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Der Angeklagte ist des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der vorsätzlichen Körperverletzung sowie der Beleidigung schuldig.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und drei Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger F, Tstraße #, #### L, ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2020 sowie an den Adhäsionskläger T1, Xstraße ##, ##### G, ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2020 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern alle infolge der Straftat vom 14.09.2020 erwachsenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die den Nebenklägern erwachsenen notwendigen Auslagen sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger.
Das Urteil ist, soweit es auf Zahlung an die Adhäsionskläger lautet, vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Angewandte Vorschriften:
§§ 86a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1, 185, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 308 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 53 Abs. 1 und Abs. 2, 54 StGB.
Gründe
2A.
3Feststellungen zur Person des Angeklagten
4Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 35 Jahre alte Angeklagte ist in L7 geboren und dort im Ortsteil C7 aufgewachsen. Sein Vater arbeitet bei einem Chemieunternehmen, die Mutter ist Reinigungskraft. Zu seinen Eltern hat der Angeklagte nur sporadischen Kontakt. Er hat zwei jüngere Schwestern im Alter von 19 und 33 Jahren, zu denen er guten Kontakt pflegt. Der Angeklagte hat außerdem einen 13-jährigen Sohn, der bei der Mutter in L8 lebt und mit dem er regelmäßig telefoniert und schreibt. Zu der Mutter des Kindes besteht hingegen kein Kontakt. Kindesunterhalt hat der Angeklagte nie gezahlt.
5Nachdem der Angeklagte im Jahr 2000 den Hauptschulabschluss absolviert hatte, beendete er die anschließend begonnenen Ausbildungen zum Metzger sowie zum Fahrzeuglackierer nicht, da er jeweils mehrere Monate nach Beginn der Ausbildungen entlassen worden war. Grund für seine schlechten Leistungen, die jedenfalls auch der Grund für seine Entlassungen waren, war, dass er diese Ausbildungen – ohne eigenes Interesse – auf Wunsch seiner Eltern begonnen hatte.
6Nach Beendigung der zweiten Ausbildung begann der Angeklagte als Gebäudereiniger für ein Unternehmen in Köln zu arbeiten, bei der auch seine Mutter angestellt war. Nachdem es in der Familie zu Streitigkeiten gekommen war, zog der Angeklagte im Jahr 2002 nach Krefeld, um dort einen Neustart zu versuchen. Er hatte dort eine rd. einjährige Beziehung zu einer Frau, die aber scheiterte. In Krefeld lernte er auch die Mutter seines Sohnes kennen, mit der er eine Affäre hatte, die sich jedoch nicht zu einer ernsthaften Beziehung entwickelte. Der Sohn des Angeklagten wurde am 15.10.2007 geboren, nachdem der Angeklagte bereits wieder zurück nach Köln gezogen war. Zurück in Köln hatte der Angeklagte dann verschiedene Anstellungen als Gebäudereiniger. Seit dem 31.08.2020 ist er arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 658,00 Euro. Der Angeklagte bewohnt derzeit eine Ein-Zimmer-Wohnung in Köln-Neuehrenfeld. Die Miete beträgt 400,00 Euro monatlich und wird direkt durch die Agentur für Arbeit bezahlt.
7Der Angeklagte trinkt am Wochenende, wenn er mit Freunden ausgeht, regelmäßig, unter der Woche sporadisch Alkohol, vornehmlich Bier. Zeitweilig verzichtet der Angeklagte auch gänzlich auf den Konsum alkoholischer Getränke. Er hat außerdem bereits als junger Erwachsener begonnen, Cannabis zu konsumieren, wobei er dies mittlerweile nur noch gelegentlich konsumiert. Andere Drogen, wie etwa Kokain, nimmt der Angeklagte – wenn überhaupt – nur bei vereinzelten Gelegenheiten.
8Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
9B.
10Feststellungen zur Sache
11I. Tat vom 16.10.2018
12Am ##.##.#### fand auf dem Breslauer Platz eine durch den Zeugen N, den Gründer des „C Köln e. V.“, angemeldete Demonstration unter dem Motto „Gegen Terror in Deutschland“ statt. Anlass für die Demonstration am ##.##.#### war ein Brandanschlag im Kölner Hauptbahnhof, bei dem am 15.10.2018 ein 14-jähriges Mädchen verletzt wurde. Bei dem Täter handelte es sich um einen syrischen Kriegsflüchtling. An der Demonstration nahmen Personen aus dem politisch rechten Spektrum teil. Aus dem Verein heraus werden regelmäßig ähnliche Veranstaltungen organisiert, an denen häufig dieselben Personen mitwirken. Der mit dem Zeugen N seit Längerem bekannte und mittlerweile auch befreundete Angeklagte ist nicht Mitglied des Vereins, hat aber bereits an mehreren Demonstrationen, die seitens des Vereins organsiert wurden, teilgenommen.
13Im Vorfeld der Demonstration trafen sich etwa 20 Demonstrationsteilnehmer, einschließlich des Angeklagten, auf dem Bahnhofsvorplatz vor der Filiale der Bäckerei Kamps, wo man sich zunächst sammeln und dann gemeinsam durch den Bahnhof zum Breslauer Platz gehen wollte. Die Gruppe verhielt sich dabei unauffällig. Es waren weder Plakate zu sehen, noch verbale Äußerungen zu vernehmen
14Da mit Gegendemonstrationen von politisch links orientierten Gruppierungen zu rechnen war, wurden mehrere Polizeibeamte eingesetzt, um ein Aufeinandertreffen der Gruppierungen zu verhindern. Die Zeugen POK M und PK N1 waren in diesem Rahmen einem in zivil gekleideten Observationsteam zugeteilt, welches die sich auf dem Bahnhofsvorplatz sammelnde Gruppe mit dem Angeklagten beobachten sollte. Der Zeuge POK M befand sich in etwa 30 Meter Entfernung zur Gruppe auf der Domtreppe, der Zeuge PK N1 in maximal 50 Meter Entfernung auf dem Domvorplatz in der Nähe der Starbucks-Filiale. Die Zeugen hatten eine gute Sicht auf die Gruppe und standen in Funkkontakt zueinander.
15Gegen 18:30 Uhr streckte der Angeklagte auf dem Bahnhofsvorplatz für etwa drei bis vier Sekunden den rechten Arm und die rechte Hand leicht vertikal nach oben verlaufend über Schulter- bzw. Kopfhöhe in Richtung Platzfläche, was für Passanten, die Mitdemonstrierenden und die eingesetzten Polizeibeamten gut sichtbar war. Die Zeugen POK M und PK N1 beobachteten den komplett olivfarben gekleideten Angeklagten, der eine Bauchtasche trug, hierbei.
16Nachdem die Zeugen die Beobachtung einander über Funk bestätigten, informierten sie die Bereitschaftspolizei und behielten den Angeklagten bis zum Zeitpunkt des Zugriffes durch die Bereitschaftspolizei im Auge, der etwa eine halbe Stunde später erfolgte.
17Die Einsicht des Angeklagten in das begangene Unrecht war voll umfänglich enthalten. Seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, war nicht beeinträchtigt.
18Wegen dieser Tat war der Angeklagte bereits durch das Amtsgericht Köln mit Urteil vom 17.07.2019 gemäß § 86a StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hatte (nur) der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Aus der Berufungsinstanz ist das Verfahren zum hiesigen (erstinstanzlichen) Verfahren hinzuverbunden worden.
19II. Tat vom 14.09.2019
20Am 14.09.2019 fand im Kölner RheinEnergieSTADION das Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach statt. Das Stadion war mit 50.000 Zuschauern ausverkauft.
21Der Angeklagte war als Zuschauer im Stadion und befand sich auf einem Stehplatz an der westlichen Seite der zu diesem Zeitpunkt ausschließlich für Stehplätze ausgebildeten Südtribüne. Der tiefste Teil der schräg nach oben verlaufenden Südtribüne befindet sich fünf Treppenstufen oberhalb des Innenraums, wobei eine rund 1,50 Meter hohe Betonwand den Bereich zwischen Innenraum und Südtribüne begrenzt. Auf dieser Betonwand ist ein rund zwei Meter hohes Absperrgitter aufgebracht. Der Angeklagte hielt sich während des Spiels unmittelbar hinter der Begrenzungsmauer bzw. dem Absperrzaun zum Spielfeld auf, wobei er das Absperrgitter wiederholt hochstieg. Er wurde von zwei Frauen, deren Identität die Kammer nicht festzustellen vermocht hat, begleitet, mit denen er gemeinsam das Spiel verfolgte. Der Angeklagte hatte einen in Deutschland nicht zugelassenen, über das Internet aber erhältlichen Knallkörper des polnischen Herstellers „U“ namens „H“ bei sich. Dem Angeklagten war bekannt, dass es sich bei dem Knallkörper um einen in Deutschland nicht zugelassenen Knallkörper mit starker Detonations- und Knallwirkung handelte.
22Diese Art eines Knallkörpers enthält einen Blitzknallsatz als Hauptladung. Anders als bei in Deutschland zur freien Verwendung zugelassenen Böllern, bei denen ein Schwarzpulvergemisch zur Explosion gebracht wird, setzt sich ein Blitzknallsatz aus verschiedenen Metallen – insbesondere Aluminium, Magnesium oder Kaliumperchlorat – zusammen. Hierdurch werden bei einer Explosion höhere Temperaturen sowie eine deutlich höhere Umsetzungsgeschwindigkeit erreicht. So erreicht die Explosion des Knallkörpers „H“ eine Umsetzungsgeschwindigkeit von etwa 1.200 bis 1.500 Metern pro Sekunde, sodass von einer Detonation – und nicht bloß von einer Deflagration – zu sprechen ist. Knallkörper mit Blitzknallsatz als Hauptladung werden deshalb u. a. zum Aufsprengen vom Geldautomaten genutzt und sind dazu geeignet, bei einer körpernahen Detonation schwerste Verletzungen für Weichteile und die knöcherne Struktur des menschlichen Körpers herbeizuführen. Der verwendete Knallkörper explodiert außerdem mit einem besonders dominanten Knall. In der besonders hohen Sprengkraft – nämlich einer 1.000 Meter pro Sekunde übersteigenden Umsetzungsgeschwindigkeit – derartiger Knallkörper liegt auch der Grund dafür, dass diese in Deutschland nicht zugelassen sind.
23In der 85. Spielminute um etwa 17:15 Uhr kam es im Stadion – wegen einer vermeintlich unsportlichen Aktion eines Gastspielers – zu einer erhöhten Geräuschkulisse. Die – gemeinsam mit dem Angeklagten – dichtgedrängt zu hunderten auf der Südtribüne stehenden Fans der Heimmannschaft brachten hierüber verstärkt ihren Unmut zum Ausdruck. In diesem Moment entzündete der Angeklagte, der auf eine derartige Situation, in der nicht damit zu rechnen sein würde, dass die sich in seinem Rücken befindenden Zuschauer – zufällig – sein Tun beobachten, die Zündschnur des besagten Knallkörpers mit einer von ihm gerade gerauchten Zigarette. Sodann ließ er ihn durch das vor ihm befindliche Absperrgitter in den Bereich zwischen Südtribüne und Spielfeldrand hinunterfallen. In dem Bereich vor dem Absperrgitter und damit in unmittelbarer Nähe zu dem fallen gelassenen Knallkörper hielten sich für den Angeklagten deutlich sichtbar zahlreiche Ordner und zahlreiche Fotografen auf. Das Stadion verfügt nicht über eine Tartanbahn, sodass der Bereich hinter dem Spielfeld bis zum Absperrgitter der Südtribüne schmal ist und Ordner und Fotografen sich daher auf engem Raum befinden. Da zum Spielende hin insbesondere bei „Derbyspielen“ wie dem hiesigen mit einem Erstürmen des Spielfeldes durch die Fans zu rechnen ist, war zu diesem Zeitpunkt bereits die Anzahl an Ordnern in dem Bereich zwischen Südtribüne und Spielfeldrand so erhöht worden, dass diese nah aneinandergereiht eine Kette bildeten.
24Der Angeklagte, der sich – wie ausgeführt – auf der Südtribüne aufhielt, drehte sich unmittelbar nach dem Entzünden und Fallenlassen des Knallkörpers mit dem Rücken zum Spielfeld. Dies tat er, um sich vor den Auswirkungen des explodierenden Knallkörpers, dessen Gefährlichkeit ihm bekannt war, zu schützen. Auch seine Begleiterinnen drehten sich sofort um. Eine der Frauen lief außerdem schnellen Schrittes einige Stufen – sich vom Ort des fallen gelassenen Knallkörpers weiter entfernend – auf der Tribüne hinauf und hielt sich die Ohren zu.
25Der entzündete Knallkörper detonierte wenige Sekunden nachdem der Angeklagte diesen fallen gelassen hatte. Die Detonation war ohrenbetäubend und führte dazu, dass der Schiedsrichter das zu diesem Zeitpunkt ohnehin wegen einer Freistoßentscheidung unterbrochene Spiel für einige Augenblicke nicht wieder freigab, sondern sich erst fragend umblickte. Einige der Zeugen, so die Fotografen M1, M2, W und C1, die bei den Anschlägen während des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland am 13.09.2015 in Paris im Stade de France anwesend gewesen waren, befürchteten einen Anschlag. Die Sprengkraft der Detonation war so groß, dass im näheren Umfeld dieser eine Druckwelle zu spüren war. Zudem riss sie ein kleines sowie ein faustgroßes Loch in eine aus feinem Kunststoff bestehende, unmittelbar vor der Südtribüne angebrachte Werbebande. Die Detonation traf die vor dem Absperrgitter befindlichen Ordner und Sportfotografen, die teilweise mit dem Rücken zum Knallkörper standen und sich in enger räumlicher Nähe zu diesem befanden, vollkommen unvorbereitet. Es bestand keine Möglichkeit, sich vor der Detonation aus dem Wirkungsbereich des Knallkörpers zu entfernen.
26Unmittelbar nach der Detonation blickte der Angeklagte nach oben und drehte dann den Kopf nach links und rechts, um nach außen zu suggerieren, dass er selbst nicht wisse, was Ursprung für die Detonation gewesen sei. Zudem erkundigte er sich, ebenfalls in der Absicht, seine Täterschaft zu verschleiern, bei der als Ordnerin auf der Südtribüne stehenden Zeugin T2, ob sie wisse, was passiert sei.
27Infolge der Tat erlitten 21 Geschädigte zum Teil erhebliche Verletzungen. Der Angeklagte wusste, dass der Knallkörper so gefährlich war, dass dieser derartige Verletzungen herbeiführen kann, was er jedenfalls billigend in Kauf nahm. Im Einzelnen kam es zu folgenden Verletzungen:
28Bei der Zeugin T2, die bei dem Spiel als Ordnerin eingesetzt war und sich während der Explosion auf der Südtribüne – etwa drei bis vier Schritte hinter dem Angeklagten – befand, verstärkte sich ein bereits bestehender Tinnitus, der jedenfalls zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung – mehr als ein Jahr später – in dieser Intensität anhält. Die Explosion verursachte außerdem ein Druckgefühl auf den Ohren, welches etwa ein bis zwei Wochen anhielt.
