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Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 zu dem Tagesordnungspunkt 5 „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der E1 AG auf die E2 Aktiengesellschaft gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung“ mit dem Inhalt:
„Die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der E1 AG werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gegen Gewährung einer von der E2 Aktiengesellschaft mit Sitz in S, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S unter der Registernummer HRB ##### (Hauptaktionärin), zu zahlenden Barabfindung i.H.v. EUR 35,05 für je eine auf den Namen lautende Stückaktie auf die E2 Aktiengesellschaft übertragen.“
wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klagen richten sich gegen den in der Hauptversammlung der Beklagten (nachfolgend auch „E“ oder „Gesellschaft“) am 28. August 2015 gefassten Beschluss (TOP 5) zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die E2 Aktiengesellschaft (nachfolgend „E2“ oder „Hauptaktionärin“) mit Sitz in S gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung.
3Nach Erhebung der vorliegenden Klagen stellte die Beklagte beim Oberlandesgericht Köln zum Az. 18 U 158/15 einen Antrag auf Feststellung gemäß den §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 1 AktG (Freigabeantrag). Das Oberlandesgericht Köln gab dem Freigabeantrag durch Beschluss vom 18. Dezember 2015 statt. Das wurde begründet mit überwiegenden Vollzugsinteressen der E und der E2. Besonders schwere Rechtsverstöße wurden im Freigabeverfahren nicht festgestellt. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln sind von der Klägerseite eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht sowie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof erhoben worden.
4Daraufhin wurde der Übertragungsbeschluss am 21. Dezember 2015 in das Handelsregister der Beklagten beim Amtsgericht Bonn eingetragen. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre ist damit ‒ ungeachtet der vorliegenden Klagen ‒ wirksam und bestandskräftig geworden.
5Die Beklagte ist die Obergesellschaft der E-Gruppe. Sie bietet schwerpunktmäßig Finanzdienstleistungen, insbesondere im Privatkundengeschäft (Retail Banking) und im Firmenkundengeschäft (Zahlungsverkehr und Finanzierungen) an. Geld- und Kapitalmarktaktivitäten zählen ebenfalls zum Geschäftsgegenstand. In den genannten Bereichen zählt die Beklagte zusammen mit ihren Tochtergesellschaften mit insgesamt ca. 14 Millionen Kunden, ca. 15.000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von rund EUR 155 Mrd. zu den großen Finanzdienstleistern Deutschlands.
6Satzungsmäßiger Sitz der Beklagten ist C. Das Grundkapital der Beklagten beträgt EUR 547.000.000,00 und ist in 218.800.000 auf den Namen lautende Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 2,50 je Aktie eingeteilt (Satzung der Beklagten, Anl. B1).
7Seit dem 27. April 2015, dem Tag des Übertragungsverlangens, hielt die E2 unmittelbar und mittelbar über ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft E3 GmbH (nachfolgend „E3 GmbH“) durchgehend bis zur Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister am 21. Dezember 2015 mehr als 95 % der E-Aktien. Am 27. April 2015 hielt sie unmittelbar und mittelbar für eigene Rechnung 211.807.364 Aktien der Beklagten (96,80 % der Aktien) (Bank-Depotbestätigung per 27. April 2015, Anl. B2). Dieser Anteil hat sich bis zur Hauptversammlung am 28. August 2015 geringfügig auf insgesamt 211.807.669 Aktien der Beklagten erhöht (Anl. B3).
8Bereits seit dem 30. März 2012 besteht zwischen der E2 als herrschendem Unternehmen und der Beklagten als abhängigem Unternehmen ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (nachfolgend „BGV“), der mit der Eintragung in das Handelsregister am Sitz der Beklagten zum 20. Juni 2012 wirksam wurde. Der BGV kann gemäß § 8.3 des Vertrages schriftlich mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Geschäftsjahrs der Beklagten gekündigt werden. Eine Kündigung ist jedoch erstmals mit Wirkung zum Ende des Geschäftsjahres 2016 möglich. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt (Übertragungsbericht der E2 vom 7. Juli 2015, Seite 16 ff., Anl. B4).
9Die E2 verlangte als Hauptaktionärin mit Schreiben vom 27. April 2015 gegenüber dem Vorstand der Beklagten, die Hauptversammlung der Beklagten über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der Beklagten auf die E2 als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß den §§ 327a ff. AktG beschließen zu lassen (Übertragungsverlangen der E2 vom 27. April 2015, Anl. B5).
10Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 richtete die E2 ein konkretisiertes Verlangen im Sinne von § 327a Abs. 1 AktG an den Vorstand der Beklagten unter Angabe der von ihr festgelegten Höhe der Barabfindung (Übertragungsverlangen der E2 vom 7. Juli 2015, Anl. B6).
11In einem schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung vom 7. Juli 2015 erläuterte die Hauptaktionärin gemäß § 327c Abs. 2 S. 1 AktG die Voraussetzungen für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre und begründete die Angemessenheit der Barabfindung (Übertragungsbericht vom 7. Juli 2015, Anl. B4). Der Bericht enthielt auch Angaben zum W-Segment der Beklagten und zur Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages.
12Die Angemessenheit der Barabfindung wurde durch die D AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf, verantwortlicher Prüfer: Wirtschaftsprüfer und Steuerberater V, geprüft und bestätigt. Insofern wird auf den schriftlichen Prüfbericht vom 7. Juli 2015 (Prüfbericht, Anl. B7) Bezug genommen. Der Prüfer wurde mit Beschluss des Landgerichts Köln durch die erkennende Kammer vom 6. Mai 2015 ausgewählt und bestellt.
13Zudem übermittelte die E2 dem Vorstand der Beklagten eine Gewährleistungserklärung der B AG, S, gemäß § 327b Abs. 3 AktG. Mit dieser Erklärung übernahm die B AG die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung der E2, den Minderheitsaktionären der Beklagten nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister unverzüglich die festgelegte Barabfindung für jede auf die E2 übergegangene Aktie zuzüglich etwaiger gesetzlicher Zinsen nach § 327 b Abs. 2 AktG zu zahlen (Gewährleistungserklärung der B AG, Anl. B8).
14Die Beklagte lud ihre Aktionäre im Juli 2015 zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung für den 28. August 2015 ein. Die Einberufung der Hauptversammlung wurde am 17. Juli 2015 im Bundesanzeiger bekannt gemacht (Anl. B9).
15Seit der Einberufung der Hauptversammlung lagen die in § 327c Abs. 3 AktG genannten Unterlagen in den Geschäftsräumen der Beklagten aus und waren auch auf deren Internetseite zugänglich. Auf Verlangen erhielt jeder Aktionär von allen Unterlagen unverzüglich eine kostenlose Abschrift. Die Unterlagen lagen schließlich auch in der Hauptversammlung am Informationsschalter aus.
16Die Hauptversammlung wurde am 28. August 2015 in der Zeit zwischen 10:00 Uhr und 20:52 Uhr durchgeführt (notarielle Niederschrift der Hauptversammlung vom 28. August 2015, Seite 3 ff., 29, Anl. B9).
17In einer rund neunstündigen Generaldebatte wurden in sieben Wortmelderunden mehr als 160 Fragen, teils mit mehreren Unterfragen, gestellt und von der Verwaltung in mehreren Antwortrunden beantwortet. Von den 18 Rednern meldeten sich einige Redner mehrfach zu Wort. 2 Aktionärsvertreter, darunter der gesetzliche Vertreter der Klägerin zu 5 und 6, Herr P, gaben einzelne Fragen als unbeantwortet zu Protokoll. Laut Hauptversammlungsprotokoll stellte der Vorsitzende am Ende der Generaldebatte gegen 20:10 Uhr unwidersprochen fest, dass keine Wortmeldungen mehr vorliegen und aus seiner Sicht alle Fragen mit Ausnahme der bereits zu Protokoll gegebenen Fragen beantwortet seien (Anl. B9).
18Die Hauptaktionärin war zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Beklagten unmittelbar und mittelbar über die E3 GmbH mit insgesamt 211.807.669 Aktien im Aktienregister der Beklagten eingetragen. Bei der Teilnahme an der Hauptversammlung der Beklagten sowie bei der Abstimmung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre (top 5) wurden die E2 und die E3 GmbH durch einen Bevollmächtigten vertreten.
