unbekannter Mittäter das Gespräch, der sich als Herr Hansen, ein angeblicher Mitarbeiter von Mercedes, ausgab. Beide Anrufer gaben vor, 37.000 € zu benötigen, zunächst nur um das Geld zu fotografieren und im Anschluss der Geschädigten E wieder zurückzugeben. Zur Erklärung gaben sie an, der Unfallgegner wolle das Geld sehen, um sicher zu sein, dass sein Schaden bezahlt werde. Nachdem die Anrufer in Erfahrung gebracht hatten, dass die Geschädigte auch über Gold verfügte, baten sie selbige, dieses gemeinsam mit dem Bargeld in einen Karton zu legen und sich für eine Übergabe an die vermeintliche in Oberhausen wohnhafte Schwiegertochter des Herrn Hansen bereit zu halten. Der sich als Michael ausgebende Anrufer setzte die Geschädigte E während des Gesprächs teilweise erheblich unter Druck, indem er am Telefon vortäuschte, zu weinen und ins Gefängnis zu kommen, falls das Geld nicht gezahlt werde. Die Geschädigte stimmte, in der Vorstellung, dass es sich wirklich um ihren Bekannten, handele und dieser in einer Notlage sei, einer Geldübergabe zu. Daher zählte sie aus dem bei ihr zu Hause vorhandenen Bargeldbestand 37.000 € ab und verstaute dieses in einem Karton. Weiterhin legte sie im Anschluss vier weitere Umschläge mit Bargeld in unbekannter Höhe sowie zwei 500g Barren Gold im Wert von jeweils ca. 22.000 € dazu. Währenddessen riefen die vorgenannten Personen mehrfach bei ihr an. Schließlich teilten die Anrufer ihr mit, dass die Schwiegertochter des Herrn Hansen, bei ihr, der Geschädigten E , vor der Tür stehe und abholbereit sei.
65Zwischenzeitlich hatte der Angeklagte C die Angeklagte L in das Essener Stadtzentrum gefahren. Von dort aus fuhr sie absprachegemäß alleine mit dem Taxi zum Wohnhaus der Geschädigten E . Dort übergab die Geschädigte der L den vorbereiteten Karton samt Inhalt, woraufhin sich die Angeklagte verabschiedete.
66L entfernte sich daraufhin zunächst zu Fuß und nahm dann ein Taxi nach Köln. Im Anschluss traf sie sich mit C und übergab diesem die Tatbeute. C reiste sodann nach Berlin und übergab dort einem Kurier Geld und Gold, der selbiges wiederum an die Hintermänner weiterleiten sollte. Die Geschädigte E erhielt das Bargeld und die Goldbarren nicht zurück. L und C erhielten von der Beute jeweils jedenfalls 9.000 €.
67Nach der Tat litt die Geschädigte an Angstzuständen und fühlte sich in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr sicher. Aus diesem Grund vereinbarte sie mit dem wahren Michael ein „Codewort“, das zur Identifizierung dient. Die Geschädigte versucht die Tat, für welche sie sich selbst die Schuld gibt, zu verdrängen.
Am Morgen des 11.11.2019 rief ein unbekannter Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L und C sowie weiteren unbekannten Mittätern die damals 77 Jahre alte Geschädigte I an und gab sich wahrheitswidrig als Samuel, den Sohn einer Freundin der Geschädigten, aus. Er gab vor, ein Auto für 12.000 € gekauft und bereits 4.000 € angezahlt zu haben. Er müsse die restlichen 8.000 € bezahlen, weil die Anzahlung sonst verloren sei. Im weiteren Gesprächsverlauf rief ein anderer unbekannter Mittäter an und gab sich wahrheitswidrig als Notar aus Aachen aus. Beide Anrufer telefonierten mehrfach mit der Geschädigten auf deren Festnetzanschluss und drängten die Geschädigte zur Übergabe der geforderten Summe. Die Geschädigte stimmte in der Vorstellung, dass es sich wirklich um den Sohn ihrer Freundin handele und dieser in einer Notlage sei, einer Geldübergabe zu.
69Der vermeintliche Notar gab allerdings an, nicht selbst kommen zu können und stattdessen seine Ehefrau zum vereinbarten Treffpunkt am St. Petrus-Krankenhaus in Bonn zu schicken. Zwischenzeitlich fuhr der Angeklagte C die Angeklagte L in die Nähe des Krankenhauses. Das letzte Wegstück legte die Angeklagte L alleine zurück.
70Ungefähr zeitgleich am Vormittag des 11.11.2019 legte die Geschädigte I 8.000 €, die sie zuvor bei der Bank abgehoben hatte, in einen Umschlag und ging ebenfalls zum St. Petrus-Krankenhaus. Dort traf sie auf die Angeklagte L , die sich als Notarsgattin ausgab. Die Geschädigte erkannte jedoch direkt aufgrund des Auftretens von L und ihres äußeren Erscheinungsbildes, dass tatsächlich keine Notarsgattin vor ihr steht. Sie bat daher die Angeklagte, mit ihr nach Hause zu kommen, um den Gelderhalt zu quittieren. Dies verweigerte L , so dass es zu keiner Geldübergabe kam.
Am 11.11.2019 gegen ungefähr 15:00 Uhr rief ein unbekannter Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L und C sowie weiteren unbekannten Mittätern den zur Tatzeit 83-jährigen Zeugen C3 an und gab sich wahrheitswidrig als sein Vetter Matthias aus. Er gab vor, ein Auto gekauft zu haben und dieses nicht bezahlen zu können, weil ein Scheck nicht akzeptiert werde. Aus diesem Grund benötige er vom Geschädigten 18.000 €. Der Zeuge C3 stimmte, in der Vorstellung, dass es sich wirklich um seinen Vetter Matthias handele, einer Geldübergabe zu. Hierbei spielte es für den Zeugen C3 auch eine Rolle, dass sein Vetter sich vor Jahren schon einmal Geld für einen Autokauf bei ihm geliehen hatte. An diese Situation erinnerte sich der Zeuge. Er begab sich zu seiner Hausbank und hob dort 18.000 € ab. Als er wieder zu Hause ankam, rief der Anrufer erneut an und forderte ihn auf, das Geld genau zu zählen. Dann wurde vereinbart, dass eine Frau das Geld abholen werde, welche in Verbindung mit dem Autohaus stehe. Diese werde vor einem in der Münstereifelerstraße in Rheinbach gelegenen Fitnessstudio auf ihn warten.
72Zwischenzeitlich hatte der Angeklagte C die Angeklagte L in das Stadtzentrum von Rheinbach gefahren. Die letzte Strecke legte L absprachegemäß mit dem Taxi zurück. Dabei war L ständig mit den weiteren Mittätern, sprich den Keilern, in Kontakt. Der Geschädigte C3 ging fünf Minuten zu Fuß bis zum vereinbarten Treffpunkt und übergab dort zwischen 17:00 und 18:00 Uhr der Angeklagten L einen Umschlag mit 18.000 €.
73Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte zunächst zu Fuß und nahm dann ein Taxi nach Köln. Im Anschluss traf sie sich mit dem Angeklagten C . Das Geld wurde an einem unbekannten Ort an den Angeklagten C weitergegen und von diesem aufgeteilt, wobei die Angeklagten L und C jeweils mindestens 2.000 € erhielten, um es für sich zu behalten. Den restlichen Anteil gab der Angeklagte C selbst oder über Dritte an die Hintermänner weiter. Der Geschädigte C3 erhielt die 18.000 € Bargeld nicht zurück.
74Abends erhielt der Geschädigte C3 dann erneut einen Anruf des unbekannten Mittäters, der sich wiederum als sein Vetter Matthias ausgab. Dieser teilte mit, der Autokauf habe sich erledigt und er habe die 18.000 € wieder an den Geschädigten zurück überwiesen. Tatsächlich war dies nicht der Fall, sondern diente nur dazu, die folgende Tat vom 12.11.2020 vorzubereiten und den Geschädigten C3 in Sicherheit zu wiegen. Der Geschädigte war durch diesen Anruf beruhigt und glaubte tatsächlich an die Rücküberweisung.
Am Folgetag, dem 12.11.2019, rief um ca. 09:30 Uhr erneut der unbekannte Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zwischen den Angeklagten L und C sowie weiteren unbekannten Mittätern den Geschädigten C3 an und gab sich wiederum wahrheitswidrig als Vetter Matthias aus. Er hielt dabei die am Tag zuvor erhobenen, wahrheitswidrigen Umstände aufrecht, und schilderte einen erneuten Autokauf. Um den Druck auf den Zeugen weiter zu erhöhen, erklärte er, er benötige nun mehr Geld. Der Geschädigte C3 , den die vermeintliche Rücküberweisung beruhigt hatte, erklärte sich vor dem Hintergrund der vermeintlichen neuen Notlage dazu bereit, nun 38.000 € zu übergeben.
76Er begab sich zu diesem Zweck erneut zu seiner Hausbank und holte dort 38.000 € und brachte dieses Geld wieder zu dem Fitness-Studio, an dem man sich am Tag zuvor bereits getroffen hatte.
77Zwischenzeitlich wurde die Angeklagte L erneut vom Angeklagten C nach Rheinbach gefahren. Die letzte Strecke legte die Angeklagte L absprachegemäß erneut mit dem Taxi zurück und war mit dem unbekannten Mittäter auch wieder per Mobiltelefon in Kontakt. Der Geschädigte C3 übergab der Angeklagten L diesmal einen Umschlag mit 38.000 €.
78Nach der Geldübergabe entfernte sich die Angeklagte zunächst zu Fuß, nahm dann ein Taxi nach Köln und traf sich mit dem Angeklagten C . Das Geld wurde an einem unbekannten Ort an den Angeklagten C weitergegen und von diesem aufgeteilt, wobei die Angeklagten L und C jeweils jedenfalls 3.000 € erhielten, um es für sich zu behalten. Den restlichen Anteil gab der Angeklagte C selbst oder über Dritte an die Hintermänner weiter. Der Zeuge C3 erhielt die 38.000 € Bargeld nicht zurück.
Die Angeklagten L und C begingen die vorgenannten Taten in Ausführung der oben beschriebenen Abrede der Gruppierung in Kenntnis ihrer Struktur und mit Billigung ihrer Vorgehensweise. Beide sahen sich bei ihrem gesamten Tätigwerden, d.h. L als Abholerin der Tatbeute und C als Fahrer L s und Vermittlungsperson zu den Hintermännern, als Teil der Gruppierung und wollten zu ihrer Zielsetzung, der rechtswidrigen Erlangung von Vermögenswerten von Senioren, bewusst beitragen. Hierbei kam es L und C darauf an, aus der vielfachen Tatbegehung eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu schaffen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Feststellungen zur Person beruhen im Wesentlichen auf den Einlassungen der Angeklagten, welche die festgestellten Lebensläufe entsprechend bekundet haben. Bzgl. der Vorstrafen der Angeklagten hat sich die Kammer ihre Überzeugung durch Verlesung der genannten Auszüge aus dem Bundeszentralregister und der auszugsweisen Verlesung der beigezogenen Vorstrafenakten verschafft.
Zur Sache haben beide Angeklagten teilgeständige Einlassungen in Bezug auf ihre Tatbeiträge und die Mitgliedschaft in einer nach dem Enkeltrick vorgehenden Gruppierung abgegeben. Auf diese konnte die Kammer ihre Feststellungen jedoch nur teilweise stützen, wozu im Folgenden (II. 2. c]) näher ausgeführt wird. Soweit die Kammer ihre Überzeugung nicht aus den Einlassungen der Angeklagten gewonnen hat, beruhen die Feststellungen auf den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, den umfangreichen Augenscheinsobjekten (insbesondere Telekommunikationsüberwachung) und den in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.
Die Feststellungen zur allgemeinen Vorgehensweise beim sog. Enkeltrick beruhen auf der glaubhaften Aussage des Zeugen M2 , der entsprechend den Feststellungen bekundet hat. Die Kammer hat keine Veranlassung an der Zuverlässigkeit der Aussage zu zweifeln, nicht zuletzt, weil der Zeuge M2 , wie der Kammer bereits aus verschiedenen Verfahren bekannt ist und wie er es auch im vorliegenden Verfahren geschildert hat, seit über 20 Jahren Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (Trickdiebstähle, „Enkeltrick“ oder „falsche Polizeibeamte“) schwerpunktmäßig bearbeitet und daher über eine große Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt.
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den Einzelfällen ergeben sich – soweit die Angeklagten nicht beteiligt waren – aus den Aussagen der Zeugen T3 (Geschädigte im Fall 1), I1 (Gerichtshelferin, die die Geschädigten G2 bei Fall 2 nach der Tatbegehung aufgesucht hat), L2 und C2 -L2 (Geschädigte im Fall 3), V (Tochter des verstorbenen Geschädigten L5 im Fall 4) I (Tatopfer im Fall 6) und C3 (Geschädigter in den Fällen 7 und 8). Die benannten Tatzeugen haben – teilweise vom Hörensagen – das Geschehen wie festgestellt bekundet. Vervollständigt und ergänzt wurde das Bild durch die im Selbstleseverfahren eingeführten Aussagen der Zeugen T3 , G2 , L5 , E , L2 und C2 -L2 , I und C3 bei der Polizei sowie die Berichte der Gerichtshelfer I1 , P , T4, C4 und M3. Letztere haben die Geschädigten jeweils zu Hause aufgesucht und über diese Besuche Berichte verfasst, welche Aussagen der Geschädigten zum Tatablauf und vor allem ihrem körperlichen und geistigen Zustand nach den Taten ebenfalls entsprechend den Feststellungen beinhalten. Daneben hat die Kammer im Selbstleseverfahren weitere Urkunden eingeführt, welche Daten und hierauf fußende Berichte der Ermittlungsbeamten der Polizei Köln zu Funkzellenauswertungen und Anschlusszielsuchläufen enthalten. Diese haben die Aussagen der Geschädigten im Hinblick auf länger andauernde Anrufe zum Tatzeitpunkt gestützt.
