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Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 22.790,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen das beklagte Land zu 6 % und der Kläger zu 94 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegen die Beklagte Entschädigungsansprüche für die Folgen von Untersuchungshaft geltend.
3Der Kläger war ursprünglich als Angestellter bei Ford tätig. Im Jahr 2005 schloss er einen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber und meldete zum 29.03.2006 eine selbständige gewerbliche Tätigkeit als Hausmeister/Hausverwaltung an. Mit dem Betrieb wollte er im Wesentlichen zuunächst seine eigenen Immobilien verwalten. Mit Bewilligungsbescheid vom 26.1.2006 (Bl. 36 f d. A.) setzte die Arbeitsagentur für den Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum 30.6.2007 eine Unterstützung in Höhe von täglich 62,05 EUR auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts in Höhe von 168,44 EUR täglich fest. Für den Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 1.7.2006 erhielt der Kläger wegen der erhaltenen Entlassungsentschädigung keine Leistungen der Arbeitsagentur. Im Jahr 2006 erzielte der Kläger noch Einkünfte aus seinem Angestelltenverhältnis i.H.v. 101.484,03 €. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 wies einen Verlust seines Gewerbes aus.
4Im Jahr 2006 schenkten die Eltern des Klägers ihm eine vermietete Immobilie. Der Kläger wurde am 6.11.2007 in Untersuchungshaft genommen wegen des Verdachts der Begehung eines Tötungsdelikts. Nachdem er zunächst am 11.12.2009 durch das Landgericht Köln wegen gemeinschaftlichen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, widerriefen die Eltern des Klägers die Schenkung am 17.06.2010. Auf die Revision hin wurde das Urteil des Landgerichts Köln mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.12.2011 aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Köln zurückverwiesen. Sodann wurde der Kläger durch Urteil vom 10.1.2013 freigesprochen, was durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.12.2014 bestätigt wurde. Nach dem rechtskräftigen Freispruch schenkte der inzwischen verwitwete Vater des Klägers diesem die Immobilie erneut. Für die Rückabwicklung der ersten Schenkung und die Durchführung der zweiten Schenkung entstanden Kosten i.H.v. 9083,10 €. Die einzelnen Kosten ergeben sich aus der zur Akte gereichten Aufstellung, Anlage 5 (Bl. 46 d.A.).
5Nach seinem Freispruch machte der Kläger insgesamt 1.303.476,14 EUR Entschädigung geltend. Mit Bescheid vom 12.4.2017 (Bl. 28 ff. d.A.) wurde dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 46.370,96 EUR zugesprochen. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger weitere Entschädigung für entgangenen Gewinn aus Gewerbebetrieb, entgangene Mieteinnahmen, Kosten der Rückabwicklung einer Immobilienschenkung und entgangenen Spekulationsgewinn geltend.
6Der Kläger behauptet, aus seinem Gewerbebetrieb sei in der Zeit der Haft ein täglicher Gewinn von 100 € zu erwarten gewesen, Wochenenden miteinbezogen. Dies ergebe sich aus dem von der Arbeitsagentur im Bescheid vom 26.1.2006 zugrunde gelegten Bemessungsentgelt in Höhe von 168,44 EUR täglich. Außerdem sei ihm von der Arbeitsagentur Überbrückungsgeld in Höhe von monatlich 3.155,24 € für die Monate August 2006 bis Dezember 2006 bewilligt und ausgezahlt worden.
7Zudem sei ausweislich der Schätzung seines Steuerberaters (Bl. 38 d.A.) in den Monaten November und Dezember 2006 bereits mit Einnahmen in Höhe von 1.800,00 EUR und 2.000,00 EUR monatlich aus seinem Gewerbebetrieb zu rechnen gewesen. Abzüglich der notwendigen Ausgaben und zuzüglich des von der Arbeitsagentur erhaltenen Geldes ergäben sich Einnahmen in Höhe von 3.205,00 EUR für November 2006 und 3.405,00 EUR für Dezember 2006. Seine Tätigkeit als Hausverwalter habe auch an Wochenenden durchgeführt werden müssen. Auf Basis dessen errechnet er einen Verdienstausfall iHv 174.000,00 EUR.
