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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Zahlung vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz im Bereich von Sofortbild-Filmen und -kameras.
3Die Klägerin zu 1) ist ein in N (USA) angesiedeltes Unternehmen, welches seit 2009 als Rechtsnachfolgerin der in die Insolvenz gefallenen US-amerikanischen Polaroid Corporation Polaroid-Produkte vermarktet. Sie agiert als Lizenzgeber und Vermarkter der unter dem Zeichen Polaroid hergestellten Kamera- und Film-Produkte, die in Europa exklusiv durch die Klägerin zu 2) vertrieben werden. Die Polaroid Corporation hatte 1972 mit dem „Polaroid SX-70“ erstmals einen (analogen) sich selbst entwickelnden Film für Sofortbild-Kameras auf dem Markt präsentiert, der – wie aus der Einblendung auf Bl. 7 d.A. ersichtlich – auf einem quadratischen Bild mit dem Format 7,9 cm x 7,9 cm umgeben von einem rechteckigen weißen Rahmen mit schmaleren linken, rechten und oberen Rändern und einem bereiteren unteren Rand basierte. Diese als „Classic Border Logo“ bezeichnete Form für Sofortbild-Filme im quadratischen Format wurde in den 1980er Jahren zum „Typ 600“ weiterentwickelt. Nachdem die Polaroid Corporation 2008 die Produktion von Sofortbild-Filmen zunächst eingestellt hatte, brachte 2010 ein Drittunternehmen Polaroid-kompatible Sofortbild-Filme – auch im quadratischen Format – u.a. unter der Marke „PX“ heraus. Die Klägerin zu 2) vertreibt seit September 2017 wieder in Deutschland Sofortbild-Filme unter dem Zeichen „Polaroid ORIGINALS“, hierunter aktuell den Sofortbild-Film „Color 600 Film“ im Classic Border Logo-Format, das Produkt „300“ im Hochformat und das Produkt „Color Spectra Film“ im Querformat. Hinsichtlich der äußeren Gestaltung des Sofortbild-Films „Color 600 Film“ wird auf das als Anl. K8 (AB) eingereichte Original sowie hinsichtlich der Aufmachung der Umverpackung auf die Einblendungen auf Bl. 9 d.A. Bezug genommen. In den Jahren 2016 und 2018 ließ die Klägerin zu 1) das symbolisierte Classic Border Logo für sich als Unionsmarken eintragen (UM ####76 und ####67, auf die als Anl. TW 12 und 13, Bl. 271 ff. d.A., eingereichten Markenunterlagen wird Bezug genommen).
4Die Beklagte zu 2) ist ein multinationales Unternehmen mit Sitz in Tokio (Japan), das seit 1998/1999 unter der Bezeichnung „instax“ Sofortbild-Kameras und zugehörige Filme herstellt. Die Beklagte zu 1) ist eine als Europa-Zentrale fungierende Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2). Während die Beklagte zu 2) für ihre Sofortbild-Kameras „instax“ zunächst nur das Bildformat „Mini“ und wenig später das Format „Wide“ anbot, vertreibt sie seit April 2017 u.a. in Deutschland das quadratische Format „SQUARE“ in der Größe 6,2 cm x 6,2 cm. Hinsichtlich der äußeren Gestaltung des Sofortbild-Films wird auf das als Anl. K8 (AB) eingereichte Original sowie hinsichtlich der Aufmachung der Umverpackung auf ein als Anlage zu Protokoll eingereichtes Original Bezug genommen. Ablichtungen eines (entwickelten) Sofortbild-Fotos „SQUARE“ werden – wie nachfolgend im Klageantrag eingeblendet und aus der Anl. K11 ersichtlich – auf den Umverpackungen der dazugehörigen „instax SQUARE“-Kameras abgebildet.
5Die von den Parteien vertriebenen Sofortbild-Systeme sind technisch nicht miteinander kompatibel, so dass die angegriffenen Sofortbild-Filme der Beklagten nur in „instax“-Fotoapparaten und die Sofortbild-Filme „Polaroid Color 600 Film“ nur in Polaroid-Kameras Verwendung finden können.