Die Angeklagten haben die Taten nur teilweise eingeräumt. In diesem Sinne hat die Angeklagte L ihre Einbindung in eine nach dem Enkeltrick vorgehende Gruppierung und ihre Funktion als Abholerin bei den Fällen 1 bis 8 der Anklage gestanden. Insoweit konnte ihr Geständnis auch den Feststellungen zugrunde gelegt werden. Die Kammer hat in diesem Rahmen keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Einlassung. Sie wird durch vielfache Beweise belegt, etwa durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Verbindungsdaten der genutzten Mobiltelefone, die Aussagen verschiedener Geschädigter, die L als Abholerin identifiziert haben und den Inhalt diverser in der Hauptverhandlung eingeführter Telefongespräche.
85Die Einlassung des Angeklagten C konnte den Feststellungen nur bzgl. eines kleineren Teils zugrunde gelegt werden. So ist die Kammer von der eingestandenen Beteiligung C s als Fahrer bei den Fällen 3 bis 6 der Anklage überzeugt. Insoweit deckt sich die Einlassung auch mit dem Geständnis der Mitangeklagten L und den vorhandenen weiteren Beweismitteln. Darüber hinaus ist die Kammer allerdings auch entgegen der Einlassung des Angeklagten von einer Beteiligung C s an den Fällen 7 und 8 der Anklage sowie einer gewichtigeren Rolle im Tatgefüge insgesamt überzeugt.
86Von den weitergehenden Angaben der Angeklagten zur Tatbeteiligung und der Struktur der Gruppierung konnte sich die Kammer indes nicht überzeugen. Im Gegenteil: Insoweit stellte sich im Laufe der Hauptverhandlung heraus, dass die Einlassungen beider Angeklagter nicht belastbar waren. Dreh- und Angelpunkt der Einlassungen war die von beiden Angeklagten als Besonderheit und absolute Ausnahme angekündigte Benennung von Hintermännern bzw. Organisatoren. L und C haben dementsprechend die Zeugen S L3 (alias L4 ) und T1 T2 (alias C1 ) als Hintermänner benannt, welche bei allen Taten L und C (ihn betreffend in den Fällen 3 bis 6) gesteuert haben sollen. Unter dieser Prämisse haben die Angeklagten das Tatgeschehen geschildert. Letztlich hat sich diese Belastung allerdings als nicht tragfähig erwiesen. Schon in den Einlassungen der Angeklagten an sich ergaben sich Widersprüche, die an einer entsprechenden Rolle von L3 /L4 und T2/C1 Zweifel weckten. Diese Zweifel wurden letztlich verstärkt und bestätigt durch die in Augenschein genommene Telekommunikationsüberwachung, die deutliche Anhaltspunkte lieferte, dass L Taten mit unterschiedlichen, voneinander unabhängigen und gerade nicht zusammenarbeitenden Gruppierungen beging. Hierbei handelte es sich einerseits um die Gruppe von L4 und C1 , an der auch L4 s Bruder namens C5 beteiligt war, sowie um eine Gruppierung um C in Zusammenarbeit mit weiteren Anrufern. Weiterhin ergab sich aus den angehörten Gesprächen, dass C durchaus einen größeren Aufgabenbereich als den Transport L s zu den Abholungsorten hatte, was seiner Einlassung ebenfalls widersprach. Auch das Einlassungsverhalten selber hat sich während der Hauptverhandlung geändert. C hat lediglich zu Beginn des Verfahrens eine Erklärung über seinen Verteidiger abgegeben und am Schluss der Hauptverhandlung nochmals über seinen Verteidiger Ergänzungen gemacht. Zu Telefonaten hat er sich – in den weit überwiegenden Fällen – inhaltlich überhaupt nicht geäußert. L hat anfangs noch neben ihren über mehrere Tage verteilten Erklärungen Angaben zu Telefonaten gemacht, die im Einzelnen jeweils bei den Gesprächen dargestellt werden. Im Fortgang der Hauptverhandlung wurden diese Angaben jedoch immer weniger, je mehr Telefongespräche in Augenschein genommen wurden. Zum Ende der Hauptverhandlung hat L schließlich keine weiterführenden Angaben mehr zu Gesprächen gemacht.
87Dies vorangestellt ergeben sich folgende streitige Punkte, auf die nach Darstellung der Einlassungen der Angeklagten (dazu unter aa] und bb]) im Folgenden einzugehen ist: Der Aufbau und die Beteiligten der Gruppierung, insbesondere die Rolle C s (dazu unter cc] und dd]) und die Beteiligung C s an den Fällen 7 und 8 der Anklage (dazu unter ee]).
Die Angeklagte L hat sich am ersten Verhandlungstag über eine Verteidigererklärung eingelassen, welche sie sich anschließend zu Eigen gemacht hat. In diesem Sinne hat sie ausgesagt, sie räume die Vorwürfe der Anklage ein und habe als Abholerin fungiert. Sie habe jeweils Geld von den Tatopfern abgeholt und weitergegeben. Sie habe keine Telefonate geführt und auch der konkrete Inhalt sei ihr nicht bekannt gewesen. Ihrer Erinnerung nach stimmten die in der Anklage benannten Beutesummen von der Größenordnung her. Angaben zum Mitangeklagten C hat L an dieser Stelle noch nicht gemacht.
89Zum Ursprung der Taten hat sich die Angeklagte in der Erklärung eingelassen, ihre berufliche und finanzielle Lage sowie ihre Wohnsituation seien schwierig und unstetig gewesen. In dieser Zeit, genauer im April 2019 sei „man“ - konkrete Namen der Personen hat die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht benannt - an sie herangetreten und habe sie mit ihrer finanziellen Schieflage konfrontiert. Man habe ihr gesagt, wenn sie mit den Personen „arbeite“, könne sie sich eine Wohnung und mehr leisten. L habe sich zunächst geweigert, dann sei jedoch ihre Hemmschwelle gesunken. Sie habe erst immer „Nein“ gesagt, der Druck sei jedoch immer größer geworden. Konkret habe man L nicht mitgeteilt, um was es gehe.
90Dann sei es zum Tag der ersten Tat in Ehrenfeld gekommen. Man habe ihr ein Handy gegeben, darauf habe sie angerufen werden und weitere Anweisungen bekommen sollen. Über dieses Handy habe man ihr dann die Adresse der Geschädigten T3 mitgeteilt und gesagt, sie werde dort einen Umschlag bekommen. Diesen habe sie abgeholt, das Geld sei vor ihren Augen gezählt, worden. Sie haben einen Anteil von ca. 10 bis 15% des erbeuteten Bargelds als Provision erhalten.
91Nach dem zweiten Fall der Anklage habe sie, L , nicht mehr weitermachen, wollen. Allerdings sei auf sie großer Druck ausgeübt worden. Man habe ihr gesagt, wenn sie nicht weitermache, ginge man zur Polizei und zeige sie an. Das durch die Taten eingenommene Geld habe sie nicht nur für eine Unterkunft genutzt, sondern auch etwa für den Erwerb einer Patek Philippe Uhr.
92Im Anschluss an die Einlassung C s vom 28.08.2020 (dazu sogleich), bei der auch angebliche Hintermänner der Taten (= S L3 [alias L4 ] und T1 T2 [alias C1 ]) von beiden Angeklagten benannt wurden, hat L bekundet, es stimme was C sage. Weiterhin hat sie an diesem Tag ausgeführt, von den Taten sei sie mit einem Taxi zurückgefahren; das Geld hierzu habe sie von den Hintermännern erhalten. Bzgl. der Fahrten zu den Abholungen sei ihr gesagt worden, sie solle mit dem C fahren. Sie habe sich mit ihm treffen und ihn fragen sollen, ob er sie fahre. Die Anweisung sei von S L3 gekommen. Sie, L , habe das Geld geholt, sei dann mit dem Taxi zu L3 und habe ihm das Geld komplett gegeben. Ihren Anteil habe sie am gleichen Tag erhalten; L3 habe – oft im Beisein von C – die Beute gezählt und ihr ihren Anteil gegeben. Manchmal habe er allerdings auch angerufen und gesagt, sie solle sich ihren Teil nehmen. L3 habe in diesen Fällen einen Mann geschickt, mit dem sich L etwa am Neumarkt getroffen habe. Über ein Handy sei ihr dann gesagt worden, dass sie diesem die Beute übergeben solle. Die Höhe des eigenen Beuteanteils habe sich nach der Höhe der Tatbeute gerichtet. Am ersten Tag in Köln habe sie 2000 € erhalten, bei der zweiten Tat 1000 €, bei der dritten 9.000 €. In Grevenbroich seien es 1.000 € gewesen, in Essen 1.600 €. Für die Tat in Rheinbach habe sie 5.000 € bekommen. C sei bei diesen Taten nicht beteiligt gewesen. Der Mann und die Frau – L bezog sich hier auf L3 und T2 – hätten sie nach Rheinbach gefahren. Hin und zurück von dem konkreten Ort der Abholung sei sie dann mit dem Taxi gefahren. Mit beiden sei sie dann nach Hause gefahren.
93Am siebten Hauptverhandlungstag (29.09.2020) hat sich L ergänzend eingelassen und ihre Angaben zum Tathergang und zur Beutehöhe in weiten Teilen korrigiert. Hier sagte sie zunächst allgemein zur Vorgeschichte der Taten aus. So habe sie nach einem längeren Kontaktabbruch zu ihrer Familie eines Tages L3 (s.o.), den sie hier erstmals als ihren Cousin bezeichnet hat – L s und L3 s Väter seien Brüder –, am Rudolfplatz getroffen. Ihm habe sie über ihr Leben und von ihren Geld- und Wohnungsproblemen erzählt. L3 habe sie bei sich aufgenommen und bereit sich erklärt, sie finanziell und bei der Jobsuche zu unterstützen.
94Zu Fall 1 der Anklage hat L konkret ausgeführt, dass L4 und seine Frau C1 (s.o.) sie an einem anderen Tag darauf angesprochen hätten, etwas für sie zu tun, „damit es auch für sie leichter werde“. Zudem hätten sie gesagt, L4 s Frau könne die Aufgabe nicht übernehmen, da sie unter Bewährung stünde. L habe sich hierdurch bedrängt gefühlt, auch weil beide argumentierten, sie wohne schließlich bei ihnen. Eines Morgens habe sie sich schnell fertig machen sollen. L4 und C1 hätten sie mit dem Auto zum Rudolfplatz gebracht, dort habe man in einem Eiscafé auf einen Anruf gewartet. Als der Anruf gekommen sei, habe man sie nach Köln-Seeberg gefahren. Dort habe L den Umschlag von der Frau (gemeint war die Zeugin T3 ) geholt und sei mit dem Taxi zum Rudolfplatz zurückgefahren. Das Geld habe sie dann L4 und seiner Frau ausgehändigt. 10.000 € seien in dem Umschlag gewesen, hiervon habe sie 1.600 € und nicht, wie zuvor ausgesagt, 2.000 € erhalten.
95Zu Fall 2 der Anklage hat sich L eingelassen, auch hier sei sie von ihrem Cousin und dessen Frau unter Druck gesetzt worden. Beide hätten sie zum Tatort nach Köln-Ehrenfeld gefahren. Dort habe sie die Geschädigte getroffen, der sie, L , das Handy gereicht habe mit der Verbindung zu den Keilern. Die Geschädigte habe dem Anrufer am Ende des Gesprächs „Gut!“ gesagt und ihr dann einen Umschlag gegeben. Wie viel hier enthalten war, habe sie nicht gewusst. Wiederum sei sie mit dem Taxi zur Wohnung von L4 und C1 gefahren, wo beide das Geld gezählt hätten. Insgesamt seien es 17.000 € gewesen; hiervon habe L 2.000 € und nicht 1.000 € erhalten.
96Auf Nachfrage hat sich L weiterhin eingelassen, für die erste Tat habe C1 ihr ein Handy gegeben, mit dem sie auf einen Anruf warten solle. Auch bei den anderen Taten sei dies so gewesen. Tatsächlich hätten dann männliche, ihr unbekannte Personen angerufen, teilweise sei es auch – bei weiteren Taten – L4 gewesen. In dem Anruf bei der ersten Tat sei ihr erklärt worden, wohin sie fahren solle, wie das Tatopfer aussehe und dass sie diesem das Handy geben solle. Insgesamt seien es immer lange durchgehende Telefongespräche mit ihr auf diesem Handy gewesen.
97Weiterhin hat sich L ergänzend eingelassen, ihr sei klar gewesen, dass es sich bei der geforderten Tätigkeit um „was Illegales“ – „vielleicht so was wie der Enkeltrick“ handele. Auch habe sie während ihres Aufenthalts in der Wohnung an mehreren Tagen viele Telefonate L4 s mitbekommen, in denen er Deutsch gesprochen, sich als Enkel ausgegeben und „irgendeinen Opa“ gebeten habe, er solle Geld abheben. Dabei habe er Namen verwendet, die sie nicht gekannt habe und angekündigt, es komme eine Abholerin, da er keine Zeit hierfür habe. Wer hier Geld abgeholt habe, wisse sie allerdings nicht. L4 habe außerdem auch Gespräche auf Romanes geführt und mit vielen Personen aus Polen telefoniert. Hierbei sei es immer darum gegangen, dass jemand aus Polen geschickt werden solle, der hier in Deutschland – wie sie auch – Geld abholen könne.
98Bzgl. Fall 3 der Anklage hat L bekundet, L4 und C1 hätten gesagt, sie könnten nicht mehr fahren, da ihr Auto kaputt sei. Daher solle sie C fragen, ob er sie fahren könne. Hierfür habe C Geld von L4 bekommen und auf dessen Anruf warten sollen. Dies sei auch geschehen: L4 und C1 hätten C angerufen und gesagt, er solle L fahren. L selber habe eine Beteiligung gegenüber L4 und C1 zunächst verweigert. Deswegen sei es zu Streit gekommen, u.a. habe man ihr angedroht, die Ehefrau ihres Freundes M über dessen Beziehung zu L zu unterrichten. Schließlich sei sie mit C nach Solingen gefahren. Dort sei sie angerufen und mit weiteren Informationen versorgt worden. In Solingen sei sie dann mit dem Taxi zum alten Bahnhof gefahren und von dort zu Fuß weiter zu den Geschädigten. Dabei habe sie die ganze Zeit das Handy am Ohr gehabt. Dieses habe sie am Tatort den Geschädigten gegeben, das Geld in einem Umschlag genommen und das Handy wiederbekommen. Mit dem Taxi sei sie dann nach Köln-Porz gefahren. L4 und C1 habe sie auf einem Parkplatz getroffen. In dem Umschlag seien 28.000 € gewesen, hiervon habe sie 2.500 € statt den zuvor genannten 9.000 € erhalten.
