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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 190.900,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2017 und weitere 2.536,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.02.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin führt für die Beklagte Fassadenarbeiten an der Gesamtschule P-Straße in Köln Nippes durch. Dem liegt das Angebot der Klägerin vom 30.09.2016, zugeschlagen am 21.11.2016, zu Grunde. Es wurde die Geltung der VOB/B, der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten (BVB), der Ergänzenden besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten (EBVB) und der zusätzlichen Vertragsbedingungen der Beklagten (ZVB) vereinbart. Insgesamt ist eine Bruttovergütung von 3.819.150,97 € netto vereinbart.
3In den besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten heißt es unter Ziffer 4.1 bis 4.3:
4„4. Vertragsstrafen (§ 11)
5Der Auftragnehmer hat als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen:
64.1 bei Überschreitung der Fertigstellungsfrist 0,2 v.H. des Endbetrags der Auftragssumme.
74.2 bei Überschreitung von Einzelfristen 0,1 v.H. des Endbetrags der Auftragssumme
84.3 die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v.H. begrenzt.
94.4 die im Falle der illegalen Arbeitnehmerüberlassung entsprechend Nr. 15.6.3 der zusätzlichen Vertragsbedingungen (VOB-ZVB) verwirkte Vertragsstrafe wird für diesen Einzelfall auf 5 v.H. der Auftragssumme festgesetzt. Die im Fall der Verletzung sonstiger vertraglicher Obliegenheiten im Sinne von Nr. 15.6.3 verwirkte Vertragsstrafe wird für diesen Fall auf 3 v.H. der Auftragssumme des Auftragnehmers festgesetzt.“
10In den zusätzlichen Vertragsbedingungen der Beklagten (ZVB) heißt es unter Ziff. 15.6.3:
11„Werden auf der Baustelle Arbeitnehmer angetroffen,
12so hat der Auftragnehmer eine Vertragsstrafe verwirkt. Für den Fall dass es sich um Arbeitnehmer eines Nachunternehmers handelt, hat der Auftragnehmer eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn er es unterlassen hat, sicherzustellen, dass die in Ziff. 15.6.1 genannten Verpflichtungen auch von diesem Nachunternehmer eingehalten werden. Die Vertragsstrafe wird im Einzelfall durch den Auftraggeber bis zu einer Höhe von 5 v.H. der Auftragssumme festgesetzt“
14Weiter heißt es unter Ziff. 15.6.4:
15„Kommt der Auftraggeber der Verpflichtung
16a) dafür Sorge zu tragen, dass seine auf der Baustelle tätigen Mitarbeiter den Personalausweis oder Pass, sowie den Sozialversicherungsausweis mitführen bzw. sicherzustellen, dass diese Verpflichtung auch von allen Nachunternehmern für deren Mitarbeiter eingehalten wird
17b) arbeitstäglich eine Liste zu erstellen, in der alle auf der Baustelle beschäftigten mit Namen, Geburtsdatum und Adresse aufgeführt sind (Ziff. 15.6.1)
18c) Leistungen nur mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers auf Nachunternehmer zu übertragen bzw. sicherzustellen, dass alle Nachunternehmer diese Verpflichtungen erfüllen
19nicht nach, so mahnt der Auftraggeber den Auftragnehmer bei erstmaligem und zweimaligen Verstoß schriftlich ab. Der Auftragnehmer hat ab dem dritten Verstoß jeweils eine Vertragsstrafe verwirkt, die im Einzelfall bis zu einer Höhe von 3 v.H. der Auftragssumme festgesetzt wird. Hierbei werden auch Abmahnungen berücksichtigt, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer anlässlich von Verstößen bei der Durchführung anderer Baumaßnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre vor der die anstehende sanktionsauslösende Kontrolle ausgesprochen hat. Im Fall a) und b) ist die Vertragsstrafe auf höchstens 5000 € je Verstoß begrenzt.
20[…] Die Verpflichtung zur Entrichtung der Vertragsstrafe entfällt, wenn den Auftragnehmer kein Verschulden trifft. Bei mehreren festgestellten Verstößen im Rahmen eines Bauvorhabens dürfen die festgesetzten Vertragsstrafen insgesamt 5 v.H. Der Auftragssumme des Auftragnehmers nicht überschreiten“
21In den ergänzenden besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten zu Erfüllung der Verpflichtungen zur Tariftreue und Mindestentlohnung (EBVB) heißt es unter Ziff. 4:
22„Für jeden schuldhaften Verstoß der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers gegen die Verpflichtungen aus einer Verpflichtungserklärung nach § 4 TVgG-NRW gilt zwischen dem Auftraggeber und Auftragnehmerin bzw. Auftragnehmer eine Vertragsstrafe vereinbart, deren Höhe eins von Hundert, bei mehreren Verstößen bis zu fünf von Hundert des Auftragswertes beträgt.“
23Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Zahlung folgender, vorbehaltlich einer Aufrechnung der Beklagten in Grund und Höhe unstreitiger Abschlagsrechnungen:
24AR Nr. 18 vom 23.10.2017: 69.742,64 €,
25AR Nr. 19 vom 27.10.2017: 97.238,06 €,
26AR Nr. 20 vom 08.11.2017: 278.143,22 €,
27445.123,92 €.