29Die Zeugin C2, die ebenfalls als Ordnerin im Stadion war und mit dem Rücken zum Spielfeld im Innenraum vor der Südtribüne stand, fiel der Knallkörper vor die Füße. Als Folge der Explosion entstand nach kurzzeitiger Taubheit ein Tinnitus, der tagelang anhielt und auch nach wie vor regelmäßig – insbesondere in stressigen Situationen – wieder auftritt. Der Tinnitus wird, wenn die Zeugin diesen als zu störend empfindet, mit Ohrentropfen behandelt. Die Zeugin arbeitet weiterhin als Ordnerin, lässt sich aber aufgrund der Tat nicht mehr im Stadioninnenraum einsetzen.
30Der Zeuge F stand als Ordner im Innenraum vor der Südtribüne des Stadions. Nach der nah bei dem Zeugen stattgefundenen Explosion organsierte dieser den Austausch der betroffenen Ordner. Nach Spielende und Herausnehmen des Funkkopfhörers vernahm der Zeuge einen Dauerton im Ohr. Nach einer ärztlichen Untersuchung im Krankenhaus wurde ein Knalltrauma diagnostiziert. Der Zeuge leidet in Folge der Explosion an einem dauerhaften Tinnitus sowie an einer Hörminderung, die linksseitig 10%, rechtsseitig 30% des Hörvermögens beträgt. Bestimmte Frequenzbereiche der durch das menschliche Gehör wahrnehmbaren Hörfläche kann der Zeuge nicht mehr wahrnehmen. Der Tinnitus ist für den Zeugen vornehmlich bei Ruhe belastend und hindert ihn insbesondere beim Einschlafen. Verschiedene Therapieversuche blieben ohne Erfolg. So bewirkten weder eine Tinnitracks-Therapie noch ein operativer Eingriff, mit dem ein Platinröhrchen zur Zufuhr von Kortison in das Ohr eingesetzt wurde, eine Verbesserung des Zustandes. Der Zeuge trägt nunmehr beidseitig ein Hörgerät und hat sich einen Zimmerbrunnen gekauft, der ihm beim Einschlafen hilft, indem das Brunnengeräusch den Tinnitus akustisch überdeckt. Einschlägige Vorerkrankungen hatte der Zeuge nicht. Auch hatte er vor der Explosion nach seinem subjektiven Empfinden ein normales Hörvermögen.
31Die Zeugin H1 befand sich während der Explosion als Ordnerin mit dem Rücken zum Spielfeld im Innenraum des Stadions vor der Südtribüne. Nach der Explosion vernahm die Zeugin ein lautes Piepen im Ohr, welcher als rechtsseitiger Tinnitus zunächst bis Februar 2020 dauerhaft anhielt und medikamentös behandelt wurde. Seitdem tritt der Tinnitus nur noch selten auf. Die Zeugin leidet außerdem unter einer subjektiv empfundenen leichten Hörminderung auf dem rechten Ohr.
32Der Zeuge L1, der sich als Ordner ebenfalls im Innenraum des Stadion vor der Südtribüne befand und der etwa einen halben bis einen Meter von der Explosion entfernt war, litt unmittelbar nach der Explosion unter einem diagnostizierten Knalltrauma, welches mit Kopfschmerzen und einem Piepton in den Ohren einherging. Nach etwa ein bis zwei Tagen klangen die Beschwerden ab.
33Der während der Explosion als Ordner im Innenraum vor der Südtribüne befindliche Zeuge N2 litt nach kurzzeitiger Hörminderung und Schwindel unter einem etwa zweitägigen Pfeifen in den Ohren.
34Der Zeuge B, der als Ordner im Innenraum vor der Südtribüne stand, litt nach der etwa ein bis zwei Meter vor ihm stattfindenden Explosion zunächst unter starken Kopfschmerzen und einer kurzzeitigen Taubheit. Ein dann einsetzendes Piepgeräusch hielt für etwa drei bis vier Tage an. Unter den Kopfschmerzen litt der Zeuge etwa zehn Tage lang.
35Der Zeuge und Ordner K stand zur Tatzeit im Innenraum vor der Südtribüne. Unmittelbar nach der Explosion litt er unter akuten Kopf- und Ohrenschmerzen. Etwa eine Woche lang hatte der Zeuge Kopfschmerzen und hörte ein dauerhaftes Pfeifen im rechten Ohr. Seitdem treten ab und an Geräusche im Ohr auf, zudem leidet der Zeuge unter einer leichten Hörminderung.
36Der Zeuge N3 befand sich zur Tatzeit im Innenraum vor der Südtribüne. Nach einer infolge der Explosion eingetretenen kurzzeitigen Taubheit litt der Zeuge etwa drei bis vier Tage unter einem lauten Piepton im Ohr.
37Die Zeugin X1 stand während der Explosion als Ordnerin im Innenraum vor der Südtribüne. Der Knallkörper landete unmittelbar vor der Zeugin, die vor der Detonation noch einen Sprung zur Seite machen konnte. Die Detonation führte zunächst zu einer kurzzeitigen Taubheit. Ein bereits bestehender Tinnitus wurde durch die Tat verstärkt und hält in dieser Intensität nach wie vor an. Die Zeugin ist in ärztlicher Behandlung und wird mit Kortison therapiert. Zudem leidet sie seit der Explosion an dauerhaften Ohrenschmerzen und einer beginnenden Schwerhörigkeit in Gestalt einer Anhebung der Hörschwelle. Nach der Tat ließ sich die Zeugin zeitweise nicht mehr im Innenraum des Stadions einsetzen.
38Der Zeuge X2 war am Tattag als Sportfotograf im Stadion tätig. Er saß während der Tat am Spielfeldrand vor der Südtribüne. Aufgrund der hinter ihm stattfindenden Explosion entstand bei dem Zeugen ein Knalltrauma, welches mit einem Pfeifen im Ohr, einem Druckgefühl im Ohr sowie Kopfschmerzen einherging. Die Beschwerden klangen nach etwa drei bis vier Tagen wieder ab.
39Der Zeuge und Nebenkläger N4 befand sich während der Explosion als Sportfotograf am Spielfeldrand vor der Südtribüne. Ein aufgrund der unmittelbar hinter oder neben ihm stattgefundenen Explosion eingetretenes Pfeifen im Ohr hörte nach wenigen Tagen wieder auf. Mindestens drei bis vier Wochen verspürte der Zeuge aber noch ein Druckgefühl im Kopf. Der Zeuge war aufgrund der Beschwerden zwei Wochen krankgeschrieben.
40Der Zeuge Q befand sich zur Tatzeit als Sportfotograf am Spielfeldrand vor der Südtribüne. Die Explosion, die etwa einen bis eineinhalb Meter hinter dem Zeugen stattfand, führte bei diesem zu kurzzeitigem Schwindel und verzerrter Geräuschwahrnehmung. Er litt einen Tag lang unter einem Pfeifen im Ohr.
41Der Zeuge und Fotograf W stand am Spielfeldrand vor der Südtribüne, als der Knallkörper etwa einen Meter hinter ihm explodierte. Nachdem er zunächst nichts mehr hören konnte, stellte sich ein Pfeifton im Ohr ein. Es wurde ein Knalltrauma diagnostiziert, welches eine Woche mit Kortison behandelt wurde. Hieraufhin trat eine Besserung ein, sodass der Pfeifton nur noch gelegentlich auftritt.
42Der geschädigte Zeuge F1 stand am Spielfeldrand vor der Südtribüne. Dem Fotografen, bei dem kurz nach der Explosion ein lautes Pfeifen im Ohr eintrat, wurde ein Knalltrauma attestiert. In den Tagen nach der Tat litt der Zeuge unter starken Kopfschmerzen sowie Schlafstörungen. Zudem tritt linksseitig wiederkehrend ein Tinnitus in Gestalt eines Ohrenpfeifens auf. Eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit konnte bislang nicht gefunden werden.
43Bei dem Zeugen C1, der sich als Fotograf etwa fünf bis sechs Meter vom Ort der Explosion entfernt am Spielfeldrand befand, trat unmittelbar nach der Explosion eine kurzzeitige Übelkeit sowie ein Pfeifen im Ohr ein, was nach wenigen Minuten wieder verschwand.
44Die Zeugin M1 war zur Tatzeit etwa drei bis vier Meter von dem explodierenden Knallkörper entfernt. Die Fotografin befand sich am Spielfeldrand vor der Südtribüne. Nachdem sie unmittelbar nach der Explosion kurzzeitig nur noch dumpf Geräusche wahrnehmen konnte, begann ein Pfeifton in den Ohren einzusetzen. Die Zeugin erlitt ein Knalltrauma und wurde über einen kurzen Zeitraum mit Kortison behandelt. Sie trug einen dauerhaften Tinnitus davon, den sie insbesondere bei Ruhe als störend empfindet.
45Der Zeuge und Nebenkläger T1 war am Tattag als ehrenamtlicher Helfer der „FC-Volunteers“ im Stadion tätig. Er war etwa vier bis fünf Meter vom Ort der Explosion entfernt. Unmittelbar nach der Explosion setzte bei dem Zeugen starker Schwindel ein, der einige Tage anhielt. Sein Blutdruck erhöhte sich, der Blutzuckerspiegel sank ab. Die Explosion versetzte ihn aufgrund von Erlebnissen eines früheren Bundeswehreinsatzes, dem eine – austherapierte – posttraumatische Belastungsstörung folgte, in einen Stresszustand, ohne dass eine Retraumatisierung eintrat. Aufgrund der Explosion, die eine Innenohrverletzung zur Folge hatte, setzte bei dem Zeugen ein ständiger und dauerhafter Schmerz im linken Ohr ein, der ohne Erfolg mit einer Kortisontherapie behandelt wurde. Außerdem leidet der Zeuge unter einer dauerhaften Hörminderung auf dem linken Ohr.
46Der Zeuge N5 ist nebenberuflicher Projektleiter bei den „FC-Volunteers“ und war zum Tatzeitpunkt in dieser Funktion im Stadion. Während der Explosion befand er sich etwa 15 Meter von dieser entfernt in der südwestlichen Ecke des Stadions. Infolge dessen stellte sich neben einem kurzzeitigen Schwindelgefühl ein Pfeifen in den Ohren des Zeugen ein. Als dieses nicht nachließ, begab sich der Zeuge in ärztliche Behandlung. Es wurde ein Knalltrauma diagnostiziert, dessen Beschwerden ohne Erfolg mit Kortison behandelt wurden. Der Zeuge leidet seitdem unter einem dauerhaften Tinnitus, der vorwiegend das rechte Ohr betrifft. Der Tinnitus bereitet dem Zeugen insbesondere in ruhiger Umgebung Probleme. Er hatte aufgrund des Pfeifgeräuschs anfänglich Schlafprobleme, welchen er nun damit begegnet, dass er zum Einschlafen Musik über Kopfhörer hört.
47Die Zeugin K1 war als Zuschauerin im Stadion. Sie saß auf der Westtribüne und war etwa 14 Meter von dem Ort der Explosion entfernt. Nach dem Knall bemerkte die Zeugin zunächst keine Veränderung. Im Laufe des Abends stellte sich jedoch eine Lärmempfindlichkeit ein. Zudem litt sie unter Schmerzen im linken Ohr und Kopfschmerzen. Nachdem sie mit Kortison behandelt wurde, klangen die Schmerzen nach etwa einer Woche ab. Die Zeugin ist nach wie vor auf dem linken Ohr lärmempfindlich und kann aufgrund dessen linksseitig keine Kopfhörer mehr tragen oder telefonieren. Bei Lärmbelastung entsteht ein dumpfer Schmerz im linken Ohr.
48Die Zeugin L2 befand sich während der Tat als Zuschauerin in einer Entfernung von etwa 20 Meter von dem Ort der Explosion auf dem Unterrang der Südtribüne. Da die Zeugin besonders lärmempfindlich ist, trägt sie während der Stadionbesuche grundsätzlich Ohrstöpsel, die sie aber zu diesem Zeitpunkt bereits herausgenommen hatte, um sich von einer Freundin zu verabschieden. Die Explosion führte dazu, dass die Zeugin einen stechenden Schmerz im Kopf verspürte. Ihr wurde schwindelig und sie bekam Panik. Aufgrund der Explosion konnte sie Geräusche zunächst nur noch dumpf – „wie durch Watte“ – wahrnehmen. Nach etwa einer Woche konnte die Zeugin auf dem ersten Ohr wieder normal hören, nach etwa vier Wochen auch auf dem zweiten Ohr. Die Zeugin, die seit 20 Jahren eine Dauerkarte besitzt, war aufgrund der Tat seitdem nicht wieder im Stadion.
49Die Zeugen F, H1, L1, B, K, N3, X1, N4 und Q wurden noch am selben Abend ins Krankenhaus gebracht und dort untersucht.
50Nachdem seitens der Zeugin T2 nach der Explosion auf die Person des Angeklagten hingewiesen wurde, erfolgte durch Polizeibeamte der im Stadion eingesetzten Hundertschaft nach Spielende die Festnahme des Angeklagten, der sich weiterhin im vorderen Stehplatzbereich der Südtribüne befand. Der Angeklagte verhielt sich während der Festnahme ruhig und kooperativ. Er wurde von der Südtribüne abgeführt und auf die Stadionwache verbracht, wo er – nachdem er Rücksprache mit seiner Verteidigerin gehalten hatte – von seinem Schweigerecht Gebrauch machte.
51Bei der Begehung der Tat war der Angeklagte leicht alkoholisiert. Ein etwa 25 Minuten nach der Tat um 17:40 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,37 mg/l, mithin eine Blutalkoholkonzentration von 0,74 Promille. Gegenüber dem Zeugen KHK H2 gab der Angeklagte nach der Tat an, um 13:00 Uhr Cannabis konsumiert zu haben. Der Angeklagte zeigte keine alkoholbedingten Verhaltensauffälligkeiten. Er stand auch nicht unter einem (relevanten) Einfluss illegaler Betäubungsmittel.
52Seine Einsicht in das begangene Unrecht war voll umfänglich enthalten. Seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, war nicht beeinträchtigt.
53III. Taten vom 16.08.2020
541. Die Zeugen B1 und T3 waren in der Nacht vom 16.08.2020 gegen 02:00 Uhr auf der T4 Straße in Köln unterwegs. Sie kamen von einer Einweihungsfeier und waren auf dem Weg in das Lokal „Bumann & SOHN“. Der Zeuge B1 war zu diesem Zeitpunkt angetrunken, aber nicht betrunken. Er hatte an dem Abend zwei oder drei Mischgetränke mit hochprozentigem Alkohol zu sich genommen. Auf der Höhe der Hausnummer ### passierten die Zeugen einen auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Kiosk.
55Vor dem Kiosk stand eine Gruppe von etwa vier bis sechs Personen. Unter ihnen war auch der Angeklagte, der zuvor mit dem Zeugen Q1 auf der Abschiedsfeier gewesen war. Im Rahmen der Feier wurde auch in nicht unerheblichem, nicht näher feststellbarem, Maß Bier konsumiert. Der Angeklagte war gemeinsam mit dem Zeugen Q1 nach Ende der Feier zu dem Kiosk auf der T4 Straße gegangen, man traf dort auch auf den Zeugen C3, einen Freund des Angeklagten, und trank ein Bier.