6Hinsichtlich des wettbewerblichen Umfelds wird auf das auf Bl. 26 d.A. eingeblendete Sofortbild-Format der Firma Leica und die Beklagten-Produkte in den Varianten „Mini“ und „Wide“, sowie auf die auf Bl. 129 d.A. eingeblendeten Kodak-Produkte Bezug genommen.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2018 ließen die Klägerinnen die Beklagten abmahnen (vgl. Anl. K 12, AB). Diese wiesen die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 02.03.2018 zurück und gaben in der Folge keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab (vgl. Anl. K13, AB).
8Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass das Anbieten, Bewerben und der Vertrieb des Sofortbild-Films „instax SQUARE“ nebst dazugehörigen Kameras ebenso wie die Verwendung von Abbildungen Sofortbild-Films „instax SQUARE“ zur Bewerbung und zum Vertrieb sonstiger Fotoprodukte wegen einer hiermit einhergehenden Nachahmung ihres klassischen Polaroid-Formates „Classic Border Logo“ unzulässig seien, und verweisen darauf, dass Sofortbild-Filme der Beklagten die Gestaltung ihres Produkts nahezu identisch übernähmen. Das Produkt „SQUARE“ weise ohne eine hierfür bestehende technische Notwendigkeit dasselbe Format auf wie ihr Produkt „Polaroid Color 600 Film“, welchem eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zukomme. Die ähnliche Gestaltung begründe die Gefahr der Herkunftstäuschung und stelle eine unzulässige Rufausnutzung dar. Zwar sei das Produkt der Beklagten insgesamt etwas kleiner gehalten, dieser Größenunterschied falle dem angesprochenen Verkehr aber nicht ohne weiteres auf. Dieser erblicke vielmehr in dem Classic Border Logo-Format einen Herkunftshinweis auf die Marke Polaroid. Hierzu stützen sie sich zum einen auf den Umstand, dass weder aktuell noch zu früheren Zeiten ein anderer Hersteller als Polaroid in Deutschland Sofortbild-Filme in einem quadratischen Format herausgebracht hätte und zum anderen auf ein im Jahr 2015 erstelltes demoskopisches Gutachten des Meinungsforschungsinstituts CSA-Consumer Science & Analytics (vgl. Anl. K2, AB), wonach 57 % der Befragten das streitgegenständliche Format der Marke Polaroid zugeordnet hätten. Hierin sieht sie sich durch ein weiteres Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach von Januar 2019 (vgl. Anl. K18, Bl. 393 ff. d.A.) bestätigt. Zudem sei das klassische Polaroid Filmformat, das Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen sei, von einer Vielzahl von Künstlern und Modefotografen genutzt und inszeniert worden. Ferner machen sie geltend, dass als maßgeblicher Zeitpunkt für eine Täuschung des angesprochenen Verkehrs bereits der Zeitpunkt des Erwerbs der jeweiligen Kamera darstelle.
9Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass auf den Kameras „instax SQUARE“ sowie deren Umverpackung im Vergleich zu früher die Unternehmensbezeichnung „Fuji Film“ zurückhaltender verwendet und stattdessen die Produktmarke „instax“ in den Vordergrund gerückt werde.