28Auf diese Rechnungen hat die Beklagte insgesamt Zahlungen i.H.v. 254.224,82 € geleistet. Der Differenzbetrag von 190.900,- € ist Gegenstand der vorliegenden Klage.
29Unter dem 30.10.2017 setzte die Beklagte eine Vertragsstrafe i.H.v. 190.900 € gemäß Ziff. 15.6.3 (Sozialabgaben, Arbeitserlaubnis), Ziff. 15.6.4b (Anwesenheitsliste) und Ziff. 15.6.4 c (Nachunternehmer) i.V.m. Ziff. 15.6.1 der ZVB fest. Zur Begründung führte sie aus, dass sie bei Begehungen der Baustelle am 21.09.2017 und 25.09.2017 mehrere Verstöße festgestellt habe. Unter anderem hätten acht Arbeitnehmer nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten. Wegen der einzelnen behauptetem Verstöße wird auf das Schreiben vom 30.10.2017, Bl. 170 ff. d.A., verwiesen.
30Mit Schreiben vom 20.11.2017 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit dieser Vertragsstrafe gegen die streitgegenständlichen Abschlagsrechnungen.
31Im Rahmen nach Klageerhebung geführter Vergleichsverhandlungen haben sich die Parteien darauf verständigt, dass der Betrag i.H.v. 190.900 € vorläufig unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall gezahlt werde, dass die festgesetzte und aufgerechnete Vertragsstrafe gerichtlich für rechtswirksam erachtet werde.
32Die Klägerin hält die Vereinbarungen der Vertragsstrafen für unwirksam: Die verschiedenen Vertragsstrafen könnten sich auf 23 % addieren und die zulässige Obergrenze von fünf % überschreiten. Die Regelung in Ziff. 4.4 BVB sei pauschal und unangemessen, da jeder noch so geringfügige Vertragsverstoß mit der Maximalstrafe belegt sei, selbst wenn kein Schaden entstehe. Es lasse sich auch nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennen, aus welcher Bezugsgröße sich die Vertragsstrafe errechne: Die verwendeten Begriffe „Auftragssumme“ und „Endbetrag der Auftragssumme“ seien nicht synonym. Nr. 15.6.3 ZVB verstoße gegen das Transparenzgebot, weil nicht erkennbar sei, ob eine Vertragsstrafe nur einmalig oder beliebig häufig verwirkt werden könne. Die Regelung in Ziff. 15.6.4 ZVB und den EBVB seien im umfangreichen Klauselwerk der Beklagten gut versteckt und nicht sofort erkennbar.
33Die Klägerin beantragt,
341. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 190.900,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2017 zu zahlen.
352. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.536 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
363. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf sämtliche eingezahlte Gerichtskosten vom Tag der Einzahlung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags zu bezahlen.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Die Beklagte hält die AGB für wirksam und behauptet, die Klägerin habe am 21.09.2017 und 25.09.2017 die näher bezeichneten Verstöße begangen.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
41Entscheidungsgründe
42Die Klage ist mit Ausnahme des Feststellungsantrags zu 3) begründet.
43Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 190.900,- € gem. § 631 Abs. 1 BGB. Der Anspruch ist in Grund und Höhe unstreitig. Er ist weder durch Erfüllung noch durch die erklärte Aufrechnung erloschen.
441. Der Anspruch der Klägerin ist nicht gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen, obgleich die Klägerin den Betrag bereits erhalten hat. Erfüllung ist aufgrund des Vorbehalts nicht eingetreten. Der Vorbehalt bei der Leistung steht der Erfüllung nur dann nicht entgegen, wenn der Schuldner ein Anerkenntnis vermeiden und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen möchte. Leistet der Schuldner derart unter Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger in einem späteren Rechtsstreit über die Rückforderung die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auferlegt werden soll, bleibt die Schuldtilgung allerdings in der Schwebe und Erfüllung tritt nicht ein. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn der Leistende die Mitteilung über seine Zahlung mit der Fortsetzung seiner Rechtsverteidigung verbindet, beispielsweise an der Leugnung der Anspruchsvoraussetzungen und an einer Hilfsaufrechnung festhält und damit zum Ausdruck bringt, dass die Zahlung auf den Ausgang des Rechtsstreits ohne Auswirkung sein soll (vergleiche BGH, Urteil vom 18.09.1992, V ZR 84/91, zit. n. juris). Dieser Fall liegt hier vor. Ziff. 1 der Vereinbarung der Parteien ergibt eindeutig, dass die Zahlung erfolgte, obgleich die Beklagte weiterhin den Anfall der Vertragsstrafe verfolgte. In der Vereinbarung heißt es: „Beide Parteien beharren auf ihrem Rechtsstandpunkt. […] Der Auftraggeber wird […] den einbehaltenen Betrag i.H.v. 190.900 € brutto unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückzahlung für den Fall, dass die festgesetzte Vertragsstrafe gerichtlich für rechtswirksam erklärt wird, zur Auszahlung bringen.“ In aller Deutlichkeit tritt aus dieser Formulierung hervor, dass über den Ausschluss der Wirkungen des § 814 BGB hinaus die Beklagte weiterhin von der Berechtigung ihrer Aufrechnung ausgeht, und der Klägerin das Risiko verbleiben sollt, ihre Forderungen durchzusetzen.
45Ergänzend: Ist diesen Ausführungen entsprechend mangels Erfüllung kein erledigendes Ereignis eingetreten, hat es bei dem ursprünglichen Zahlungsantrag zu verbleiben (so auch BGH a.a.O., Rz. 27: „Der Klägerin muss indessen Gelegenheit gegeben werden, den ursprünglichen Zahlungsantrag […] wieder aufzugreifen“). Die Klägerin ist nicht auf die Feststellung der Berechtigung ihrer Forderung oder darauf zu beschränken, dass die Beklagte die Zahlung lediglich für vorbehaltlos zu erklären hätte. Der Vorbehalt hindert die Erfüllung insgesamt. Selbst wenn man die Zahlung unter Vorbehalt als Teilleistung begriffe, die nur noch um ihre Vorbehaltlosigkeit zu ergänzen wäre, wäre die Beklagte hierzu gem. § 266 BGB nicht berechtigt.
462. Der Anspruch ist auch nicht durch die Aufrechnung der Beklagten gem. § 389 BGB untergegangen. Der Beklagten steht kein aufrechenbarer Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe zu. Die Beklagte stützt ihre Ansprüche auf Ziff. 15.6.3 und 15.6.4 der ZVB i.V.m. mit dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag. Diese Klauseln sind jedoch gem. § 307 BGB unwirksam.
47a) Der Verweis der Beklagten auf § 12 Abs. 1 TVgG-NRW entzieht die Klauseln nicht der Kontrolle gem. § 307 BGB. § 307 Abs. 1 und 2 finden gem. § 307 Abs. 3 BGB auf solche Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung, mit denen von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dies ist vorliegend der Fall: Die maßgeblichen Klauseln erschöpfen sich nicht in der bloßen Wiedergabe des § 12 Abs. 1 TVgG NRW, sondern ergänzen ihn. Sie spezifizieren die Höhe etwaiger Vertragsstrafen und definieren den Begriff des schuldhaften Verstoßes. Im Übrigen kann der Landesgesetzgeber die Vorschriften des BGB nicht abweichend ausgestalten oder umgehen. Die Gesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung des Privatrechts liegt beim Bundesgesetzgeber. § 307 BGB und § 12 Abs. 1 TVgG-NRW kollidieren aber auch nicht: Der öffentliche Auftraggeber kann Vertragsstrafen nicht nur individuell vereinbaren; die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist grundsätzlich auch in AGB möglich, wenn die Grenze des § 307 BGB eingehalten werde.