19Der Beschluss zu TOP 5 wurde ausweislich des notariellen Protokolls mit 99,60 % der abgegebenen Stimmen und des vertretenen Grundkapitals gefasst. Abgegeben wurden 212.880.567 gültige Stimmen, das entsprach 97,29 % des vertretenen Grundkapitals. Abgegeben wurden 212.032.740 Ja-Stimmen und 847.827 Nein-Stimmen. Der Versammlungsleiter stellte daraufhin fest und verkündete, dass die Hauptversammlung den Vorschlag der Verwaltung zu TOP 5 ‒ Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der E1 AG auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung ‒ mit der erforderlichen Stimmenmehrheit angenommen habe (notarielle Niederschrift vom 28. August 2015, Anl. B9).
20Die E1 hatte am 7. Oktober 2010 ein freiwilliges Übernahmeangebot in Bezug auf die Aktien der Beklagten zum Preis von EUR 25 je Aktie veröffentlicht. Zahlreiche Aktionäre der Beklagten nahmen das Angebot seinerzeit an. Einige dieser Aktionäre verfolgen vor der Kammer einen ergänzenden Zahlungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Höhe der Differenz zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung. Sie sind der Meinung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bereits im Jahr 2008 ein Pflichtangebot zu einem Preis von EUR 57,25 je E-Aktie zu veröffentlichen.
21Die damalige Muttergesellschaft der E, die E1, hatte mit der E2 am 12. September 2008 einen Vertrag (im Folgenden: Ursprungsvereinbarung) geschlossen. Danach sollte die E2 im ersten Quartal 2009 von der E1 29,75 % der Aktien der E zum Preis von je EUR 57,25 erwerben. Daneben wurde der E2 die Option eingeräumt, im Zeitraum zwischen 12 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung weitere 18 % der E-Aktien für EUR 55,00 je Aktie zu erwerben. Die E1 erhielt die Option, im Zeitraum zwischen 21 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung 20,25 % der E-Aktien plus einer Aktie für EUR 42,80 je Aktie an die E2 zu veräußern.
22Im vierten Quartal 2008 führte die E eine Kapitalerhöhung über EUR 54,8 Mio. durch. Die Anteile wurden überwiegend von der E1 gezeichnet. Deren Anteil an den E-Aktien erhöhte sich dadurch von 50 % auf 62,35 %.
23Ende 2008 vereinbarten die E2 und die E1, den Vollzug (Closing) der Ursprungsvereinbarung zu verschieben. Am 14. Januar 2009 schlossen sie ein "Amendment Agreement regarding the Acquisition of Shares in E1 AG" (im Folgenden: Nachtragsvereinbarung). Danach sollte der Erwerb der E-Beteiligung - anders als ursprünglich vorgesehen - in folgenden drei Stufen durchgeführt werden: In einem ersten Schritt sollte die E2 50.000.000 E-Aktien (= 22,9 % des Grundkapitals) zu je EUR 23,92 von der E1 erwerben. Weitere 60.000.000 E-Aktien (= 27,4 % des Grundkapitals) sollte die E2 für je EUR 45,45 über eine Pflichtwandelanleihe mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 erwerben. Schließlich sollte die E2 restliche 26.417.432 E-Aktien (= 12,1 % des Grundkapitals) über Call- und Put-Optionen zum Preis von je EUR 48,85 für die Call-Option und je EUR 49,42 für die Put-Option erwerben, wobei die Optionen im Zeitraum zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 sollten ausgeübt werden konnten. In der Folgezeit erwarb die E2 - über eine Tochtergesellschaft - 22,9 % der E-Aktien und zeichnete die Wandelanleihe.
24Die Kläger waren zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 28. August 2015 Aktionäre der Beklagten. Sie hielten ihre Beteiligung an der Beklagten auch schon zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagesordnung zur Hauptversammlung am 17. Mai 2015. Sie haben an der Hauptversammlung der Beklagten am 28. August 2015 persönlich oder durch einen Vertreter teilgenommen. Sie haben gegen den streitgegenständlichen Beschluss zu top 5 gestimmt und gegen die Abstimmung zu diesem Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt.
25Die Kläger sind der Auffassung, dass der angegriffene Beschluss zu top 5 wegen diverser Gesetzesverstöße nichtig bzw. anfechtbar sei. Der Beschluss zu TOP 5 sei gemäß § 241 Nr. 3 AktG wegen fehlender Kapitalmehrheit bereits nichtig, hilfsweise aber unbegründet.
26Der Beschluss zu top 5 sei bereits wegen einer fehlerhaften Versammlungsleitung anfechtbar. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Herr O, der gleichzeitig Vorstand der E2 gewesen sei, habe die Versammlungsleitung aufgrund eines Interessenkonfliktes niederlegen müssen (Richten in eigener Sache).
27Die Kläger sind ferner der Ansicht, dass die E2 schon nicht berechtigt gewesen sei, die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf sich zu verlangen. Sie sei auch nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Stimmabgabe berechtigt gewesen. Aufgrund unzutreffender Stimmrechtsmitteilungen gemäß den §§ 21, 22 WpHG und aufgrund eines unterlassenen Pflichtangebotes gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG seien die E-Aktien der E2 gemäß den §§ 28 WpHG, 59 WpÜG nicht ausübbar gewesen. Nach Abzug der dem Stimmverbot unterliegenden 211.807.369 Stimmen der E2 seien lediglich 225.371 Ja-Stimmen übrig geblieben. Angesichts der 847.827 Nein-Stimmen habe der Beschluss die erforderliche Mehrheit nicht gefunden. Durch die unrichtige Feststellung des Beschlussergebnisses leide der Beschluss unter einem Verfahrensfehler, der zur Anfechtung berechtige.
28Die E-Aktien der E2 seien entgegen § 28 WpHG bei der Abstimmung zu top 5 gewertet worden. Der Rechtsverlust der E2 gemäß § 28 WpHG beruhe auf unzutreffenden Stimmrechtsmitteilungen gemäß den §§ 21, 22 WpHG, die der Verwaltung der Beklagten bekannt gewesen seien. Die E2 habe aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten der E1 nach den §§ 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WpÜG, § 22 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WpHG spätestens in der Woche des 15. September 2008 eine Stimmrechtsmitteilung nach den §§ 21, 22 WpHG veröffentlichen müssen, wonach sie am 12. September 2008 die Stimmrechtsschwellen von 5, 10, 15, 20, 25, 30, und 50 % an der Beklagten überschritten habe. Die Stimmrechtsmitteilung der E2 vom 29. Februar 2012 werde hinsichtlich der inhaltlichen Angaben bestritten. Es sei nicht dargetan worden, dass diese Mitteilung nach Aktienzahl, Stimmrechtsanteile und Datum der Überschreitung zutreffend ist. Selbst wenn unterstellt würde, dass die Meldung zutreffend sei, bestehe der Rechtsverlust nach § 28 WpHG aufgrund nicht nachgeholter Mitteilungen zu früheren Schwellenüberschreitungen fort. Eine andere Auslegung sei mit europarechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. Für den Fall einer abweichenden Auslegung durch die Kammer beantragen die Kläger, dem Europäischen Gerichtshof die Auslegung von Art. 9 ff. der Richtlinie 2004/109/EG zur Vorabentscheidung vorzulegen. Unabhängig davon müsse die Vorschrift bei einem vorsätzlich abgestimmten Verhalten (Acting in Concert) eng ausgelegt werden, um die erforderliche Markttransparenz herzustellen.
29Zudem seien die Aktien der E2 von einem Rechtsverlust gemäß § 59 WpÜG betroffen gewesen, da die Vorlage eines Pflichtangebotes gemäß § 35 WpÜG vorsätzlich unterlassen worden sei. Die E2 sei verpflichtet gewesen, spätestens bis zum 20. September 2008 eine Mitteilung nach § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu veröffentlichen und danach den Aktionären gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG binnen 4 Wochen ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Die E2 habe bereits aufgrund der Erwerbsvereinbarung vom 12. September 2008 die Kontrolle über die Beklagte erlangt. Aufgrund der vertraglichen Absprachen habe die E2 die Geschäftspolitik der Beklagten und die Stimmrechtsausübung der E1 aus E-Aktien bestimmen können. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei der Stimmrechtsverlust gemäß § 59 WpÜG nicht durch das freiwillige Übernahmeangebot der E2 vom 7. Oktober 2010 beendet worden. Dem stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs als auch der Einwand der Arglist entgegen. Die Minderheitsaktionäre der Beklagten seien durch diese und die E2 im Zusammenhang mit dem öffentlichen Erwerbsangebot vom 7. Oktober 2010 in kollusiver und sittenwidriger Weise vorsätzlich getäuscht worden. Das freiwillige Übernahmeangebot der E2 vom 7. Oktober 2010 habe nicht gemäß § 35 Abs. 3 WpÜG dazu geführt, dass die Vorlage eines Pflichtangebotes weggefallen sei. Denn die Kontrolle sei nicht aufgrund des freiwilligen Angebots erlangt worden, wie es das Gesetz verlange, sondern bereits wesentlich früher durch den Erwerbsvertrag vom 12. September 2008, spätestens aber zum 25. Februar 2009. Die E2 habe auf der Grundlage der Ursprungsvereinbarung die Stimmrechte der E1 aus E-Aktien ausüben können. Der E2 seien daher mit Abschluss der Ursprungsvereinbarung die seinerzeit der E1 gehörenden E-Aktien gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG (Halten für Rechnung des Bieters), 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG (Erwerbsrecht des Bieters) und gemäß § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG (Acting in Concert) zuzurechnen gewesen. Für den Fall, dass die Kammer die §§ 35 Abs. 3, 59 WpÜG abweichend auslegen wolle, beantragen die Kläger, dem Europäischen Gerichtshof die Auslegung dieser Vorschriften im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/25/EG zur Vorabentscheidung vorzulegen.
30Die Kläger sind der Meinung, dass der Rechtsverlust gemäß den §§ 28 WpHG, 59 WpÜG unabhängig von einem Verschulden der E2 sei. Dessen ungeachtet treffe die E2 aber auch ein Verschulden. Ihr seien sämtliche Verträge bekannt gewesen.
31Zudem sei der Squeeze Out-Beschluss von der Hauptaktionärin rechtsmissbräuchlich gefasst worden. Der beschlossene Squeeze Out gehe über das vom Gesetz vorgesehene Maß deutlich hinaus. Die E2 habe beabsichtigt, die Aktien der Beklagten bereits einige Wochen nach dem Vollzug des Squeeze Outs über die Börse erneut zu streuen. Damit diene der Ausschluss der Minderheitsaktionäre nur dazu, diese von der Wertsteigerung bei einem erneuten Börsengang auszuschließen.
32Die Kläger behaupten ferner, die Beklagte habe zudem eine ad hoc-Meldung nach § 15 WpHG zu der mit Schreiben der E2 vom 27. April 2015 verlangten Durchführung eines Squeeze Outs unterlassen.
33Ferner habe die Beklagte die Informationsrechte der Aktionäre gemäß § 131 Abs. 1 AktG verletzt. Diverse Fragen seien unvollständig oder unzutreffend beantwortet worden.
34Beispielsweise sei der Schriftwechsel zwischen dem Bewertungsgutachter Deloitte und der E2 lediglich in englischer Sprache vorgelegt worden. Erst mit Verspätung sei die deutsche Übersetzung vorgelegt worden.
35Die Rednerliste sei unzulässig beschränkt worden. Den Aktionären seien tatsächlich nur 2 Minuten gewährt worden, um sich in die Rednerliste einzutragen, obwohl 15 Minuten vom Versammlungsleiter zugesagt worden seien.
36Ferner sei die Fragen des SdK-Vertreters zu den Schwankungen in den einzelnen Filialen und der diesbezüglichen Planung nicht von der Verwaltung der Beklagten beantwortet worden.
37Weiterhin sei die Frage des Aktionärs P nach dem plötzlichen Einbruch des Provisionsüberschusses in den Planjahren 2015-2019 nicht plausibel beantwortet worden.
38Die Frage des Aktionärsvertreters Rechtsanwalt L nach der detaillierten Verschuldungsquote der Beklagten sei nicht beantwortet worden.
39Das gelte auch für die Bitte um Erläuterung der Behauptung des Vorstandes der Beklagten: „Mittelfristig verdienen wir noch nicht einmal unsere Kapitalkosten.“
40Ferner sei die Frage des Aktionärs P nach den jeweiligen Stückzahlen der Zukäufe in Aktien der Beklagten durch die E2 nicht beantwortet worden.
41Nicht beantwortet worden sei auch die Frage des Aktionärs P, was sich jeweils bei den im Bewertungsgutachten aufgeführten Planungen vom 17. Dezember 2014, 4. Februar 2015, 23. März 2015, 9. Juni 2015, 23. Juni 2015 sowie 2. Juli 2015 zur jeweiligen Vorplanung geändert habe, insbesondere für die Geschäftsjahre 2015-2019.
42Ferner sei die Frage des Aktionärs P, ob die Beklagte ausschließen könne, dass es im Rahmen der Erwerbsvereinbarung vom 12. September 2008 zu einem gemeinsamen Handeln zwischen E2 und E1 in Form eines abgestimmten Verhaltens gekommen sei und dadurch wegen fehlerhafter bzw. unterlassener Stimmrechtsmitteilungen nach WpHG und WpÜG die Stimmrechte der E2 bis heute nicht bestehen.
43Darüber hinaus sei die Frage nach derzeit geführten Gesprächen und Verhandlungen mit Investoren oder Interessenten der E bzw. zum Mindestpreis für das Aktienpaket oder der E-Aktie falsch beantwortet worden. Obwohl mitgeteilt worden sei, dass der Beklagten Derartiges nicht bekannt sei, habe die Gesellschaft insoweit über eigene Kenntnisse verfügt. Der Aktionär sei berechtigt, über einen Beteiligungsverkauf unterrichtet zu werden. Insbesondere sei dem Aufsichtsratsvorsitzenden O sein Wissen, dass er als Vorstand der E2 erlangt habe, zuzurechnen. Daher seien der Beklagten die Kenntnisse zuzurechnen, die sich bereits aus dem Strategiepapier 2020 der E2 ergeben (Anl. K9, Bl. 778 ff. d. A). Dass der Beklagten entgegen ihrer Antwort in der Hauptversammlung tatsächlich Informationen zu Gesprächen und Verhandlungen bzw. einem erneuten Börsengang vorlagen, ergebe sich auch aus den Äußerungen der Organe der Gesellschaft und der E2 in der Presse. Die Presseartikel seien von der Beklagten autorisiert worden. Bereits seit Mai 2015 seien der Beklagten verschiedene Angebote und Offerten bezüglich der E-Aktien vorgelegt worden.
44Der Beschluss zu top 5 sei ferner wegen Verstößen gegen den Q (nachfolgend „Q“) und § 124 Abs. 3 AktG für nichtig zu erklären. Die Entsprechenserklärung der Beklagten habe sich auf einen zeitlich überholten Codex bezogen. Entgegen Ziff. 5.5 des Q sei der Interessenkonflikt von drei Aufsichtsratsmitgliedern, die gleichzeitig dem Vorstand der Hauptaktionärin angehörten, nicht mitgeteilt bzw. in der Einladung zur Hauptversammlung nicht bekannt gemacht worden. Das führe zur Unwirksamkeit der Beschlussempfehlung des Aufsichtsrats.
45Ein zur Anfechtung des Beschlusses zu top 5 führende Berichtsmangel liege darin, dass weder im Übertragungsbericht noch in dem Bewertungsgutachten der Verkauf der W (nachfolgend „W“) erwähnt sei. Die Hauptaktionärin habe erklärt, dass sie nach dem Stichtag durch den Verkauf der W die Erträge der E um ca. 12 % steigern wolle. Dieser Aspekt könne im Spruchverfahren nicht berücksichtigt werden, da es sich um eine Entwicklung nach dem Stichtag handele. Ferner sei nicht mitgeteilt worden, dass die Hauptaktionärin mit dem Übertragungsbeschluss die Laufzeit des BGV rechtswidrig verkürzen wolle. Damit werde auch die Nachhaftungszeit der Beklagten gemäß § 302 AktG grundlos verkürzt.
46Die Kläger sind der Auffassung, dass der Übertragungsbeschluss deshalb angreifbar sei, da die Rechte der Minderheitsaktionäre auf Ausgleich und Abfindung aus dem drittschützenden BGV ersatzlos entfallen seien. Insoweit liege auch ein Berichtsmangel vor.