56Als die Zeugen T3 und B1 auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Kiosk passierten, wurden diese aus der Gruppe um den Angeklagten heraus durch Zurufe angepöbelt, ohne dass deren genauer Inhalt ermittelt werden konnte. Nachdem die Zeugen T3 und B1 die Pöbeleien zunächst ignoriert hatten, drehte sich der kräftigere Zeuge T3 um und fragte in Richtung der Gruppe laut, ob sich die Zurufe an sie gerichtet hätten. Daraufhin lösten sich mehrere Personen aus der Gruppe – unter ihnen auch der Angeklagte –, überquerten die Straße und gingen auf die Zeugen T3 und B1 , die stehen geblieben waren, zu. Sodann begann die Gruppe um den Angeklagten, die Zeugen B1 und T3 zu schubsen. Im Rahmen dieses Schubsens schlug dann der Angeklagte unvermittelt aus der Gruppe heraus dem Zeugen B1 mit der rechten Hand auf die linke Gesichtshälfte, woraufhin der Zeuge T3 sich schützend vor den Zeugen B1 stellte und diesen von dem Geschehen wegzog. Auch die Gruppe um den Angeklagten zog sich in Richtung der B2straße zurück.
57In Folge des schmerzhaften Schlages des Angeklagten trat bei dem Zeugen B1 eine leichte Schwellung des Bereiches um sein linkes Auge ein, in dem sich außerdem ein Hämatom bildete. Das Hämatom bildete sich nach wenigen Tagen zurück, die Schmerzen vergingen nach rund einer Woche.
582. Die Zeugen T3 und B1 trafen kurz nach der Tat – etwa gegen 02:15 Uhr – auf der T4 Straße auf die im Dienst befindlichen Polizeibeamten PHK C4 und PK T5 und schilderten das Vorgefallene. Der Täter wurde den Beamten als glatzköpfig oder kurzhaarig und braungebrannt beschrieben. Außerdem wurde auf das auffällige rote T-Shirt des Täters mit großem Kompassaufdruck hingewiesen. Die Beamten starteten eine Nahbereichsfahndung und begaben sich in Richtung der B2straße. Dort traf man zunächst auf eine sich aggressiv verhaltende Personengruppe, sodass Verstärkung angefordert wurde.
59An der Ecke T4 Straße/M3straße, die etwa 250 Meter von dem Tatort entfernt ist, trafen die Beamten dann auf den Angeklagten, dessen Aussehen der Täterbeschreibung entsprach. Insbesondere trug er ein rotes T-Shirt mit Kompassaufdruck. Er versteckte sich dort hinter einem Roller und beobachtete das Geschehen auf der T4 Straße. Der Angeklagte wurde durch die Beamten angesprochen, mit dem Tatvorwurf konfrontiert und aufgefordert, sich auszuweisen. Nachdem er angab, keine Ausweispapiere bei sich zu haben, wurde er danach ohne Erfolg durchsucht. Hierbei versteckte er ein Tütchen mit Cannabis in der Hand und weigerte sich, dieses herauszugeben. Der Angeklagte verhielt sich während der Durchführung der Maßnahmen überwiegend unkooperativ. Er war bereits bei der Ansprache durch die Beamten aggressiv und ballte die Faust. Er forderte die Zeugen PHK C4 und PK T5 insbesondere auf, ihm die Handschellen abzunehmen, sodass man einen Kampf „1 zu 1“ machen könne. Er äußerte, dass die Beamten sich „verpissen“ sollen und bezeichnete beide als „Wichser“. Er wurde zur Verhinderung weiterer Straftaten in Gewahrsam genommen.
603. Ein um 02:35 Uhr, und damit rund 30 Minuten nach dem Schlag zu Lasten des Zeugen B1 , durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,89 mg/l, was einer Blutalkoholkonzentration von 1,78 Promille entspricht.
61Seine Einsicht in das begangene Unrecht war gleichwohl voll umfänglich enthalten. Seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, war nicht beeinträchtigt.
62C.
63Einlassung des Angeklagten zur Sache
64I. Tat vom 16.10.2018
65Im Ermittlungsverfahren hat der Angeklagte zu der Tat vom 16.10.2018 keine Angaben gemacht.
66In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte am ersten Hauptverhandlungstag, dem 24.11.2020, angegeben, den Hitlergruß nicht gezeigt zu haben. Auf Vorhalt hat der Angeklagte bestätigt, dass er die Tat auch schon bei den Verhandlungen am Amtsgericht bestritten habe und das auch die Wahrheit sei. Der Anmelder der Demonstration, der Zeuge N, habe die Teilnehmer explizit darauf hingewiesen, dass sie sich gar nicht grüßen sollten, weil ihnen das wieder falsch ausgelegt werden würde. Es habe sich nicht um eine rechte Demo gehandelt. Wenn er, der Angeklagte, ein Rassist wäre, müsste er ja seine eigene Familie auslöschen; er habe Türken und Italiener in der Familie, man nenne ihn sogar „H3“.
67II. Tat vom 14.09.2019
68Im Ermittlungsverfahren hat der Angeklagte zu der Tat vom 14.09.2019 keine Angaben gemacht.
69In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte am ersten Hauptverhandlungstag, dem 24.11.2020, dahingehend eingelassen, den Knallkörper gezündet und diesen im Bereich der Südtribüne Ost stehend heraus durch das Absperrgitter in den Stadioninnenraum fallen gelassen zu haben. Er habe natürlich durch das Absperrgitter gesehen, dass sich im Innenraum vor der Südtribüne zahlreiche Menschen befunden hätten. Warum er das getan habe, könne er sich heute auch nicht mehr erklären, er habe sich nichts dabei gedacht. Außerdem sei der Böller ziemlich klein gewesen und habe eine kurze Zündschnur gehabt. Jedenfalls habe er – so seine erste Einlassung – in der Halbzeitpause auf der Stadiontoilette ein Gramm Kokain durch die Nase gezogen und dabei zufälligerweise den Böller gefunden und eingesteckt. Er habe diesen Knallkörper für einen „normalen Böller“ gehalten. Auf Nachfrage hat er erklärt, dass er das Gramm Kokain für 40,00 Euro gekauft habe. Auf weitere Nachfrage hat er sich dann dahingehend eingelassen, dass es sich eigentlich nur um 0,8 Gramm Kokain gehandelt habe und er den Böller auch nicht auf der Toilette gefunden, sondern ihn von einer Person im Stadion zugsteckt bekommen habe. Nähere Ausführungen zu Person, Ort der Übergabe im Stadion und Umständen der Übergabe hat er – trotz weiterer Nachfrage – nicht gemacht, sondern erklärt, den Knallkörper eben übergeben bekommen zu haben. Das Ganze sei – so der Angeklagte weiter – jedenfalls eine „riesen dumme Aktion“ gewesen, er habe „Scheiße gebaut“ und sei „auf Drogen gewesen“.
70Die im Rahmen einer Durchsuchung seiner Wohnung aufgefundenen pyrotechnischen Gegenstände, die man bei ihm zu Hause gefunden habe, seien eigentlich für eine türkische Hochzeit vorgesehen gewesen, die dann aber ausgefallen sei. Mit Pyrotechnik habe er ansonsten nichts zu tun.
71III. Taten vom 16.08.2020
72Bezüglich der Tat vom 16.08.2020 hat der Angeklagte im Ermittlungsverfahren nach der Ingewahrsamnahme am Tattag gegenüber dem Zeugen PHK C4 angegeben, den Zeugen B1 nicht geschlagen zu haben.
73In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte am ersten Hauptverhandlungstag, dem 24.11.2020, angegeben, er sei an dem Abend mit dem Zeugen Q1 auf der Abschiedsfeier eines Freundes gewesen, der nach Österreich gezogen sei, und habe dort zu dritt einen Kasten Bier mit 0,5-Liter-Flaschen geleert, wobei er nicht genau sagen könne, wie viele Flaschen er getrunken habe. An dem Büdchen auf der T3 Straße habe man auf dem Heimweg noch ein Bier getrunken und den Zeugen C3 , einen Bekannten des Angeklagten, getroffen. Als man zusammen mit zwei bis drei weiteren Personen dort gestanden habe, habe der Zeuge B1 dort „randaliert“. Personen aus seiner Gruppe hätten den Zeugen B1 daraufhin schlagen wollen, weshalb der Angeklagte zu dem Zeugen gegangen sei und ihm geraten habe, zu gehen. Der Zeugen B1 habe dann einen Schritt auf ihn zu gemacht, woraufhin er dem Zeugen reflexartig eine Ohrfeige gegeben habe. Die Polizisten habe er so beleidigt, wie es ihm vorgeworfen werde.
74D.
75Beweiswürdigung
76I. Feststellungen zur Person des Angeklagten
77Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf dessen Angaben in der Hauptverhandlung, soweit ihnen gefolgt werden konnte, sowie dem ihn betreffenden Auszug aus dem Bundeszentralregister.
78Nicht gefolgt ist die Kammer den Angaben des Angeklagten zu dem Ausmaß seines Kokainkonsums. Es war nicht mehr festzustellen, als dass der Angeklagte – wenn überhaupt – allenfalls sporadisch Kokain konsumiert.
79Die Angaben des Angeklagten zu seinem Kokainkonsum waren bereits aus sich heraus widersprüchlich und nicht plausibel. Der Angeklagte hat am ersten Hauptverhandlungstag, dem 24.11.2020, angegeben, er konsumiere hin und wieder – wenn dann am Wochenende mit Freunden zum Feiern – Kokain, aber nur, wenn er dazu eingeladen werde. Selbst erworben hätte er Kokain nie. Am selben Hauptverhandlungstag hat er sich dann kurze Zeit später dahingehend eingelassen, dass er Probleme mit dem Konsum von Kokain habe und therapiebedürftig sei. Hingewiesen auf den offensichtlichen Widerspruch, hat der Angeklagte – ohne darauf weiter einzugehen – wiederholt, dass er „Probleme mit den Drogen“ habe.
80Weiter hat er sich dahingehend eingelassen, dass er am 14.09.2019 in der Halbzeitpause des Fußballspiels ein Gramm Kokain konsumiert habe. Auf Nachfrage, ob er dieses Gramm Kokain auch geschenkt bekommen habe, hat der Angeklagte angegeben, es am selben Tag für 40,00 Euro gekauft zu haben. Auf den Vorhalt eines eher unplausiblen – nämlich zu niedrigen – Preises sowie einer unplausiblen – nämlich zu hohen – Menge für eine Konsumeinheit hat der Angeklagte sodann angegeben, dass es sich nur um 0,8 Gramm gehandelt habe, für die er zudem eigentlich hätte 50,00 Euro bezahlen sollen, sie aber zu einem Freundschaftspreis bekommen habe.
81Schon diese inkonsistenten Angaben legen es nahe, dass der – angebliche – Kokainkonsum lediglich behauptet worden ist, um in den Genuss etwaiger Strafmilderung (§ 21 StGB) zu gelangen.
82Es bestehen darüber hinaus aber auch weitere Anhaltspunkte gegen einen mehr als allenfalls sporadischen Kokainkonsum des Angeklagten.
83Bei einer am 14.09.2019 – für den nach der Tat im Stadion in Gewahrsam genommenen Angeklagten unvorhersehbaren – Durchsuchung wurden in der Wohnung des Angeklagten keinerlei Betäubungsmittel oder Hilfsmittel zum Konsum von Betäubungsmitteln gefunden, wie die Zeugen KHKin H4 und KK L3 in der Hauptverhandlung bekundet hat.
84Der Angeklagte ist – ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 19.11.2020 – bislang auch nicht wegen Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten.
85Der mit dem Angeklagten seit zehn Jahren befreundete Zeuge Q1 hat im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, noch nie etwas von einem Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten mitbekommen zu haben, obschon er mit ihm zum Beispiel auch regelmäßig Bier trinke. Selbst auf den Vorhalt, dass der Angeklagte den Konsum von Kokain selbst angegeben habe, ist der Zeuge Q1 hiervon nicht abgerückt. Auch der Zeuge C3 , der seit etwa einem Jahr mit dem Angeklagten befreundet ist, hat bekundet, den Angeklagten noch nie beim Konsum von Betäubungsmitteln erlebt zu haben, obwohl er mehrfach mit ihm feiern gewesen sei.
86Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bescheinigung des Herrn D vom 30.11.2020, die der Angeklagte am vorletzten Hauptverhandlungstag, dem 01.12.2020, eingereicht hat, und in der ihm „Beschwerden nach chronischem Konsum von Alkohol, Cannabis, Cocain, innere Unruhe, psychosomatische Beschwerden“ sowie „Alkoholabusus (F 10.1), Cannabismus (F 12.2), Kokainismus (F 14.2)“ attestiert werden. Diese Diagnosen sind ohne jegliche nähere Begründung oder Darlegung der Art und Weise ihrer Erhebung aufgestellt worden. Überdies handelt es sich bei Herrn D ausweislich des Arztstempels auf der Bescheinigung nicht um einen Psychiater, sondern um einen Facharzt für Allgemeinmedizin. Nähere Ausführungen zu Art, Dauer und Umfang der Behandlung durch diesen Arzt hat der Angeklagte im Übrigen nicht zu machen vermocht. Da die Angaben in der Bescheinigung – unabhängig von denjenigen zum Kokainkonsum – zudem seinen eigenen Angaben zum Umfang des Konsums von Alkohol (in der Woche sporadisch, am Wochenende zum Feiern mit Freunden, zeitweilig gänzlicher Verzicht) sowie Cannabis (nur noch gelegentlich) widersprechen, konnte aus dieser Bescheinigung kein zu den Feststellungen abweichender Erkenntnisgewinn gezogen werden.
87II. Feststellungen zur Sache
881. Tat vom 16.10.2018
89Der Angeklagte, der die Begehung der Tat vom 16.10.2018 bestritten hat, konnte aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen POK M und PK N1 der Begehung der Tat überführt werden.
90Der Zeuge POK M hat – wie schon zuvor in zwei Verhandlungen bezüglich dieses Vorwurfs vor dem Amtsgericht – bekundet, er sei zur Beobachtung der Entwicklung einer Demonstration auf dem Bahnhofsvorplatz eingesetzt gewesen. Er habe sich in Zivilbekleidung auf den Domtreppen befunden und die etwa 20-köpfige Gruppe um den Angeklagten aus einer Entfernung von etwa 30 Metern beobachtet. Er habe dann gesehen, dass der Angeklagte den rechten Arm entsprechend den Feststellungen in Richtung des Bahnhofsvorplatzes gezeigt habe und habe diese Bewegung zweifelsfrei als sog. „Hitlergruß“ eingestuft. Diese Geste sei recht kurz, etwa drei Sekunden lang, aber deutlich gezeigt worden, wobei es sich eindeutig nicht um eine andere Geste – etwa einer normalen Begrüßung – gehandelt habe. Die Gruppe sei dann zunächst weiter observiert worden. Nach etwa einer halben Stunde hätten sie Kollegen der Bundespolizei herangezogen, um die Identitätsfeststellung des Angeklagten vorzunehmen. Er habe dann beobachtet, dass die Kollegen die Personalien der Person feststellten, die zuvor den Hitlergruß gezeigt habe. Der Angeklagte sei aufgrund des markanten Aussehens, bestehend aus olivfarbener Bekleidung, einer schwarzen Bauchtasche und wenig bis keinem Kopfhaar, gut zu identifizieren gewesen. Andere Vorfälle oder Auffälligkeiten innerhalb der Gruppe habe es nicht gegeben. Die Gruppe habe sich insgesamt ruhig verhalten. Der Angeklagte habe seit der Begehung der Tat bis zu seiner Identitätsfeststellung dauernd unter seiner Beobachtung gestanden. Auch habe der Zeuge von den Domtreppen aus eine gute Sicht auf die Gruppe gehabt.