48b) Die Klauseln sind gem. § 307 BGB unwirksam, weil die Höhe der Vertragsstrafe den Unternehmer unangemessen benachteiligt: Allerdings berücksichtigen die Klauseln die vom Bundesgerichtshof geforderte Obergrenze von 5%. Der Bundesgerichtshof hat aber auch ausgeführt, dass sich die zulässige Ausgestaltung einer Vertragsstrafe nicht allgemeingültig bestimmen lasse. Gerade bei Bauverträgen mit hoher Auftragssumme sei auch darauf zu achten, dass sich die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halte. Nach Auffassung der Kammer sind die Grenzen der wirtschaftlichen Vernunft im vorliegenden Fall überschritten: Der wirtschaftlich vernünftige Rahmen ergibt sich aus dem doppelten Zweck der Vertragsstrafe, die einerseits als Druckmittel den Schuldner anhalten soll, seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen, andererseits den Gläubiger in den Stand versetzen soll, sich bei der Verletzung der sanktionierten Pflicht jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten. Die vorliegend gegenständliche Vertragsstrafenregelung hat Druckfunktion: Die Klägerin soll angehalten werden, ihre gesetzlichen Pflichten einzuhalten. Dabei erlaubt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits die Druckfunktion eine spürbare Vertragsstrafe: Mit ihr kann deutlich gemacht werden, welches Gewicht dem jeweiligen Verstoß beigemessen wird. Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Verhinderung illegaler Beschäftigung – wie es auch der § 12 TVgG-NRW dokumentiert – im Interesse der Allgemeinheit ist. Dabei hat gerade die Beklagte als öffentlicher Auftraggeber ein besonderes Interesse daran, auf ihren Baustellen illegale Beschäftigung zu vermeiden. Der streitgegenständlichen Vertragsstrafenregelung kommt indes keinerlei Kompensationsfunktion zu: In keinem der geregelten Fälle ist denkbar, dass der Beklagten ein Schaden entstehen könnte. Wer betont, dass die Klägerin keinerlei Einwände gegen ihre gesetzlichen Pflichten erheben könne, sei auf die Bußgeldvorschriften des SGB III verwiesen: Die Bestrafung der Klägerin ist nicht Sache des Zivilrechts. Ist vorliegend aber jeder Kompensationsgedanke obsolet, ist die Höhe der Vertragsstrafe vorliegend unangemessen, wobei die Kammer die Bedeutung der gesetzgeberischen Intention nicht verkennt und unterstreicht. Die Beklagte mag sich vor Augen führen, dass nach ihrer Lesart die Klägerin bereits jetzt das Höchstmaß aller Vertragsstrafen verwirkt haben soll.
49c) Die Klauseln sind auch wegen eines Verstoßes gegen das Kumulierungsverbot unwirksam. Die Kumulierung einzelner Vertragsstrafen ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen allenfalls dann wirksam, wenn sie eine vertretbare Höhe aufweisen und betragsmäßig angemessen nach oben begrenzt werden. Jedenfalls an Letzterem fehlt es.
50Die Klausel Ziff. 15.6.3 regelt die Rechtsfolgen im Falle mehrfacher Verstöße nicht. Der Wortlaut lässt eine Vertragsstrafe von bis zu fünf v.H. im Einzelfall zu. Die Beklagte hat zwar trotz der Annahme mehrerer Verstöße gegen die Klausel eine einheitliche Vertragsstrafe von 5 % als verwirkt angesehen. Aus dem Wortlaut der Klausel ergibt sich dies indes nicht. Er erlaubt bei mehrfachen Verstößen in jedem Einzelfall eine Vertragsstrafe von 5 %, ohne eine Addition der Vertragsstrafen auszuschließen. Schon bei zwei Verstößen, die der Wortlaut zu einer zehnprozentigen Vertragsstrafe zu addieren erlaubt, ist die zumutbare Grenze der Vertragsstrafe überschritten.
51Ungeregelt ist zudem das Verhältnis der unter 15.6.3 geregelten Vertragsstrafe zu der unter 15.6.4 geregelten Vertragsstrafe: Ob Verstöße gegen beide Ziffern zu einer Kumulation zweier selbstständig zu beurteilender Vertragsstrafen führt, oder die höhere Vertragsstrafe die geringere konsumiert – wie es die Beklagte im Schreiben vom 30.10.2017 ohne weitere Begründung anzunehmen scheint – ist völlig ungeregelt. Der Wortlaut beider Klauseln lässt jedenfalls die reale Konkurrenz beider Vertragsstrafen und die Addition derselben zu. Der Wortlaut schließt nicht aus, dass der Auftragnehmer neben einer Vertragsstrafe in Höhe von fünf Prozent gem. Ziff. 15.6.3 eine weitere von 3 % gem. 15.6.4 verwirkt: Damit ist die vom Bundesgerichtshof für angemessen erachteten Grenzen von 5 % sofort überschritten.