99Auf Nachfrage der Kammer hat L ihre Einlassung später konkretisiert und ausgeführt, sie sei gemeinsam mit C in die Wohnung von L4 und C1 in Köln-Porz gefahren. Dort hätten die Letztgenannten das Geld in L s und C s Beisein gezählt. Sie müsse ungefähr 2.000 bis 3.000 € erhalten haben, C habe ebenso viel bekommen.
100Auf spätere Nachfrage der Kammer, wie L4 und C1 auf die Idee gekommen seien, Kontakt zu C aufzunehmen, hat L geantwortet, sie hätten ihn gekannt; dies sei nicht ungewöhnlich, da sich alle Roma kennten. Zur Kontaktherstellung mit C hat L sich eingelassen, sie habe nach Köln-Porz ins Café gehen und C ansprechen sollen. Weiterhin habe sie ihn fragen sollen, ob er sie nach Solingen fahre. Im Café habe sie sich als N und Cousine von L4 vorgestellt. Ihr Cousin, also L4 , habe sie geschickt, um zu fragen, ob er, C , sie nach Solingen fahre. C habe sich an diesem Tag noch nicht festgelegt, später hätten aber L4 oder C1 bei ihm angerufen; dabei habe C zugesagt, L zu fahren, was selbige wiederum von L4 und C1 erfahren habe.
101Bei Fall 4 der Anklage habe C sie zum Bahnhof von Grevenbroich gefahren, von da aus sei sie mit dem Taxi weiter gefahren, um einen Umschlag beim Geschädigten abzuholen. Als dies geschehen sei, sei sie zu Fuß zurück zum Bahnhof und dann mit dem Taxi zurück nach Köln-Porz gefahren. Hier habe sie C in einem Café getroffen. L4 und C1 seien dazu gekommen. Im abgeholten Umschlag hätten sich 32.000 € befunden. Ihren Anteil, den sie nicht mehr auf 1.000 € sondern auf 3.000 € beziffere, habe sie sich schon vorher nehmen dürfen. C habe ebenfalls 3.000 € erhalten.
102Am 11. Hauptverhandlungstag (12.10.2020) hat sich L über eine weitere Verteidigererklärung zu den Fällen 5 bis 8 der Anklage eingelassen.
103Bzgl. Fall 5 der Anklage hat L bekundet, sie sei mit C nach Essen gefahren, von da aus habe sie ein Taxi genommen zum Haus der Geschädigten. Dort habe sie von dieser ein Paket entgegengenommen und sei dann mit dem Taxi nach Köln gefahren. Gemeinsam mit L4 und C1 sei sie zum Zählen gefahren, es seien 36.000 € und Gold gewesen. Hiervon habe sie statt den zuvor angegeben 1.600 € vielmehr 9.000 € bekommen, weil es eine größere Menge Gold gewesen sei. Auf Nachfrage konkretisierte L ihre Einlassung und sagte aus, es sei ein Kilo Gold in Form von zwei 500 Gramm-Barren gewesen; eine Münze sei nicht dabei gewesen.
104Hinsichtlich Fall 6 der Anklage hat sich die Angeklagte L eingelassen, sie könne die Tat zwar zeitlich nicht mehr ganz genau einordnen, jedenfalls habe sie auch hier Geld entgegen nehmen wollen. Als das Tatopfer sie allerdings gebeten habe, zu einer Unterschrift mit zu ihr nach Hause zu kommen, habe sie, L , abgelehnt.
105Zu den Fällen 7 und 8 der Anklage hat L angegeben, sie sei am 11. und am 12.11.2019 jeweils mit einer Person nach Rheinbach ins Stadtzentrum gefahren und von da aus in einem Taxi zu einem Fitnessstudio, wo beide Male ein Treffen mit dem Geschädigten vereinbart war. Hierzu hatte sie zunächst ausgesagt, sie sei bei diesen Taten jeweils mit L4 und C1 zum Tatort gefahren. Später hat sie dies auf Vorhalt dahingehend korrigiert, lediglich C1 habe sie gefahren. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wollte sie Angaben, wer noch an den Fällen 7 und 8 der Anklage in Rheinbach beteiligt gewesen sei, nicht mehr machen. Sie habe jeweils einen Umschlag abgeholt und sei dann mit dem Taxi zurück gefahren. Auch sei ihr jeweils am Telefon gesagt worden, sie könne sich aus dem Umschlag Geld nehmen. Bei der ersten Tat habe sie sich 2.000 € nehmen dürfen, bei der zweiten 3.000 €. In Köln habe sie den Umschlag jeweils einem polnischen Mann gegeben.
106Am 12. Hauptverhandlungstag (26.10.2020) hat L sich nochmals – im unmittelbaren Anschluss an die Einlassung C s (s.u.) – zu den Fällen 7 und 8 der Anklage eingelassen. Dabei hat sie den Mitangeklagten C als Fahrer nach Rheinbach in den Fällen 7 und 8 konkret benannt. Am 11.11.2019 seien beide morgens nach Bonn gefahren, dort habe sie ein Taxi genommen und sei zu der Frau (= der Zeugin I ) gefahren. Von dieser habe sie kein Geld bekommen, dann sei sie wieder zurück in die Stadt gefahren. Auf Nachfrage, wie es dazu gekommen sei, dass C sie nochmals gefahren habe, hat L angegeben, sie habe sich mit ihm in Bonn an dem Ort getroffen, wo er sie abgesetzt habe. Dort seien sie angerufen worden und ihnen sei gesagt worden, wo sie haben hinfahren sollen. C habe sie dann nach Rheinbach gefahren, von wo aus sie mit dem Taxi weitergefahren sei. Zurück sei sie gemeinsam mit C zum Rudolfplatz gefahren. Am nächsten Morgen habe C sie erneut angerufen und sie seien gemeinsam losgefahren. Auf Nachfrage, warum sie vorher L4 und C1 als Fahrer bei den Fällen 7 und 8 benannt habe, hat L ausgesagt, die beiden hätten die Tat geplant. C habe sie gefahren, vielleicht habe sie sich vorher vertan.
107Zur Aufteilung der Beute befragt, hat sich L eingelassen, ihr sei gesagt worden, sie habe aus den Umschlägen Geld rausnehmen dürfen für C und sich, den Rest habe sie abgeben müssen. C und sie hätten immer jeweils den gleichen Betrag bekommen.
Zur Struktur der Gruppierung hat sich der Angeklagte C über eine von ihm auf Befragen autorisierte Verteidigererklärung am zweiten Hauptverhandlungstag (28.08.2020) eingelassen, er habe L im Frühjahr 2019 kennen gelernt in einem italienischen Café in der L6straße in Köln-Porz, wo er sich zu dieser Zeit häufig aufgehalten habe. Ursprünglich habe er auch Interesse an ihr als Frau gehabt. In dem Café habe er L in männlicher Begleitung gesehen, hierbei habe es sich um Personen gehandelt, die bei den Taten beteiligt gewesen seien. In mehreren Gesprächen mit L habe er Einblicke in deren private Situation und deren Nöte gewinnen können. Zunächst sei er, C , dann in den Sommerferien im Juli für gut zwei Wochen mit seiner Ex-Frau und den gemeinsamen Kindern nach Frankreich gefahren. Während des Urlaubs habe es Telefonkontakte zwischen ihm und L gegeben, nach der Rückkehr aus dem Urlaub Anfang August 2019 auch wieder ein persönliches Treffen. In dieser Zeit seien beide auch privat unterwegs gewesen. So habe er, C , L und ihre Kinder mehrfach privat gefahren. Schließlich sei bei L „eine Situation eingetreten“, in der sie ihn gefragt habe, ob er sie auch „darüber hinaus“ fahren könnte. Zu diesem Zeitpunkt habe C gewusst, dass L unterwegs gewesen sei, um Geld für andere Personen abzuholen. Auch sei ihm klar gewesen, dass sie ihn nicht habe fragen dürfen, ohne dass diese anderen Personen seinen Einsatz abgesegnet hätten. In diesem Zusammenhang habe er die Person, die L dirigiert habe, in deren Begleitung im besagten Café in Köln-Porz getroffen und ein Gespräch mit ihr geführt. Dabei sei die Person einverstanden gewesen, dass er, C , als Fahrer der L fungiere. Diese solle zwecks Abholung von Beute im Rahmen des Enkeltricks zu den Opfern gefahren werden. Für die Fahrdienste sei ihm, je nach dem was an Beute gemacht worden sei, ein Betrag von mindestens 500 bis 1000 € pro Tat in Aussicht gestellt worden.
109Als Hintermänner der Taten hat C an diesem Hauptverhandlungstag explizit gemeinsam mit der Mitangeklagten L die Zeugen S L3 (alias L4 ) und T1 T2 (alias C1 ) benannt.
110C hat weiterhin eine Beteiligung als Fahrer an den Einzeltaten der Fälle 3 bis 6 der Anklage – insoweit entsprechend der Feststellungen – eingeräumt. Allerdings hat er seine Tatbeteiligung insoweit relativiert, dass er lediglich als Fahrer tätig gewesen sei und die Kontakte zu den Hintermännern über die Mitangeklagte L gelaufen seien. C hat sich insoweit generell eingelassen, er sei in ein laufendes Geschehen eingebunden gewesen und habe lediglich Aufträge entgegengenommen. Auftragsfahrten nach Polen – bis auf die eine Fahrt im Zusammenhang mit Fall 5 der Anklage – habe er nicht gemacht. Auch habe er keinen Kontakt zu den Opfern gehabt und keine Legenden weitergetragen. Das System sei engmaschig kontrolliert worden, ein Abweichen sei kaum möglich gewesen, die Hintermänner hätten gewusst, um welche Beträge es ging. Im Herbst 2019 habe er aussteigen wollen, sei dann aber im November nochmals schwach geworden.
111Über seine generelle Beteiligung bei den Fällen 3 bis 6 der Anklage hinaus hat C zu den einzelnen Taten an diesem Verhandlungstag wie folgt ausgeführt:
112Bei Fall 3 der Anklage (Tat vom 15.08.2019) sei er, C , von L über Zeitpunkt und Ort der Tatbegehung im Detail in Kenntnis gesetzt worden; diese sei wiederum über die benannten Hintermänner informiert worden. Er habe L nach Solingen gefahren, allerdings nicht zur Adresse des Opfers, sondern irgendwo in die nähere Gegend. Dann sei er zurück nach Köln gefahren. Für die Fahrt habe er, überbracht durch L , die das Geld wiederum von den Hintermännern gehabt habe, 500 € bekommen.
113Bzgl. Fall 4 der Anklage (Tat vom 11.09.2019) habe er L nach Grevenbroich gefahren. Er habe L dort an der benannten Adresse abgesetzt und sei alleine zurückgefahren. Zeitnah habe er im Nachhinein wieder 500 € erhalten. Die abgeholte Beute, so sei es ihm von L gesagt worden, sei von ihr bei den Hintermännern abgegeben worden.
114Zu Fall 5 der Anklage (Tat vom 26.09.2019) hat sich C eingelassen, er sei selber durch den Hintermann unterrichtet worden über Zeit und Ort der Tatbegehung und habe dann mit L Kontakt aufgenommen. Er habe nicht gewusst, inwieweit L schon eingewiesen gewesen sei. Jedenfalls habe er sie nach Essen gefahren und sei seinerseits wieder alleine zurückgekehrt. Im Vorfeld der Fahrt sei zudem die Rede davon gewesen, für den Notfall erreichbar zu sein. Wenn etwas schief laufe, habe er L irgendwo aufladen sollen; hierzu sei es jedoch nicht gekommen.
115Wegen der Höhe der Beute sei C ein Anteil i.H.v. 900 € zugesagt worden, die er jedoch nicht gleich bekommen habe. L habe ihm nicht sofort seinen Lohn übermittelt. Als Grund sehe er ein zeitnah anberaumtes Treffen mit dem Hintermann, in dem er „gebeten“ worden sei, nach Polen zu fahren, um die Beute dorthin zu bringen. Dem habe er, C , sich klar und eindeutig widersetzt. Daraufhin sei ihm gesagt worden, er bekomme dann auch nicht die 900 €. An das Geld und an seine in Berlin lebende krebskranke Mutter denkend habe er dann eine Fahrt bis Berlin zugesagt. Hierfür seien ihm zusätzlich zu den 900 € weitere 2600 € versprochen worden. C habe sich damit einverstanden erklärt und die Einzelheiten der Übergabe in Berlin mit dem Hintermann abgesprochen. Treffpunkt in Berlin sei die Lounge von Brandenburgs Hotel in Berlin gewesen. Hier sollte sich bei C ein polnischer Taxifahrer melden, dem C eine schwarze Tasche mit der Beute habe übergeben sollen. Am 27.09. sei C mit der Tasche losgefahren, allerdings nicht mit L , sondern einer weiteren Person. Diese hat C nicht benannt. In Berlin habe er den Namen des ausgewählten Hotels dem Hintermann durchgegeben; ihm sei daraufhin der Zeitpunkt der Übergabe genannt worden. Zwischenzeitlich habe er sich mit seiner Mutter getroffen, sei dann aber wieder zur Hotel-Lounge gegangen, wo ein Mann direkt auf ihn zugekommen sei. Dieser habe gefragt, ob er ein Taxi nach Polen benötige. Der Mann habe sich als polnischer Taxifahrer vorgestellt und C habe ihm die Tasche ausgehändigt. Der Mann habe dann telefoniert, woraufhin im Anschluss bei C der Hintermann angerufen und gesagt habe, alles sei ok. C sei darauf zurück nach Köln gefahren. Aufgrund des erlebten Drucks habe er sich aber von weiteren Tatbegehungen distanziert. Zu seiner Begleitung habe er gesagt: „Ne, das war es jetzt bitte.“ Diese, die C nun erstmals als Hintermann bezeichnet hat, habe darauf gesagt: „Du kannst jetzt nicht einfach aussteigen.“ Außerdem habe er die versprochenen 2.600 € nicht erhalten. Der Druck habe sich in den nächsten Tagen in der Weise verstärkt, dass vor dem Haus seiner Ex-Frau in Hennef plötzlich zwei Autos auf der Straße gestanden hätten. Aus diesen seien der Hintermann und eine andere männliche Person gestiegen, die C vorher schon gesehen habe. Man habe ihm deutlich gemacht, dass er nicht aussteigen könne, weil man ihn brauche. C s Sohn habe am Tor zum Grundstück das äußere Geschehen mitbekommen. Er, C , habe darauf ein beklemmendes Gefühl bekommen und versucht eine Lösung zu finden. Er habe sich weder klar distanziert, noch habe er klar zugesagt.