91Der Zeuge hat zudem bekundet, dass die Teilnehmer der Demonstration nach seiner Erfahrung aus über zehn Jahren im Polizeidienst erkennbar dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen gewesen seien. Die Teilnehmer hätten entsprechende Kleidung (z. B. olivfarbene Bomberjacken der Marke „Alpha Industries“) und Frisuren getragen. Auch habe der Altersschnitt mit dem bei solchen Veranstaltungen üblichen entsprochen. Die ebenfalls an diesem Tag anwesenden Gegendemonstranten aus der linken Szene seien – wie jedenfalls in Köln üblich – geringeren Alters gewesen und auch anhand des Erscheinungsbildes (z. B. der komplett schwarz gehaltenen Kleidung) klar von der rechten Gruppe um den Angeklagten abzugrenzen gewesen. Von eben solchen linken Gegendemonstranten hat auch der Zeuge N gesprochen, der nach eigener Aussage Gründer des „C Köln e. V.“ ist, der – so der Zeuge N – häufiger und unter Beteiligung oft derselben Personen Demonstrationen etwa – wie hier – anlässlich von durch Ausländer begangenen Straftaten veranstaltet oder besucht.
92Die Kammer hat keine Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen POK M . Der Zeuge hat den Sachverhalt erkennbar aus eigener Erinnerung geschildert. Er konnte insbesondere die örtlichen Gegebenheiten und Umstände schildern, wie etwa seine Position, den Blickwinkel auf den Angeklagten sowie das Verhalten der versammelten Demonstrationsteilnehmer. Nachvollziehbar ist auch, dass sich der Zeuge an die konkrete Tat gut hat erinnern können und mit dem Angeklagten derjenige identifiziert wurde, der die entsprechende Geste gemacht hat. Bei dem Vorfall hat es sich nämlich um die einzige Auffälligkeit gehandelt, die von der Gruppierung ausging, sodass das Vorliegen einer Verwechslung – etwa aufgrund einer tumultähnlichen Lage oder mehrerer vergleichbarer Vorfälle – auszuschließen ist. Auch die Entfernung zur Gruppe von nur etwa 30 Metern sowie die leicht erhöhte Position des Zeugen auf den Domtreppen stützen die Annahme, dass der Zeuge in der Lage war, das Geschehen vollumfänglich zu überblicken und den Angeklagten zu beobachten. Zudem bestand – wie der Zeuge dargelegt hat – seine Aufgabe gerade darin, das Verhalten und die Bewegungen der Gruppe zu observieren, sodass davon auszugehen ist, dass dieser das Geschehen nicht nur beiläufig, sondern aufmerksam und zielgerichtet beobachtet hat. Der Zeuge hat die beobachtete Bewegung außerdem in der Hauptverhandlung als ein diagonales Heben des rechten Armes über Schulter- bzw. Kopfhöhe beschrieben, sodass auch eine irrtümliche Einordnung der Geste als Hitlergruß fernliegt. Nachvollziehbar ist weiter, dass der Zeuge sich an bestimmte Umstände, wie das konkrete Motto der Demonstration, den exakten Standort des Zeugen M2 oder den genauen Zeitraum zwischen Tat und Identitätsfeststellung nicht mehr hat erinnern können. Die Tat lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung über zwei Jahre zurück. Zudem hat es sich dabei um Umstände des Randgeschehens gehandelt, die im Rahmen des Arbeitsauftrages des Zeugen nicht von größerer Bedeutung waren.
93Es ist ferner kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge den Angeklagten zu Unrecht der Tat hätte bezichtigen sollen. Der Zeuge hat keine Belastungstendenzen gezeigt, sondern – im Gegenteil – darauf hingewiesen, dass der Arm nur wenige Sekunden entsprechend angehoben worden sei und der Angeklagte sich im Übrigen ruhig verhalten habe. Außerdem stimmen die Angaben des Zeugen mit der Aussage seines Kollegen, des Zeugen PK N1, überein.
94Dieser hat in der Hauptverhandlung bekundet, er habe sich auf der Platzfläche vor dem Eingang zum Hauptbahnhof in der Nähe der Starbucks-Filiale befunden und ebenfalls als Teil des zivilen Observationsteams die Gruppe beobachtet. Er habe dann aus einer Entfernung, die jedenfalls ein „Erkennen“ zugelassen und maximal 50 Meter betragen habe, deutlich sehen können, dass der Angeklagte in Richtung der Platzfläche den Arm entsprechend der Feststellungen für drei bis allenfalls fünf Sekunden gehoben, also den sog. „Hitlergruß“ gezeigt habe. Er habe den Angeklagten dabei von schräg hinten gesehen und damit ein gutes Sichtfeld gehabt. Unmittelbar hiernach habe der Zeuge POK M ihm über Funk die Tat gemeldet und gefragt, ob er das auch gesehen habe, was er sofort habe bestätigen können. Auch die Schilderungen des weiteren Geschehensablaufs stimmten mit denen des Zeugen POK M überein. So habe man noch zugewartet und den Angeklagten durchgehend im Blick gehabt. Weitere Auffälligkeiten habe es nicht gegeben. Bis zum Zeitpunkt der Identitätsfeststellungen durch die uniformierten Beamten habe er den Angeklagten im Blick gehabt.
95Auch an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen PK N1 hat die Kammer aus den gleichen Gründen wie bei dem Zeugen POK M keine Zweifel. Insbesondere hat auch der Zeuge PK N1 keine Belastungstendenzen gezeigt und den Vorgang nachvollziehbar unter dem Einräumen von Erinnerungslücken geschildert. Zudem ist auch nicht der Eindruck entstanden, dass die beiden Polizeibeamten ihre Aussagen abgesprochen hätten, da sie insbesondere bei der Angabe der Zeitdauer des Zeigens des Grußes (drei Sekunden bzw. drei bis fünf Sekunden) keine exakt übereinstimmenden Angaben gemacht haben. Darüber hinaus erscheint es vor dem Hintergrund, dass es sich – wie ausgeführt – um eine Ansammlung rechtsgerichteter Teilnehmer einer rechtsgerichteten Demonstration gehandelt hat, auch nicht unwahrscheinlich, dass in diesem Umfeld ein solcher Gruß gezeigt wird.
96Dem stehen auch nicht die Aussagen der Zeugen L4 und N entgegen. Es hat bereits keiner dieser beiden Zeugen aussagen können, den Angeklagten während des etwa 30-minütigen Aufenthalts der Gruppe vor der Kamps-Filiale durchgängig beobachtet zu haben. Insofern sind die Zeugen mangels entsprechender Wahrnehmungsmöglichkeit schon nicht in der Lage, den Nachweis der negativen Tatsache der Nichtbegehung der Tathandlung zu erbringen. Soweit die Zeugen L4 und N übereinstimmend ausgesagt haben, das Zeigen des Hitlergrußes durch den Angeklagten nicht beobachtet zu haben, kann dies den Angeklagten mithin nicht entlasten. Keiner der Zeugen kann ausschließen, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat nicht während eines Zeitpunktes begangen hat, zu dem dieser nicht im Blickfeld der Zeugen war.
97Die Zeugin L5, deren Aussage gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO in der Hauptverhandlung verlesen worden ist, hat bekundet, dass der Angeklagte den Hitlergruß nicht gezeigt habe, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob sie den Angeklagten durchgängig beobachtet hat. Auch wenn sie ausgesagt hat, dass man während solcher Versammlungen sehr aufeinander fixiert sei, man aufeinander aufpasse und nah beieinander gestanden hätte, liegt es fern, dass die Zeugin den Angeklagten über 30 Minuten hinweg durchgängig im Blick gehabt hat und damit deren Aussage geeignet ist, hinreichende Zweifel an der Begehung der Tat zu begründen..
98Soweit die Zeugen L4 , N und L5 übereinstimmend eingewandt haben, dass sie davon überzeugt seien, dass der Angeklagte niemals den Hitlergruß zeigen würde oder man sich derartiges nicht vorstellen könne, handelt es sich um Mutmaßungen. Solche Mutmaßungen sind als subjektive Wahrnehmung der inneren Einstellung des Angeklagten hier nicht geeignet, die Beweiskraft der Aussagen der Zeugen POK M und PK N1 zu erschüttern. Im Übrigen wurde jedenfalls seitens der Zeugin L4 und L5 das Verhältnis zu dem Angeklagten zwar als privat – nicht politisch – bezeichnet, jedoch wurde ein besonders enges oder freundschaftliches Verhältnis, welches genaue Einschätzung der Gegenüber zulässt, nicht beschrieben. Laut der Zeugin L4 „kenne man sich“ und „schreibe sich mal“. Die Zeugin L5 kennt den Angeklagten dagegen von mehreren Veranstaltungen.
99Auch die Einlassung des Angeklagten war nicht geeignet, hinreichende Zweifel an der Tatbegehung zu begründen. So steht seine Behauptung, nicht rechtsextrem zu sein, letztlich schon in Widerspruch zur Teilnahme an einer Demonstration, zu der ein rechtsextremer Verein aufruft, mit dessen Veranstalter er befreundet ist und dessen Aufrufen er schon wiederholt gefolgt ist. Zudem spielt seine grundsätzliche Haltung für die Frage, ob er diesen Gruß gezeigt hat, keine entscheidende Rolle, da eine rechtsextreme Gesinnung keine Voraussetzung für das Zeigen des Hitlergrußes ist.
100Für eine Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bestanden keinerlei Anhaltspunkte.
1012. Tat vom 14.09.2019
102a) Hinsichtlich der Feststellungen zum objektiven Tathergang der Tat vom 14.09.2019 ist aufgrund der insoweit geständigen Einlassung des Angeklagten sowie der in der Hauptverhandlung ausgeschöpften Beweismittel, insbesondere der Aufzeichnungen der Überwachungskamera, der Aussage der Zeugin T6, der geschädigten Zeugen und des Sachverständigen Dr. I, bewiesen, dass der Angeklagte den Knallkörper entzündet und in den Innenraum hat fallen lassen, woraufhin infolge der Explosion die festgestellten Verletzungen und sonstigen Folgen eingetreten sind.
103aa) Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfenen Handlungen in der Hauptverhandlung vollumfänglich eingeräumt. Er hat glaubhaft angegeben, den Knallkörper gezündet und hinter das Absperrgitter fallen gelassen zu haben.
104Die Angaben des Angeklagten decken sich zunächst mit dem im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videomaterial der Überwachungskamera des Stadions. Die Aufzeichnung bildet den vorderen Abschnitt der Südtribüne ab und ist derart scharf, dass der Angeklagte – wie von ihm selbst im Rahmen seiner Einlassung in der Hauptverhandlung bestätigt – zweifelsfrei auf den Aufnahmen anhand seiner Gesichtszüge zu erkennen ist. Dieser steht unmittelbar hinter dem Absperrgitter, wobei er ab dem Bereich etwas unterhalb der Schultern durch ein an dem Absperrgitter befestigtes Banner verdeckt ist. Sodann ist deutlich zu erkennen, wie der Angeklagte – was er zudem ebenfalls im Rahmen seiner Einlassung ausdrücklich eingeräumt hat – seinen Arm über das Banner hebt und einen kleinen, länglichen Gegenstand durch das Gitter nach unten fallen lässt, indem er die Hand durch das Gitter schiebt und den Gegenstand loslässt. Anschließend – so machen es die Bilder deutlich – dreht sich der Angeklagte unmittelbar vom Spielfeld weg, sodass er dem Spielfeld den Rücken zuwendet. Aufgrund der folgenden Reaktionen der abgebildeten Zuschauer – Drehen der Köpfe, fragende Blicke – sowie aufsteigenden Qualms ist ersichtlich, dass kurz hiernach die Detonation stattgefunden hat. Die Aufnahmen der Überwachungskamera selbst sind ohne Ton. Die Detonation ist aber auf dem ebenfalls in Augenschein genommenen Videomaterial der Fernsehsender Sky und WDR deutlich zu hören.
105Dass der Angeklagte den Knallkörper in den Innenraum hat fallen lassen, wird außerdem gestützt durch die Aussage der Zeugin T6 , die als Ordnerin auf der Südtribüne eingesetzt war. Sie war als Treppenaufsicht eingeteilt und befand sich zum Zeitpunkt der Explosion etwa drei bis vier Schritte hinter dem Angeklagten. Sie hat im Rahmen ihrer Aussage in der Hauptverhandlung bekundet, von der genannten Position aus beobachtet zu haben, wie er in der Handtasche einer der ihn begleitenden Frauen gewühlt habe, sich dann eine Zigarette angesteckt und zum Spielfeld gedreht habe. Sodann habe er sich mit dem Rücken zum Spielfeld gedreht, woraufhin kurze Zeit später ein lauter Knall ertönt sei. Aufgrund der angenommen Schutzhaltung – so die Zeugin weiter – sei sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte für die Explosion verantwortlich gewesen sei, was der Grund dafür gewesen sei, ihre Beobachtung an ihre Leitung weiterzugeben. Die Zeugin T6 hat in diesem Rahmen zudem dargelegt, dass ihr der Angeklagte bereits vor der Explosion aufgefallen sei, sodass auch die Angabe, dass sie den Angeklagten auch bei der Tat beobachtet habe, nachvollziehbar ist. So hat die Zeugin angegeben, dass sie den Angeklagten im Laufe des Spiels mehrfach angewiesen habe, von dem Absperrgitter, welches er hochgeklettert sei, hinunterzusteigen, woraufhin der Angeklagte ihr in der Halbzeitpause gegenüber geäußert habe, dass sie und er wohl „keine Freunde mehr“ würden.
106Die durch die Zeugin T6 beschriebenen Geschehensabläufe decken sich weitestgehend mit der Einlassung des Angeklagten sowie dem Videomaterial der Überwachungskamera. Nicht bestätigt hat sich durch die Videoaufnahmen der Überwachungskamera lediglich ihre Angabe, dass der Angeklagte die ihn begleitenden Frauen schützend in den Arm genommen habe, was jedoch angesichts des schnellen zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse, sowie des Umstandes, dass sich sowohl der Angeklagte als auch die ihn begleitenden Frauen tatsächlich schützend vom Spielfeld wegdrehten, nachvollziehbar ist.
107bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass die festgestellten Folgen durch die Explosion des durch den Angeklagten gezündeten Knallkörpers der Marke „H“ des polnischen Herstellers „U“ hervorgerufen wurden. Der Beweis konnte insbesondere aufgrund der Aussagen der 21 Geschädigten, der im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden und der Aussage des Sachverständigen Dr. I geführt werden.