8Er behauptet zudem, er habe im Jahr 2006 und im Jahr 2007 bis zu seiner Inhaftierung durch seinen Gewerbebetrieb Instandsetzungsarbeiten an seinen eigenen Immobilien zu einem Stundenlohn von 24,00 EUR brutto durchgeführt und damit Einnahmen in Höhe von 43.440,00 EUR (2006) und 11.474,14 EUR (2007) erzielt.
9Der Kläger behauptet weiterhin, vor seiner Verhaftung habe er durch die ihm von seinen Eltern geschenkte Immobilie Mieteinnahmen in Höhe von jährlich 36.609,60 € netto gehabt. Ihm seien daher seit dem Widerruf der Schenkung im Juni 2010 bis einschließlich März 2015 insgesamt 176.946,40 EUR an Mieteinnahmen entgangen.
10Der Kläger behauptet schließlich, er habe sein Wertpapierdepot auflösen müssen, um Verteidigerkosten zu bezahlen. Durch den Verkauf der Wertpapiere sei ihm ein Ausschüttungsgewinn i.H.v. 34.559,45 EUR entgangen (wegen der Einzelpositionen vgl. Anlage 6, Bl. 53 ff. d.A.). Des Weiteren habe er für den Neuankauf der Wertpapiere nach seiner Haft Broker-Kosten i.H.v. 10.565,83 € aufwenden müssen.
11Der Kläger ist der Ansicht, ihm seien diese Positionen als Strafrechtsentschädigung zu erstatten. Hilfsweise stützt er sein Verlangen auf einen Amtshaftungsanspruch, denn sowohl die Anklageerhebung als auch die ursprüngliche Verurteilung seien fehlerhaft und nicht vertretbar gewesen.
12Der Kläger beantragt,
13das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 401.660,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2017 zu zahlen.
14Das beklagte Land beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Im Hinblick auf den entgangenen Gewinn behauptet das beklagte Land, der Kläger habe bereits zum Zeitpunkt der Inhaftierung keine Leistungen der Arbeitsagentur mehr erhalten. Es ist der Ansicht, dass aus dem Bewilligungsbescheid keine Anhaltspunkte für den zu erwartenden Gewinn aus dem Gewerbebetrieb des Klägers folgten. Vielmehr ergebe der Einkommenssteuerbescheid für 2007 einen Verlust des Gewerbebetriebes.
17Das beklagte Land ist außerdem der Ansicht, die geltend gemachten Kosten im Hinblick auf die Immobilie und die Kapitalanlagen seien nicht unmittelbar auf die Inhaftierung zurückzuführen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
21Die Klage ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG fristgerecht erhoben worden. Die dreimonatige Frist begann mit der Zustellung des Bescheides an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, die nicht vor Erlass des Bescheides am 12.4.2017 erfolgt sein kann, sodass mit Klageeinreichung am 11.7.2017 die Frist gewahrt ist.
221. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns aus seinem Gewerbebetrieb in Höhe von 22.790,52 EUR gemäß §§ 2, 7 StrEG für die Zeit der Inhaftierung.
23Nach § 7 Abs. 1 StrEG sind dem Betroffenen sämtliche Vermögensschäden, die adäquat kausal auf den Vollzug der von der rechtskräftigen Grundentscheidung des Strafgerichts erfassten Strafverfolgungsmaßnahme, hier u.a. der vorläufigen Festnahme des Klägers und der erlittenen Untersuchungshaft, zurückzuführen sind, zu ersetzen. Hierzu gehört auch ein Schaden, der dadurch entsteht, dass ein nach dem normalen Verlauf der Geschehnisse erwirtschafteter Gewinn aus laufendem Gewerbebetrieb durch die Inhaftierung entfällt.
24Die Kammer schätzt den dem Kläger aufgrund der Inhaftierung entstandenen Verdienstausfallschaden gemäß § 287 ZPO auf 22.790,52 €. Dies ergibt sich auf Basis eines monatlichen Betrages von 392,94 € multipliziert mit der Dauer der Untersuchungshaft von 58 Monaten.