116In den nächsten Wochen sei er nicht mehr eingesetzt worden. Dann sei er für den 11.11.2019 allerdings gebeten worden, noch einmal eine Fahrt nach Bonn zu machen. Er habe am Morgen dieses Tages Kontakt mit L gehabt, die beiden hätten sich dann in der Bar O3 in der L6str in Köln-Porz getroffen. Erstmal seien sie nach Köln gefahren um ein Handy zu holen, dann nach Bonn, in die Nähe des Ortes, wo L später die Geschädigte aufsuchen sollte. Am Nachmittag sei er wieder nach Hennef gefahren. Einen weiteren Einsatz habe es an dem Tag nicht gegeben. Von L habe er aber erfahren, dass die Tat in Bonn schiefgelaufen sei.
117Dass es am selben Tag und am Folgetag noch einen Fall in Rheinbach gegeben habe, sei ihm nicht bekannt gewesen.
118Weitergehende Fragen der Verfahrensbeteiligten zur Sache hat C nicht beantwortet.
119Am 12. Hauptverhandlungstag (26.10.2020) hat C seine Einlassung – wiederum nur durch eine autorisierte Verteidigererklärung – in kleineren Teilen ergänzt. Zur Aufteilung der Tatbeute hat er ausgeführt, 60% gingen nach Polen, 40% blieben hier. Diese 40% würden wiederrum folgendermaßen aufgeteilt: 20% erhalte L4 , 15% L , 5% verblieben bei ihm. Dies sei der Maßstab, aber nicht die Regel.
120Weiterhin ließ er sich ein, er habe zum Zeitpunkt der Taten in Grevenbroich und Essen auch selbst Kontakt mit den Personen gehabt, die die Taten leiteten. Er habe entgegennehmen sollen, wann irgendwo hingefahren werden solle, um dies mit der Angeklagten L abzustimmen. Zu Fall 6 der Anklage bekundete er, er habe L nach Bonn gefahren. Dies sei sein letzter Einsatz gewesen. Er habe L am Vormittag in Bonn abgesetzt, dann sei er nach Porz und dann nach Hause gefahren und dort verblieben. Mit den beiden Taten in Rheinbach habe er nichts zu tun. Er habe allerdings im Laufe der Zeit nach der Tat in Essen vernommen, dass L möglicherweise auch mit jemand anderem „gehe“. Dazu wisse er aber keine Details.
121Auch bzgl. seiner ergänzenden Einlassung hat er keine Fragen der Verfahrensbeteiligten beantwortet.
Von der Beteiligung der von beiden Angeklagten benannten L3 (L4 ) und T2 (C1 ) als Organisatoren aller Taten konnte sich die Kammer entgegen den Einlassungen nicht überzeugen. Festzustellen war lediglich, dass die Angeklagte L bei den Fällen 1 bis 2 mit weiteren unbekannten Personen, mutmaßlich L3 und T2, sowie weiteren Anrufern und in den übrigen Fällen gemeinschaftlich mit C als Fahrer und mindestens einer weiteren unbekannten Person die Taten als Mitglieder einer nach dem Enkeltrick vorgehenden Gruppierung begangen hat. Wer die weiteren Personen waren konnte jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden.
123L3 (alias L4 ) und T1 T2 (alias C1 ) haben jeweils von einem vollumfänglichen Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht. Insoweit konnte die Kammer von diesen keine weiteren Erkenntnisse beziehen.
124Durchgreifende Zweifel an der geschilderten Zusammenarbeit zwischen den Angeklagten und L3 /T2 bei den Taten ergeben sich aus der in Augenschein genommenen Telekommunikationsüberwachung. Aus einer Vielzahl von Gesprächen und den Erläuterungen L s hierzu folgt, dass entgegen den Einlassungen beider Angeklagten der Angeklagte C einerseits sowie L3 /T2 andererseits getrennt voneinander operierende Teams waren. Anhaltspunkte für eine übergreifende Zusammenarbeit waren dagegen nicht erkennbar, insbesondere nicht für die von beiden Angeklagten geschilderte Organisation der angeklagten Taten. Im Einzelnen:
125Gegen eine Zusammenarbeit von C und L4 /C1 spricht etwa ein Gespräch von L und ihrem Freund M vom 01.10.2019, 17:22 Uhr. In diesem teilt L mit, dass sie Streit mit C alias L1 gehabt habe und am nächsten Tag „mit anderen geht“. L selber hat hierzu erläutert, sie habe mit den „Anderen“ gemeint, mit L4 und C1 zu gehen. Dies macht indes nur Sinn, wenn C und L4 /C1 voneinander unabhängig operierten. In diese Deutung fügt sich ein weiteres Gespräch vom gleichen Tag um 19:10 Uhr zwischen L und L3 , den selbige hier als Gesprächspartner identifiziert hat. In diesem Gespräch unterhalten sich beide codiert („Kuchen essen“) – insoweit von L bestätigt – über eine anstehende Tatbegehung. L4 will sich diesbzglich. noch bei L melden. L bestätigt dies, gibt in dem Gespräch aber auch zu verstehen, dass sie „mit dem Anderen gehe“, wenn sich L4 nicht melde. Auf Nachfrage der Kammer hat L hier als den „Anderen“ C identifiziert. Auch insoweit wird damit das Alternativitätsverhältnis zwischen beiden Teams nochmals bestätigt.
126In die gleiche Richtung deuten verschiedene Gespräche im Zeitraum vom 02.10. bis 04.10.2019. In einem Gespräch vom 02.10.2019, 19:50 Uhr, telefoniert L mit einer Person namens C5 . Diesen hat L bei ihren Angaben zu den Telefongesprächen als Bruder von L3 /L4 identifiziert. In dem genannten Gespräch gibt L an, dass es sie nicht „ziehe“ und sie mit dem „Romamann“ gehen werde. C5 reagiert darauf enttäuscht und teilt ihr mit, L s Cousin (also L3 /L4 ) habe ihn gerade angerufen und gesagt, dass übermorgen „ok“ sei, jetzt müsse er ihm wieder nein sagen. Den Begriff „ziehen“ hat L in diesem Zusammenhang als „keine Lust haben“ erklärt. Auch den Begriff „Gehen“ bzw. „essen gehen“, welcher der Kammer schon aus anderen vergleichbaren Verfahren geläufig war, hat L – wenn auch zögerlich (dazu unter IV. 1. a]) – erklärt, hiermit sei die Begehung von Straftaten im Sinne des Enkeltricks gemeint. Die Sprachsachverständige H1 hat dies aus ihrer eigenen Sachkunde heraus bestätigt. Zu dem vorgenannten Gespräch passt ein früheres Gespräch vom gleichen Tag 19:24 Uhr, mit K , einem Bekannten L s. Auch gegenüber K kündigte L an, höchstens für einen Tag mit C5 zu gehen, da es sie nicht „ziehe“. Zu diesem Gespräch hat L weiterhin erklärt, das „Gehen“ mit C5 schlösse auch L4 und C1 mit ein. Es habe sie nicht gezogen, weil beide sich wegen ihr nur gestritten hätten. Dies habe ihr Angst gemacht. In diesen Zusammenhang fügt sich ebenfalls ein weiteres Gespräch zwischen L und ihrem Vater vom 04.10.2019, 21:24 Uhr. In diesem berichtet L , sie sei heute „gegangen und habe ein wenig gegessen, das Essen habe ihr jedoch nicht gefallen“. Weiterhin erzählt L ihrem Vater von L1 , also C . Manchmal gehe sie mit ihm, heute sei sie allerdings mit C5 spazieren gewesen. Mit ihm wolle sie aber nicht mehr gehen. Auf Nachfrage, was „mit C5 gehen“ bedeute, wollte sich L nicht mehr äußern. Insgesamt wird auch aus dieser Gesprächsreihe das Vorgesagte deutlich: L begeht Taten sowohl mit einer Gruppierung um C als auch mit einer Gruppierung um L3 /T2/C5 , die nicht gemeinsam agieren. Im Hinblick auf die Zeitpunkte der Anrufe – alle Anfang Oktober 2019 – ergeben sich zudem Anhaltspunkte, dass L und C neben den angeklagten Taten auch weitere (nicht ermittelte) Taten nach dem Modus Operandi Enkeltrick begangen haben könnten.
127Schließlich wundert sich L in einem weiteren Gespräch vom 13.11.2019, 09:31 Uhr – einen Tag nach Fall 8 der Anklage – mit ihrem Bekannten K über die Kenntnis von „allen“, dass sie mit L1 , also C , gehe. Von L3 und T2, die nach den Einlassungen der Angeklagten ebenfalls an den Taten beteiligt sein müssten, ist hier gerade keine Rede. Im Gegenteil: Auf die Frage L s an K , woher alle dies wüssten, antwortet selbiger, alle wüssten dies und sie solle ihren „dummen Cousin“ fragen. L s Cousin aber ist L3 alias L4 . Auch dies deutet auf ein Konkurrenzverhältnis zwischen diesem und C hin, dessen Aktivitäten mit L wohl er dem Gespräch nach zu urteilen, geheim bleiben sollten. Auf Nachfrage wollte L – im Gegensatz zu ihrem bisherigen Einlassungsverhalten – keine Angaben machen.
128Die vorgenannten Gespräche zeigen insgesamt, dass L mit unterschiedlichen voneinander unabhängigen Teams Taten begangen hat. Wie sich aus der in der Hauptverhandlung eingeführten Telekommunikationsüberwachung ergibt, agierte neben der Gruppe um L4 , C1 und C5 der in Gesprächen so bezeichneten „Romamann“, sprich: C alias L1 . Anhaltspunkte für die Zusammenarbeit der beiden Gruppierungen untereinander fanden sich hingegen an keiner Stelle, was die Einlassungen der Angeklagten in diesem Punkt schon entscheidend widerlegt.
129Darüber hinaus sind die Einlassungen aber auch bzgl. der Zusammenarbeit der Angeklagten mit L3 /L4 und T2/C1 schon untereinander nicht deckungsgleich. Während C das Kennenlernen zwischen L und ihm als längeren Prozess geschildert hat, der von einer privaten auf eine berufliche Ebene gewechselt habe und dann schließlich in ein Treffen mit L4 gemündet sei, hat L die Kontaktaufnahme gänzlich anders geschildert. So hat sie sich eingelassen, dass das erste Treffen mit C erst nach Begehung der ersten beiden Taten stattgefunden habe und zwar auf Anweisung von L4 und C1 . Hier habe sich L C erstmals vorgestellt und dann ohne Umwege auf eine mögliche Tatbeteiligung C s angesprochen. Für keine der beiden Versionen haben sich in der Hauptverhandlung weitere objektivierbare Anhaltspunkte ergeben. Schon dies spricht gegen die Zuverlässigkeit der Einlassungen bzgl. der Beteiligung von L4 und C1
130Daneben ergeben sich aus dem wechselnden Einlassungsverhalten von L zu den weiteren Beteiligten der Fälle 7 und 8 zusätzliche Zweifel, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung beider Angeklagter sprechen. In diesem Sinne hat L in ihrer Einlassung vom 28.08.2020 dahingehend ausgesagt, L4 und C1 hätten sie nach Rheinbach gefahren. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung haben sich jedoch aus der Inaugenscheinnahme der Telekommunikationsüberwachung des Mobiltelefons von L , konkret aus den Gesprächen mit K , einem Freund L s aus Polen, vom 06.11.2019, 20:18 Uhr und vom 10.11.2019, 22:59 Uhr, entgegenstehende Hinweise ergeben. Danach hielt sich L4 im tatrelevanten Zeitraum ausweislich der Gespräche in Polen auf und konnte daher bei diesen Taten nicht der Fahrer L s gewesen sein. Auf Vorhalt dieser möglichen Interpretation hat L ihre Einlassung revidiert und zunächst am 12.10.2020 angegeben, sie sei mit C1 nach Rheinbach gefahren. Weitere Fragen zu Beteiligten hat sie nicht beantworten wollen. Schließlich hat sie am Hauptverhandlungstag vom 26.10.2020 ausgesagt, C habe sie gefahren, vielleicht habe sie sich vorher vertan. Hierdurch verstärken sich aus Sicht der Kammer die Unsicherheiten, die einer Feststellung der Tatbeteiligung von L4 und C1 als Hintermänner der abgeurteilten Taten letztlich entgegenstehen.
131Keine der Einlassungen kann überdies besondere Realitätskennzeichen für sich beanspruchen. Letztlich habe beide Angeklagten bzgl. ihrer Tatbeteiligung nur das eingeräumt, was ihnen anhand der Zeugenaussagen und der in Augenschein genommenen Telekommunikationsüberwachung ohne weiteres nachzuweisen war und haben weiterhin ohne nähere Belege behauptet, L3 /L4 und T2/C1 seien die bislang unbekannten Hintermänner. Lediglich in C s Einlassung findet sich mit der geschilderten Fahrt nach Berlin zwecks Weitergabe der Tatbeute an Hintermänner in Polen ein auffälligeres Detail. Tatsächlich ergibt sich auch aus der Telekommunikationsüberwachung, dass C unmittelbar nach Fall 5 der Anklage nach Berlin gefahren ist. Dass dies allerdings tatsächlich auf Druck von L4 und C1 oder in deren Beisein geschah, konnte die Kammer nicht feststellen. Hiergegen sprechen auch die während der Fahrt geführten Telefonate von C , in denen er L vorschlägt, ihn auf der Fahrt zu begleiten. Weder aus dem Tonfall noch aus den Inhalten der Gespräche ergeben sich Hinweise auf eine Drucksituation. Anhand der Aufgaben C s im Gruppengefüge (s. dazu im Folgenden) ist vielmehr anzunehmen, dass C entsprechende Kurierfahrten durchaus vornimmt, um Tatbeute weiter zu transferieren und sie daher auch ohne weiteres nachvollziehbar schildern kann.
132Schließlich gibt es auch nachvollziehbare Motive, welche eine Falschbelastung durch C und L zum Nachteil von L3 (L4 ) und T2 (C1 ) erklären können. Wie in der Hauptverhandlung angehörte Telefonate (u.a. die Gespräche vom 02.10.2019, 19:24 Uhr und vom 05.10.2019, 20:30 Uhr) gezeigt haben (s.o.), hatte L mit L3 und T2 Streit und wollte mit ihnen gemeinsam keine Taten mehr begehen. Auch das bereits zitierte Gespräch vom 13.11.2019, 09:31 Uhr weist in diese Richtung. Entsprechend der vorgenannten Ausführungen deutet hier vieles auf eine Konkurrenz und Streit zwischen C und L3 /T2 hin. Ein Rachemotiv ist daher an dieser Stelle nicht auszuschließen. Überdies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen M2 ein weiteres mögliches Motiv. Dieser hat zur Entstehung des Verfahrens über einen anonymen Anruf bei ihm am 13.09.2019 berichtet, in dem L bzgl. zweier Taten im Juli/August und im September 2019 beschuldigt worden sei. Diese Taten hätten sich letztlich anhand der konkreten Angaben des Anrufers zur Beutehöhe den Fällen 1 und 4 der Anklage (zum Nachteil der Geschädigten T3 und L5 ) zuordnen lassen. Weiterhin hat der Zeuge M2 von einem zweiten zeitnahen anonymen Hinweis zweier Frauen auf einer Polizeiwache in Frankfurt am 27.09.2019 berichtet, der ebenfalls auf L als Abholerin bei einer für den 28.09.2020 geplanten Enkeltricktat hingedeutet habe. Wer letztlich diese Hinweise gegeben hat, lässt sich nicht ermitteln. Da es sich aber bis auf Fall 1 zum Nachteil der Zeugin T3 um Taten und Tatzeiträume handelt, bei denen L mit C aktiv war und zwischen den unterschiedlichen Teams ausweislich der überwachten Gespräche ein Alternativ- bzw. Konkurrenzverhältnis bestand, ist ein Hinweis aus dem Lager von L3 und T2 zumindest nicht auszuschließen. Für einen solchen Hinweis könnten die Angaben L s (und auch C s) die „Retourkutsche“ sein.
133Auch auf C lässt sich diese Motivlage übertragen. Für ihn stellten L3 und T2 eine möglich Konkurrenz dar, die im Wege einer strafrechtlich relevanten Belastung ggf. hätte ausgeschaltet werden können, der aber zumindest hierdurch Probleme durch etwaiges Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden bereitet werden konnte.
134Die mögliche, nicht konturenscharf feststellbare Falschbelastung von L3 und C hat letztlich auch im Zusammenspiel mit den weiteren vorstehend dargestellten Erkenntnissen dazu geführt, dass die Kammer keine konkreten Feststellungen zur Tatbeteiligung L3 s und T2 an den Fällen 1 und 2 treffen konnte. Für das hiesige Verfahren waren entsprechende Feststellungen jedoch auch nicht erforderlich, sondern bleiben einem möglichen weiteren Strafverfahren vorbehalten.
Aus einer Vielzahl von Gesprächen der Telekommunikationsüberwachung ergibt sich zudem, dass C gegenüber L eine übergeordnete, weisungsbefugte Stellung und eine tragende Rolle im Gefüge der Gruppierung eingenommen hat. Diese steht der von C geschilderten Beteiligung als weisungsgebundener, untergeordneter Fahrer entgegen. Auch insoweit ist seine Einlassung daher zusätzlich zu den vorstehenden Ausführungen als widerlegt anzusehen.
136So ist bezeichnend, dass L laufend Kontakt zu C (und nicht umgekehrt) sucht und sich nach Möglichkeiten erkundigt, zusammen zu „gehen“ bzw. „essen zu gehen“, sprich: Taten im Sinne des Enkeltricks zu begehen. Beispielhaft sind etwa die Telefongespräche vom 01.10.2019, 08:03 Uhr, vom 02.10.2019, 06:33 Uhr, vom 04.10.2019, 21:17 Uhr, vom 08.10.2019, 21:11 Uhr, vom 06.11.2019, 16:28 Uhr und vom 08.11.2019, 08:38 Uhr zu nennen. Besonders eindrücklich sind aus dieser Reihe zwei Gespräche: Im Gespräch vom 02.10.2019, 06:33 Uhr, erkundigt sich L bei C , ob man sich an diesem Tag sehe. C verneint dies und bestätigt L , dass man sich die ganze Woche nicht sehen werde. Auf Nachfrage der Kammer hat L eingeräumt, dass es hier um die Begehung von Enkeltricktaten gegangen sei – wobei hervorzuheben ist, dass in diesem Zeitraum auch keine Taten angeklagt sind. Auf weitere Nachfrage, ob C selber Taten organisiere hat L indes geantwortet, sie wisse es nicht. Aufgrund des engen Kontakts mit C und der vielfachen Anrufe bei ihm ist dies wenig nachvollziehbar und glaubhaft. In dem Gespräch vom 08.10.2019, 21:11 Uhr, teilt C L mit, dass man erst wieder am kommenden Montag gehen könne. L erwidert daraufhin, er, C , solle dies nicht machen und Donnerstag oder Freitag kommen, da dies die „besten Tage“ seien. Auffällig ist bei allen Gesprächen, dass entgegen der Einlassung C s immer nur L nach Tatmöglichkeiten fragt, auf die C Einfluss zu haben scheint (s.o.: er soll Donnerstag oder Freitag kommen). Wäre sie tatsächlich entsprechend den Angaben C s das Bindeglied zwischen ihm und den Hintermännern gewesen, hätte für diese Nachfragen keine Veranlassung bestanden C indes wusste, von den Hintermännern, wann Taten begangen werden sollten.
137Darüber hinaus verfügte C ausweislich der in Augenschein genommenen Telefongespräche auch über nähere Informationen zu den Tätigkeiten der Hintermänner, die er an L weitergibt. Dies ergibt sich aus den Gesprächen vom 06.10.2019, 23:11 Uhr, vom 08.10.2019, 10:36 Uhr, vom 14.10.2019, 20:41 Uhr, vom 15.10.2019, 17:18 Uhr und vom 16.10.2019, 17:03 Uhr. In all diesen Telefonaten teilt C L mit, dass derzeit keine weiteren Taten begangen würden und sie nicht „gehen“ könnten, weil die Hintermänner entweder „trinken“ oder „Stress“ haben. Letzteres ergibt sich u.a. aus dem Gespräch vom 15.10.2019, 17:18 Uhr, zwischen L und C . Hier erläutert C gegenüber L , der Grund für den Stress sei, dass jemand mit der Frau eines anderen geschlafen habe. Diese Mitteilungen, die auf Insiderkenntnisse C s schließen lassen, verdeutlichen nicht nur dessen besondere Nähebeziehung zu den weiteren Mitgliedern der Gruppierung. Sie zeigen zudem – wie schon vorstehend an anderen Telefonaten aufgezeigt –, dass es sich bei den von den Angeklagten belasteten Hintermännern nicht um L4 und C1 handeln kann. Bei diesen hat L ihrer Einlassung nach zeitweise gewohnt, zu ihnen hatte sie auch Kontakt. Insoweit brauchte C sie nicht zu informieren.
138Weiterhin tritt C L gegenüber als Weisungsgeber auf, was eine höhere Stellung in der Hierarchie der Gruppierung belegt. Beispielsweise kontaktierte C L in zwei Telefongesprächen vom 25.09.2019 (07:39 Uhr und 08:36 Uhr) weckte sie und forderte sie auf, sich fertig zu machen und dann zu einer Bäckerei zu kommen. Zeitlich fanden diese Gespräche nur einen Tag vor Fall 5 der Anklage (zum Nachteil der Geschädigten E ) statt. Eine Erklärung für dieses morgendliche Treffen wollten weder L noch C liefern; auch ansonsten war ein Anlass außerhalb der angeklagten Taten nicht ersichtlich. Im Gegenteil: In einem weiteren Telefonat vom 25.09.2019 (17:58 Uhr) erkundigt sich M , L s Lebensgefährte, bei selbiger, ob sie Geld habe. Diese entgegnet, ihr sei „nicht viel gefallen“; später konkretisierte sie „5 bis 600“. Die Sprachsachverständige H1 hat hierzu erläutert, dass dieser Begriff „fallen“ in Romakreisen als Codewort für Tatbeute verwendet wird. Dies war der Kammer auch aus anderen Verfahren im Zusammenhang mit dem Enkeltrick bekannt. Im Ergebnis deuten die beiden Gespräche damit auf eine weitere nicht angeklagte Tatbegehung hin. In einem weiteren Gespräch vom 10.10.2019, 10:27 Uhr, fordert C L auf – nachdem er sie zuvor gerügt hatte, nicht auf seinem Privathandy anzurufen –, sie solle sich „dieses günstige Ponchka“ kaufen. „Ponchka“ ist dabei eine konspirative Bezeichnung für ein Wegwerfhandy. L hat dies auf Nachfrage – allerdings nur zögerlich (s.u. IV. 1. a]) – bestätigt, nachdem die Sprachsachverständige H1 zuvor ausgeführt hatte, dass Ponchka eigentlich ein Gebäck mit Füllung ähnlich eines Berliners bezeichnet, in entsprechenden Täterkreisen aber synonym für Mobiltelefon verwandt werde.
139Auch zeigte sich in der Telekommunikationsüberwachung, dass C maßgeblich die Tatbeute verwaltete und L hiervon deren Anteile zuteilte. So teilte er L in einem Gespräch vom 27.09.2019 mit „Ich habe deine Läuse“. Die Kammer wertet diese Mitteilung, die unmittelbar nach der Tat zum Nachteil der Geschädigten E erfolgte während sich C auf dem Weg nach Berlin befand, als Mitteilung, dass C noch über den Beuteanteil von L verfügte. Zwar beinhaltete die Telekommunikationsüberwachung auch Gespräche zwischen L und C , die sich um von L behauptete Schulden C s bei ihr anlässlich eines Autokaufs drehten. Insoweit hat C aber in den Gesprächen selbst und auch im Verfahren bestritten, dass er insoweit noch Schulden bei L gehabt habe. Das Zugeständnis („Ich habe deine Läuse“) würde daher zu diesem Geschehen nicht passen. Vielmehr fügt sich zur Annahme der Verwaltung der erbeuteten Gelder durch C ein Telefongespräch zwischen L und der Ehefrau C s – L hat diese identifiziert – vom 01.10.2019 (07:36 Uhr). In diesem Gespräch spricht die Ehefrau C s mehrfach vom „letzte(n) Mal“, wo bei ihnen am Tisch Geld gezählt worden sei. Danach muss es schon zuvor Situationen gegeben haben, in denen bei C und seiner Frau Geld gezählt wurde. Von einer dieser Zählaktionen forderte L noch ausstehendes Geld. C erwidert, er habe alles mitgebracht. L verneint dies und hält ihm insbesondere vor: „Du hast mir nur von dem einen Geld gegeben, von den 10.000“. Die Wendung „nur von dem einen“ legt - wie schon zuvor die Formulierung von C s Ehefrau - nahe, dass es mehre Anlässe zur Auszahlung gegeben haben muss. Erläuternde Angaben, die eine anderweitige Deutung nahelegen könnten, haben die Angeklagten nicht gemacht. Auch in zwei weiteren Gesprächen vom 01.10.2019 (09:40 Uhr und 09:42 Uhr) fordert L mehrfach Geld von C und zwar nicht nur eine Summe, was nahe läge, wenn noch ein Restbetrag von einem Autokauf offen wäre, sondern verschiedene Beträge: von „den 5.000“ müsse er noch 3.000 geben und 2.200 habe er ihr von „dem einen“ gegeben. C hingegen behauptet, er habe 4.000 geschuldet, „2.600 habe er ihr gegeben“. Auch insoweit wollten L und C keine erläuternden Angaben machen. aus der Gesamtschau mit dem Telefongespräch vom gleichen Tag um 07:36 Uhr (s.o.) schließt die Kammer, dass es auch hier um noch offene Anteile L s aus verschiedenen Taten geht.
140Nach alledem ergibt sich damit aus den in Augenschein genommenen Telefongesprächen, dass C vielfältigste Aufgaben im Rahmen der Gruppenorganisation ausführte: Er dirigierte L zu Treffpunkten, holte sie dort ab, fuhr sie in die Nähe der mit den Opfern ausgemachten Abholorte - insoweit auch bzgl. der Fälle 3 bis 6 der Anklage eingeräumt -, gab Informationen zu den Tätigkeiten der Hintermänner weiter und forderte L insoweit als Abholerin der Tatbeute an, wies sie an, Tatwerkzeuge (= Wegwerf-Mobiltelefone) zu besorgen und verwaltete die Tatbeute. Hieraus ist insgesamt – wie letztlich auch festgestellt – zu schließen, dass C eine deutlich höhere und verantwortungsvollere Stellung innerhalb der Tätergruppierung zukam als die eingestandene untergeordnete Fahrertätigkeit.
Soweit C sich eingelassen hat, an den Fällen 7 und 8 der Anklage sei er nicht mehr beteiligt gewesen, vermochte die Kammer dem ebenfalls nicht zu folgen. Vielmehr ist sie überzeugt, dass C auch insoweit als Fahrer L s und bei der Entgegennahme der Tatbeute entsprechend den Feststellungen agiert hat. Seine Einlassung in diesem Punkt wertet die Kammer aus den nachfolgenden Gründen als Schutzbehauptung.
142Zunächst hat L in ihrer letzten Einlassung C als Fahrer und weiteren Beteiligten der Fälle 7 und 8 benannt. Die Kammer übersieht nicht, dass dieser Benennung aufgrund des wechselnden Einlassungsverhaltens von L nur ein geringerer Beweiswert zukommt. Hierauf allein lässt sich die Feststellung der Tatbeteiligung C s freilich nicht stützen.