108(1) Die Feststellungen zu den durch die Detonation hervorgerufenen Verletzungsfolgen beruhen zunächst auf den Angaben der im Rahmen der Hauptverhandlung vernommenen 21 Geschädigten. Diese haben die im Einzelnen eingetretenen Beeinträchtigungen umfassend und nachvollziehbar – so wie festgestellt – geschildert. Auch soweit ärztliche Atteste nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, folgt die Kammer den Darstellungen der geschädigten Zeugen zu den eingetretenen Folgen der Explosion. Bei keinem der vernommenen Zeugen waren besondere Belastungstendenzen oder Motive für eine fälschliche Darstellung der Tatfolgen zu erkennen. So wurde insbesondere wiederholt bekundet, dass die eingetretenen Beschwerden oft nur noch sporadisch aufträten, seit der Tat abgenommen hätten oder gänzlich abgeklungen seien. Nachvollziehbar ist insbesondere auch seitens der mit etwa 20 bzw. 14 Metern weiter von der Detonation entfernten Zeuginnen L2 und K1 geschildert worden, dass bei ihnen die bekundeten Verletzungsfolgen – trotz weiterer Entfernung – eingetreten sind. Insbesondere die Zeugin L2 hat angegeben, ohnehin lärmsensibel zu sein und deswegen auch während des Spiels grundsätzlich Ohrstöpsel zu tragen, die sie zum Zeitpunkt der Explosion nur wegen der Verabschiedung einer Bekannten bereits aus ihren Ohren entfernt gehabt habe. Nach Auffassung der Kammer ist es insoweit plausibel, dass die Lärmempfindlichkeit und die Folgen einer besonderen Lärmbelastung individueller Natur sind, was bereits die divergierenden attestierten Verletzungsfolgen der in unmittelbarer Nähe der Explosion befindlichen Geschädigten zeigen.
109Die Verursachung von Beeinträchtigungen des Gehörs in Gestalt von Knalltraumata, Tinnitus, Kopfschmerzen und Hörminderungen bei den im nahen Umfeld zur Detonation befindlichen Personen ist aufgrund der besonderen Intensität der Detonation bei lebensnaher Betrachtung auch nachvollziehbar. Sowohl die geschädigten Zeugen, als auch weitere im Stadion anwesende und in weiterer Entfernung zur Explosion befindliche Zeugen, haben überzeugend und übereinstimmend die ohrenbetäubende Lautstärke der Detonation betont. Der Zeuge F hat bekundet, bisher noch nichts Vergleichbares gehört zu haben. Auch die Zeugen L1, N2 und L2 haben angegeben, dass die Explosion sehr laut – ohrenbetäubend – gewesen sei. Hierzu passend haben die Zeugen F1, H1, K1 und N5 bekundet, dass sich die Detonation wie die Explosion einer Granate angehört habe, sodass man unmittelbar an einen Terroranschlag gedacht habe. Auch die während des Anschlags bei dem Länderspiel Deutschland gegen Frankreich am 13.09.2015 im Pariser Stadion anwesenden Zeugen M2, W, C1 und M1 haben angegeben, sogleich an einen Terroranschlag gedacht und einen solchen befürchtet zu haben, da die Explosion sich nicht wie ein normaler Silvesterböller, sondern wie eine Granate oder ähnliches angehört habe. Der Zeuge T1, bei dem es sich um einen ehemaligen Soldaten der Bundeswehr handelt, hat bekundet, dass die Detonation des Knallkörpers mit der Detonation eines selbst gebastelten Sprengsatzes oder einer Handgranate vergleichbar gewesen sei. Weiter haben etwa die Zeugen Q, F1 und C1, die regelmäßig und seit mehreren Jahren während Fußballspielen das Stadion besuchen, bekundet, dass man etwas Vergleichbares noch nie zuvor gehört habe. Zu der Intensität des Knalls passt auch, dass der das Fußballspiel leitende Schiedsrichter – wie aus den Videobildern des Fernsehsenders Sky erkennbar ist – das aufgrund eines vorherigen Fouls unterbrochene Spiel im Anschluss an die Detonation nicht sofort wieder freigegeben hat, sondern sich zuerst in Richtung des Explosionsorts blickend vergewissert hat, ob das Spiel gefahrlos fortgesetzt werden kann.
110Auch die mit etwa zehn bis 20 Metern Abstand vom Explosionsort stehenden, nicht geschädigten Zeugen PHK C5, PK C6 und PHK S haben bestätigt, dass es einen „riesigen“ Knall gegeben habe, der extrem laut war und es sich offensichtlich um keinen normalen Knallkörper gehandelt habe.
111Die von den Zeugen bekundeten Verletzungsfolgen werden im Einzelnen zudem wie folgt belegt:
112Die Zeugin T6 hat bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung am 23.09.2019 angegeben, dass sie den Druck der Explosion gespürt habe, dass sie Druck und ein Knacken auf dem linken Ohr gehabt habe und dass sich ein Rauschen auf dem Ohr verstärkt habe, zunächst aber wieder besser geworden sei.
113Die Zeugin C2 hat bereits in ihrer schriftlichen Äußerung vom 25.09.2019 angegeben, dass sie nach der Tat erst nichts habe hören, dann einen Tinnitus bekommen habe, in den ersten danach eine Hörminderung verspürt habe und der Tinnitus bei Ruhe weiter auftrete.
114Bezüglich des Zeugen F ergeben sich aus dem HNO-Bericht vom 14.09.2019 ein Knalltrauma rechts sowie die Gabe von Kortison. In der schriftlichen Äußerung vom 02.10.2019 hat der Zeuge angegeben, er habe eine Druckwelle gespürt, einen Dauerton im rechten Ohr, Gleichgewichtsstörungen und Kortison erhalten. Gemäß dem Arztbericht vom 16.10.2019 besteht ein Tinnitus, ein akutes akustisches Trauma und wurde Kortison gegeben. Laut Arztbericht vom 14.11.2019 empfindet der Zeuge den Tinnitus zunehmend als störend, ihm wird weiter Kortison verabreicht und zu einer Tinnitracks-Therapie geraten. Laut HNO-fachärztlichem Gutachten vom 02.08.2020 besteht bei dem Zeugen beidseits eine ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit, ein rechtsseitiges Ohrgeräusch und sind die Kriterien für eine Hörgeräteversorgung beidseits erfüllt.
115Bezüglich der Zeugin H1 ergibt sich aus dem Notfallschein vom 14.09.2019 ein akustisches Trauma, die Angabe eines Tinnitus und einer Hörminderung rechts sowie die Gabe von Kortison. In der schriftlichen Äußerung vom 26.09.2019 hat die Zeugin ein Piepen im rechten Ohr angegeben.
116Der Zeuge L1 hat bereits am 14.09.2019 gegenüber KHK C7 angegeben, Kopfschmerzen und ein Fiepen im linken Ohr zu verspüren. In der schriftlichen Äußerung vom 17.10.2019 hat er angegeben, eine Druckwelle gespürt zu haben, Kopfschmerzen, ein Piepen in den Ohren und Orientierungsschwierigkeiten, am nächsten Tag aber nur noch ein leichtes Piepen gehabt zu haben.
117Der Zeuge N2 hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 ein Fiepen im linken Ohr angegeben. Laut Notfall-/Vertretungsschein vom 14.09.2019 hat der Zeuge einen Tinnitus mit Rauschen links angegeben. In seiner schriftlichen Äußerung vom 30.09.2019 hat der Zeuge angegeben, dass seine Ohren nach der Explosion „komplett zu“ gewesen seien.
118Der Zeuge B hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 angegeben, für 20 Minuten nichts mehr gehört zu haben und Kopfschmerzen sowie ein Fiepen im rechten Ohr gehabt zu haben. In der schriftlichen Äußerung vom 02.10.2019 hat er Ohrenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel und ein Ohrgeräusch angegeben.
119Der Zeuge K hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 Kopfschmerzen und ein Fiepen im rechten Ohr angegeben. In seiner schriftlichen Äußerung hat er Ohren- und Kopfschmerzen geschildert. Laut Tonaudiogramm wurde eine Vertäubung rechts
120Der Zeuge N3 hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 eine Hörminderung und Kopfschmerzen angegeben.
121Die Zeugin X1 hat in ihrer schriftlichen Äußerung vom 25.09.2019 angegeben, dass sie nach der Explosion nichts mehr habe hören können. Sie habe einen Tinnitus und seither in beiden Ohren Schmerzen. Laut ärztlicher Bescheinigung vom 27.09.2020 bestehen beiderseits eine beginnende Schwerhörigkeit sowie ein Ohrgeräusch im Sinne eines Piepens.
122Der Zeuge X2 hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 angegeben, sein Gehör sei kurz weg gewesen, ihm sei schwindlig gewesen und er habe Druck auf dem rechten Ohr verspürt. Bezüglich des Zeugen ergibt sich aus dem Durchgangsarztbericht vom 14.09.2020, dass der Zeuge Piepen auf beiden Ohren und eine Hörminderung empfunden habe. Bei dem Zeugen wurde ausweislich der ärztlichen Unterlagen vom 14.09.2019 ein Knalltrauma diagnostiziert. In seiner schriftlichen Äußerung vom 25.09.2019 hat der Zeuge angegeben, nach dem Knall an Hörverlust und Kopfschmerzen gelitten und die Druckwelle gespürt zu haben. In den Nächten nach der Tat habe er an unruhigem Schlaf und Alpträumen gelitten.
123Der Zeuge N4 hat laut Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 23.09.2019 ein Knalltrauma erlitten. In seiner schriftlichen Äußerung vom 25.09.2019 hat er Druck im Stirn- und Schläfenbereich angegeben.
124Der Zeuge W hat bereits in seiner schriftlichen Äußerung vom 28.09.2019 angegeben, seine Ohren seien für einen Moment taub gewesen, dann habe er ein starkes Piepen verspürt. Bei ihm sei ein Knalltrauma diagnostiziert worden und er habe eine Woche Kortison genommen.
125Der Zeuge F1 hat bereits in seiner Online-Anzeige vom 15.09.2019 angegeben, dass ihm schwarz vor Augen geworden sei, er eine Druckwelle gespürt und Ohren- sowie Kopfschmerzen gehabt habe. In der schriftlichen Äußerung vom 26.09.2019 hat er ein lautes Piepen auf den Ohren und tagelange Kopfschmerzen geschildert, er sei zudem in den Nächten nach der Tat aufgeschreckt. Laut Arztbericht vom 05.11.2020 bestehen eine Hörminderung und ein Ohrgeräusch links.
126Der Zeuge C1 hat in der schriftlichen Äußerung vom 02.10.2019 angegeben, nach der Tat bis in die Nacht ein Piepen im Ohr gehabt zu haben.
127Bezüglich der Zeugin M1 besteht laut fachärztlichem Attest vom 23.09.2019 eine Schallempfindlichkeitsschwerhörigkeit beidseits. In der schriftlichen Äußerung vom 14.10.2019 hat die Zeugin ein Taubheitsgefühl und ein Pfeifen in den Ohren angegeben. Sie habe zehn Tage lang Kortison bekommen und es sei ein Knalltrauma diagnostiziert worden.
128Der Zeugen T1 hat gegenüber KHK C7 am 14.09.2019 angegeben Schwindel, Kopfschmerzen und Druck auf den Ohren zu haben. In dem HNO-Bericht vom 14.09.2019 wird ein Knalltrauma diagnostiziert. Laut ärztlichem Attest vom 17.09.2019 hat der Zeuge Kortison erhalten. In seiner schriftlichen Äußerung vom 26.09.2019 hat der Zeuge angegeben, durch die Explosion Schmerzen in beiden Ohren, einen Tinnitus und Schwindel bekommen zu haben. Er habe weiterhin eine Hörminderung sowie Druck und Schmerzen auf den Ohren. Laut ärztlichem Attest vom 19.11.2020 besteht links eine Schallleitungshörstörung und eine Hörminderung.
129Der Zeuge N5 hat bereits bei Anzeigeerstattung am 16.09.2019 angegeben, seit der Explosion unter Schwindel und Tinnitusgeräuschen zu leiden. In der schriftlichen Äußerung vom 04.10.2019 hat er ein bleibendes Pfeifen auf den Ohren geschildert und angegeben, er habe eine Woche lang Kortison bekommen.
130Die Zeugin K1 hat zudem bereits in ihrer Online-Anzeige vom 15.09.2019 angegeben, in ihrem linken Ohr ein dumpfes Gefühl und Schmerzen zu haben. In ihrer schriftlichen Äußerung hat die Zeugin angegeben, dass sie nach der Explosion ein Klingeln im Ohr und Schmerzen gehabt habe. Ohren- und Kopfschmerzen hätten auch zwei Wochen nach der Tat noch angehalten. In dem Attest vom 30.09.2019 ist von einem Lärmtrauma, einem dumpfen Gefühl im linken Ohr, einer subjektiv empfundenen Hörminderung sowie der Gabe von Kortison die Rede.
131Die Zeugin L2 hat bereits bei Anzeigeerstattung am 17.09.2019 angegeben, an einem Knalltrauma zu leiden. In ihrer schriftlichen Äußerung vom 02.10.2019 hat sie einen stechenden Schmerz, Taubheit und Schwindel angegeben. Ein Knalltrauma sei diagnostiziert und Ginkgo verschrieben worden. Dies bestätigt auch der Arztbericht vom 08.10.2019.
132(2) Sowohl der besonders dominante Knall des konkret verwendeten Böllers als auch dessen Wirkungsweisem, besondere Gefährlichkeit und die Tatsache, dass er in Deutschland nicht zugelassen ist, sind durch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. I (Kriminaltechniker/Kriminalwissenschaftler des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen) im Rahmen der Erstattung seines Gutachtens in der Hauptverhandlung nachgewiesen bzw. bestätigt worden.
133Zunächst hat der Sachverständige Dr. I schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem verwendeten Knallkörper um einen Böller der Marke „H“ gehandelt habe. Zu diesen Feststellungen ist der Sachverständige durch das Zusammensetzen der nach der Explosion verbliebenen Papierschnipsel gelangt, auf denen die Schriftzüge „XX### und „002“ erkennbar gewesen sind, die eine Identifizierung des konkreten Knallkörpers zugelassen hätten. Die Schnipsel waren nach Spielende durch die Zeugin KHKin H4 und den Zeugen KK L3 sichergestellt worden, wie diese in der Hauptverhandlung bekundet haben. Den Zeugen waren die Schnipsel, die sich – erkennbar zusammengehörend und eng beieinanderliegend – im direkten Umfeld des Explosionsortes befanden, entsprechend ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung aufgefallen. Markant sei – so der Sachverständige Dr. I weiter – insbesondere die „typische Böllerfarbe“ der Papierschnipsel gewesen, was sich durch die In-Augenscheinnahme der kartonfarbenen Schnipsel in der Hauptverhandlung zur Überzeugung bestätigt hat. Die Schnipsel rührten auch von dem durch den Angeklagten gezündeten Knallkörper her. Diese Annahme gründet sich auf den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Explosion und dem Auffinden der Schnipsel, bei dem sich bei lebensnaher Betrachtung der Ereignisse aufdrängt, dass die Schnipsel Überreste des explodierten Knallkörpers darstellen. Zudem hat der Zeuge M2 glaubhaft bekundet, dass sich die auch durch ihn wahrgenommenen Schnipsel (erst) nach der Explosion auch auf seinem Fotografenkoffer befunden hätten, der in einer Entfernung von wenigen Metern zum Explosionsort auf dem Boden lag. Vor dem Hintergrund, dass es in diesem Bereich, wo die Schnipsel aufgefunden worden sind, auch zu der durch den Angeklagten eingeräumten Detonation des von ihm fallengelassenen Knallkörpers gekommen ist und keine Schnipsel haben aufgefunden werden können, die – so der Sachverständige Dr. I – als nicht zusammengehörig zu identifizieren gewesen seien, erschließt sich, dass es sich um Rückstände des vom Angeklagten gezündeten Knallkörpers gehandelt hat.