52Dem steht die Regelung unter Ziff. 15.6.4 nicht entgegen, wonach bei mehreren festgestellten Verstößen im Rahmen eines Bauvorhabens die festgesetzten Vertragsstrafen insgesamt 5 v.H. nicht überschreiten dürften: Für sich betrachtet ist diese Regelung nicht zu beanstanden. Im Gegenteil begegnet sie den aufgezeigten Bedenken und definiert im Falle mehrerer Verstöße eine — angemessene — Obergrenze. Diese Regelung betrifft die aufgezeigten und hier einschlägigen Fälle mehrerer Verstöße gegen Ziff. 15.6.3 aber ebenso wenig, wie den ebenfalls vorliegenden Fall, dass Verstöße gegen Ziff. 15.6.3 und 15.6.4 nebeneinander treten. Der Wortlaut gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Regelung auf andere als die unter Ziff. 15.6.4 geregelten Fälle der Vertragsstrafe beziehen soll. Die Ausgestaltung der Klausel spricht aus Sicht des Auftragnehmers eindeutig gegen diese Annahme: Die Klausel ist bereits von der Klausel 15.6.3 durch eine eigenständige Ordnungszahl räumlich abgesetzt; eine zusätzliche inhaltliche Abgrenzung ergibt sich aus den unterschiedlich betroffenen Fallgestaltungen. Aus dieser Gliederung und Gestaltung erschließt sich ein Bezug der Obergrenze nur zu den unmittelbar zuvor unter derselben Ordnungszahl geregelten Fällen. Eine Obergrenze wird nur für den Fall mehrfacher Verstöße gegen Fälle von Ziff. 15.6.4 geregelt. Ein Bezug zu anderen, früheren Ziffern oder Fallgestaltungen aus anderen Teilen des Vertragswerkes ergibt sich nicht.
53Erschwerend tritt hinzu, dass sich die Klägerin noch zu weiteren Vertragsstrafen im Falle eines etwaigen Bauverzuges verpflichtet hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl die hier streitgegenständlichen Vertragsstrafen unter Ziff. 15.6 als auch zusätzlich weitere Vertragsstrafen nebeneinander treten.
54d) Schließlich benachteiligt Ziff. 15.6.3 die Klägerin deswegen unangemessen, weil sie die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht von einem Verschulden abhängig macht. Erst unter Ziff. 15.6.4 heißt es, die Vertragsstrafe entfalle, wenn den Auftragnehmer kein Verschulden treffe. Entsprechend obiger Ausführungen bezieht sich dieser Absatz aus Sicht des Auftragnehmers aber allein auf die unter Ziff. 15.6.4 geregelten Fälle. Eine Bezug auf Ziff. 15.6.3 ist aufgrund der Gestaltung und Nummerierung der Absätze nicht anzunehmen und fernliegend.
553. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich gem. § 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte befand sich spätestens seit ihrer Aufrechnungserklärung vom 20.11.2017 gem. § 286 Abs. 2 Nr 3 BGB in Verzug.
564. Auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind als Folge des Verzugs zu erstatten. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich insoweit gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der Höhe nach ist der Anspruch nicht zu beanstanden. Neben die von der Klägerin aufgezeigten besonderen Schwierigkeiten der vorliegenden Sache sei dabei ihre besondere Bedeutung betont: Die Beklagte ist als großer öffentlicher Auftraggeber von besonderer Relevanz; ihre AGB sind von vielfältiger Bedeutung.
575. Die Klage ist allein hinsichtlich des Feststellungsantrags abzuweisen. Allerdings ist der Antrag zulässig: Es erscheint durchaus möglich, dass der Klägerin vom Tag der Einzahlung der Gerichtskosten bis zum gem. § 104 ZPO für die weitere Verzinsung maßgeblichen Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrag ein Zinsschaden entsteht.
58Der Antrag ist jedoch unbegründet. Er ist schon unschlüssig. Die Klage lässt jede Ausführungen zu dem Feststellungsantrag vermissen. Darüber hinaus ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, aufgrund derer die Klägerin die Verzinsung der Gerichtskostenvorschüsse verlangen könnte. Ob eine solche Verzinsung über § 104 ZPO hinaus vor Eingang des Kostenfestsetzungsantrags verlangt werden kann, ist höchst umstritten (vgl. instr. Darstellung des Streitstandes: OLG München, Urteil v. 30.11.2016, 7 U 2038/16). Die Kammer schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts München an, wonach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO die gesetzgeberische Entscheidung entnommen werden kann, einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch überhaupt erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrages zu verzinsen, um Kostenfestsetzungs- und Hauptsacheverfahren von Kostenproblematiken zu entlasten. Dieser gesetzgeberischen Intention entspricht der Ausschluss auch eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch.
596. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
60Gegenstandswert: 190.900,- €.
61Rechtsbehelfsbelehrung:
62Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
631. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
642. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
65Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
66Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
67Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
68Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.