143Wie aus der vorstehend dargestellten Telekommunikationsüberwachung allerdings ersichtlich ist, hat zur fraglichen Zeit L bis zum 11.11.2019 maßgeblich mit C zusammengearbeitet. Betreffend L4 ergaben sich weiterhin aus den Gesprächen deutliche Hinweise (s.o.), dass er sich zur Tatzeit in Polen aufgehalten hat, mithin gar nicht der Fahrer sein konnte. Anhaltspunkte, dass L alleine mit C1 zusammengearbeitet hat, haben sich – bis auf die von ihr revidierte Einlassung – nicht gefunden. Damit verdichtet sich die Erkenntnislage auf C als in Frage kommender Partner L s zu dieser Zeit.
144Weiterhin spricht hierfür folgende Erwägung: C hat L sicher – und von ihm eingestanden – zu der Tat vom 11.11.2019 zum Nachteil der Geschädigten I nach Bonn gefahren. Tatzeit war der Morgen bzw. Vormittag des 11.11.2019. Am gleichen Tag nachmittags (nach 15:00 Uhr) holte L vom nächsten Tatopfer, dem Geschädigten C3 (Fall 7 der Anklage) Beute ab. Ein nachvollziehbarer Grund, warum in einem so kurzen Zeitraum ein Wechsel der Abholerteams stattgefunden haben soll, also von C /L zu L mit anderen Mittätern, ist nicht ersichtlich und wurde auch in der Hauptverhandlung zu keiner Zeit erwähnt. Da sich C zudem ohnehin in Bonn befunden haben muss, nachdem er L dort abgesetzt hatte, und das Geschehen mit der Geschädigten I aufgrund der abgebrochenen Geldübergabe nicht lange gedauert haben kann, wäre es unproblematisch möglich gewesen, von Bonn aus in das nur ca. 25 km entfernte Rheinbach zu fahren. Entsprechende Erwägungen gelten bzgl. Fall 8 der Anklage: Das Tatopfer C3 wurde durch eine fortlaufende Legende (= Geldnot des Vetters Matthias) auch am Folgetag zu einer Bargeldübergabe bewegt. Dies lässt den Schluss zu, dass dieselben Hintermänner bei beiden Taten am Werk waren. Eine nachvollziehbare Erklärung, warum dann lediglich der Fahrer in der Person C s ausgetauscht worden sein soll, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen.
145Maßgeblich gestützt werden diese Plausibilitätserwägungen und die Einlassung L s zur Beteiligung C s durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Verkehrsdaten der privaten Mobiltelefone C s und L s. C s Mobiltelefon war am 11.11.2019 zuletzt um 14:58 Uhr und dann erst wieder um 23:18 Uhr und am 12.11.2019 zuletzt um 09:38 Uhr und dann erst wieder 14:25 Uhr aktiv. Dies deutet darauf hin, dass das Mobiltelefon ausgeschaltet war. Wie der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren bekannt ist und wie es in diesem Verfahren der Zeuge M2 aus seiner kriminalistischen Erfahrung heraus bestätigt hat, verfahren entsprechende Tätergruppierungen auf diese Weise, um die Rekonstruktion von Fahrtwegen und Aufenthalten anhand von retrograden Verbindungsdaten zu erschweren. Vergleichbare Pausen finden sich bzgl. des Mobilfunkanschlusses von C an den Tagen vor und nach der Tat (10. und 13.11.2020), bei denen Anhaltspunkte für eine Tatbegehung nicht ersichtlich sind und deren Verbindungsdaten die Kammer ebenfalls verlesen hat, nicht. Vielmehr war sein Mobiltelefon an diesen Tagen im Minutentakt aktiv. Bei L s privatem Mobilfunkanschluss ist am 11.11.2019 eine Zeit ohne Aktivitäten zwischen 07:52 Uhr bis 12:09 Uhr erkennbar, danach enden alle Aktivitäten bis zum 12.11.2020 um 17:30 Uhr. Damit sind die inaktiven Zeiten des Mobiltelefons L s zwar nicht vollständig deckungsgleich mit denen C s. Gleichwohl finden sich erhebliche Überschneidungen. Zudem ist eine Deckungsgleichheit auch zwanglos damit zu erklären, dass C L regelmäßig nur in die Nähe des Tatorts gefahren hat und L eigenständig zur Übergabe der Beute zu C zurückgekehrt ist. C musste sein Mobiltelefon aufgrund des zeitlich kürzeren Tatbeitrags daher nicht so lange wie L ausschalten. Die bei C festgestellten Zeiten der Inaktivität (am 11.11.2019 von Nachmittags bis fast Mitternacht und am 12.11.2019 vom Morgen bis zum frühen Nachmittag) lassen sich im Übrigen ohne weiteres mit den zwei Fahrten der Fälle 7 und 8 der Anklage nach Rheinbach, die L geschildert hat, in Übereinstimmung bringen.
Hinsichtlich der Anteile an der Tatbeute haben sich die Angeklagten unterschiedlich eingelassen (s.o. unter II. 2. c] aa] und bb], sei es durch Angabe konkreter Summen, sei es durch Angabe von Prozentwerten. Die Kammer hat sich bei den Feststellungen letztlich zugunsten der Angeklagten an den konkreten Angaben L s zu den einzelnen Fällen orientiert. Diese hat sie ihren Feststellungen für beide Angeklagten zugrunde gelegt und die Beuteanteile als Mindestanteile festgestellt. Die von der Angeklagten L in ihrer Einlassung vom 28.08.2020 zunächst genannten Beträge waren dagegen in Relation zu der jeweils erzielten Gesamtbeute nicht plausibel. Aus vergleichbaren Verfahren ist der Kammer bekannt – und so hat es auch der Zeuge M2 in diesem Verfahren in der Hauptverhandlung geschildert –, dass ca. 50% der Tatbeute bei den Logistikern bleiben. Die von L angegebenen Beträge liegen bei den Einzelfällen weit unter einem hälftigen Anteil an der vereinnahmten Beute (betreffend beide Angeklagten); die von C genannten Beträge sind nochmals deutlich niedriger. Anhaltspunkte für etwaige höhere Beuteanteile L s ergeben sich zudem aus der in Augenschein genommenen Telekommunikationsüberwachung. Hier finden sich vielfach Gespräche, in denen L von hohen Bargeldsummen berichtet, die sie ausgegeben oder noch zu erhalten hat. Mit den festgestellten Taten sind diese Beträge nicht in Einklang zu bringen. Daher können Sie entweder nur durch die Begehung weiterer, nicht angeklagter Taten oder aber höherer Anteilsentnahmen zu erklären sein. Beispielhaft zu nennen sind etwa die Gespräche vom 01.10.2019 (09:40 Uhr und 09:42 Uhr) (s.o. II. 2. c] cc]), bei denen L und C über verschiedene (noch offene) vierstellige Geldbeträge diskutieren. In weiteren Gesprächen berichtet L über den Erwerb einer Patek Philippe Uhr für 9.000 € (Gespräche vom 29.09.2019, 13:33 Uhr und 14:16 Uhr), teilt ihrem Bekannten K mit, dass sie „30.000“ ausgegeben habe (Gespräch vom 03.10.2019, 19:33 Uhr) und einem Bekannten namens Q, dass sie „3.000 genommen“ habe (Gespräch vom 11.10.2019, 17:13 Uhr). Plausible Erklärungen für die Herkunft der Beträge hat L nicht gemacht. Mangels konkreter Anhaltspunkte für höhere Beuteanteile hat die Kammer jedoch - wie ausgeführt - ihren Feststellungen die Angaben L s zu Ihren Gunsten zugrunde gelegt.
147Betreffend C konnte sich die Kammer nicht von den von ihm angegebenen niedrigen Beuteanteilen überzeugen. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass er aufgrund einer höheren Stellung in der Gruppenhierarchie entgegen seiner Einlassung sogar einen höheren Anteil als L vereinnahmt hat. Hierauf deuten zumindest verschiedene Telefonate hin, die auf ein beträchtliches Barvermögen C s schließen lassen. In diesen Telefonaten verhandelt C mit privaten Verkäufern über den Erwerb teurer Rolex-Uhren im Wert von mehreren Tausend Euro (Gespräche vom 04.10.2019, 09:03 Uhr und 09:26 Uhr) oder einer sog. „Königskette“ im Wert von 6.000 € (Gespräche vom 04.11.2019, 16:57 Uhr und 21:42 Uhr). Bzgl. letzterer weist er sogar seine Ehefrau unmittelbar im Anschluss an das Gespräch mit dem Verkäufer an, sie solle „6.000 rausholen“ (Gespräch vom 04.11.2019, 18:56 Uhr). Soweit C über seinen Verteidiger hat erklären lassen, bei den Gesprächen von C , bei denen er Interesse an einer Uhr gezeigt habe, habe er „dick aufgetragen“, vermag die Kammer dem keinen Glauben zu schenken. Dafür sind mit den vorgenannten Gesprächen zu viele Gespräche in der Telekommunikationsüberwachung enthalten, die sich um den Erwerb kostspieliger Luxusgegenstände drehen. Zum Teil – im Fall der Kette – hat er die Gegenstände auch, wie er selber im Gespräch (Gespräche vom 04.11.2019, 21:42 Uhr) angibt, erworben. Gründe, warum sich C hier nur telefonisch erkundigen, nicht aber kaufen will, sind ansonsten nicht ersichtlich, zumal er in den Telefonaten auch eine Fülle von Details über vergleichbare Luxuskäufe erwähnt.
148Gleichwohl ist die Kammer zu Gunsten C s bei den Taten, an denen er beteiligt war, von den von L genannten Beträgen ausgegangen, da sich über die vorstehenden Ausführungen hinaus keine konkreten Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Feststellung höherer Beuteanteile zugelassen hätten. Die von C genannten Beträge waren dagegen aus den o.g. Gründen und insbesondere vor dem Hintergrund seiner Stellung in der Hierarchie nicht plausibel.
Die Feststellungen zum Vorsatz der Angeklagten beruhen auf deren Einlassungen und den nachfolgenden Erwägungen:
150L hat in ihrer Einlassung vom 29.09.2020 bestätigt, dass sie bei allen Taten davon ausging, einer illegalen Tätigkeit nachzugehen, bei der es sich um den Enkeltrick handele (s.o.). Darüber hinaus war L die Vorgehensweise und auch die Gruppenstruktur im Wege des Enkeltricks wohlbekannt. In den in Augenschein genommenen Gesprächen erkundigt sie sich ständig nach Tatmöglichkeiten, wann man wieder „gehen“ könnte, wird in die Besorgung von Tathandys eingebunden und erhält Berichte über die Tätigkeit der Hintermänner in Polen. Sie sah sich also bei allen Taten als Teil einer entsprechenden Gruppierung und handelte dementsprechend. Dies wird bestätigt durch das festgestellte Tatverhalten. Bei allen Taten ist L ausgesprochen professionell vorgegangen. Sie konnte ohne weiteres gegenüber den Opfern verschiedene Rollen einnehmen und hat etwa bei der Tatbegehung – dies konnte die Kammer aus den eingeführten Verbindungsdaten schließen – ihr privates Mobiltelefon zwecks Erschwerung der Nachverfolgung ausgeschaltet. Dies alles ist, weil es eine umfassende Information der Angeklagten voraussetzt, nur nachvollziehbar und erklärlich bei einer bewussten und gewollten Einbindung in die Gruppierung.
151Auch C hat sein Wissen um die Einbindung in eine nach dem Enkeltrick operierende Gruppierung eingeräumt (s.o.). Da dies allerdings – wie auch bei L – im Zusammenhang mit der Tatbeteiligung von L3 und T2 geschah, kommt der Einlassung insoweit ein geschmälerter Beweiswert zu. Dass C wie L bei allen Taten gleichwohl von einer Einbindung in einer Enkeltrick-Gruppierung und einer bewussten Förderung ihres Zwecks ausging, wird neben der Einlassung durch die in Augenschein genommenen Telefongespräche belegt, aus welchen die Kammer auch auf eine entsprechende (höhere) Stellung C s in der Gruppe schließen konnte.
L und C handelten bei allen vorgenannten Taten aufgrund eines vorab vereinbarten gemeinsamen Tatplans in einem gemeinschaftlichen wechselseitigen Zusammenwirken i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB. In diesem Rahmen verwirklichten sie die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 Abs. 1 und 5 StGB.
153Dabei bestand der Tatbeitrag der nicht identifizierten Hintermänner darin, bei Senioren entsprechende Enkeltrick-Anrufe vorzunehmen und andererseits – in den Fällen 1 und 2 der Anklage, an denen C nicht beteiligt war – L in die Nähe des vereinbarten Abholungsortes zu fahren. L fungierte – wie dargestellt – als Abholerin, C als Fahrer L s, aber auch als Organisator der Abholungen und Beuteweiterleitung. Er war damit Bindeglied zu den nicht identifizierten Anrufern.
154In allen Fällen lag eine gewerbs- und bandenmäßige Begehungsweise gem. § 263 Abs. 5 StGB vor. Der Bandenbegriff des § 263 Abs. 5 StGB ist angelehnt an den des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB. In diesem Sinne ist eine Bande der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten – im konkreten Fall des § 263 Abs. 5 StGB nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB – zu begehen (BGH [GrSen], Beschl. v. 22.03.2001, Az.: GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 244 Rn. 34 ff.). Erforderlich ist eine - ausdrücklich oder konkludent getroffene - Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urt. v. 14.04.2011, Az.: 4 StR 571/10). Dabei kann gerade ein stillschweigendes arbeitsteiliges Vorgehen auf einen vorhandenen Grundkonsens hindeuten (vgl. BGH, NStZ 2009, 35). Die Bandenabrede muss sich auf die fortgesetzte Begehung der vorbenannten Taten beziehen. Unter einer fortgesetzten Tat ist dabei die Begehung mehrerer selbstständiger Taten zu verstehen, wobei das Erfordernis beabsichtigter wiederholter Tatbegehung auf die Vorstellung der Gesamt-Bande abstellt, nicht auf die des einzelnen Mitglieds (BGHSt 49, 177). Eine gleichberechtigte Partnerschaft oder eine bestimmte Organisationsform ist ebenso wenig erforderlich wie ein bestimmter Typus des Zusammenschlusses. Auch muss nicht jede an der Abrede beteiligte Person an sämtlichen (Banden-)Taten teilnehmen; ebenso wenig müssen alle Bandenmitglieder am Erlös sämtlicher Taten beteiligt werden (vgl. BGH, NStZ 2009, 35). Eine Bandenabrede setzt weiterhin nicht voraus, dass sich alle Beteiligten gleichzeitig absprechen. Sie kann durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen, die eine bereits bestehende Vereinigung von Mittätern zu einer Bande werden lassen, oder dadurch, dass sich zwei Täter einig sind, künftig Straftaten mit zumindest einem weiteren Beteiligten zu begehen, und der Dritte, der durch einen dieser beiden Täter über ihr Vorhaben informiert wird, sich der deliktischen Vereinbarung anschließt (vgl. BGH, NJW 2005, 2629, 2630). Der Annahme einer (Dreier-) Bande steht zudem nicht entgegen, wenn einer der Täter lediglich eine Gehilfentätigkeit ausüben will (BGHSt 47, 214).