134Die Feststellungen zur Wirkungsweise und insbesondere der Sprengkraft des verwendeten Knallkörpers beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. I , welchen die Kammer vollumfänglich folgt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich der im Internetversandhandel erhältliche, in Deutschland aber nicht zugelassene Knallkörper des Typs „H“ der Firma U unter anderem aus Aluminium, Magnesium, Schwefel und Kaliumperchlorat zusammensetze. Es handle sich dabei um einen sogenannten Blitzknallsatz, der sich maßgeblich von den in Deutschland zugelassenen Böllern, bei denen eine Schwarzpulverladung zur Explosion gebracht werde, unterscheide. Bei Blitzknallsätzen handle es sich um besonders energiereiche Knallkörper, bei denen sowohl die Sprengkraft, die durch die Ausdehnungsgeschwindigkeit bestimmt werde, als auch die bei der Explosion entstehende Hitze von besonderem Ausmaß sei. Die Umsetzungsgeschwindigkeit liege bei über 1.000 Metern pro Sekunde, bei der „H“ bei rund 1.200 bis 1.500 Metern pro Sekunde, sodass man von einer Detonation (und nicht wie bei zugelassenen Feuerwerkskörpern auf Schwarzpulverbasis von einer Deflagration) spreche. Diese im Vergleich zu in Deutschland zugelassenen, herkömmlichen Knallkörpern auf Schwarzpulverbasis detonierenden Blitzknallsätze mit entsprechender Umsetzungsgeschwindigkeit führten – wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat – dazu, dass eine deutlich höhere Sprengwirkung erzielt werde. Eine solche erhöhte Sprengwirkung könne – wie der Sachverständige durch die Vorlage vergleichender Lichtbilder von Handverletzungen bei der Zündung eines Knallkörpers auf Schwarzpulverbasis sowie eines Blitzknallsatzes mit einer Umsetzungsgeschwindigkeit von rund 1.200 Meter pro Sekunde, auf die (Bl. 510 bis 513 d. A.) gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird – nicht nur zur Verletzung des Weichteilgewebes, sondern auch zu (irreparablen) Verletzungen der knöchernen Struktur des menschlichen Körpers bzw. seiner Extremitäten führen.
135(3) Die Feststellungen, dass die Explosion eine Druckwelle erzeugt und ein Loch in eine Werbebande gerissen hat, beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. I , den Aussagen mehrere Zeugen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern und Videoaufnahmen.
136Dass der Knallkörper grundsätzlich in der Lage ist, eine Druckwelle zu erzeugen und dass bei seiner Explosion aufgrund der Art und Weise der Verdämmung des Knallkörpers auch mit herumfliegenden festen Teilen zu rechnen ist, die Verletzungen und Sachschäden verursachen können, hat der Sachverständige Dr. I – wie auch durch die Ausführungen zur Umsetzungsgeschwindigkeit bereits dargelegt – bestätigt. Eine Druckwelle durch die Explosion haben zudem die Zeugen F, L1, M2, F1 und C1 beschrieben. Dass in unmittelbarer Nähe des Explosionsortes ein kleines und ein faustgroßes Loch in der aus Kunststoff bestehenden Werbebande zu finden war, ist zu erkennen auf dem in Augenschein genommenen Video, das der Polizeibeamte PK F2 gefertigt hat, sowie auf dem Lichtbild, das der Zeuge X2, Sportfotograf, unmittelbar im Anschluss an die Detonation gefertigt hat und aus dem zusätzlich erkennbar ist, dass auf den Bodenplatten unmittelbar vor der beschädigten Werbebande die – so der Sachverständige Dr. I – nach der Zündung eines Blitzknallsatzes typischen hellfarbigen Rückstände zu erkennen sind. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Lichtbild (Bl. 162 d. A.) gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen. Zudem hat der Zeuge F der im Zeitraum um die Tat als sog. Flitzerfänger als freier Mitarbeiter des Clubs beschäftigt und daher regelmäßig im Stadion war, ausgeführt, dass die Löcher in der Werbebande vor der Explosion des Knallkörpers nicht in der Werbebande gewesen seien. Dass die Löcher in der Werbebande auf die Explosion des Knallkörpers durch den Angeklagten zurückzuführen ist, wird auch durch die Überlegung gestützt, dass es als praktisch ausgeschlossen erscheint, dass zu einem von einem Millionenpublikum an den Fernsehgeräten verfolgten Bundesliga-Derby eine beschädigte Werbebande aufgestellt wird. Dafür, dass die Löcher während des Spiels auf andere Art und Weise entstanden sind, bestehen darüber hinaus keine (konkreten) Anhaltspunkte.
137b) Die Feststellung, dass der Angeklagte gewusst hat, dass es sich bei dem durch ihn gezündeten Blitzknallsatz um einen besonders lauten und auch ansonsten gefährlichen Knallkörper mit erheblichem Verletzungspotential handelt, ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
138Zunächst ist davon auszugehen, dass der Angeklagte den Knallkörper auf eigene Veranlassung in das Stadion gebracht bzw. hat bringen lassen, sodass ihm schon aus diesem Grund dessen Herkunft und Wirkungsweise bekannt waren. Hierfür spricht zunächst, dass er zur Frage, wie er in den Besitz des Knallkörpers gekommen ist, im Rahmen seiner Einlassung widersprüchliche Angaben gemacht hat. So hat er zunächst behauptet, den Knallkörper auf einer Stadiontoilette gefunden zu haben. Auf den Vorhalt der Kammer, dass diese Darstellung nicht recht lebensnah erscheine, hat der Angeklagte sodann angegeben, ihm sei der Knaller zugesteckt worden. Einzelheiten dazu, wo ihm im Stadion durch wen der Knallkörper zugesteckt worden sein soll, hat er dann allerdings nicht machen können, sondern es trotz entsprechender Nachfrage bei der schlichten Behauptung belassen, sodass schon aufgrund dieses Teilschweigens der Schluss naheliegt, dass er ihn auf eigene Veranlassung mit ins Stadion gebracht oder – naheliegend durch eine seiner Begleiterinnen – hat bringen lassen.
139Zudem spricht die Tatsache, dass – wie der Zeuge KK L3 im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung angegeben hat – bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Pyrotechnik in Form einer Rauchbombe sowie eines Bengalfeuers aufgefunden werden konnte, dafür, dass er sowohl die Erfahrung als auch die Neigung besitzt, mit Feuerwerkskörpern umzugehen, was den Schluss nahelegt, dass auch der im Stadion verwendete Knallkörper aus seinem Besitz gestammt hat und er deshalb auch über die Gefährlichkeit desselben im Bild gewesen ist.
140Des Weiteren sprechen aber auch sein eigenes Verhalten – und das seiner Begleiterinnen – dafür, dass er über die Gefährlichkeit des Knallkörpers hinsichtlich Lautstärke und Sprengkraft genaue Kenntnis hatte. So ist auf den in Augenschein genommenen Videobildern der Überwachungskamera des Stadions zu sehen, wie sich der Angeklagte, unmittelbar nachdem er den entzündeten Knallkörper durch das Absperrgitter in den Innenraum des Stadions hat fallen lassen, wegdreht. Seine beiden Begleiterinnen wenden sich ebenfalls vom Ort des fallen gelassenen Knallkörpers ab, wobei eine der beiden Begleiterinnen ein paar Stufen der Stehplatztribüne nach oben – sich weiter vom Geschehen entfernend – wegläuft und sich die Ohren zuhält. Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder, Bl. 124 f. d. A. verwiesen. Gerade dieses Verhalten (auch) des Angeklagten zeigt, dass er nicht nur mit einem erheblichen Knall, sondern auch mit einer nicht unerheblichen Sprengwirkung des Knallkörpers gerechnet hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Stehplatztribüne, auf der sich der Angeklagte mit seinen Begleiterinnen befunden hat, fünf Treppenstufen oberhalb des Innenraums, also des Explosionsorts, befindet und eine rund 1,50 Meter hohe Betonwand unterhalb des Absperrgitters zusätzlichen Schutz bietet, wie sich aus den Videoaufnahmen des PK F2 ergibt. Hieran wird deutlich, dass der Angeklagte trotz dieser räumlichen Distanz zur Stelle des fallengelassenen Knallkörpers durch das Wegdrehen weiteren Schutz gesucht hat, was impliziert, dass ihm die Wirkungsweise des Knallkörpers bewusst gewesen ist.
141c) Die Feststellung, dass der Angeklagte den Knallkörper in einem Moment entzündet und in den Innenraum des Stadions hat fallenlassen, als es im Stadion und insbesondere im Bereich der Südtribüne wegen einer Situation auf dem Spielfeld zu erhöhten Unmutsbekundungen gekommen war, beruht auf den Videobildern der Überwachungskamera. Dort ist zu sehen, dass kurz bevor der Angeklagte den Knallkörper mit einer Zigarette entzündet plötzlich zahlreiche Zuschauer mit den Händen wild gestikulierend in Richtung des Spielfelds zeigen und ein Zuschauer unmittelbar neben dem Angeklagten das Absperrgitter hochklettert, den linken Arm nach vorne schleudert und mit wutentbranntem Gesicht in Richtung des Spielfeldes etwas zu schreien scheint.
142Aus dieser Feststellung ergibt sich zudem die Schlussfolgerung, dass der Angeklagte – im Sinne einer Planung – auf eine solche Situation gewartet hat, um – von den in seinem Rücken stehenden Zuschauern – unbemerkt, den Knallkörper zünden und in den Innenraum des Stadions werfen bzw. hinter das Absperrgitter fallenlassen zu können. Dafür spricht auch, dass – wie ebenso auf den Videobildern der Überwachungskamera zu sehen ist – der Angeklagte im Anschluss an die Detonation, die durch die Reaktion der Zuschauer, wie erschrockene Gesichter, Zuhalten der Ohren etc., sowie das Aufsteigen von Qualm zu identifizieren ist, wiederholt nach oben sowie nach links und rechts blickt, offenbar um für die Umstehenden erkennbar vorzugeben, selbst erforschen zu wollen, wer bzw. was denn nun der Anlass für die Detonation gewesen sein kann.
143Die Feststellung, dass sich zum Zeitpunkt der Explosion des Knallkörpers eine Vielzahl von Personen – vor allem Ordner und Fotografen – unmittelbar, nur wenige oder einige wenige Meter zum Aufliegeort des in den Innenraum vor die westliche Südtribüne durch den Angeklagten geworfenen bzw. fallengelassenen Knallkörper befunden haben, ergibt sich zunächst aus den Angaben der Zeugen F, H1, L1, B, K, N3, X1, M2, C2, N2, X2, Q, W, F1,C1, M1 und T1, die im Rahmen ihrer jeweiligen Vernehmung in der Hauptverhandlung angegeben haben, sich zum Zeitpunkt der Explosion im Innenraum des Stadions vor der Südtribüne befunden zu haben. Zudem hat auch der Angeklagte eingeräumt, dass sich im Innenraum des Stadions vor der Südtribüne – und damit in der (auch) unmittelbaren Nähe des Orts, an dem der Knallkörper auf dem Boden aufgetroffen ist – zahlreiche Personen befunden hätten. Dem Angeklagten war daher auch bewusst, dass die Wirkung der Explosion eine Vielzahl von Personen treffen wird. Weiter gestützt wird diese Feststellung auch durch die Videobilder, auf denen – wie ausgeführt – erkennbar ist, dass der Angeklagte das Spiel hinter dem Absperrgitter verfolgt hat, sodass für ihn auch ohne Weiteres zu erkennen war, dass der fallengelassene Knallkörper inmitten der vor dem Gitter im Innenraum in einer Kette stehenden Ordner und am Spielfeldrand befindlichen Sportfotografen seine Wirkung entfalten würde. Ihm war daher auch bewusst, dass eine nicht überschaubare Anzahl der Besucher des ausverkauften Stadions den Wirkungen der Explosion ausgesetzt sein würde.
144d) Die Feststellung zur erhaltenen Schuldfähigkeit ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
145Ein unmittelbar nach seiner Festnahme um 17:40 Uhr durchgeführter Alkoholvortest ergab – wie durch den Zeugen KHK H2 bekundet worden ist – eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,37 mg/l, mithin einen lediglich leichtgeradigen Alkoholisierungsgrad, der für sich genommen Zweifel an der Schuldfähigkeit, bzw. der allein insofern in Betracht kommenden Steuerungsfähigkeit in Form einer akuten Intoxikation (krankhafte seelische Störung als erstes Eingangsmerkmal des § 20 StGB) nicht zu begründen vermag.
146Soweit – wie der Zeuge KHK H2 angegeben hat – der Angeklagte erklärt hat, er habe Cannabis geraucht bzw. soweit der Angeklagte selbst in der Hauptverhandlung erstmals behauptet hat, er habe in der Halbzeitpause des Spiels, mithin rund 45 Minuten vor der Tat, ein Gramm bzw. 0,8 Gramm Kokain gezogen, ergibt sich in Bezug auf das Vorliegen vollständig erhaltener Steuerungsfähigkeit kein abweichendes Ergebnis.
147So sind – unabhängig davon, dass schon aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Angeklagten zu seinem generellen Konsum von Kokain in Verbindung mit seinen Angaben zum Konsum von Kokain am Tattag, erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Angeklagte überhaupt Kokain am Tattag zu sich genommen hat – keine Anhaltspunkte auf eine Berauschung des Angeklagten über den genossenen Alkohol hinaus zur Tatzeit aufzufinden gewesen.
148Zunächst ergeben sich aus den in Augenschein genommenen Bildern aus der Stadionüberwachungskamera, die den Angeklagten über einen längeren Zeitraum zeigen und die durch die Kammer bis kurz nach der Festnahme des Angeklagten durch Polizeibeamte in Minute 13:50 der Aufnahmen vollständig in Augenschein genommen worden sind, keine Auffälligkeiten im Hinblick auf motorische Einschränkungen. Vielmehr bewegt sich der Angeklagte sicher, klettert zwischenzeitlich das Absperrgitter – ohne erkennbare Einschränkungen – hoch und wieder runter. Auch sprachlich bestanden offenbar keine Auffälligkeiten. So hat die Zeugin T6 , die zweimal durch den Angeklagten angesprochen worden war, in der Hauptverhandlung bekundet, dass er deutlich gesprochen habe. Eine verwaschene Sprache habe sie nicht feststellen können.
149Darüber hinaus hat der Angeklagte auch kognitiv einen nüchternen Eindruck gemacht. So hat er – wie dargelegt und anhand der Videobilder der Überwachungskamera belegt ist – auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um den Knallkörper zu zünden und sich unmittelbar nach dem Fallenlassen weggedreht, um sich selbst keinem Verletzungsrisiko auszusetzen, insofern also logisch gehandelt. Des Weiteren hat er im Anschluss an die Tat durch das Wenden des Kopfes und das Ansprechen der Zeugin T6 , was denn passiert sei, versucht, seine Täterschaft zu verschleiern, was ebenfalls für durchdachtes und gegen impulsives Verhalten spricht.
150Auch sein – durch die Polizeibeamten KHK M4 PK C6 und PHK S in der Hauptverhandlung bekundetes – ruhiges und kooperatives Verhalten nach der Festnahme spricht gegen wechselnde Affektlagen und damit gegen einen die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Rauschzustand. Die genannten Zeugen haben zudem übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte auch in Bezug auf Aussprache und Motorik unauffällig, insgesamt nüchtern gewirkt habe.