10Nachdem die Klägerinnen den ursprünglichen Unterlassungsantrags zu 1.a) gemäß der den Beklagten spätestens am 07.06.2019 zugestellten Klage im Termin der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2019 auch auf Fotokameras zur Aufnahme von Sofortbild-Aufnahmen erstreckt haben, beantragen sie zuletzt,
111. die Beklagten zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern,
14zu unterlassen,
15(Es folgen Bilddarstellungen)
16a. Instant-Fotofilm mit einem quadratischen inneren Bild in einer rechteckigen äußeren Form mit schmaleren linken, rechten und oberen weißen Rändern und einem breiteren unteren weißen Rand wie unten dargestellt und/oder Fotokameras zur Aufnahme eines solchen Instant-Fotofilms im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:
(Es folgen Bilddarstellungen)
19b. Fotoprodukte mit der Abbildung eines Instant-Bildes mit einem quadratischen inneren Bild in einer rechteckigen äußeren Form mit schmaleren linken, rechten und oberen weißen Rändern und einem breiteren unteren weißen Rand, wie unten dargestellt im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:
(Es folgt eine weitere Bilddarstellung)
222. die Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen unter Vorlage von Belegen Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die im Klageantrag zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe der mit den entsprechenden Produkten erzielten Umsätze sowie des Umfanges und der Art der getätigten Werbung, jeweils aufgeschlüsselt nach Stückzahlen, Einkaufspreis, Herstellungskosten und Verkaufspreis;
3. festzustellen, dass die Beklagten den Klägerinnen gesamtschuldnerisch alle Schäden zu ersetzen haben, die ihnen aufgrund der im Klageantrag zu 1. beschriebenen Verletzungshandlung entstanden sind und/oder künftig entstehen werden;
4. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von 2.948,90 € zuzüglich Zinsen iHv. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
27die Klage abzuweisen.
28Sie machen geltend, dass den Klageanträgen zu 1. a) und b) die notwendige Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehle, u.a. weil die eingeblendeten Sofortbild-Filme belichtet seien. In der Sache sind die Beklagten der Ansicht, dass im Streitfall Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen eines bestehenden Vorrangs des Markenrechts ausschieden. Ebenso seien die Klägerinnen nicht aktivlegitimiert, weil wegen der zeitweisen Produktionseinstellung und des anschließenden Produktionsübergangs von der insolventen Polaroid Corporation auf die Klägerinnen keine Produktkontinuität vorliege. Überdies handele es sich bei den von ihr vertriebenen Sofortbild-Filmen „instax SQUARE“ und den dazugehörigen Kamerasystemen aber auch nicht um wettbewerbswidrige Nachahmungen. Hierzu tragen sie vor, die Klägerinnen seien nicht berechtigt, nach Auslaufen des Patentschutzes ein quadratisches Grundformat für Sofortbild-Fotos für sich zu monopolisieren, obgleich es sich hierbei um eine gemeinfreie Grundidee der Fotografie handele, der keine wettbewerbliche Eigenart beigemessen werden könne. Zudem würden Verbraucher in den äußeren Merkmalen von Sofortbild-Filmen keinen Herkunftshinweis erkennen, sondern diese lediglich als technisches Merkmal wahrnehmen. Gleiches gelte für das quadratische Bildformat. Die von den Klägerinnen vorgelegte Verkehrsbefragung leide an methodischen Mängeln. Auch das Marktumfeld zeige, dass andere Hersteller Sofortbild-Filme mit entsprechender Rahmenkonstruktion in diversen Formaten anböten. Zudem machen die Beklagten im Einzelnen geltend, dass es technisch zwingend sei, Sofortbild-Filme mit der gewählten Rahmenkonstruktion zu produzieren, da diese einen Beutel mit der Enwicklerflüssigkeit enthalte und zugleich die einzelnen Filmschichten fixiere, um so eine gleichmäßige Verteilung der Flüssigkeit zu gewährleisten (vgl. Bl. 120 ff. d.A.). Soweit ein gestalterischer Spielraum im Produktaufbau bestehe, hätten sie diesen durch Wahl einer abweichenden Produktgröße und die konkrete Ausgestaltung der Rahmenkonstruktion ihrer Produkte ausgenutzt. Sie verweisen darauf, dass sie seit den 1990er Jahren die gewählte Rahmenkonstruktion verwendeten und seitdem durchgängig Sofortbild-Kameras und -Filme vertrieben hätten. Die Polaroid Corporation habe hingegen im Zuge der zweiten Insolvenz 2008 die Produktion von Sofortbild-Filmen eingestellt. Nach stetigem Ausbau ihres Produktangebots hätten sie aktuell die Marktführerschaft erlangt. Der behaupteten Herkunftstäuschung stehe schließlich entgegen, dass die Produktreihe auffällig mit der Herstellermarke „G“ und der Produktmarke „instax“ gekennzeichnet sei.
29Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll aus der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2019 Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe
31Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
32I.
33Die Klage ist zulässig.
34Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, dass den Klageanträgen zu 1.a) und 1.b) die notwendige Bestimmtheit fehle. Insbesondere wird durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform hinreichend deutlich, dass die Verwendung des angegriffenen Sofortbild-Films „instax SQUARE“, der dazugehörigen Sofortbild-Kameras sowie die Verwendung des Sofortbild-Films als Abbildung auf der Umverpackung von Sofortbild-Kameras untersagt werden soll. Ein bestimmter Klageantrag ist erforderlich, um den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) festzulegen sowie die Tragweite des begehrten Verbots zu erkennen und die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festzulegen (vgl. BGH, GRUR 2011, 521/522 – „TÜV I“). Der Verbotsantrag darf daher nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Gericht überlassen wäre (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Köln, WRP 2017, 225/227 – „Bestell-Button II“ mwN.). Diesen Vorgaben genügen die Klageanträge ohne weiteres, denn der Inhalt des erstrebten Verbotstenors wird ersichtlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass die im Klageantrag zu 1.a) eingeblendeten Abbildungen der angegriffenen Sofortbild-Filme bereits entwickelt wurden und damit – unstreitig – nicht in dieser Form zum Verkauf angeboten werden. Erkennbar dient die Verwendung eines bereits benutzten Fotos lediglich der Veranschaulichung. Schließlich steht auch bei der Abbildung der weißen Rahmenkonstruktion auf weißem Grund ungeachtet des fehlenden Kontrastes außer Frage, auf welches konkrete Produkt sich der Verbotsantrag bezieht.
35II.
36Die Klage bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
371.
38Den Klägerinnen steht gegen die Beklagten der gem. Antrag zu 1) a) und b) begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu, insbesondere folgt dieser nicht aus §§ 3, 4 Nr. 3 lit. a) bzw. b), 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.
39Hiernach handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er hierdurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt (lit. a) oder die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt (lit. b).
40a)
41Der Anwendungsbereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes ist entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung vorliegend nicht durch vorrangige Vorschriften des Markenrechts ausgeschlossen. Zutreffend dabei ist zwar im Ausgangspunkt, dass im Anwendungsbereich der Bestimmungen des Markengesetzes für einen lauterkeitsrechtlichen Schutz grundsätzlich kein Raum ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 329/332 – „Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem“; Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. [2019], § 4 Rn. 3.9; Wille, in: Büscher, UWG, § 4 Nr. 3 Rn. 16). Die Klägerinnen begehren jedoch vorliegend keinen Schutz für eine Kennzeichnung, sondern für die von ihnen vertriebenen Sofortbild-Filme als konkretes Leistungsergebnis. Sie begründen dies damit, dass die Beklagten dadurch unlauter gehandelt hätten, dass diese für die angegriffenen Produkte jene Merkmale übernommen hätten, die die wettbewerbliche Eigenart der Produkte der Klägerinnen begründeten, und hierdurch eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen hätten bzw. deren Wertschätzung ausbeuteten. Dieses Begehren fällt nicht in den Schutzbereich des Markenrechts (vgl. BGH, GRUR 2008, 793/795 – „Rillenkoffer“ mwN.; Wille, a.a.O.; Köhler, a.a.O.).
42b)
43Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob im Streitfall die Voraussetzungen des Grundtatbestandes des § 4 Nr. 3 UWG gegeben sind. Offen bleiben kann daher, ob vorliegend beide Klägerinnen für Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz aktivlegitimiert sind. Die Klägerin zu 1) stellt nach ihrem eigenen Vortrag die vorgetragenen Originalprodukte weder her noch vertreibt sie diese. Unstreitig wurden auch im Zeitraum zwischen 2008 und 2017 keine Sofortbild-Filme unter der Marke „Polaroid“ mehr hergestellt, so dass eine Bezugnahme auf die ursprünglichen Produkte der Polaroid Corporation möglicherweise mangels nötiger Produktkontinuität ausscheidet. Ebensowenig ist eine abschließende Entscheidung darüber veranlasst, ob bzw. in welchem Grad die Klägerprodukte wettbewerbliche Eigenart genießen, die von den Klägerinnen angeführten prägenden Gestaltungsmerkmale vorwiegend technisch bedingt sind und eine etwaige wettbewerbliche Eigenart aufgrund Bekanntheit gesteigert ist.
44c)
45Ein Unterlassungsanspruch nach § 4 Nr. 3 a) und b) UWG scheidet vorliegend nämlich bereits deshalb aus, weil die besonderen Unlauterkeitsmerkmale nicht dargetan sind. Weder begründen die von den Klägerinnen vorgetragenen Umstände die Gefahr einer Herkunftstäuschung, noch ist in dem Vertrieb der angegriffenen Produkte eine unlautere Rufausnutzung zu erkennen.
46aa)
47Der Vertrieb der angegriffenen Produkte führt nach Auffassung der Kammer – auch unter Berücksichtigung der von den Klägerinnen geltend gemachten gesteigerten wettbewerblichen Eigenart ihrer Produkte – keine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über deren betriebliche Herkunft herbei.
48Dabei ist nach der Rechtsprechung zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen – wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH, GRUR 2019, 196/198 – „Industrienähmaschinen“; GRUR 2009, 1069/1070 f.– „Knoblauchwürste“ mwN.).
49Die Herbeiführung der Gefahr von Herkunftstäuschungen ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn ihr nicht durch zumutbare Maßnahmen seitens des Nachahmenden entgegengewirkt wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von (unterscheidenden) Kennzeichnungen beimisst, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (vgl. BGH, GRUR 2001, 443/445 – „Viennetta“).
50Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung ist zu bejahen, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientiert und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde (vgl. BGH, GRUR 2001, 443/445 – „Viennetta“).
51Maßgeblicher Zeitpunkt der Herkunftstäuschung ist dabei die Erwerbssituation (vgl. BGH, GRUR 2010, 1125/1128 – „Femur-Teil“; GRUR 2017, 734/740 – „Bodendübel“; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4 Rn. 3.44a; Wille, in: Büscher, a.a.O., § 4 Nr. 3 Rn. 71).
52bb)
53Nach den vorgenannten Maßstäben scheidet vorliegend eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus.
54Die von den Parteien vertriebenen Produkte richten sich an Verbraucher. Bei der Bewertung der Täuschungsgefahr ist dabei auf den angemessen gut informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen durchschnittlichen Verbraucher abzustellen (vgl. OLG Köln, GRUR 2019, 856/860 – „Rotationsrasierer“; Köhler, a.a.O., Rn. 3.41 mwN.).
55In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Verkehr im Grundsatz zwei mit verschiedenen Marken gekennzeichneten Produkten auch zwei verschiedene Hersteller zuordnet. Angesichts der deutlichen Kennzeichnung der Produkte ist hiervon im vorliegenden Fall auszugehen (vgl. BGH, GRUR 2016, 720/723 – „Hot Sox“; OLG Köln, GRUR 2019, 856/860 – „Rotationsrasierer“). Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen (vgl. BGH, a.a.O.).
56Dabei ist aus Sicht der Kammer die Kaufsituation bei Erwerb der Sofortbild-Filme „instax SQUARE“ als maßgeblicher Zeitpunkt zugrunde zu legen. In dieser Situation stehen die Produkte beider Parteien dem Verkehr bei der Kaufentscheidung nur in der jeweiligen Verpackung gegenüber. Eine Veräußerung der Sofortbild-Filme ohne Verpackung scheidet aus, so dass hinsichtlich einer (die Herkunftstäuschung ausschließenden) abweichenden Kennzeichnung maßgeblich auf die konkrete Verpackungsgestaltung abzustellen ist. Diese erfolgt wie aus nachstehender Abbildung ersichtlich bei den Produkten der Parteien aber sehr unterschiedlich und – in Bezug auf die Beklagtenprodukte – unter deutlicher Markenkennzeichnung:
57(Es folgen Bilddarstellungen)
58Bei den streitgegenständlichen Produkten ist auch nicht davon auszugehen, dass sich der Verbraucher in der Kaufsituation in seiner Entscheidung allein von der konkreten Produktgestaltung leiten ließe, ohne auf eine Markenkennzeichnung zu achten. Hiergegen spricht ganz entscheidend, dass die Sofortbild-Filme der Parteien nicht miteinander austauschbar sind. Produkte der Beklagten können daher nicht in den Kameras der Klägerinnen Verwendung finden. Dies führt dazu, dass der Verbraucher besondere Aufmerksamkeit bei der Auswahl der Sofortbild-Filme an den Tag legt.
59(Es folgen Bilddarstellungen)
60Aber auch die konkrete Produktgestaltung lässt vorliegend die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht erkennen, da auch die angegriffenen Sofortbild-Filme der Beklagten auf der Rückseite und auf der Schutzhülle eine sichtbare Markenkennzeichnung aufweisen, wie nachstehend anhand der Ablichtungen der zur Anlage zu Protokoll überreichten Originale deutlich wird:
61Eine Kennzeichnung auf der Vorderseite des Sofortbild-Filmes kommt nicht Betracht, weil dies ersichtlich den Erwartungen der Abnehmer zuwiderliefe.
62Aber selbst wenn man – entsprechend dem Vortrag der Klägerinnen – vorliegend von einem abweichenden, zeitlich vorgelagerten Zeitpunkt, nämlich dem der Erwerbssituation in Bezug auf die Sofortbild-Kamera „instax SQUARE“, abstellte, stellt sich die Sachlage nicht anders dar. Auch hier sind ausweislich der Anl. K11 sowohl das Produkt als auch die Umverpackung sowohl mit den Marken „G“ als auch mit „instax“ gekennzeichnet. Eine Herkunftstäuschung liegt auch deshalb nicht nahe, weil es sich bei Fotokameras um hochpreisige Produkte handelt und bei hochpreisigen Produkten bekannter Hersteller eine Herstellerkennzeichnung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuschließen (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2014, 30/32 – „Küchenarmaturen“). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich Interessenten beim Kauf einer Kamera die Produkte genauer ansehen. Dann aber fällt auch die Herstellerkennzeichnung der Beklagten auf.
63cc)
64Angesichts der dargestellten Kennzeichnung bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Herkunftstäuschung, und zwar unabhängig davon, ob als relevanter Zeitpunkt die Erwerbssituation in Bezug auf die Sofortbild-Filme „instax SQUARE“ oder bereits in Bezug auf die dazugehörigen Kamerasysteme zugrunde zu legen ist.
65Angesichts der klaren Kennzeichnungen könnte eine Herkunftstäuschung allenfalls dann vorliegen, wenn die erwähnten Bezeichnungen lediglich als Handelsmarken wahrgenommen würden (BGH, GRUR 2016, 720/723 – „Hot Sox“; GRUR 2009, 1069/1071 – „Knoblauchwürste“). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall. Die Beklagten vertreiben bereits seit über 20 Jahren Sofortbild-Kameras und dazugehörige Sofortbild-Filme mit der markanten Rahmenkonstruktion. Dies erfolgte nicht nur unter Verwendung der aufgrund der langjährigen Verwendung etablierten Produktmarke „instax“, sondern auch unter Kennzeichnung mit der Marke „G“. Dass der Verbraucher in der konkreten Erwerbssituation glauben könnte, bei den derart gekennzeichneten Produkten könnte es sich um Zweitmarken für Produkte der Klägerinnen handeln, kann die Kammer ausschließen.
66Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der angesprochene Verkehrskreis trotz der deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit dem Herstellerkennzeichen der Beklagten annehmen müsste, die Produkte seien von den Beklagten unter Lizenz der Klägerinnen hergestellt worden. Ein Hinweis auf eine mögliche lizenzrechtliche Verbindung könnte beispielsweise darin liegen, dass die Beklagten zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hätten (vgl. BGH, GRUR 2019, 196/198 – „Industrienähmaschinen“ mwN.). Auch das ist vorliegend aber nicht der Fall. Angesichts des Umstands, dass die Beklagten schon seit 1998/1999 die für Sofortbild-Filme charakteristische Rahmenkonstruktion verwenden und zwischenzeitlich zum Marktführer in dem Segment der Sofortbild-Fotografie aufgestiegen sind, besteht aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise kein Anlass für eine derartige Annahme. Insbesondere folgt dieser nicht aus dem Umstand, dass die Beklagten ihr (langjähriges) Produktportfolio nunmehr um ein quadratisches Bildformat erweitert haben, zumal dies zu einem Zeitpunkt geschah, als die Klägerin zu 2) ihr Produkt „Color 600 Film“ noch nicht vertrieb und die Polaroid Corporation zu diesem Zeitpunkt die Produktion von Sofortbild-Filmen im Classic Border Logo-Format bereits seit 2008 (also seit rd. neun Jahren) eingestellt hatte.
67dd)
68Vorliegend besteht auch nicht der Unlauterkeitstatbestand der Rufausbeutung iSd. § 4 Nr. 3 lit. b).
69Hiernach handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Eine unlautere Rufausnutzung kann nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung iSv. § 4 Nr. 3 lit. b) UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (vgl. BGH, GRUR 2019, 196/199 – „Industrienähmaschinen“ mwN.; OLG Köln, GRUR-RR 2017, 323/326 f. – „ChariTea“). Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung ist aber nicht so zu verstehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Merkmal der Herkunftstäuschung ersatzlos entfallen kann; es müssen vielmehr andere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, die Unlauterkeit der Nachahmung zu begründen. Andernfalls fehlt es an einer „unangemessenen“ Rufausbeutung (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Solche besonderen Umstände können vorliegen, wenn sich ein Wettbewerber ohne sachlichen Grund in so starkem Maß an die bekannte Aufmachung eines Konkurrenzprodukts anlehnt, dass er sich an das „Image“ des Originals „anhängt“ und auf diese Weise unlauter an der vom Anbieter des Konkurrenzprodukts durch eigene, unter Umständen intensive und langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung partizipiert (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Demgegenüber reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.).
70Es besteht vorliegend nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Produkten der Klägerinnen verbindet, auf die angegriffenen Produkte der Beklagten überträgt. Hiergegen spricht abermals der Umstand, dass die Beklagten unter der Produktmarke „instax“ und der Herstellermarke „G“ seit über 20 Jahren Produkte im Bereich der Sofortbild-Fotografie vermarkten. Hierzu zählen insbesondere Sofortbild-Filme mit der charakteristischen Rahmenkonstruktion. Dass die im April 2017 erfolgte Aufnahme eines (per se nicht schutzfähigen) quadratischen Fotoformats zu einem Image-Transfer von den Klägerinnen zu den Beklagten geführt haben könnte, ist nicht feststellbar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Verbraucher in erster Linie Qualitätserwartungen, die sie mit den bisherigen „instax“-Produkten der Beklagten verbinden, auf das angegriffene quadratische Sofortbild-Format der Beklagten übertragen. Dass mit der Verwendung des quadratischem Fotoformats eine Assoziation mit der Marke „Polaroid“ verbunden sein mag, genügt für sich genommen nicht. Schließlich spricht auch gegen eine unlautere Vorgehensweise der Beklagten, dass die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Markteinführung des angegriffenen Produkts „instax SQUARE“ das Produkt „Color 600 Film“ noch nicht wieder eingeführt hatten, sondern vielmehr zu diesem Zeitpunkt seit nahezu neun Jahren keine Polaroid Sofortbild-Filme im Classic Border Logo-Format mehr hergestellt wurden.
71ee)
72Das Vorbringen der Klägerinnen im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerseite vom 24.09.2019 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.
73III.
74Aus den Gründen zu Ziff. II. scheiden auch die von den Klägerinnen geltend gemachten Annexansprüche aus, die insoweit das rechtliche Schicksal der geltend gemachten Unterlassungsansprüche teilen.
75IV.
76Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
77Streitwert: bis 03.09.2019: 250.000,00 €
78- danach: 400.000,00 €