155Die Voraussetzungen einer Bande sind erfüllt. Entsprechend den Feststellungen handelte es sich bei der Gruppierung rund um L , C und die nicht identifizierten Anrufer (Fälle 3 bis 8 der Anklage) um eine auf Dauer zusammengeschlossene Gruppe mit hohem Organisationsgrad. Deren Zweck bestand darin, im arbeitsteiligen Zusammenwirken eine Vielzahl von Betrugstaten zum Nachteil älterer Menschen zu begehen. Dabei handelten die Beteiligten ohne weiteres zu mehr als drei Personen und in voller Kenntnis der Vorgehensweise und des Zwecks der Bande. Sowohl L und C nahmen maßgebliche Tatbeiträge vor, ohne die das Geschäftsmodell der Gruppierung nicht funktionieren konnte. Hierfür wurden sie mit einem nicht nur geringen Anteil an der Tatbeute beteiligt. Alle begangenen Taten waren auch Bandentaten nach § 263 Abs. 1, 5 StGB. Hierfür erforderlich ist, dass die Tat unter Mitwirkung mindestens eines anderen Bandenmitglieds begangen wird (Fischer, a.a.O., § 244 Rn. 33). Teilnahmehandlungen reichen insoweit aus (vgl. BGH Beschl. v. 15.01.2002, Az.: 4 StR 499/01). Da neben L und C an den Fällen 3 bis 8 mindestens auch ein weiterer Anrufer beteiligt war, sind diese Voraussetzungen erfüllt. Bzgl. der Fälle 1 und 2 der Anklage, an denen C nicht beteiligt war, sind die Voraussetzungen einer Bande ebenfalls erfüllt. L handelte hier mit zwei oder mehr weiteren Personen (Anrufer und Fahrer) (s.o.), wobei nicht sicher festzustellen war, ob es sich um die gleiche Gruppierung handelte, der auch C angehörte oder aber eine hiervon unabhängige Gruppierung, die nach dem Modus Operandi Enkeltrick arbeitete, welche L als Abholerin einsetzte.
156Ein gewerbsmäßiges Handeln i.S.d. § 263 Abs. 5 StGB ist ebenfalls bei beiden Angeklagten für die vorgenannten Fälle zu bejahen. Ein solches liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (BGH, NStZ 2011, 373). Diese Absicht kann schon bei der ersten Tat gegeben sein (Fischer, a.a.O., Vor § 52 Rn. 61a m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind zu bejahen. L und C begingen alle Taten, um hieraus ihren Lebensunterhalt aufzubessern und zu bestreiten.
157Da die Zeugin I in Fall 6 letztlich keine Vermögensverfügung vornahm, verblieb es hier bei einem versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betrug gem. §§ 263 Abs. 1, 5, 22, 23 StGB. Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB war aufgrund eines Fehlschlags zu verneinen: Die Zeugin I hat die Täuschung beim Zusammentreffen mit L erkannt und war nicht mehr zu der Geldübergabe im vereinbarten Rahmen bereit. Damit war die Tatausführung aus Sicht der Angeklagten – insbesondere wollte L die Zeugin I nicht in deren Wohnung begleiten – den Angeklagten nicht mehr möglich.
Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Bei der Angeklagten L kommt für die Fälle 1 bis 5, 7 und 8 der Anklage der Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB zur Anwendung, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht.
160Ein minder schwerer Fall i.S.d. § 263 Abs. 5 StGB lag bei keinem der genannten Fälle vor. Bei einer Gesamtbetrachtung aller wesentlichen strafzumessungserheblichen Umstände weicht das jeweilige Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit nicht in so erheblichem Maß vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle ab, dass die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens geboten wäre, weil die entsprechende Tat insgesamt minder schwer wiegt.
161Zugunsten von L ist ihre zumindest teilgeständige Einlassung zu werten. So hat L ihre eigenen Tatbeiträge schon früh im Laufe der Hauptverhandlung eingeräumt. Weiterhin ist ihr zugute zu halten, dass sie auch zur weiteren Tataufklärung beigetragen hat und gerade für die Fälle 7 und 8 den (bestreitenden) Mitangeklagten C als Mittäter benannt hat. Hierauf konnte die Kammer ihre Feststellungen in diesem Punkt – wenn auch weitere Beweismittel aussagekräftiger waren – stützen (s.o.). Gleichwohl ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass ein umfassender Aufklärungswille bei der Angeklagten nicht vorhanden war. Die Einlassung beschränkte sich auf die eigenen Tatbeiträge. Darüber hinausgehend blieb sie jedoch vage, insbesondere im Hinblick auf die der bandenmäßigen Begehungsweise zugrunde liegenden Tatsachen (konkret: weitere Beteiligte, Erläuterung der in Augenschein genommenen Telekommunikation, die auf eine bandenmäßige Organisation hindeutete). So hat L etwa als weitere Mittäter und Organisatoren der Taten die Zeugen S L3 (alias L4 ) und T1 T2 (alias C1 ) benannt. Hiervon konnte sich die Kammer nicht zuletzt aufgrund von Widersprüchen in der Einlassung L s nicht überzeugen (s. II. 2. cc]). Auch bei der Erläuterung von in der Hauptverhandlung angehörten Telefongesprächen der Angeklagten blieb die Einlassung L s vielfach unklar und nichtssagend; ein unbedingter Aufklärungswille war insoweit nicht oder allenfalls in Ansätzen festzustellen. So taucht etwa in diversen Telefonaten der Begriff „gehen“ bzw. „Essen gehen“ als Synonym für die Begehung von Enkeltricktaten auf (s.o.). Exemplarisch seien hier die Gespräche vom 22.09.2019, 16:51 Uhr und 18:33 Uhr, vom 23.09.2019, 20:02 Uhr; vom 24.09.2019, 21:29 Uhr, vom 01.10.2019, 08:03 Uhr, vom 02.10.2019, 19:50 Uhr und vom 04.10.2019, 21:17 Uhr, genannt. Auf Nachfragen der Kammer erklärte L zu den einzelnen Gesprächen mehrfach, sie wisse nicht, was mit „gehen“ / „Essen gehen“ gemeint gewesen sei und zwar auch dann, wenn sie selber Sprecherin war. Erst nach mehreren Nachfragen oder nachträglicher Beratung mit ihrem Anwalt hat sie schließlich anlässlich der vorgenannten Telefonate den Begriff des „Gehens“ im o.g. Sinne eingeräumt. Entsprechend verhielt sich L auch bei weiteren Telefongesprächen, die die codierten Begriffe „Ponchka“ (= Wegwerfhandy) (Gespräch vom 10.10.2019, 10:27 Uhr) oder „in die Wurst fahren“ (= Fahrt nach Polen) (Gespräch vom 27.09.2019, 09:23 Uhr). Hier erläuterte L die Begriffe ebenfalls erst nach mehrfachen Nachfragen und Vorhalten und tat zunächst so, als wisse sie nicht, was gemeint sei. Aufgrund dessen war die Aufklärungshilfe durch die Angeklagte und der damit verbundene strafmildernde Aspekt der Einlassung insgesamt geschmälert.
162Daneben hat sich L in der Hauptverhandlung bei verschiedenen Geschädigten entschuldigt (i.E. die Zeugen C3 und L2 ) bzw. zumindest eine Entschuldigung angeboten (i.E. die Zeugen T3 , C2 -L2 und I ). Auch wenn hiermit mangels eines wirklichen kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer bzw. der fehlenden materiellen Wiedergutmachung des Schadens nicht die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a StGB erfüllt werden, so ist dieser Aspekt doch positiv für die Angeklagte im Rahmen der Strafzumessung zu bewerten.
163Weiterhin fiel für L positiv die verbüßte Untersuchungshaft ins Gewicht. Diese wird zwar gem. § 51 Abs. 1 StGB auf die Strafhaft angerechnet, so dass ihr grundsätzlich keine strafmildernde Wirkung zukommt. Anders verhält es sich jedoch, wenn mit dem Vollzug der Untersuchungshaft besondere Erschwernisse verbunden sind. Ein solcher Fall ist gegeben. Die Hauptverhandlung gegen L und C fand unter Geltung der besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung mit Coronavirus statt. Auch die Justizvollzugsanstalt Köln, wo beide Angeklagten inhaftiert sind, hat entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen, die insbesondere in Kontaktbeschränkungen für Häftlinge bestanden. Damit wurde zu L s Nachteil die Kontakthaltung mit ihrer Familie bzw. ihren Kindern durch Besuche maßgeblich erschwert, so dass mit der Haft eine besondere Belastung für sie verbunden war.
164Ab Fall 2 der Anklage ist zudem zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der begangenen Taten aufgrund des engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhangs in der Zusammenschau auf ein Absinken der Hemmschwelle der Angeklagten L bei der Begehung hindeutet.
165Zu L s Gunsten wirkt sich auch das hohe Entdeckungs- und Festnahmerisiko für sie bei den einzelnen Taten aus. Als Abholerin und damit als letztes Glied in der Bandenhierarchie trat sie persönlich gegenüber den Opfern auf, während die anderen Beteiligten im Falle der Keiler aus sicherer Entfernung agierten oder im Falle der Fahrer Vorsichtsmaßnahmen trafen (kein Fahren bis zum vereinbarten Übergabeort, s.o.). L hingegen musste sich persönlich exponieren. Damit bestand für sie ein erhöhtes Identifizierungs- und Festnahmerisiko.
166Auch fällt strafmildernd ins Gewicht, dass L durch die Einziehungsentscheidung (dazu unter V.) in Relation zu dem vereinnahmten Beuteanteil finanziell einer hohen Belastung ausgesetzt ist.
167Zu L s Gunsten ist weiterhin auch eine gewisse Leichtgläubigkeit der Tatopfer zu berücksichtigen. Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass die Konzeption der Tatbegehung gerade darauf ausgerichtet ist, Schwächen älterer Menschen, insbesondere kognitive Defizite und Gutgläubigkeit auszunutzen.
168Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass sich L , die – auch das war in die Erwägungen zu ihren Gunsten einzustellen – in schwierigen und unsteten familiären Verhältnissen aufgewachsen ist, zum Zeitpunkt der Tatbegehung weder einer geregelten Beschäftigung nachging noch über eine feste Wohnung verfügte. Die Taten beging sie damit auch aus einer finanziellen und sozialen Drucksituation. Dabei verkennt die Kammer jedoch nicht, dass die Angeklagte das erbeutete Geld zunächst allerdings nicht für die Verbesserung ihrer Wohnsituation, sondern auch für Luxusartikel ausgab.
169Den von L in ihrer Einlassung geschilderten Druck, den die Hintermänner der Taten auf sie ausgeübt haben sollen (s.o.), hat die Kammer hingegen nicht bei ihren Erwägungen berücksichtigt, da sie sich von einer entsprechenden Drucksituation nicht überzeugen konnte. Vielmehr ergibt sich aus verschiedenen Gesprächen der in Augenschein genommenen Telekommunikationsüberwachung, dass L selbstständig entschied, wann und mit wem sie Taten begeht: So äußerte L explizit in einem Gespräch vom 05.11.2019, 16:31 Uhr, gegenüber ihrem Ex-Mann (alias T5) dass sie „gehe“, wann sie wolle. Auf diesen Widerspruch zu ihrer Einlassung im Hinblick auf die genannte Drucksituation hat L wiederum relativierend reagiert und lediglich angegeben, sie habe mit ihrem Ex-Mann so geredet, weil er sich in ihr Leben eingemischt habe. Im Hinblick auf das übrige Einlassungsverhalten, insbesondere die wenig glaubhaften Erklärungsversuche zu den codierten Begriffen in den Telefongesprächen, und L s Einbindung in die Bande, vermochte die Kammer sich hiervon nicht zu überzeugen. Die o.g. Schlussfolgerung wird vielmehr durch die Gesprächsserie aus dem Zeitraum vom 02.10. bis 05.10.2019 gestützt (s. II. 2. c] cc]). In den bereits dargestellten Gesprächen äußert L mehrfach, dass es sie nicht „ziehe“, was eine eigene Entscheidung ihrerseits über die Beteiligung an Enkeltricktaten belegt. Schließlich spricht entscheidend gegen eine Drucksituation, dass die Angeklagte ausweislich der eingeführten Telefongespräche in diesen immer wieder nach weiteren Möglichkeiten „zu gehen“ fragte und enttäuscht reagierte, wenn dies mehrere Wochen nicht möglich war.
170Neben den vorgenannten positiven Aspekten lagen jedoch auch gewichtige Gesichtspunkte vor, welche gegen die Angeklagte L sprachen und bei Klärung der Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ebenfalls zu berücksichtigen sind.
171So ist L erheblich vorbestraft, teilweise sogar einschlägig.
172In den Fällen 1 bis 5, 7 und 8 verursachten die Taten zudem erhebliche finanzielle Schäden bei den Tatopfern und zwar jeweils einen fünfstelligen Geldbetrag. In Fall 5 der Anklage (zum Nachteil der Geschädigten E ) überschritt der Wert der Tatbeute mit 81.000 € sogar die Wertgrenze eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes i.S.d. § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB i.H.v. 50.000 €.