1513. Taten vom 16.08.2020
152a) Der Angeklagte hat gestanden, den Zeugen B1 am 16.08.2020 ins Gesicht geschlagen zu haben.
153Dass es sich bei dem Angeklagten um denjenigen handelt, der den Schlag ausgeführt hat, steht auch fest aufgrund der Beschreibung und Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen B1 . Dieser hat den Täter laut der Aussage des Zeugen PK T5 unmittelbar nach der Tat anhand von markanten Merkmalen beschrieben, insbesondere einem roten T-Shirt mit Kompassaufdruck, das aufgefallen sei, da der Rest der Gruppe um den Angeklagten dunkel gekleidet gewesen sei. Der kurze Zeit nach der Tat in der Nähe des Tatorts durch die Zeugen PK T5 und PHK C4 angetroffene Angeklagte trug ein solches T-Shirt. Außerdem hat der Zeuge B1 im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung den Angeklagten bei einer Wahllichtbildvorlage aus acht ihm sequentiell vorgelegten Lichtbildern ausgewählt und mit „absoluter Sicherheit“ wiedererkennen können, wie er im Rahmen der Hauptverhandlung bekundet hat. Prägend sei insbesondere der durchdringende, aggressive Blick gewesen.
154Außer dem Zeugen B1 , der nicht sicher hat sagen können, ob der Schlag mit der Faust oder mit der flachen Hand ausgeführt worden ist, haben auch der Zeuge T3 in dem von ihm ausgefüllten schriftlichen Äußerungsbogen sowie die mit dem Angeklagten befreundeten Zeugen Q1 und C3 bestätigt, dass der Angeklagte den Zeugen B1 ins Gesicht geschlagen hat. Nicht den Feststellungen zugrunde zu legen war insoweit nur die – wenig lebensnahe und in Widerspruch zu den Aussagen der anderen Zeugen stehende – Bekundung des Zeugen C3 , der Angeklagte sei lediglich beim Schubsen des Geschädigten abgerutscht und so mit der Hand in dessen Gesicht gekommen.
155Die Feststellung, dass der Schlag durch den Angeklagten anlasslos – also insbesondere ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund – ausgeführt worden ist, beruht auf den folgenden Überlegungen:
156Zunächst hat der Angeklagte selbst nicht dargelegt, dass er von dem Zeugen B1 tatsächlich angegriffen worden wäre. Vielmehr hat er lediglich angegeben, dass der Zeuge einen Schritt auf ihn zugemacht habe, woraufhin er – der Angeklagte – zugeschlagen habe.
157Insoweit der Angeklagte sowie die Zeugen C3 und Q1 vermeintliche Anlässe für den Angriff durch den Angeklagten geschildert haben, war dem nicht zu folgen.
158Dies gilt bereits, weil die entsprechenden Ausführungen einander unauflöslich widersprachen. Der Angeklagte hat angegeben, dass er den Zeugen B1 durch ein beschwichtigendes Gespräch davon habe überzeugen wollen, zu gehen, damit er nicht von den anderen Personen aus der Gruppe des Angeklagten geschlagen werde. Der Zeuge C3 hat ausgesagt, dass die Zeugen T3 und B1 die Straße mehrmals auf- und abgegangen seien und dabei durch Blicke provoziert hätten, sodass der Angeklagte zu ihnen gegangen sei und gefragt habe, was das solle, woraufhin ein Gerangel entstanden sei. Der Zeuge Q1 wiederum hat bekundet, der Angeklagte habe den Zeugen B1 zur Rede stellen wollen, nachdem dieser eine Bierflasche auf den Boden geworfen habe, und ihn aufgefordert, diese aufzuheben.
159Dies gilt aber insbesondere auch angesichts der glaubhaften Aussagen der Zeugen B1 und T3 , die die Kammer den Feststellungen zugrunde gelegt hat und nach denen Provokationen – wie festgestellt – alleine von der Gruppe um den Angeklagten ausgegangen sind. Sowohl der Zeuge T3 in seiner schriftlichen Äußerung als auch der Zeuge B1 in seiner polizeilichen Vernehmung wie auch in der Hauptverhandlung haben dabei insbesondere bekundet, dass Personen aus der Gruppe um den Angeklagten auf sie zugekommen seien und sie dann von diesen Personen geschubst worden seien, bevor der Angeklagte den Zeugen B1 dann plötzlich geschlagen habe. Für die Glaubhaftigkeit dieser Angaben sprach insbesondere, dass es nicht lebensnah erscheint, dass die Zeugen B1 und T3 die aus deutlich mehr Personen bestehende Gruppe um den Angeklagten provoziert, die mitunter – so wie der Angeklagte und die Zeugen Q1 und C3 – zudem von kräftiger Statur waren. Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen spricht auch, dass die Zeugen B1 und T3 sich unmittelbar nach dem Vorfall zwecks Erstattung einer Anzeige an die Polizei, nämlich die Zeugen PK T5 und PHK C4 , gewandt haben. Gegenüber den Zeugen PK T5 und PHK C4 hat sich der Angeklagte im Folgenden überdies ebenfalls aggressiv gezeigt. Es war auch nicht davon auszugehen, dass der Zeuge B1 stärker alkoholisiert und deshalb enthemmt war. Insoweit hat er dargelegt, dass er an dem Abend lange habe arbeiten müssen, sodass er erst spät begonnen habe zu trinken und nur angetrunken gewesen sei.
160b) Der Angeklagte hat eingeräumt, die Zeugen PHK C4 und PK T5 als „Wichser“ bezeichnet zu haben.
161Die geschädigten Zeugen haben dies bestätigt, Sie haben übereinstimmend geäußert, dass man den Angeklagten, auf den die zuvor durch die Zeugen T3 und B1 abgegebene Täterbeschreibung zugetroffen habe, in einer Entfernung von etwa 250 Meter zum vorherigen Tatort angetroffen habe. Dieser habe – auf den Tatvorwurf angesprochen – zunächst ruhig reagiert. Als er dann geäußerte habe, keine Ausweispapiere bei sich zu haben und aufgrund dessen durchsucht worden sei, habe man ihm aufgrund der Weigerung den in seiner Hand versteckten Gegenstand – bei dem es sich um Cannabis gehandelt habe – herauszugeben, Handschellen angelegt. Während der Durchführung dieser weiterführenden der Maßnahmen sei er unkooperativ und aggressiv gewesen. Er habe sich uneinsichtig gezeigt, Stimmungsschwankungen gehabt und alkoholisiert gewirkt. Er habe mehrfach geäußert, dass man ihn losmachen solle, damit man „1 gegen 1“ machen könne. Die Beamten sollten sich „verpissen“ und seien „Wichser“. Den Darstellungen zu dem Verhalten des Angeklagten wird vollumfänglich gefolgt. Die Zeugen haben das Geschehen glaubhaft und übereinstimmend beschrieben, zudem stimmen die Angaben mit den Sachverhaltsdarstellungen der Strafanzeige und des Berichts zur Ingewahrsamnahme sowie dem Aktenvermerk überein. Übermäßige Belastungstendenzen waren nicht zu erkennen.
162c) Die Feststellungen zur erhaltenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der Aussagen der beteiligten Zeugen zu seinem Verhalten bei und nach den Taten.
163Zwar ergab ein kurz nach der Tat gegen 02:35 Uhr bei dem Angeklagten durchgeführter Atemalkoholtest einen Wert von 0,89 mg/l, was einer Blutalkoholkonzentration von 1,78 Promille entspricht.
164Der Zeuge Q1 , der wie dargestellt eher bemüht war, eine dem Angeklagten günstige Aussage zu machen, hat indes bekundet, der Angeklagte sei „normaler“ Stimmung gewesen. Auch der Zeuge C3 hat ausgesagt, der Angeklagte sei „ganz normal“ gewesen. Der Zeuge T3 konnte sich – über den gegen ihn geführten Schlag hinaus – nicht an Auffälligkeiten im Verhalten des Angeklagten erinnern. Vielmehr sei er motorisch unauffällig gewesen, habe jedenfalls gezielt zugeschlagen. Auch habe er keine verwaschene Sprache gehabt, sondern deutlich gesprochen.
165Die Zeugen PK T5 und PHK C4 haben zwar von Stimmungsschwankungen und aggressivem Verhalten des Angeklagten gesprochen. Geschwankt sei die Stimmung des Angeklagten jedoch nur zwischen „normal“ und „aggressiv“; sie sei nicht etwa zwischenzeitlich auch weinerlich gewesen. Zudem folgt aus den Aussagen der Zeugen auch, dass der Angeklagte noch zu planvollem Verhalten in der Lage war, das gegen eine Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit spricht. Erstens hat sich der Angeklagte nach Begehung der Tat von der Gruppe um die Zeugen Q1 und C3 entfernt und in der Nähe Deckung hinter einem Roller gesucht, von wo aus er das weitere Geschehen beobachtete. Zweitens wollte der Angeklagte die Zeugen PK T5 und PHK C4 daran hindern, das von ihm mitgeführte Cannabis aufzufinden, indem er dieses in seiner Hand zu verbergen versuchte.
166Zuletzt hat der Zeuge PK T5 in dem von ihm nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten ausgefüllten sog. Torkelbogen zwar u. a. einen schwankenden Gang und körperliche Unruhe bei dem Angeklagten dokumentiert, aber eben auch eine deutliche Sprache und ein klares Bewusstsein.
167Die Kammer nimmt danach an, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat zwar aufgrund des genossenen Alkohols enthemmt, in seiner Steuerungsfähigkeit aber nicht eingeschränkt, also nicht im Sinne einer krankhaften seelischen Störung als erstem Eingangsmerkmal des § 20 StGB intoxikiert gewesen ist. So hat er nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen deutlich gesprochen, hat gezielt zugeschlagen und hat sich vor den herannahenden Polizeibeamten versteckt.
168E.
169Rechtliche Würdigung
170I. Tat vom 16.10.2018
171Der Angeklagte hat durch das leicht vertikal nach oben verlaufende Anheben des rechten Arms und der rechten gestreckten Hand über Kopf- bzw. Schulterhöhe den sog. Hitlergruß gezeigt, der – wie dem Angeklagten auch bewusst war – für vorbeigehende Passanten und die eingesetzten Polizeibeamten gut sichtbar war, so dass er ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation öffentlich verwendet und sich daher gemäß §§ 86a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB schuldig gemacht hat.
172II. Tat vom 14.09.2019
173Der Angeklagte hat sich des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen gemäß §§ 308 Abs. 1 und 2 Var. 2 StGB und §§ 223 Abs.1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.
1741. Der Angeklagte hat sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 308 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 2 StGB verwirklicht.
175Er hat durch das Anzünden des Knallkörpers vorsätzlich eine Explosion im Sinne eines plötzlichen Auslösens einer Druckwelle mit außergewöhnlicher Beschleunigung verursacht (vgl. Börner, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Auflage 2020, § 308 Rn. 3). So erreichte der entzündete Knallsatz entsprechend den Angaben des Sachverständigen Dr. I eine Umsetzungsgeschwindigkeit von etwa 1.200 bis 1.500 Metern pro Sekunde und ist damit insbesondere nicht vergleichbar mit den Auswirkungen kleiner Feuerwerkskörper, bezüglich derer mitunter vertreten wird, dass diese vom Tatbestand des § 308 Abs. 1 StGB ausgeschlossen sein sollen (Wolff, in: Leipziger Kommentar StGB, 12. Auflage 2008, § 308 Rn. 4 m. w. N.). Insbesondere mit Blick darauf, dass der verwendete Blitzknallsatz nach den Angaben des Sachverständigen ein erhebliches Gefährdungspotential aufweist und auch zur Sprengung von Geldautomaten genutzt wird und zudem ohne Weiteres dazu geeignet ist, Weichteile und die knöcherne Struktur des menschlichen Körpers nachhaltig schwer zu schädigen, ist von einer hinreichenden Intensität der entstandenen Druckwelle auszugehen.
176Das Herbeiführen der Explosion kann namentlich durch Sprengstoffe geschehen, also Stoffe, die bei der Entzündung zu einer plötzlichen Ausdehnung von Flüssigkeiten oder Gasen und dadurch zu einer Sprengwirkung führen. Aber auch andere Stoffe als Sprengstoff fallen bereits ausweislich des Wortlauts des § 308 Abs. 1 StGB unter den Tatbestand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 308 Abs. 1 StGB unter Sprengstoffen alle explosiven Stoffe, welche sich zur Verwendung als Sprengmittel eignen, also alle diejenigen Stoffe, die bei Entzündung eine gewaltsame, plötzliche Ausdehnung dehnbarer (elastischer) Flüssigkeiten und Gase hervorrufen, und geeignet sind, dadurch den Erfolg einer Zerstörung herbeizuführen (BGH, Beschluss vom 08.12.2015, 3 StR 438/15, Rn. 6 – juris). Mithin ist gerade nicht erforderlich, dass Sprengstoff im Sinne des Sprengstoffgesetzes verwendet wird. So ist etwa auch die Herbeiführung einer Explosion durch Gemische von für sich gesehen nicht explosionsgefährlichen Stoffen, wie etwa eine Mischung aus Zucker und Natriumchlorat, tatbestandsmäßig (Wolff, in: Leipziger Kommentar StGB, 12. Auflage 2008, § 308, Rn. 4). Unter den Tatbestand fällt damit auch der durch den Angeklagten verwendete Blitzknallsatz, dessen Bestandteile Aluminium, Magnesium und Kaliumperchlorat sich bei Entzündung mit hoher Energie ausdehnen. Insofern kann auch ein Knallkörper eine Explosion im Sinne des § 308 Abs. 1 StGB herbeiführen (vgl. LG Osnabrück, Urteil vom 23.03.2012, 10 KLs 37/11, Rn. 181 – juris).
177Mit Blick auf die bei den Geschädigten eingetretenen Verletzungen sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. I bestand auch die konkrete Gefahr, dass durch das Herbeiführen der Explosion das Leben oder die Gesundheit eines anderen Menschen oder fremdes Eigentum von bedeutendem Wert beeinträchtigt wird.
178Auch ist der Qualifikationstatbestand des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB erfüllt.
179Durch die Explosion sind 21 Personen verletzt worden. Bei den festgestellten Verletzungen handelt es sich um körperliche Beeinträchtigungen, die jedenfalls eine einfache Gesundheitsschädigung im Sinne des § 308 Abs. 2 Var. 2 StGB darstellen.
180Bei den durch die Tat Verletzten handelt es sich auch um eine große Zahl von Menschen. Der Gehalt dieses unbestimmten Rechtsbegriffs orientiert sich dabei an den zum Tatbestand des § 306b Abs. 1 StGB entwickelten Maßstäben. Hiernach müssen zur Abgrenzung von dem Merkmal „mehrere Personen“ grundsätzlich mehr als nur drei Menschen verletzt sein, jedenfalls sollen 14 Personen eine große Anzahl von Menschen darstellen (BGH, Urteil vom 11.08.1998, 1 StR 326/98, Rn. 20 f. – juris). Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine tatbestandsspezifische Auslegung des Merkmales vorzunehmen sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 11.08.1998, 1 StR 326/98, Rn. 19 – juris), greifen im Rahmen der Tatbestände des § 306b Abs. 1 StGB und des § 308 Abs. 2 StGB dieselben Überlegungen, sodass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Übertragung der entwickelten Rechtsprechung zum Tatbestand des § 306b Abs. 1 StGB bestehen. So findet im Rahmen beider Tatbestände eine der Gleichstellung der in Frage stehenden Qualifikation mit der schweren Gesundheitsschädigung eines Menschen statt. Ferner erhöht sich die angedrohte Mindeststrafe bei Vorliegen des Qualifikationstatbestandes jeweils von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe.