25Dem liegt wiederum zugrunde, dass der Kläger ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide der Jahre 2013 bis 2015 bzw. der vorläufigen Steuerberechnung für 2016, die inhaltlich nicht bestritten worden sind, folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. selbständiger Arbeit hatte:
262013: 803,-- € (betreffend den Zeitraum vom 15.07. bis 31.12., hochgerechnet auf das Jahr: 1.752,-- €)
272014: 6.026,-- €
282015: 3.591,-- €
292016: 7.492,-- €
30Der jährliche Durchschnitt beträgt 4.715,25 €, was einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 392,94 € entspricht.
31Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Kläger einen Verdienst in dieser Höhe bereits ab dem Jahr 2008 hätte erzielen können, wenn er nicht am 06.11.2007 inhaftiert worden wäre. Dass er nach der knapp fünf Jahre später erfolgten Haftentlassung Einkünfte in der vorgenannten Größenordnung generiert hat, lässt den Rückschluss zu, dass sich die Entwicklung ohne die Haft um diesen Zeitraum früher entsprechend dargestellt hätte.
32Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger noch im Jahr 2007 Verluste aus Gewerbebetrieb von 1.686,-- € erwirtschaftet hatte, denn seine selbständige Tätigkeit befand sich zu dieser Zeit noch im Aufbau, nachdem er 2005 seine Anstellung bei Ford aufgegeben hatte. Damit korrespondieren die zunächst vergleichsweise geringen positiven Einkünfte im ersten Jahr der Selbständigkeit nach der Haftentlassung.
33Für eine wesentliche weitere Steigerung fehlt es an der erforderlichen Schätzungsgrundlage. Dabei wird nicht verkannt, dass sich der Gewinn des Klägers von 2015 zu 2016 mehr als verdoppelt hat. Allerdings war er auch von 2014 zu 2015 um ca. 40 % zurückgegangen. In allen vier Jahren (einschließlich 2013 hochgerechnet) lagen die Einkünfte im vierstelligen Bereich. Da es sich nach eigenem Vortrag des Klägers im Wesentlichen um die Erbringung von Verwaltungs- und Hausmeisterleistungen für die eigenen bzw. die Immobilien seiner Frau handelte, deren Zahl über die Jahre konstant geblieben war, war für die Schadensschätzung davon auszugehen, dass sich auch die Verdienstmöglichkeiten in etwa konstant weiterentwickeln würden.
34Dass sich der entgangene Verdienst auf monatlich ca. 3.000,-- € (100,-- € pro Kalendertag) belief, kann schon anhand des eigenen Vortrages des Klägers nicht festgestellt werden. Insbesondere lässt sich ein solcher weder den vorgenannten Steuerbescheiden bzw. den zugrunde liegenden Gewinn- und Verlustrechnungen noch den von dem Kläger eingereichten Rechnungen über die von ihm erbrachten Arbeitsleistungen entnehmen.
35Dass dem Kläger bis Ende 2006 Überbrückungsgeld in Höhe von monatlich 3.155,24 € gewährt worden war, ist in Bezug auf die Ermittlung des ihm später entstandenen Schadens wegen der durch die Inhaftierung verhinderten Erwerbsmöglichkeit ohne Aussagekraft.
36Soweit die Arbeitsagentur in ihrem Bewilligungsbescheid vom 26.01.2006 eine Bemessungsentgelt von 168,44 € zugrunde gelegt hatte, ist auch dieses nicht als Anhaltspunkt für einen zu erwartenden Gewinn des Gewerbebetriebs geeignet. Aus dem Bewilligungsbescheid (Bl. 36 ff. der Akte) geht hervor, dass das Arbeitsamt dem Kläger für seine Arbeitslosigkeit nach Beendigung eines Angestelltenverhältnisses zum 31.12.2005 für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 30.06.2006 keine Leistungen bewilligte, da der Kläger für diesen Zeitraum Entlassungsentschädigung bekam. Für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2007 bewilligte die Arbeitsagentur sodann Arbeitslosengeld i.H.v. 62,05 € pro Tag (1.861,50 EUR monatlich).