47Die Hauptaktionärin habe mit der Zustimmung zu top 5 der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 auch gegen ihre aktienrechtliche Treuepflicht verstoßen. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß den §§ 327a ff. AktG sei unverhältnismäßig, da die Aktien der Beklagten einige Wochen bzw. Monate später wieder angeboten werden sollten. Die E2 wolle die Beklagte umstrukturieren, u. a. stille Reserven heben u. a., um sie anschließend mit großen Zukunftsprognosen wieder an die Anleger zu bringen. Dafür sei eine Übertragung der Aktien aber nicht erforderlich. Die E2 wolle ferner den Altaktionären die wirtschaftlichen Vorteile der erklärten und beabsichtigten Entschuldung der E, u.a. durch die Aufgabe des Bereichs W, vorenthalten. Diese finanziellen Aspekte seien auch nicht Gegenstand des Spruchverfahrens.
48Die Kläger zu 1, 4-6 und 7 beantragen,
491. festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 zu dem Tagesordnungspunkt 5 „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der E1 AG auf die E2 Aktiengesellschaft gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung“ mit dem Inhalt:
50„Die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der E1 AG werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327 a ff. AktG) gegen Gewährung einer von der E2 Aktiengesellschaft mit Sitz in S, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S unter der Registernummer HRB ##### (Hauptaktionärin), zu zahlenden Barabfindung i.H.v. EUR 35,05 für je eine auf den Namen lautende Stückaktie auf die E2 Aktiengesellschaft übertragen.“
51nichtig ist.
522. Hilfsweise für den Fall, dass der vorgenannte Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 gemäß vorstehendem Antrag nicht nichtig ist, den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 zu dem Tagesordnungspunkt 5 „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der E1 AG auf die E2 Aktiengesellschaft gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung“ mit dem Inhalt:
53„Die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der E1 AG werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327 a ff. AktG) gegen Gewährung einer von der E2 Aktiengesellschaft mit Sitz in S, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S unter der Registernummer HRB ##### (Hauptaktionärin), zu zahlenden Barabfindung i.H.v. EUR 35,05 für je eine auf den Namen lautende Stückaktie auf die E2 Aktiengesellschaft übertragen.“
54für nichtig zu erklären.
55Die Kläger zu 4-6 und 7 beantragen ferner äußerst hilfsweise, festzustellen, dass der vorgenannte Beschluss unwirksam ist.
56Die Klägerin zu 2 beantragt primär den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2015 zu TOP 5 für nichtig zu erklären und hilfsweise bzw. äußerst hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss zu top 5 nichtig ist bzw. unwirksam ist.
57Die Klägerin zu 3 beantragt lediglich, den Beschluss zu top 5 für nichtig zu erklären.
58Die Beklagte beantragt,
59die Klage abzuweisen.
60Die Beklagte ist der Meinung, die erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen seien unbegründet.
61Die Einwände der Kläger gegen die Versammlungsleitung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. O seien verfehlt. Wichtige Gründe, die zur Amtsniederlegung veranlasst hätten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere habe kein Interessenkonflikt in der Person des Herrn Dr. O vorgelegen. Ein Verbot des „Richtens in eigener Sache“ sei für Aufsichtsräte bzw. Versammlungsleiter nicht bekannt.
62Die Beschlussempfehlung des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung sei wirksam gewesen.
63Die E2 habe ihr Stimmrecht aus den Aktien der Beklagten (E-Aktien) in der Hauptversammlung ausüben dürfen. Ein angeblicher Rechtsverlust nach § 59 WpÜG sei jedenfalls durch das freiwillige Übernahmeangebot der E2 AG im Herbst 2010 zum Erwerb sämtlicher E-Aktien beendet worden. Der behauptete Rechtsverlust nach § 28 WpHG sei spätestens mit der Veröffentlichung der zutreffenden Stimmrechtsmitteilung der E2 vom 29. Februar 2012 entfallen.
64Die Beklagte bestreitet, dass die E2 mit Abschluss der Ursprungsvereinbarung vom 12. September 2008 oder nachfolgenden Vereinbarungen mehr als 30 % der Stimmrechte aus E-Aktien und damit die Kontrolle über die Gesellschaft gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG erwarb. Die Beklagte habe die Kontrolle über die E erst nach Erwerb weiterer Aktien aus dem freiwilligen Übernahmeangebot im Jahr 2010 erlangt. Die Beklagte bestreitet diesbezüglich den gesamten Vortrag der Kläger zu den Vereinbarungen der E1 und der E2 zur Übernahme der E-Aktien mit Nichtwissen. Die Beklagte sei an diesen Vereinbarungen nicht beteiligt gewesen. Insbesondere bestreitet die Beklagte Vereinbarungen, die zu einer Zurechnung von Aktien gemäß § 30 WpÜG führen (Interessenschutzklausel).
65Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre sei auch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Sachliche Gründe für den Ausschluss von Minderheitsaktionären gemäß § 327a AktG seien nicht erforderlich.
66Die Beklagte habe auch nicht gegen ad hoc-Mitteilungspflichten verstoßen, noch seien diese für die Wirksamkeit der Beschlussfassung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre relevant gewesen.
67Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger seien der Q und die daraus nach § 161 AktG folgenden Pflichten (Entsprechenserklärung) ebenfalls vollständig erfüllt worden. Unabhängig davon führten Verstöße gegen § 161 AktG nicht zur Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen.
68Auskünfte auf Fragen der Aktionäre gemäß § 131 AktG seien vollständig erfüllt worden. Die Beklagte führt dazu im Einzelnen aus. Die Beklagte ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass ihr das Wissen, dass ihr Aufsichtsratsvorsitzender O in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der E2 erlangt hatte, nicht zuzurechnen sei. Selbst im Vertragskonzern scheide eine Wissenszurechnung aus. Dagegen spreche auch die in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG statuierte Pflicht von Vorstandsmitgliedern, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren.
69Schließlich weise auch der Übertragungsbericht der Hauptaktionärin keine Mängel auf.
70Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.
71Entscheidungsgründe
72Die Anfechtungsklagen sind begründet.
73Der angefochtene Beschluss zu top 5 verstößt gegen das Gesetz. Er ist daher für unwirksam zu erklären. Der Beschluss verletzt das Auskunftsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG. Weitere Rechtsverstöße kommen in Betracht, müssen aber nicht abschließend bewertet werden.
74A. Anfechtungsbefugnis und Anfechtungsfrist
75Die Kläger sind anfechtungsbefugt gemäß § 245 Nr. 1 AktG. Sie waren in der Hauptversammlung der Beklagten am 28. August 2015 vertreten und haben jeweils Widerspruch zu dem Beschluss zu top 5 zur Niederschrift erklärt. Sie hatten ihre Aktien auch schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben. Die Anfechtungsklagen der Kläger sind auch innerhalb der Monatsfrist gemäß § 246 Abs. 1 AktG bei Gericht eingegangen und unter Berücksichtigung von § 167 ZPO fristwahrend der Beklagten zugestellt worden.
76B. Aktienverlust durch Squeeze Out
77Die Kläger haben ihre Aktivlegitimation nicht durch den Verlust ihrer Aktien infolge der Eintragung des Squeeze Out-Beschlusses in das Handelsregister verloren. Der Aktionär, der sich mit der Beschlussmängelklage gegen einen Übertragungsbeschluss wendet, ist auch dann klagebefugt, wenn die Aktien vor der Zustellung der Klage durch Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister auf den Hauptaktionär übergegangen sind (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 229/09 –, juris Rz. 5, BGHZ 189, 32-45).
78C. Gegenstand der Anfechtung- und Nichtigkeitsklage
79Das Gericht ist an eine Prüfungsreihenfolge hinsichtlich der erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen nicht gebunden. Streitgegenstand der aktienrechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage ist das mit der Klage verfolgte prozessuale Ziel, die richterliche Klärung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses in Bezug auf seine fehlende Übereinstimmung mit Gesetz oder Satzung hinsichtlich seines Gegenstandes und Inhaltes sowie des zur Beschlussfassung führenden Verfahrens herbeizuführen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 – II ZR 286/01 –, juris, BGHZ 152, 1-7).
80D. Verlust des Stimmrechts gemäß § 59 WpÜG
81Der Erfolg der Klage ist im Ergebnis unabhängig davon, ob die Stimmrechte der E2 bei der Beschlussfassung zu top 5 gemäß § 59 WpÜG suspendiert waren. Damit sind Entscheidungen zu schwierigen und höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen entbehrlich, u.a. zur Zurechnung von Aktien gemäß § 30 Abs. 1, 2 WpÜG, zu einer trotz Präsentation eines freiwilligen Übernahmeangebots fortbestehenden Pflicht zur Vorlage eines Übernahmeangebotes gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG bis zum Zeitpunkt des squeeze out-bedingten Ausscheidens der Minderheitsaktionäre und zum Verschulden der Bieters im Rahmen der §§ 35 Abs. 1, 2, 59 WpÜG.
82E. Verstoß gegen das Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 1 AktG
83Offen bleiben kann ebenfalls, ob sämtliche von den Klägern gerügten Verletzungen des Auskunftsrechts gemäß § 131 Abs. 1 AktG begründet sind. Die Beklagte hat jedenfalls das Informationsrecht der Aktionäre gemäß § 131 Abs. 1 AktG verletzt, indem sie auf die Frage nach Verhandlungen und Gesprächen mit Investoren eine unzutreffende Antwort gab, nämlich dass ihr Derartiges nicht bekannt sei. Die von der Beklagten mit Investoren geführten Gespräche waren Angelegenheiten der Gesellschaft bzw. der verbundenen Unternehmen. Die Beklagte war ungeachtet eines möglichen Auskunftsverweigerungsrechts gemäß § 131 Abs. 4 AktG zu einer falschen Auskunft nicht berechtigt. Die erbetene Antwort auf die Frage war für einen verständigen Aktionär zur Beurteilung und Entscheidung über den Tagesordnungspunkt zu top 5 relevant. Dabei ging es nicht lediglich um Bewertungsfragen. Im Einzelnen:
84F. Frage nach der Entkonsolidierung der Beklagten, Veräußerung an einen Investor und neuer Börsengang
85Die Frage nach der Entkonsolidierung der Beklagten, der Platzierung der Aktien an der Börse sowie die Veräußerung der Aktien an einen Investor betraf jedenfalls auch die Angelegenheiten der Beklagten, auch wenn daneben Angelegenheiten der E2 betroffen waren.
86I. Wortlaut der Frage
87Laut Versammlungsprotokoll wurde folgende Frage der Klägerin zu 7 gestellt (Seite 17):
88„Sie schreiben, dass Sie die Aktien entweder an die Börse bringen, die Gesellschaft aus den E2-Konzern entkonsolidieren wollen und ziehen eine Veräußerung an einen Investor in Betracht. Werden derzeit Gespräche oder Verhandlungen mit derartigen Investoren oder Interessenten geführt? Welcher Mindestpreis erscheint der E2 für das Aktienpaket oder je Aktie angemessen?“
89II. Antwort der Beklagten
90Diese Frage wurde vom Vorstand der Beklagten wie folgt beantwortet (notarielle Niederschrift vom 28. August 2015, Seite 17, 19 (Anl. B9 und B19):
91„Der E liegen zu diesen Fragen keine Informationen vor.“
92Die Frage wurde vom Vorstand der Beklagten in Anwesenheit des Herrn O, Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten und gleichzeitig Mitglied des Vorstands der E2, beantwortet.
93III. Rüge eines Aktionärs zur Protokollniederschrif
94Unstreitig rügte der Aktionärsvertreter P die Beantwortung der entsprechenden Frage bereits in der Hauptversammlung zur Protokollniederschrift (dort: Frage Nr. 1).
95IV. Vortrag der Kläger
96Die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 7, sind der Meinung, dass die Beklagte eine falsche Auskunft erteilt habe. Denn die Beklagte habe schon zum Zeitpunkt der Hauptversammlung beabsichtigt, die W (W-Bereich) zu verkaufen. Ausweislich von Presseartikeln sei beabsichtigt gewesen, die Beklagte über ein so genanntes „Dual Track“-Verfahren von der E2 abgespalten. Nach der Darstellung in der Presse sei der Verkaufsprozess in vollem Gange gewesen. Die Beklagte habe bereits entsprechende Mitarbeiter eingestellt, um diesen Verkaufsprozess zu begleiten und die Anforderungen des Due Diligence-Verfahrens sicherzustellen (Anl. K13). Entgegen den Angaben des Vorstands in der Hauptversammlung hätten der Beklagten bereits ab Mai 2015 verschiedene Angebote und Offerten bezüglich der E-Aktien vorgelegen. Aus dem Artikel der „Z“ vom 18. Juni 2015 (Anl. K14) ergebe sich, dass die N Großbank sowie die X Interesse an der E bekundet hätten und bereits Gespräche geführt worden seien. Daneben habe seit Mai 2015 eine Offerte des US-Investors T vorgelegen. Angebote Dritter i.H.v. EUR 4,5 Mrd. seien den Aktionären vorenthalten worden. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Herr O, habe im Rahmen eines am 26. August 2015 veröffentlichen Interviews neben dem Vorstand Herrn R eingeräumt, sich das Angebot der T noch einmal genauer anzuschauen. Die von der Beklagten autorisierten Presseartikel seien bezeichnenderweise lediglich im Ausland veröffentlicht worden, nicht hingegen in Deutschland (Anlagen K14 bis K18). Nach der Veröffentlichung der von der Beklagten autorisierten Presseartikel könne sich die Beklagte nicht mehr auf eine Verschwiegenheitspflicht ihrer Organe berufen. Zudem habe die Beklagte am 19. Februar 2016 in Paris eine Road Show durchgeführt, auf der sie für einen Anteilsverkauf mit einer so genannten Equity Story geworben habe. Diese Equity Story habe der Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vorgelegen. Die Beklagte sei auch für die notwendige und erforderliche Due Diligence-Prüfung zuständig gewesen. Die Falschauskunft der Beklagten sei auch wesentlich für die angegriffene Beschlussfassung. Denn ein Aktionär werde der Übertragung gemäß § 327 a AktG nicht zustimmen, wenn zu befürchten sei, dass seine Aktien nachfolgend von dem Hauptaktionär teurer an Dritte verkauft werden.
97Klageerwiderung der Beklagten
Die Beklagte bestreitet, dass ihr Vorstand R oder der Aufsichtsratsvorsitzende O zur Zeit der Hauptversammlung über Informationen zu Gesprächen mit potentiellen Investoren oder zur Vorbereitung eines Börsengangs verfügten. Die vorgelegten Presseartikel belegten eine solche Kenntnis nicht. Die Artikel enthielten Vermutungen aus unbekannter Quelle und Spekulationen. Die vorgelegte Stellenausschreibung der Beklagten sei absolut unspezifisch und enthalte keinen Bezug zu einem etwaigen Verkauf oder Börsengang. Nach dem Verkauf des W-Segments sei nicht gefragt worden. Unabhängig davon habe sich die Hauptaktionärin dazu in ihrem Übertragungsbericht auf Seite 24 geäußert (Übertragungsbericht 7. Juli 2015, Anl. B4). Im Übrigen handele es sich um eine bewertungsbezogene Auskunftspflichtverletzung, die nach § 327f S. 1 AktG und § 243 Abs. 4 S. 2 AktG ohnehin nicht zur Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses führen könne.
100Repliken der Klägerin zu 7
Die Klägerin zu 7 hat darauf wiederholt repliziert. Die Kenntnis des Vorstands von einem beabsichtigten Börsengang der Gesellschaft sei zwingend. Denn die Gesellschaft entscheide selbst, ob sie ihre Aktien von der Börse nehme und/oder an die Börse bringe. Es sei ein Vorstandsbeschluss und eventuell sogar ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Die vorgelegten Presseartikel seien zutreffend. Unabhängig davon habe die Beklagte im Freigabeantrag vom 15. Oktober 2015 selbst erklärt, dass sie davon ausgehe, dass spätestens im Laufe des Jahres 2016 die Aktien der Beklagten erfolgreich veräußert werden können. Für eine Börseneinführung seien bei größeren Gesellschaften ‒ vergleichbar der E ‒ bis zu neun Monate zu veranschlagen. Wenn die Beklagte ihre Equity Story bereits anlässlich der Road Show in Paris am 19. Februar 2016 präsentiert habe, bedeute dies zwingend, dass die Equity Story bereits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vorgelegen habe. Die Equity Story sei darüber hinaus bereits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung in einer Daten-Cloud hinterlegt gewesen. Die Equity Story sei unter der Überschrift „Entkonsolidierung Strategie 2020“ dem Vorstand der E2 bekannt gewesen. Die E2 habe im Rahmen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags untersagt, die avisierte Verkaufsabsicht den Streubesitzaktionären der Beklagten mitzuteilen. Es liege kein ausschließlicher Bewertungsmangel, der im Rahmen der Anfechtungsklage keine Berücksichtigung finden könne, vor. Die Frage betreffe nicht die Berechnung der Barabfindung i.H.v. EUR 35,05. Im Übrigen ergebe sich eine Auskunftspflicht auch aus § 131 Abs. 4 S. 1 AktG. Die Auskünfte, die die Beklagte der E2 im Zusammenhang mit einem außerbörslichen Anteilsverkauf an die N Bank und T gewährt habe, müsse auch anderen Aktionären Verfügung gestellt werden, was aber nicht geschehen sei.
103Die Klägerin zu 7 ist der Meinung, dass das Wissen des Herrn O, das er als Vorstand der E2 erlangt habe, insoweit auch der Beklagten zuzurechnen sei. Nach herrschender Rechtsansicht seien im Vertragskonzern die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn herrschendes und beherrschtes Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit seien, aus der die Verlustübernahmepflicht der Konzernmutter und ihr Weisungsrecht resultiere.
104Duplik der Beklagten und nachgelassene Stellungnahme
Die Beklagte bezieht sich in ihrem weiteren Schriftsatz vom 18. November 2016 auf ihren Vortrag in der Klageerwiderung. Die Einladung der E zu einer Road Show in Paris habe keinerlei Aussagekraft. Die Ausführungen seien pure Spekulation und bloße Behauptungen ins Blaue.
107Die Beklagte hat sich im Rahmen der ihr zu den Schriftsätzen der Kläger vom 10., 11., 17. Januar 2017 gewährten Schriftsatzfrist nochmals zu der Frage der Auskunftspflichtverletzung geäußert. Die Beklagte äußert darin die Auffassung, dass die gestellten Fragen keine Angelegenheiten der Gesellschaft betrafen, die Antworten zur sachgerechten Beurteilung des Übertragungsbeschlusses nicht erforderlich waren und die Fragen ggf. zutreffend vom Vorstand der Beklagten beantwortet wurden. Ferner habe der Vorstand der Beklagten die Auskunft nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG verweigern dürfen. Schließlich seien die begehrten Informationen bewertungsrelevant gewesen, so dass eine Anfechtung gemäß § 243 Abs. 4 S. 2 AktG ausscheide.
108Die Beklagte ist der Meinung, dass nach einem geplanten Börsengang nicht gefragt worden sei, sondern nur nach einem möglichen Verkauf an einen Investor. Diese Frage habe allein die E2 als Hauptaktionärin der Beklagten betroffen und nicht diese selbst.
109Unabhängig davon sei den Aktionären der Beklagten aufgrund des Übertragungsberichts bekannt gewesen, dass die E2 nach dem Squeeze Out einen Börsengang oder einen Verkauf erwogen habe (Anl. B4, Seite 39). Weitergehende Informationen zu etwaigen konkreten Verkaufsgesprächen oder einen konkret angestrebten Verkaufserlös seien für die Beschlussfassung nicht erforderlich gewesen. Die Motive des Hauptaktionärs für den Squeeze Out und seine Pläne nach dem Squeeze Out seien unerheblich. Eine Inhaltskontrolle finde nicht statt.
110Trotz fehlender Auskunftspflicht habe der Vorstand der Beklagten die gestellten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Der Vorstand der Beklagten habe keine Kenntnis von Gesprächen zwischen der E2 und möglichen Investoren oder Interessenten gehabt. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt der Hauptversammlung in etwaigen Verkaufsbemühungen der E2 nicht eingebunden gewesen. Insbesondere habe die Beklagte nicht potentiellen Käufern Einblick in die Bücher der Beklagten im Rahmen einer Due Diligence oder dergleichen gewährt. Der Vorstand der Beklagten habe über die in der Presse bekannt geworden Spekulationen hinaus keine Kenntnisse gehabt. Auf Sachverhalte, die öffentlich bekannt sein, erstrecke sich das Auskunftsrecht ohnehin nicht.
111Die Beklagte habe auch nicht über detaillierte Informationen zur konkreten Umsetzung des geplanten Börsenganges verfügt. Nach der ersten Kontaktaufnahme der Beklagten im 1. Quartal 2016 mit einem Dienstleister für die Verwaltung von Investoren- und Analysenkontakten habe dieser einen Test-Zugang eingerichtet mit der Möglichkeit, fiktive Termine einzustellen. In dieses System sei öffentlich zugänglich für jedermann von einem Mitarbeiter der Beklagten ohne Bezug auf eine reale Veranstaltung eine frei erfundene Equity Story für interne Test-Zwecke eingegeben worden. Unterlagen zu einer Equity Story der Beklagten seien weder bei dieser noch bei dem Dienstleister hinterlegt gewesen. Tatsächlich sei es in dem Zeitraum von 2015 bis heute nicht zu einer Brautschau im Zusammenhang mit einem Börsengang der Beklagten gekommen.
112Wissen der E2 sei der Beklagten nicht zuzurechnen, insbesondere nicht das Wissen des Herrn O als Vertreter der E2.
113Darüber hinaus habe die Beklagte ein Interesse gehabt, Verkaufsverhandlungen nicht durch vorzeitige Bekanntgabe zu gefährden, soweit eine Auskunftsverpflichtung angenommen würde.
114Die Bewertungsbezogenheit der Frage bzw. Antwort ergebe sich daraus, dass die Frage auf einen Vergleich des Unternehmenswerts, der beim Squeeze Out für die Festlegung der Barabfindung der Minderheitsaktionären ermittelt wurde, mit dem von der E2 erzielbaren Preis bei einem möglichen Verkauf der Anteilsmehrheit der Beklagten abzielte.
115V. Kenntnis der Beklagten bezüglich Entkonsolidierung und Börsengang u. a.
116Entgegen der in der Hauptversammlung erteilten Auskunft und entgegen des pauschalen Bestreitens der Beklagten in diesem Verfahren muss aufgrund des Klägervortrags davon ausgegangen werden, dass der Beklagten seinerzeit Informationen zur Entkonsolidierung der Beklagten aus dem E2-Konzern, zur Veräußerung an Investoren und zu einem Börsengang vorlagen. Die erteilte Auskunft ist daher objektiv falsch. Sie entspricht nicht einer gewissenhaften Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft, wie sie von § 131 Abs. 2 S. 1 AktG gefordert wird.
117Zunächst ist der Beklagten beizupflichten, dass die beigefügte Stellenausschreibung der Beklagten vom 3. November 2015 (Anl. K13) im Hinblick auf die hier relevante Fragestellung aussagelos ist. Auch der Artikel der Zeitung „Z“ vom 18. Juni 2015 ist insofern bedeutungslos. Dort werden lediglich Kandidaten für eine mögliche Übernahme der E genannt. Allerdings werden im Handelsblatt, Global Edition, Nr. 249, vom 26. August 2015 (Anl. K15) detailliertere Angaben gemacht. Dort wird angegeben, dass Herr R und Herr O beabsichtigen, die E für einen erneuten Börsengang im Frühjahr 2016 vorzubereiten, indem ausgeführt wird, dass die Vorgenannten „… want to get E ready for a relisting of its shares by spring 2016“ (Anl. K 15). Ferner wird mitgeteilt, dass Herr R geäußert habe: „… the relisting was preferred route for E’s divorce from E2. Ist defentely the most realistic path.“ Das bedeutet sinngemäß, dass der erneute Börsengang die bevorzugte und realistische Variante zur Trennung von der E2 sei. Nachfolgend wird noch ausgeführt: “Mr. O wants to take another look at the provisional offer submitted by T in May – over 2 Billion less than paid for E seven years ago“ (Anl. K15). Das bedeutet sinngemäß, dass Herr O das vorläufige Angebot von T noch einmal anschauen wolle. Bei dieser Berichterstattung des Handelsblattes ist klar, dass sowohl Herr O als auch Herr R über Börsenpläne der Beklagten und auch über Verhandlungen mit Bietern, wie z.B. T, Bescheid wussten. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass es sich insofern um eine autorisierte Berichterstattung des Handelsblattes handelte, das heißt Äußerungen des Herrn R und des Herrn O zutreffend wiedergegeben worden.
118Auch Äußerungen im Internet auf Finanzen.at am 26. August 2015 (Anl. K16) bestätigen die vorgenannte Berichterstattung. Dort wird mitgeteilt, dass „E-Chef R wiederholt bekräftigt habe, dass der Börsengang für die E2 der bevorzugte Weg der Trennung sei. Ferner wird mitgeteilt: „Ein Konkurrent, der sich die E schon genau angesehen hat, bezifferte den Wert nur mit 3 Milliarden EUR.“
119Im Managermagazin vom 16. Mai 2015 (Anl. K 17) wird über das Angebot von T für die E berichtet. Danach habe die Wiener Großbank BAWAG und der hinter ihr stehende Inhaber T bis zu EUR 4,5 Mrd. für die E geboten.
120Die Beklagte hat lediglich pauschal von einer spekulativen Berichterstattung aus unbekannter Quelle gesprochen. Das bedeutet aber nicht, dass die Organe der Beklagten in der Presse falsch zitiert wurden.
121Damit kann das Bestreiten der Beklagten, dass ihr Vorstand R und ihr Aufsichtsratsvorsitzender O zur Zeit der Hauptversammlung über Informationen zu Gesprächen mit potentiellen Investoren oder zur Vorbereitung eines Börsenganges verfügten, als widerlegt gelten. Die Beklagte hätte sich dazu erklären müssen, ob der Verkaufsprozess angelaufen war und bereits Angebote von Bietern vorlagen. Beispielsweise ist ein vorläufiges Angebot von T in Höhe von bis zu 4,5 Mrd. EUR nicht bestritten worden. Ferner ist nicht bestritten worden, dass sich der Vorstand der Beklagten, Herr R, ebenso wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Herr O, gegenüber der Presse in der Weise geäußert haben, das Angebot von T noch einmal anzuschauen. Nicht bestritten und damit zugestanden ist ferner, dass die Beklagte im Freigabeantrag vom 15. Oktober 2015 erklärte, dass sie davon ausgehe, dass spätestens im Laufe des Jahres 2016 die Aktien der Beklagten erfolgreich veräußert werden können. Unbestritten ist ferner, dass die Beklagte der E2 im Rahmen von Verkaufsbemühungen Informationen gab, die andere Aktionäre nicht erhielten. Nicht bestritten worden ist ferner, dass die Beklagte von der E2 angewiesen wurde, nicht über Veräußerungspläne zu berichten.
122Folglich steht fest, dass die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Hauptversammlung über Informationen zur Entkonsolidierungsstrategie der E2 und insbesondere zu Gesprächen und Verhandlungen mit Investoren verfügte. Es gab nachweislich zum Zeitpunkt der Hauptversammlung bereits Angebote Dritter als auch einen Plan zum Börsengang. Das alles war der Beklagten bekannt.
123VI. Die nachgefragten Informationen waren nicht bekannt bzw. nicht offenkundig
124Die von den Aktionären der Beklagten in der Hauptversammlung nachgefragten Informationen zur Entkonsolidierung und einem Verkauf der Aktien der Beklagten über die Börse oder an Investoren waren nicht bereits bekannt gemacht bzw. veröffentlicht. Unstreitig ist, dass die E2 in dem Übertragungsbericht vom 7. Juli 2015 mitteilte, dass sie nach dem Squeeze Out einen Börsengang oder einen Verkauf erwäge (Anl. B4). Die Frage des Aktionärs P baute auf diesen Kenntnisstand auf. Unstreitig lautete die Frage: “… Werden derzeit Gespräche oder Verhandlungen mit derartigen Investoren oder Interessenten geführt? Welcher Mindestpreis erscheint der E2 für das Aktienpaket oder die Aktie angemessen?“ Die Antwort auf diese Frage ergibt sich unstreitig nicht aus den Ausführungen im Übertragungsbericht.
125Die Antwort auf die gestellte Frage war auch nicht bereits durch Verlautbarungen in der Presse beantwortet. Zwar haben sich die Organe der Beklagten in der Presse zum Börsengang und zu Angeboten von Investoren geäußert. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine vollständige Darstellung des Sachverhaltes im Sinne der nachgefragten Antwort handelt. Im Übrigen ist nicht gewährleistet, dass die Aktionäre durch die Presseberichterstattung ausreichend informiert waren, da die veröffentlichen Artikel u.a. im europäischen Ausland erschienen sind. Die Beklagte hätte das konkret erläutern müssen. Ihre Behauptung, dass die Verhandlungen mit Investoren und die Bemühungen zum Börsengang öffentlich bekannt gewesen seien, reicht jedenfalls nicht.
126VII. Frage betraf Angelegenheiten der Beklagten
127Die Beklagte war verpflichtet, auf die Frage vollständig und wahrheitsgemäß zu antworten. Es handelt sich insoweit um eine eigene Unternehmensangelegenheit der Beklagten, auch wenn die Frage teilweise Belange der E2 berührt. Bezugspunkt der Frage waren zunächst die Äußerungen der E2 in dem Übertragungsbericht zur Entkonsolidierung der E. Vor diesem Hintergrund wurde die Beklagte nach Verhandlungen mit Investoren gefragt. Diese Frage bezieht sich erkennbar auf die in Betracht kommenden Möglichkeiten des Börsenganges und eines außerbörslichen Verkaufs der E Aktien an einen Investor. Investorengespräche sind auch vor einem Börsengang denkbar und üblich ebenso wie Investorengespräche bei einem außerbörslichen Paketverkauf. Diese Frage richtete sich an die Beklagte, auch wenn die nachfolgende Frage danach, welcher Mindestpreis der E2 für das Aktienpaket oder je Aktie angemessen erscheine, nicht primär die Beklagte betraf, sondern die E2. Denn dort wurde nach der Einschätzung der E2 gefragt, die der Beklagten nach den Vortrag des Klägers zu 7 nicht vorlag. Der im nachgelassenen Schriftsatz von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung, dass sich die relevante Frage ausschließlich auf einen möglichen außerbörslichen Verkauf an einen Investor bezogen habe und nicht auf einen geplanten Börsengang der Beklagten, kann nicht zugestimmt werden.
128Die Frage nach Gesprächen oder Verhandlungen mit Investoren oder Interessenten betraf auch die Angelegenheiten der Gesellschaft und nicht ausschließlich die Angelegenheiten der Hauptaktionärin. Richtig ist zwar, dass Vorgänge auf der Ebene eines Hauptaktionärs, hier der Verkauf der E-Beteiligung, auch bei einem Squeeze Out keine Angelegenheiten der Gesellschaft sind. Falls die Organe der Gesellschaft aber an Investorengesprächen beteiligt sind, werden insbesondere Informationen durch die Gesellschaft erteilt und ggf. eine Due Diligence von ihr gewährt, handelt es sich aber um Angelegenheiten der Gesellschaft, zu der Auskunft erteilt werden muss. Dann muss die Gesellschaft zumindest wahrheitsgemäß antworten, dass derzeit Gespräche oder Verhandlungen mit Investoren oder Interessenten geführt werden.
129Die erbetene Auskunft betraf nicht ausschließlich kapitalmarktrechtliche Informationen. Insofern ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur streitig, wie weit die Mitteilungspflichten des Unternehmens gehen und welche Informationen das Unternehmen selbst betreffen (vgl. Kersting, in: Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 3, 3. Aufl. 2010, § 131 Rn. Ziffer 40 ff. mit weiteren Nachweisen). Selbst bei restriktiver Auslegung wird allerdings eine Informationspflicht der Gesellschaft befürwortet, wenn die fraglichen Informationen auch der Unterrichtung der Hauptversammlung dienen und diese zur Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind. Unabhängig davon ging es vorliegend aber auch nicht ausschließlich um kapitalmarktrechtliche Informationen, etwa bezüglich eines beabsichtigten Börsenganges, sondern um Investorengespräche. Große Unternehmen, wie auch die E, verfügen über eigene Investor Relations-Abteilungen. Diese Unternehmensbereiche steuern im Unternehmensinteresse die Unternehmenskommunikation mit Aktionären, Investoren, Analysten und Finanzmedien. Insbesondere bei der Veräußerung größerer Aktienpakete, hier eine Mehrheitsbeteiligung der E2, sind die vorbezeichneten Abteilungen gefordert. Sie stellen zwangsläufig dem verkaufswilligen Aktionär Informationen zur Verfügung bzw. erteilen interessierten Investoren gewünschte Informationen bis hin zu einer Due Diligence. Der gesamte Bereich der Unternehmenskommunikation zwischen der Gesellschaft und dem Großaktionär bzw. der Gesellschaft und Investoren ist ein erhebliches Spannungsfeld vor dem Hintergrund der Informationsrechte gemäß § 131 AktG. In diesem Bereich gibt es viele ungeklärte Fragestellungen, die in der Literatur intensiv diskutiert werden (vgl. Fleischer, Investor Relations und informationelle Gleichbehandlung im Aktien-, Konzern- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2009, 505-541). Investor Relations-Gespräche sind in der Regel auf Vorstandsebene bzw. Aufsichtsratsebene angesiedelt (Fleischer, ZGR 2009, 505, 509). Insofern ist es vorliegend auch nachvollziehbar, dass sich der Vorstand und der Aufsichtsrat der E in der Presse zu Investorengesprächen und einem möglichen Börsengang der E geäußert haben.
130Aufgrund der rechtlichen Brisanz von Investorengesprächen der Organe der Gesellschaft mit dem Mehrheitsaktionär bzw. interessierten Investoren, berührt sind hier das insiderrechtliche Weitergabeverbot gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, der Gleichbehandlungsgrundsatz alle Aktionäre gemäß § 53a AktG, das prospektrechtliche Gleichbehandlungsgebot gemäß § 15 Abs. 5 WpPG sowie das Informationsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG und eventuell die organschaftliche Verschwiegenheitspflicht gemäß den §§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG, 116 AktG, handelt es sich ohne Zweifel um Unternehmensangelegenheiten ungeachtet möglicher Rechte zur Auskunftsverweigerung aus übergeordneten Gesellschaftsinteressen oder zum Schutz des Mehrheitsaktionärs bzw. Investors, um die beabsichtigte Transaktion nicht zu gefährden.
131VIII. Kein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 AktG
132Die Beklagte war nicht berechtigt, die Auskunft auf die gestellte Frage gemäß § 131 Abs. 3 AktG zu verweigern. Gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG darf der Vorstand die Auskunft verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Soweit die E2 als Hauptaktionärin der Beklagten dieser im Rahmen einer Weisung nach § 308 AktG untersagt hat, Auskünfte zu Verhandlungen über die Veräußerung der E bzw. einem Börsengang zu erteilen, liegt kein berechtigter Verweigerungsgrund vor. Zwar ist die herrschende Gesellschaft gemäß § 308 Abs. 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen, auch nachteiliger Art, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm oder der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Das Weisungsrecht geht aber nicht so weit, dass der abhängigen Gesellschaft Weisungen zur Verweigerung gesetzlicher Rechte der Minderheitsaktionäre, hier das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG, erteilt werden dürfen. Denkbar wäre allenfalls, dass die abhängige Gesellschaft angewiesen wird, die Auskunft zu verweigern, soweit der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt würde. Hier kommt in Betracht, dass der Verkaufsprozess der E durch Auskünfte in der Hauptversammlung gestört worden wäre. Dazu hat die insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte aber nichts vorgetragen. Dagegen spricht auch, dass sich die Organe der Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Hauptversammlung in der Presse über mögliche Entkonsolidierungsmaßnahmen geäußert haben.
133IX. Kein Recht zur Falschinformation
134Ungeachtet eines möglichen Auskunftsverweigerungsrechts war die Beklagte aber auch nicht zu einer Falschinformation der Aktionäre berechtigt. Soweit der Vorstand die Auskunft verweigern möchte, muss er dies sagen und die Auskunft ausdrücklich verweigern. Es ist ihm auch in diesem Fall verboten, die Unwahrheit zu sagen oder offenlegungspflichtige Umstände ohne Hinweis auf die Geltendmachung eines Auskunftsverweigerungsrechts auszulassen (vgl. Kersting, in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 131 Rz. 268 mit weiteren Nachweisen).
135X. § 131 Abs. 4 AktG
136Bei dieser Sachlage kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die Beklagte gemäß § 131 Abs. 4 S. 1 AktG zur Information der Aktionäre verpflichtet war. Diese Pflicht besteht dann, wenn einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden ist. Auf Verlangen ist sie dann auch jedem anderen Aktionär zu gewähren, selbst wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich ist. Insofern kommt in Betracht, dass der Inhalt von Gesprächen und Verhandlungen mit Investoren zwar der E2 mitgeteilt worden ist, nicht aber den übrigen Aktionären.
137XI. Relevanz der Auskunftspflichtverletzung
138Die Falschauskunft der Beklagten zur Frage nach den Verkaufsabsichten und diesbezüglichen Verhandlungen mit Investoren berechtigt zur Anfechtung des Beschlusses zu top 5. Denn ein objektiv urteilender Aktionär hätte die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen, § 243 Abs. 4 S. 1 AktG. Der Informationsmangel ist bei einer am Zweck der verletzten Norm orientierten wertenden Betrachtung als rechtswidriger Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre zu bewerten. Der Informationsmangel lässt den Beschluss unter einem Legitimationsdefizit leiden, der bei wertender Betrachtung die Anfechtbarkeit rechtfertigt. Für einen Aktionär, dessen Aktien gemäß § 327 a AktG durch Beschluss auf den Hauptaktionär gegen Barabfindung übertragen werden sollen, ist von erheblicher Bedeutung, ob die Aktie im zeitlichen Zusammenhang erneut über die Börse angeboten werden soll bzw. ob es schon verhandelte Angebote zum Verkauf der Gesellschaft gibt und wie hoch diese ausfallen. Es ist naheliegend, dass die Abstimmung über den Beschluss davon abhängt. Falls es bereits Verkaufsverhandlungen einschließlich vorliegender Angebote Dritter sowie Absichten zu einem Börsengang gibt, wird ein objektiv urteilender Aktionär dem Beschluss möglicherweise nicht zustimmen, da er befürchten muss, dass seine übertragenen Aktien von dem Hauptaktionär später im Rahmen einer außerbörslichen oder börslichen Veräußerung teurer verkauft werden, als es der Barabfindung entspricht.
139XII. Kein bewertungsbezogene Informationsmangel
140Die Anfechtung wegen des geschilderten Informationsmangels ist nicht gemäß § 327 f AktG, § 243 Abs. 4 S. 2 AktG ausgeschlossen. Nach § 327 f Abs. 1 S. 1 2. Alt. AktG kann die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass die durch den Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Das gleiche gilt, wenn der Hauptaktionär eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben, zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist. Insofern wird die angemessene Barabfindung durch das in § 2 Spruchverfahrensgesetz bestimmte Gericht festgesetzt. Dazu korrespondierend schließt § 243 Abs. 4 S. 2 AktG die Anfechtung aus, soweit sie auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder über sonstige Kompensationen gestützt wird, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen ein Spruchverfahren vorsieht.
141Die Beklagte beruft sich lediglich in pauschaler Weise auf die vorgenannten Vorschriften, ohne zu erläutern, warum es sich insoweit um einen bewertungsrelevanten Mangel handeln soll. Bewertungsrelevant wäre der Mangel, wenn Verkaufsverhandlungen mit Investoren bzw. ein Börsengang für die Höhe der Abfindung von Bedeutung wären. Das ist aber nicht der Fall. Denn die Abfindung richtet sich nach dem wahren Wert der Aktien, d.h. nach dem Ertragswert des Unternehmens, und dem Börsenkurs als Untergrenze. Verkaufsverhandlungen und Angebote Dritter sind für die Höhe der Barabfindung grundsätzlich irrelevant. Für ein Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz wären diese Aspekte unerheblich. Selbst im zeitlichen Zusammenhang zur Hauptversammlung gezahlte Preise nach Durchführung eines kompetitiven Bieterverfahrens sind nach herrschender Meinung für die Barabfindung nicht von Bedeutung. Erst recht hat ein erneuter Börsengang, selbst wenn er zum Stichtag bereits geplant war, keine Bedeutung für die Höhe der Barabfindung. Die verlangten Informationen haben vielmehr einen grundsätzlichen Bezug zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin. Denn Verkaufsverhandlungen, bereits vorliegende Angebote Dritter oder ein geplanter Börsengang stellen das Übertragungsverlangen des Hauptaktionärs generell infrage.
142XIII. Feststellung des Versammlungsleiters zur Beantwortung aller Fragen
143Die Kläger sind unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht gehindert, die Nichtbeantwortung der vorgenannten Frage zwecks Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu top 5 zu rügen. Soweit der Versammlungsleiter nach Abschluss der Generaldebatte feststellte, dass alle Fragen hinreichend beantwortet und keine weiteren Fragen gestellt worden seien, hat das für die hier zur Anfechtung führende Frage nach den Angeboten und Verhandlungen mit Investoren keine Bedeutung. Denn die Beklagte hat die Frage falsch beantwortet. Aufgrund ihrer Antwort bestand kein Anlass, nachzufragen oder Ergänzungen zu verlangen.
144G. Prozessuale Nebenentscheidungen
145Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
146Streitwert: EUR 100.000,00.