181Die Gesundheitsschädigungen der Verletzten wurden außerdem nicht nur durch die Herbeiführung der Explosion verursacht, vielmehr hat sich die spezifische Gefahr, die der Explosion innewohnt, ausgewirkt. Diese besteht nicht nur in der Verletzungsgefahr etwa in Folge des Herumfliegens von Geschossteilen, sondern auch in der durch die Explosion bedingte Lärmentwicklung in der Gestalt eines – hier besonders lauten und dominanten – Knalls.
182Die Voraussetzungen des § 18 StGB liegen vor, nachdem der Angeklagte den Knallkörper in die (unmittelbare) Nähe einer Vielzahl von Personen hat fallen lassen.
1832. Tateinheitlich hierzu wurde der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht. Die Verletzungen wurden mittels des Knallkörpers, welcher ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellt, herbeigeführt. Der Knallkörper war insbesondere nach den Angaben des Sachverständigen Dr. I aufgrund dessen objektiver Beschaffenheit und der konkreten Verwendung im Einzelfall – der Herbeiführung der Explosion des Knallkörpers in unmittelbarer Nähe zu einer großen Anzahl von Menschen – geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. Zöller, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Auflage 2020, § 224, Rn. 8; LG Osnabrück, Urteil vom 23.03.2012, 10 KLs 37/11, Rn. 186 – juris). Der Angeklagte hat auch vorsätzlich gehandelt, als er den Knallkörper, über dessen Gefährlichkeit er – wie ausgeführt – im Einzelnen im Bilde war, inmitten einer Ansammlung einer großen Anzahl an Fotografen und Ordnern fallen ließ.
1843. Bezüglich des dem Angeklagten mit der Anklage 120 Js 144/19 vom 09.12.2019 vorgeworfenen Verstoßes gegen § 303 StGB und § 40 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 SprengG hat die Kammer die Verfolgung gemäß §§ 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO beschränkt.
185III. Taten vom 16.08.2020
1861. Der Angeklagte hat sich aufgrund des Schlages in das Gesicht des Zeugen B1 einer vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Bei dem mit einiger Kraft ausgeführten Schlag mit der Hand handelt es sich um eine üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden des Zeugen nicht nur unerheblich beeinträchtigt hat. Der Schlag war für ihn schmerzhaft. Aufgrund der nach dem Schlag eingetretenen Schwellung des Bereichs um das linke Auge sowie des aufgetretenen Hämatoms, worin ein pathologischer Zustand liegt, wurde der Zeuge auch in seiner Gesundheit geschädigt.
1872. Durch die als Werturteil einzustufende Bezeichnung der Zeugen PHK C4 und PK T5 als „Wichser“ hat er deren Ehre angegriffen, indem er ihnen gegenüber seine Missachtung kundgetan hat. Er hat sich gemäß § 185 StGB der Beleidigung schuldig gemacht.
188Die Äußerung, dass die Zeugen sich „verpissen“ sollen, ist hingegen nicht strafrechtlich relevant. Es handelt sich hierbei um noch tragbares Umgangsdeutsch, das als bloße Unhöflichkeit und Distanzlosigkeit nicht als hinreichender Ausdruck einer Missachtung der Zeugen zu verstehen ist, durch die deren persönlicher Geltungsanspruch verletzt wurde (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 04.02.2020, BeckRS 2020, 1886).
1893. Die Taten stehen im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, § 53 Abs. 1 StGB.
190F.
191Strafzumessung
192I. Tat vom 16.10.2018
193Für die Tat vom 16.10.2018 hat die Kammer die Strafe dem Strafrahmen des § 86a Abs. 1 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
194Zugunsten des Angeklagten war insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Bei der Tat handelte es sich um eine Spontantat, die aufgrund der nur kurzen Dauer von wenigen Sekunden nur eingeschränkte Außenwirkung hatte und zudem unter polizeilicher Beobachtung stattfand. Die Tat liegt mittlerweile über zwei Jahre zurück und wurde bereits erstinstanzlich beim Amtsgericht verhandelt, bevor sie aus der Berufungsinstanz zum hiesigen (erstinstanzlichen landgerichtlichen) Verfahren hinzuverbunden wurde, sodass der Angeklagte durch die lange Verfahrensdauer besonders belastet ist.
195Die Kammer hat für diese Tat eine
196Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 Euro
197für tat- und schuldangemessen gehalten.
198II. Tat vom 14.09.2019
199Bei der Strafzumessung ist die Kammer gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB von dem Strafrahmen des § 308 Abs. 2 StGB ausgegangen, der eine Freiheitsstrafe von zwei bis zu 15 Jahren und damit eine höhere Strafandrohung als § 224 Abs. 1 StGB vorsieht.
200Ein minderschwerer Fall im Sinne des § 308 Abs. 4 StGB, welcher zu einer unteren Strafrahmengrenze von einem Jahr Freiheitsstrafe geführt hätte, kam nicht in Betracht.
201Ein minderschwerer Fall liegt nur dann vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei der gebotenen Gesamtwürdigung vom gesetzlichen Leitbild in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGH, Urteil vom 19.03.1975, 2 StR 53/75, Rn. 6 – juris). Das Vorliegen eines minderschweren Falles ist anhand einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind auch die Persönlichkeit des Täters, sein Gesamtverhalten, seine Tatmotive und die seine Tat begleitenden Umstände zu würdigen (BGH, Beschluss vom 19.07.2002, 2 StR 255/02, Rn. 3 f. – juris). Nach diesem Maßstab erschien Anwendung des milderen Strafrahmens des § 308 Abs. 4 StGB hier nicht geboten.
202a) Zugunsten des Angeklagten war insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
203Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
204Der Angeklagte hat eingeräumt, einen Knallkörper gezündet und in den Innenraum des Stadions in die (unmittelbare) Nähe zahlreicher Ordner und Fotografen durch das Absperrgitter fallengelassen zu haben. Das Geständnis umfasste hingegen nicht die Kenntnis ob der Herkunft und Wirkungsweise des Knallkörpers, so dass es insofern jedenfalls nicht zu einer umfassenden geständigen Einlassung gekommen ist.
205Der Angeklagte hat sich bei einem Teil der geschädigten Zeugen – wenn auch jeweils kaum merklich durch ein einsilbiges „Tschuldigung“ – entschuldigt und im letzten Wort sein Bedauern über die Tat zu Ausdruck gebracht.
206Der Angeklagte war in gewissem Maße durch den konsumierten Alkohol enthemmt.
207Allenfalls geringfügig zu Gunsten des Angeklagten kann gewertet werden, dass – soweit die Grenze der großen Anzahl von Menschen bei 14 anzusiedeln ist – diese Grenze lediglich um sieben Personen überschritten worden ist, die durch die Tat an ihrer Gesundheit geschädigt worden sind.
208b) Zulasten des Angeklagten war Folgendes zu berücksichtigen:
209Es handelt sich um eine geplante Tat. Der Angeklagte hat auf einen günstigen Moment gewartet, um den Knallkörper zu zünden und die Tat zu begehen.
210Der Angeklagte hat sich tateinheitlich zu dem Tatbestand des § 308 Abs. 1 und Abs. 2 StGB auch in 21 Fällen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.
211Zu Lasten des Angeklagten war schließlich zu bedenken, dass mehrere Zeugen ganz erheblich dauerhaft geschädigt worden sind. So haben die Zeugen F und T1 eine dauerhafte Hörminderung, die bei dem Zeugen F das Tragen von Hörgeräten erforderlich macht, davongetragen und bei den Zeugen K, F1 und M1 ist ein regelmäßiger Tinnitus verblieben. Es handelt sich dabei um Beschwerden, die die Zeugen in deren Alltag begleiten und die auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fortbestehen, ohne dass eine Heilung abzusehen ist.
2123. Unter nochmaliger Würdigung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat eine
213Freiheitsstrafe von drei Jahren
214für tat- und schuldangemessen gehalten.
215III. Taten vom 16.08.2020
216Der Strafzumessung für die Tat vom 16.08.2020 wurde, soweit der Angeklagte sich einer vorsätzlichen Körperverletzung zulasten des Zeugen B1 schuldig gemacht hat, der Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, wonach die Tat mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist.
217Soweit der Angeklagte einer Beleidigung zulasten des Zeugen PHK C4 schuldig ist, beträgt der Strafrahmen gemäß § 185 StGB Freiheitsstrafe von einem Monat bis ein Jahr oder Geldstrafe.
218Zugunsten des Angeklagten wurde gewertet, dass dieser sich im Hinblick auf die Begehung beider Taten geständig zeigte. Strafmildernd wurde außerdem berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Aufgrund der Alkoholisierung während beider Taten war zudem zugunsten des Angeklagten von einer alkoholbedingten Enthemmung auszugehen. Im Rahmen der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte außerdem bei dem durch die Beleidigung Geschädigten PHK C4 entschuldigt. Im letzten Wort hat der Angeklagte zudem sein Bedauern über die Tat zum Ausdruck gebracht.
219Zulasten des Angeklagten wurde gewertet, dass bei dem Zeugen B1 eine nicht unerhebliche Verletzung in Folge der Tat eingetreten ist. Er hatte mehrere Tage ein blaues Auge und litt zudem eine Woche unter Schmerzen an der durch den Schlag getroffenen Stelle.
220Die Kammer hat für die Körperverletzung eine
221Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 Euro
222und für die Beleidigung eine
223Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 Euro
224für tat- und schuldangemessen gehalten.
225IV. Gesamtstrafe
226Im Rahmen der gemäß §§ 53 Abs. 1 und Abs. 2, 54 StGB vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung hat die Kammer unter nochmaliger Würdigung sämtlicher Strafzumessungsgesichtspunkte eine Gesamtfreiheitsstrafe von
227drei Jahren und drei Monaten
228für tat- und schuldangemessen erachtet.
229G.
230Maßregel
231Die Voraussetzungen der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB lagen nicht vor.
232Bei dem Angeklagten waren schon keine Anhaltspunkte für einen Hang im Sinne von § 64 S. 1 StGB festzustellen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
233Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss. „Im Übermaß“ bedeutet, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird. Eine bloße Tendenz zum Betäubungsmittelmissbrauch ohne Depravation und erhebliche Persönlichkeitsstörung ist daher nicht ausreichend eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2005, 1 StR 420/05, Rn. 5 – juris). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
234Dies gilt hinsichtlich des Kokainkonsums des Angeklagten, weil – wie oben dargestellt – schon kein mehr als sporadischer Konsum des Angeklagten von Kokain und keine Berauschung von Kokain bei einer der hier zur Aburteilung gelangten Taten festzustellen waren.
235Dies gilt aber auch hinsichtlich des Alkoholkonsums des Angeklagten. Schon die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten, die die Kammer den Feststellungen zugrunde gelegt hat, legen nicht die Annahme eines Hanges nahe. Zwar war der Angeklagte bei drei der vier Taten alkoholisiert, bei einer hingegen nicht. Zudem war er bei der einzigen schwerwiegenden Tat – dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion – nur leichtgradig alkoholisiert, so dass selbst im Fall der Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB äußerst zweifelhaft erschiene, ob überhaupt von einer Hangtat ausgegangen werden müsste. Denn dass diese vergleichsweise geringfügige Alkoholisierung – neben der auch solchem Alkoholgenuss einhergehenden mäßigen Enthemmungswirkung – auf den Hang im Sinne eines symptomatischen Zusammenhangs zurückzuführen wäre, liegt schon angesichts des Tatbildes – Planung im Sinne des Abpassens einer günstigen Gelegenheit, Verschleierungsbemühungen nach der Tat – eher fern.
236Damit bestanden keine konkreten Anhaltspunkte, die eine ernstliche Befassung mit einer Maßregel nach § 64 – unter Heranziehung eines Sachverständigen – nahegelegt hätten.
237H.
238Adhäsionsanträge
239Die zulässigen Adhäsionsanträge sind begründet.
240I. Der Adhäsionskläger T1 hat gegen den Angeklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 Euro, der Adhäsionskläger F einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 Euro.
241Rechtsgrundlage für den Schmerzensgeldanspruch ist § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 308 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 2, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dass die Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen. Die Adhäsionskläger können nach § 253 Abs. 2 BGB bei Bestehen einer Schadensersatzpflicht wegen Körperverletzung wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
242Die Höhe des Schmerzensgeldes ist anhand aller konkreten Umstände des Einzelfalles zu bemessen. Dabei ist insbesondere die Schwere der verletzungsbedingten Beeinträchtigungen sowie ihre Auswirkungen und die Art und Weise, wie sie zugefügt worden sind, in die Würdigung einzubeziehen (BGH, Beschluss vom 16.09.2016, VGS 1/16, Rn. 49 – juris).
243Die Kammer hat in diesem Rahmen in Bezug auf den Geschädigten F insbesondere gewürdigt, dass dieser aufgrund der Tat unter einem dauerhaften Tinnitus leidet und zudem eine nicht reparable Hörminderung eingetreten ist. Hierdurch ist der Geschädigte auch stark belastet. In Folge des Tinnitus leidet der Geschädigte unter Schlafproblemen, sodass er einen Zimmerbrunnen installiert hat, um die Ohrengeräusche zu überdecken. Aufgrund der eingetretenen Hörminderung muss er außerdem ein Hörgerät tragen, was ihn belastet. Berücksichtigt wurden außerdem die zu der Verletzung führenden Tatumstände. Der Geschädigte hatte keine Möglichkeit, sich vor der Explosion zu schützen. Er hat nicht sehen können, dass der Knallkörper durch den Angeklagten in den Innenraum fallen gelassen wurde, sodass ihn die Explosion unvorbereitet traf.
244Ähnliche Erwägungen liegen der Entscheidung in Bezug auf den Geschädigten T1 zu Grunde. Auch bei diesem ist eine dauerhafte Hörminderung eingetreten. Außerdem leidet der Geschädigte unter einem dauerhaften Schmerz im linken Ohr. Ebenso wie den Geschädigten F traf die Explosion den Geschädigten T1 gänzlich unvorbereitet.
245Die den Geschädigten zugesprochene Schmerzensgeldhöhe ist nach der Auffassung der Kammer geeignet, einerseits einen angemessenen Ausgleich für den nichtvermögensrechtlichen Schaden zu bieten, und andererseits den Geschädigten eine Genugtuung für das erlittene Geschehen zu leisten.
246Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 404 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
247II. Die Kammer hat ferner auf Antrag der Adhäsionskläger festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, alle infolge der Tat vom 14.09.2019 erwachsenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist, zu begleichen.
248Das Feststellungsinteresse war zu bejahen, da die Entstehung eines zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens angesichts der jeweils noch nicht abgeschlossenen Behandlungen möglich ist und der Schaden insoweit noch nicht abschließend beziffert werden kann.
249I.
250Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
251Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 S. 1 StPO, soweit dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenkläger auferlegt worden sind auf § 472 Abs. 1 S. 1 StPO und soweit der Angeklagte die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger zu tragen hat auf § 472a Abs. 1 StPO.
252Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 406 Abs. 3 S. 2 StPO i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO.