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1. Die Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen, Patienten/Patientinnen zur Versorgung mit Kompressionsstrümpfen an die H GmbH dadurch zu verweisen oder die H GmbH dadurch zu empfehlen, dass sie und/oder ihr Praxispersonal die H GmbH von sich aus unmittelbar oder mittelbar namentlich benennt, ohne dass dafür ein hinreichender Grund besteht und ohne dass der/die Patient/Patientin zuvor um eine Empfehlung gebeten hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 924,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei 10.1.2019 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, zu Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 €, im Übrigen in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Empfehlungen in Anspruch.
3Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Sanitätsbedarf und Orthopädietechnik, die Beklagte ist Fachärztin für Gefäßkrankheiten.
4Unmittelbar neben den Praxisräumen der Beklagten befinden sich Geschäftsräume der H GmbH, einer Mitbewerberin der Klägerin. Die Geschäftsräume der Klägerin liegen etwa 3 km entfernt.
5Am 29.6.2018 war die Testpatientin T, eine Mitarbeiterin eines von der Klägerin mit der Überprüfung u.a. der Beklagten beauftragten Unternehmens, zur Behandlung bei der Beklagten. Über die bei diesem Besuch getätigten Äußerungen der Beklagten und ihrer Mitarbeiter besteht Streit. Die Zeugin T erhielt ein Rezept für Kompressionsstrümpfe.
6Die Klägerin sieht in dem Verhalten der Beklagten und ihrer Mitarbeiter ein wettbewerbswidriges Verhalten und forderte die Beklagte mit Schreiben 1.8.2018, korrigiert mit Schreiben vom 13.9.2018 zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Die Beklagte verweigerte die Abgabe einer solchen Erklärung.
7Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe der Zeugin T mitgeteilt, sie erhalte einen Strumpf mitgegeben und die Nachfrage, ob sie diesen direkt hier bekomme, bejaht. Bei Aushändigung eines Rezepts durch die Arzthelferin habe diese mitgeteilt: „Sie können den Strumpf direkt mitnehmen, wenn Sie mögen, die haben hier direkt nebenan ein Sanitätshaus, da können Sie das Rezept einlösen.“ Hierin liege eine Empfehlung der H GmbH unter Verstoß gegen § 31 Abs. 2 BOÄ NR. Diese Vorschrift sei als Marktverhaltensregelung gemäß § 3a UWG zu beachten.
8Die Klägerin beantragt,
9wie erkannt.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte weist darauf hin, es bestehe zur Klägerin kein Wettbewerbsverhältnis. Weder sie noch ihr Personal hätten die H GmbH empfohlen oder die Zeugin an diese verwiesen. Die Mitarbeiterinnen seien geschult und angewiesen, ohne konkrete Bitte des Patienten kein Sanitätshaus zu empfehlen. Am Tresen sei ein entsprechender Hinweis angebracht. Eines Hinweises hätte es ohnehin nicht bedurft, da die Geschäftsräume der H GmbH für Patienten ohne weiteres wahrnehmbar seien.
13Auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 26.3.2019 ist Beweis erhoben worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 26.3.2019 verwiesen.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klage begründet.
171.
18Die der Beklagten und ihrer Mitarbeitern von der Klägerin zugeschriebenen Äußerungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen.
19Die Zeugin T hat die Äußerungen glaubhaft bekundet.
20Die Glaubwürdigkeit steht nicht deshalb in Frage, weil die Zeugin als Testpatientin die Beklagte aufsuchte. Die Zeugin hat die Umstände ihrer Beauftragung geschildert, insbesondere auch die Vorgabe, lediglich die Äußerungen der Beklagten und ihrer Mitarbeiter festzuhalten. Die der Beklagten und ihrer Mitarbeiterin zugeschriebenen Äußerungen hat die Zeugin auch glaubhaft bestätigt. Sie hat bekundet, diese Äußerungen unmittelbar nach dem Besuch in ihr Mobiltelefon eingetippt und dann noch an demselben Tag in den Besuchsbericht gemäß Anlage K 1 überführt zu haben.
21Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht auch die bekundete inhaltlich unstimmige Äußerung der Beklagten. Diese soll gesagt haben, die Zeugin erhalte den Strumpf mitgegeben und habe auf Nachfrage bestätigt, „den direkt hier“ zu bekommen. Die Zeugin hat hierzu auch bekundet, sie habe das so verstanden, dass sie den Strumpf bzw. die Strümpfe in der Praxis bekommen solle. Wäre es der Zeugin darum gegangen, eine möglichst „glatte“ Aussage zu machen, hätte sie eine andere Formulierung gewählt. Dies spricht für die wortgetreue Wiedergabe der Aussage und stützt auch die Aussage der Zeugin insgesamt. Dagegen spricht nicht, dass es tatsächlich keine Strümpfe in der Praxis gibt. Die Äußerung kann durchaus als verkürzten Hinweis auf das benachbarte Sanitätshaus verstanden werden, dass also die Zeugin nicht gesondert ein Sanitätshaus besuchen müsse.
22Die Zeugin wirkte in ihrem gesamten Aussageverhalten bemüht, sich an ihre Erinnerungen, gestützt durch den Besuchsbericht zu halten. Ihre Aussage hatte keine Belastungstendenz und die Zeugin hat die Auffälligkeit im Verständnis der Äußerungen auch von sich aus angesprochen.
23Dem steht zwar entgegen, dass die Beklagte solche Äußerungen sowohl von ihr als auch von ihrem Personal in Abrede gestellt hat. Sie hat indes eingeräumt, keine konkrete Erinnerung an die Behandlung gehabt zu haben. Auch hat sie ihre Mitarbeiterin nicht gegenbeweislich benannt, obwohl diese anhand der Patientenunterlagen zu ermitteln gewesen sein dürfte. Es erscheint auch nicht lebensfremd, dass Patienten bei einem von der Beklagten so bezeichneten „Lagevorteil“ der H GmbH auf die Möglichkeit einer einfachen Beschaffung der Strümpfe hingewiesen werden.
242.
25In dem zu beurteilenden und als erwiesen angesehenen Vorgang liegt ein Verstoß gegen § 31 Abs. 2 BOÄ NRW, den die Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß §§ 3, 3a, 8 UWG untersagt verlangen kann.
26a.
27Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt.
28Die Verwendung der Formulierung „ohne dass dafür ein hinreichender Grund besteht“ ist im Zusammenhang mit dem Empfehlungsverbot trotz Wiederholung des Gesetzeswortlauts hinzunehmen (BGH, Urteil vom 24.7.2014 – I ZR 68/13 – Hörgeräteversorgung III, Rdnr. 19, zitiert nach Juris).
29Mit der Formulierung „mittelbar namentlich benennt“ werden die Fälle erfasst, in denen auf die benachbarten Geschäftsräume ohne Namensnennung hingewiesen wird, wie hier durch den Hinweis auf ein Sanitätshaus direkt nebenan.
30b.
31Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
32Zutreffend weist zunächst die Beklagte darauf hin, zwischen den Parteien bestehe kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Dies hindert aber die Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht. Eine Mitbewerberstellung kann auch vorliegen, wenn ein unmittelbarer Mitbewerber durch einen Dritten gefördert wird, in diesem Fall kann der betroffene Mitbewerber auch gegen den Förderer vorgehen (BGH WRP 2014, 552 – Werbung für Fremdprodukte; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdnr. 105). So liegt es hier, wenn die Klägerin gegen die Beklagte deshalb vorgeht, weil diese durch Empfehlung der H GmbH einen Mitbewerber fördert.
33c.
34Bei § 31 Abs. 2 BOÄ NRW handelt es sich um eine das Marktverhalten im Sinne von § 3a UWG regelnde Vorschrift (vgl. für § 31 Abs. 2 BOÄ BW: Köhler, a.a.O., § 3a, Rdnr. 1.132).
35d.
36Im Zusammenhang der bezeugten Äußerungen ist eine nicht erlaubte Empfehlung der H GmbH anzunehmen.
37Schon die Äußerung der Beklagten, die Zeugin erhalte den Strumpf mitgegeben, deutet darauf hin, dass die Zeugin den Strumpf – wenn auch nicht in der Praxis – unmittelbar nebenan, damit bei der H GmbH erhalten könne.
38Die Nachfrage der Zeugin, ob sie den Strumpf „direkt hier“ bekomme, diente nur der Verständnisnachfrage, war aber keine eigene Bitte um Empfehlung eines nahegelegenen Sanitätshauses.
39Hierzu passt sodann die Mitteilung der Arzthelferin, die Zeugin könne den Strumpf „direkt mitnehmen“ unter Verweis auf das Sanitätshaus „direkt nebenan“. Diese Äußerung ist ebenso wie die Äußerung der Beklagten anlasslos gewesen. Der von der Beklagten hervorgehobene Einschub „wenn Sie mögen“, ändert an der Beurteilung als Empfehlung nichts. Es handelt sich um eine Selbstverständlichkeit, dass eine Empfehlung nicht als ultimative Aufforderung zu verstehen ist. An einer Empfehlung ändert es nichts, wenn sie in die freie Entscheidung des Patienten gestellt bleibt.
40Es kommt in der Gesamtbetrachtung der Äußerung der Beklagten und der Äußerung der Arzthelferin nicht alleine auf die Äußerung der Arzthelferin an. Selbst wenn man diese isoliert beurteilt, müsste sich die Beklagte die Äußerung gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen. Sie muss insbesondere dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiterinnen instruiert sind und sich an die Instruktionen halten. Dass das durch die Schulungen und den Hinweis am Tresen ausreichend wirksam geschehen ist, kann nicht angenommen werden, da sich die Beklagte mit ihrer Äußerung selbst nicht an die vorgetragene Instruktionen hält.
41e.
42Der festgestellte Verstoß begründet die erforderliche Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch.
433.
44Die Abmahnkosten sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu erstatten. Der Ansatz eines Gegenstandswerts von 17.500 € und einer Gebühr von 1,3 ist bedenkenfrei. Soweit die Klägerin in der Klagebegründung von 944,40 € ausgegangen ist, erfolgte das offenbar irrtümlich, die Antragsfassung mit 924,40 € ist hingegen zutreffend.
45Die Nebenforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
464.
47Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
48Streitwert: 17.500 €