37Mangels anderslautenden substantiierten Vortrages des Klägers ist davon auszugehen, dass die Arbeitsagentur das Bemessungsentgelt hierfür aufgrund des letzten Gehalts des Klägers als Angestellter berechnet hat. Dass es sich bei der bewilligten Leistung um Überbrückungsgeld handelte und das Bemessungsentgelt dementsprechend nach einer Schätzung des zu erwartenden Gewinns aus dem Gewerbebetrieb ermittelt worden war, ist aus dem Bewilligungsbescheid nicht ersichtlich. Vielmehr wurde als Leistungsart „Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III“ festgesetzt. Die Vorschrift des § 117 SGB III in der Fassung vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 war die Anspruchsgrundlage für Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit.
38Ferner stützen auch die von dem Kläger vorgelegten Rechnungen – ihre Richtigkeit zu seinen Gunsten unterstellt – keinen höheren Verdienstausfallschaden als vorstehend dargelegt. Zwar errechnen sich in der Summe – nach Abzug der zweifellos nicht erstattungsfähigen Materialkosten – höhere Beträge als aus den Steuerbescheiden. Dies erklärt sich allerdings zwanglos damit, dass die Betriebsausgaben abgezogen werden mussten und offenbar auch wurden, wie sich wiederum den Gewinn- und Verlustrechnungen entnehmen lässt. Anspruch auf deren Ersatz hat der Kläger indessen nicht, denn er muss die Schadensersatzleistung auch nicht versteuern.
39Soweit der Kläger schließlich im Schriftsatz vom 14.05.2018 zu den von ihm während der Haftzeit gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen vorträgt, erschließt sich zunächst nicht, ob es sich insofern um eine weitere Schadensposition handeln soll. Dagegen spricht, dass er diese nicht zum Gegenstand seines Klageantrages gemacht hat. Ein Ersatzanspruch schiede aber auch insofern aus, da es die freie Entscheidung des Klägers war, den Versicherungsvertrag fortzuführen. Dass und in welcher Höhe ihm finanzielle Nachteile entstanden wären, wenn er den Vertrag bei seiner Inhaftierung gekündigt und später neuerlich Versicherungsschutz beantragt hätte, wird jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, sondern lediglich pauschal behauptet.
402. Die geltend gemachten entgangenen Mieteinnahmen sowie die Kosten für die Beurkundung des Schenkungswiderrufs und der zweiten Schenkung sind dem Kläger dagegen nicht zu ersetzen. Denn sie beruhen bereits nicht auf dem Haftungsgrund für die Entschädigungspflicht des beklagten Landes. Nach den Feststellungen des freisprechenden Urteils vom 10.01.2013 – 111 Ks 1/12- ist der Kläger für die vorläufige Festnahme und die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen (S. 11 des Urteils v. 10.01.2013). Eine Entschädigungspflicht für die erste Verurteilung vom 11.12.2009 (nach § 1 StrEG) besteht hier gerade nicht.
41Die geltend gemachten Mietausfälle und Kosten der Rückabwicklung der Schenkung beruhen bereits nach dem Klägervortrag nicht kausal auf der Haft, sondern vielmehr – wenn überhaupt – auf der ersten Verurteilung des Klägers. Nach dem Vortrag des Klägers haben seine Eltern den Widerruf der Schenkung erst im Jahr 2009 aufgrund der Verurteilung des Klägers beschlossen. Seine Inhaftierung ist bereits im Jahr 2007 erfolgt. Ebenso hat der Vater des Klägers die erneute Schenkung aufgrund des freisprechenden Urteils im Jahr 2013 beschlossen. Dass der Entschluss der Eltern des Klägers zum Widerruf der Schenkung allein auf der Inhaftierung des Klägers beruhte, ist nicht ersichtlich.
42Für Schäden, die auf andere Ursachen als den durch die rechtskräftige Grundentscheidung des Strafgerichts festgestellten Haftungsgrund zurückzuführen sind, auch wenn die Ursache im Zusammenhang mit der Strafverfolgung steht, gibt das Strafrechtsentschädigungsgesetz keinen Ersatz (Meyer, StrEG, 8. Auflage 2011, § 7, III Rn. 12).
43Schließlich bestünde der notwendige Kausalzusammenhang, wenn überhaupt, nur aufgrund eines willentlichen Entschlusses Dritter, nämlich der Eltern des Klägers. Mittelbare Schäden, die nicht durch, sondern nur aus Anlass der entschädigungspflichtigen Maßnahme entstanden sind, unterfallen jedoch nicht dem Schutzbereich der Bestimmungen des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und sind deshalb nicht erstattungsfähig (Meyer, Strafrechtsentschädigungsgesetz, § 7, III, Rn. 12; BGH, MPR 1979, 562.)
443. Gleiches gilt für die geltend gemachten Schäden in Gestalt der entgangenen Spekulationsgewinne, die vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht ersatzfähig sind. Auch insofern handelt es sich nicht um den unmittelbaren Schaden durch die Belastung mit Rechtsanwaltskosten, die ohne die entschädigungspflichtige Strafverfolgungsmaßnahme nicht entstanden wären, sondern um Aufwendungen, die dem Kläger aus Anlass der Notwendigkeit der Begleichung der Anwaltskosten entstanden sein sollen.
45Zudem wäre der Schaden nur dann kausal auf die Untersuchungshaft zurückzuführen, wenn er durch die Erforderlichkeit der Verteidigung gegen die Inhaftierung entstanden ist, nicht dagegen durch die Verteidigung gegen den Strafvorwurf an sich. Der diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht konkret zur Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten vorgetragen, denn er legt nicht dar, in welcher Höhe die Rechtsanwaltskosten gerade zur Verteidigung gegen die Untersuchungshaft notwendig waren.
46Schließlich trägt der Kläger auch nicht substantiiert vor, warum keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da er von dem Strafvorwurf freigesprochen wurde, hat die Staatskasse auch seine notwendigen Verteidungsauslagen zu tragen. Zur Erforderlichkeit darüber hinausgehender Anwaltshonorare wird ebenfalls nichts dargelegt.
474. Ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB besteht nicht. Sofern ein solcher auf das Urteil vom 11.12.2009 gestützt wird, steht dem bereits das Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB entgegen. Auch wenn dieses aus Sicht des Klägers rechtlich fehlerhaft war, ergibt sich daraus noch lange nicht, dass den erkennenden Richtern strafbares Verhalten zur Last fällt. Andernfalls müsste praktisch jedes vom Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren aufgehobene Urteil Schadensersatzansprüche nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB nach sich ziehen. Selbst wenn die seinerzeit vertretene Ansicht zur Verwertbarkeit des mitgehörten Gesprächs gänzlich unvertretbar gewesen sein sollte, begründete dies nicht automatisch den Vorwurf der Strafbarkeit, z.B. nach §§ 239 oder 339 StGB.
48Dagegen sind die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren auf ihre Vertretbarkeit hin zu überprüfen. Auch diese darf aber nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die Einleitung der Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht mehr verständlich ist (BGH, Urteil vom 21. April 1988 – III ZR 255/86 –, juris), wovon vorliegend keine Rede sein kann, insbesondere da nicht ersichtlich ist, dass die Einleitung des Verfahrens und die weiteren Entscheidungen bis zur Anklageerhebung ausschließlich auf das später als nicht verwertbar erkannte Beweismittel gestützt wurden.
49Daneben fehlte es am erforderlichen Verschulden, denn jedenfalls hat ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht (große Strafkammer des Landgerichts) die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen (st. RSpr., vgl. nur BGH, Urteil vom 04. November 2010 – III ZR 32/10 –, BGHZ 187, 286-304, Rn. 36 m.w.N.).
505. Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs aus §§ 280, 286, 288 BGB.
516. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO.
52Der Streitwert wird auf 410.000,00 EUR festgesetzt.
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