173Neben den materiellen Schäden erlitten die schon betagten Tatopfer zum Teil auch erhebliche immaterielle psychische bzw. physische Schäden durch die Taten. Zu nennen sind hier Fall 1 der Anklage zum Nachteil der Geschädigten T3 , Fall 2 der Anklage zum Nachteil der Eheleute G2 , Fall 3 zum Nachteil der Eheleute L2 und C2 -L2 , Fall 4 zum Nachteil des mittlerweile verstorbenen Geschädigten L5 sowie Fall 5 zum Nachteil der Geschädigten E . Alle Opfer wurden mindestens in ihrem Sicherheitsgefühl erheblich eingeschränkt, erlitten darüber hinaus aber noch weitere immaterielle Schäden, teilweise führte die psychische Belastung auch zu physischen Schäden. Insoweit nimmt die Kammer auf die obigen Feststellungen zur Sache Bezug.
174Weiterhin ist zu L s Lasten die erhebliche kriminelle Energie bei der bandenmäßigen Begehung der Taten, die auch schon bei der ersten Tat vorlag, zu berücksichtigen. In diesem Sinne agierten L und C gemeinschaftlich und systematisch mit den unbekannten Hintermännern wie ein Unternehmen. Sie brachten sorgfältig durchgeplant und mit geringem Aufwand unter besonders raffiniertem aber auch routiniertem Vorgehen gezielt eine Vielzahl von älteren Menschen, die naturgemäß über geringere Abwehrmöglichkeiten verfügen, um erhebliche Geldsummen. Dieses Vorgehen übersteigt die einer Bande grundsätzlich innewohnende und vom Gesetzgeber bei der Erhöhung des Strafrahmens berücksichtigte erhöhte Gefährlichkeit des Zusammenschlusses mehrerer Personen. Es konnte daher (ohne Verletzung des Doppelverwertungsverbotes, § 46 Abs. 3 StGB) strafschärfend in die Erwägungen einbezogen werden.
175Insgesamt liegen damit bei Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte bzgl. der Fälle 1 bis 5, 7 und 8 der Anklage Taten vor, deren Strafwürdigkeit im Vergleich zu den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden und bei der Bestimmung des ordentlichen Strafrahmens schon bedachten Fällen nicht verringert ist.
176Bei der Bildung der Einzelstrafen unter nochmaliger Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte hat die Kammer insbesondere den Umfang des materiellen und immateriellen Schadens und mit Blick auf die dargelegte absinkende Hemmschwelle den Zeitpunkt der Taten innerhalb der abgeurteilten Tatserie berücksichtigt. Aufgrund dieser Erwägungen war unter Abwägung der maßgeblichen Strafzumessungskriterien auf folgende tat- und schuldangemessen Einzelfreiheitsstrafen zu erkennen:
177Fall 1 der Anklage: |
ein Jahr und drei Monate |
|
Fall 2 der Anklage: |
zwei Jahre und neun Monate |
|
Fall 3 der Anklage: |
zwei Jahre und zwei Monate |
|
Fall 4 der Anklage: |
drei Jahre |
|
Fall 5 der Anklage: |
drei Jahre und sechs Monate |
|
Fall 7 der Anklage: |
ein Jahr und zehn Monate |
|
Fall 8 der Anklage: |
zwei Jahre und drei Monate |
In Fall 6 der Anklage war der Ausgangspunkt für den Strafrahmen ebenfalls § 263 Abs. 5 StGB. Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Aspekte für die Frage, ob ein minder schwerer Fall des § 263 Abs. 5 StGB vorliegt, nimmt die Kammer Bezug auf die voranstehenden Ausführungen zu IV. 1. a). Diese gelten hier grundsätzlich entsprechend mit der Einschränkung, dass mangels Vollendung der Tat ein psychischer und finanzieller Schaden nicht eingetreten ist, so dass diese Gesichtspunkte hier naturgemäß nicht berücksichtigt werden können. Die übrigen Aspekte tragen jedoch für sich genommen die Annahme eines minder schweren Falls allerdings ebenfalls nicht.
179Da der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB gemäß § 50 StGB durch die Begründung des minder schweren Falles „verbraucht“ wäre, wäre der Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB nicht (noch einmal) gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB zu mildern. Allerdings hatte die Kammer die Frage in den Blick zu nehmen, ob für den Angeklagten nicht die Entnahme der Strafe aus dem nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB (noch) günstiger wäre. Der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen sieht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten vor, ist also im Mindestmaß günstiger. Da sich die Einzelstrafe für Fall 6 aus Sicht der Kammer für die Angeklagte mehr im unteren Bereich des Strafrahmens zu orientieren hatte, war die Strafe im Ergebnis aus dem gemilderten Regelstrafrahmen – drei Monate bis zu sieben Jahren und sechs Monaten – zu entnehmen.
180Bei Bildung der Einzelstrafe hat die Kammer die genannten strafschärfenden und mildernden Gesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen, so dass bzgl. Fall 6 der Anklage eine Einzelfreiheitsstrafe von
181acht Monaten
182tat- und schuldangemessen ist.
Aus den genannten Einzelstrafen war unter angemessener Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe (Einsatzstrafe) von drei Jahren und sechs Monaten gemäß §§ 53, 54 StGB unter nochmaliger umfassender Würdigung der Persönlichkeit der Angeklagten und ihrer Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
184In diesem Sinne hat die Kammer erneut alle strafmildernden und -schärfenden Gesichtspunkte umfassend abgewogen. Zu Gunsten L s war dabei neben ihrem Geständnis vor allem zu berücksichtigen, dass trotz der zu Tage getretenen erhöhten kriminellen Energie aufgrund der Vielzahl der Tatbegehungen die Hemmschwelle zur Tatbegehung bei ihr abgesunken war. Zu ihren Lasten fielen die in der Gesamtschau großen Schäden bei den Tatopfern, die teilweise (Fälle 7 und 8 der Anklage) mehrfach angegangen wurden, ins Gewicht. Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte hat die Kammer auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
185fünf Jahren und elf Monaten
186erkannt, welche tat- und schuldangemessen, ausreichend, andererseits aber auch erforderlich ist, um der Angeklagten das Unrecht ihrer Taten nachhaltig vor Augen zu führen und sie in Zukunft von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
Auch beim Angeklagten C kommt grundsätzlich der Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB zum Tragen, wobei sich hier ebenfalls die Frage nach dem Vorliegen eines minder schweren Falls stellte (s. IV. 1. a]).
188Bzgl. C waren dabei folgende Punkte zu seinen Gunsten zu berücksichtigen:
189C hat den objektiven Hergang der Fälle 3 bis 6 der Anklage bzgl. seiner Beteiligung eingeräumt, was positiv in Gewicht fiel. Von der Richtigkeit der darüber hinausgehenden Angaben C s zur Sache konnte sich die Kammer wie unter II. 2. c) ausgeführt nicht überzeugen. Aufgrund des geringeren Umfangs des Geständnisses kommt ihm daher auch nur eine geringere strafmildernde Wirkung zu.
190Wie L hat sich C zudem bei dem Geschädigten L2 entschuldigt. Die übrigen vernommenen Geschädigten haben entweder eine Entschuldigung abgelehnt bzw. wurden zu Taten vernommen, an denen der Angeklagte C nicht beteiligt war oder eine Beteiligung abgestritten hat. Die Entschuldigung beim Geschädigten L2 fällt jedenfalls strafmildernd ins Gewicht.
191Auch für C war außerdem nach den unter IV. 1. a) dargestellten Grund-sätzen die verbüßte – im Vergleich zur Angeklagten L allerdings kürzere – Untersuchungshaft, die ebenfalls aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen nur eingeschränkte Kontakte zuließ und auch aufgrund C s gesundheitlicher Situation (s. I. 1. b]) zusätzliche Erschwernisse mit sich brachte, strafmildernd zu berücksichtigen.
192Ab Fall 4 war zudem auch bei C von einer abgesenkten Hemmschwelle bei der Begehung der Taten zu seinen Gunsten auszugehen (s.o.).
193Wie L ist C auch durch die Einziehungsentscheidung (dazu unter V.) in Relation zu dem vereinnahmten Beuteanteil finanziell einer hohen Belastung ausgesetzt, was ebenfalls zu seinen Gunsten zu werten ist.
194Bezug zu nehmen ist außerdem auf die schon bei L angestellte Erwägung, dass die Taten durch eine gewisse, wenn auch aufgrund der Tatkonzeption nur beschränkt zu berücksichtigende Leichtgläubigkeit der Tatopfer gefördert wurden.
195Zugunsten von C waren schließlich auch im Allgemeinen seine angeschlagene Gesundheit und seine unsteten familiären Verhältnisse in Kindheit und Jugend zu berücksichtigen. Im Unterschied zu L konnte C sich jedoch fangen: Er hat eine Ausbildung abgeschlossen, mehrere Jahre bei G1 gearbeitet, ein Haus in Hennef erworben und eine Familie gegründet. Der Aspekt der familiären Verhältnisse hat damit nicht das gleiche Gewicht wie bei L .
196Auch bei C konnte sich die Kammer nicht von einer Drucksituation überzeugen, die der Begehung der abgeurteilten Taten zugrunde gelegen haben soll. Hiergegen spricht schon seine Stellung in der Gruppierung und das aus der in Augenschein genommenen Telekommunikationsüberwachung ersichtliche Verhalten C s: Hier trat er gegenüber L als Weisungsgeber und Bindeglied zu Hintermännern auf, der die Tatbeute zuteilte. Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete Drucksituation waren zu keinem Zeitpunkt ersichtlich und ergaben sich auch ansonsten – mit Ausnahme der diese benennenden Einlassung C s, der die Kammer nicht gefolgt ist – zu keinem Zeitpunkt.
197Zu Lasten C s waren dessen (nicht einschlägige) Vorstrafen zu berücksichtigen.
198Für die Fälle 3 bis 5, 7 und 8 gelten zudem auch für C die obigen Ausführungen bei L zur Schadenshöhe, den immateriellen Folgen bei den Opfern und der aufgewendeten kriminellen Energie.
199Insgesamt liegen damit bei Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte bzgl. der Fälle 3 bis 5, 7 und 8 der Anklage auch bzgl. C keine Taten vor, deren Strafwürdigkeit im Vergleich zu den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden und bei der Bestimmung des ordentlichen Strafrahmens schon bedachten Fällen verringert ist.
200Bei der Bildung der Einzelstrafen unter nochmaliger Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte hat die Kammer – wie schon bei L – den Umfang des materiellen und immateriellen Schadens und mit Blick auf die dargelegte absinkende Hemmschwelle den Zeitpunkt der Taten innerhalb der abgeurteilten Tatserie berücksichtigt. Auch war C s Geständnis zu den Fällen 3 bis 5 der Anklage positiv zu berücksichtigen. Zu Lasten C s fiel im Unterschied zu L dessen höhere Stellung in der Bandenhierarchie ins Gewicht. Unter Abwägung der maßgeblichen Strafzumessungskriterien war auf folgende tat- und schuldangemessene Einzelfreiheitsstrafen zu erkennen:
201Fall 3 der Anklage: |
zwei Jahre und vier Monate |
|
Fall 4 der Anklage: |
drei Jahre und drei Monate |
|
Fall 5 der Anklage: |
drei Jahre und acht Monate |
|
Fall 7 der Anklage: |
zwei Jahre und sechs Monate |
|
Fall 8 der Anklage: |
drei Jahre und einen Monat |
Bzgl. des Strafrahmens bei Fall 6 der Anklage gelten die bei L unter IV. 1. b) angestellten Überlegungen für C entsprechend. Auch hier ist insgesamt ein minder schwerer Fall nach § 263 Abs. 5 StGB abzulehnen. Weiterhin hat die Kammer ebenfalls überprüft, ob unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrunds des Versuchs ein minder schwerer Fall vorliegt bzw. ob der nach §§ 22, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB günstiger wäre. Entsprechend den Erwägungen bei L ist die Kammer auch hier von dem gemilderten Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB ausgegangen.
203Zur Bildung der Einzelstrafe hat die Kammer wiederum die genannten strafschärfenden und mildernden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Aufgrund dessen war bzgl. Fall 6 der Anklage auf eine tat- und schuldangemessene Einzelfreiheitsstrafe von
204neun Monaten
205zu erkennen.
Schließlich war auch bei C nach den o.g. Grundsätzen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
207In diesem Sinne hat die Kammer erneut alle strafmildernden und -schärfenden Gesichtspunkte umfassend abgewogen. Zu Gunsten C s war dabei neben seinem (teilweisen) Geständnis vor allem zu berücksichtigen, dass trotz der zu Tage getretenen erhöhten kriminellen Energie aufgrund der Vielzahl der Tatbegehungen die Hemmschwelle zur Tatbegehung bei ihm abgesunken war. Zu seinen Lasten fielen die in der Gesamtschau großen Schäden bei den Tatopfern, die teilweise (Fälle 7 und 8 der Anklage) mehrfach angegangen wurden, ins Gewicht. Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte hat die Kammer auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
208fünf Jahren und acht Monaten
209erkannt, welche tat- und schuldangemessen, ausreichend, andererseits aber auch erforderlich ist, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten nachhaltig vor Augen zu führen und ihn in Zukunft von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
Gemäß §§ 73, 73c StGB war gegen die Angeklagte L die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 219.925 € anzuordnen. Aus den einzelnen Taten ergibt sich ein Gesamterlös von 224.000 €. Dieser berechnet sich wie folgt:
211Fall |
Betrag |
1 |
10.000 € |
2 |
17.000 € |
3 |
28.000 € |
4 |
32.000 € |
5 |
37.000 € |
44.000 € |
|
7 |
18.000 € |
8 |
38.000 € |
Gesamt: 224.000 € |
In der Hauptverhandlung vom 26.10.2020 hat die Angeklagte L bzgl. des bei ihrer Verhaftung sichergestellten Bargelds i.H.v. 4.075 € einen Verzicht erklärt. Diesen hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an Erfüllungs statt angenommen. Damit verbleibt ein bei ihr einzuziehender Betrag i.H.v. 219.925 €.
213C hat nur an den Fällen 3 bis 8 der Anklage mitgewirkt, so dass der einzuziehende Betrag bei ihm nur 197.000 € (224.000 € - 27.000 €) beträgt.
214Da L als Abholerin und C als weiterleitende Instanz, die für die Beuteverteilung an L zuständig war, Mitverfügungsgewalt über die erlangte Tatbeute hatten, haften sie in Höhe von 197.000 € als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil v. 21.11.2018, Az. 2 StR 262/18 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.