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I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Verfahrenswert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
2Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
3Der Verfügungsanspruch (§§ 935, 940 ZPO) des Antragstellers ist hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrages zu verneinen.
4I.
5Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner keinen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 103, 185ff. StGB bezüglich der in dem Hauptantrag genannten Äußerung(en). Auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Äußerungen von C kommt es dabei nicht an.
6Die beanstandete Äußerung „Ich möchte mich, Herr C, vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen“ ist durch die Meinungsfreiheit des Antragsgegners gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Die Meinungsfreiheit umfasst als individuelles Freiheitsrecht auch und insbesondere die Freiheit, in einem kontrovers geführten Meinungskampf um die Zulässigkeit einer Äußerung eines Dritten – wie Herrn Cs Text – sich dem Dritten öffentlich solidarisch zur Seite zu stellen und die umstrittenen Äußerungen des Dritten als zulässig zu erachten bzw. das Geschehene gutzuheißen.
7Derzeit wird über die Frage, ob der Text von Herrn C eine zulässige Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) darstellt und/oder der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) unterfällt, eine öffentliche Debatte geführt. Gegenstand dieser Debatte sind die grundrechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit und Satire im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers; sie betrifft die Grundfesten der Kommunikationsgrundrechte und damit auch der Demokratie, für deren Funktionsfähigkeit die durch Art. 5 GG geschützten Freiheiten – einschließlich der (satirischen) Kritik an Politikern – elementar sind. Daher müssen Politiker wie der Antragsteller im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung mit ihrer Person und Verhaltensweise auch scharfe Kritik an ihrer Position hinnehmen.
8Die streitgegenständliche Äußerung ist ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in dieser Debatte, indem sie von der äußerungsrechtlichen Zulässigkeit des Gedichts von Herrn C ausgeht und dieses gutheißt. Der Antragsteller hat als Staatsoberhaupt der Türkei zu dieser Debatte Anlass gegeben, indem er wegen des Gedichts von Herrn C ein Strafverlangen gemäß §§ 103, 104a StGB vorlegte bzw. vorlegen ließ. Er muss daher auch scharfe Kritik an seiner Position hinnehmen. Die mit der Äußerung des Antragsgegners einhergehende Kritik an der Verhaltensweise des Antragsstellers, nachdem Herr C sein Gedicht „Schmähkritik“ verlesen hatte, ist ebenfalls von der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, da sie sachliche Bezugspunkte zu der derzeit geführten Debatte aufweist.
9Soweit der Antragsteller sich gegen das ausdrücklich so formulierte „Zu-Eigen-Machen“ der Äußerungen des Herrn C durch den Antragsgegner wendet, ist dementsprechend von einer Zulässigkeit der hierin liegenden Meinungsäußerung auszugehen.
10Ein Unterlassungsanspruch kommt auch nicht mit der Begründung in Betracht, der Antragsgegner verbreite rechtswidrige Äußerungen eines Dritten, die er sich zu Eigen mache. Denn es fehlt bereits an einer Verbreitung der betreffenden Äußerungen, die in der hier angegriffenen Berichterstattung nicht wiederholt, sondern nur – als allgemein bekannt – in Bezug genommen werden.
11Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf das Verbreiten von Drittäußerungen setzt voraus, dass der Äußernde sich diese zu Eigen macht, was bejaht werden kann, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint oder dargestellt wird. Der Anspruch setzt aber – gewissermaßen vorgelagert – auch voraus, dass die Fremdäußerung selbst verbreitet oder veröffentlicht wird. Dies war hier nicht der Fall. Die bloße Bezugnahme ist für ein Zu-Eigen-Machen in dem oben genannten Sinne nicht ausreichend, da die eigentlich zu unterlassende Aussage nicht wiedergegeben wird. Dass der Antragsgegner sich die Äußerung ausdrücklich zu Eigen machen will, ist unerheblich, so lange es an einer vergleichbaren Veröffentlichung bzw. Verbreitung fehlt.
12Der Antragsgegner hat das Gedicht von Herrn C auch nicht dadurch verbreitet, dass in einem der streitgegenständlichen Äußerung vorhergehenden Absatz des Artikels „Solidarität mit Herrn C!“ ein zweiter Artikel mit dem Titel „ZDF löscht Cs F-Satire aus Mediathek“ verlinkt wird, in dem sich wiederum ein Link zu einem dritten Artikel mit dem Titel „ZDF löscht F-Satire“ befindet, in dem letztlich ein Video abgerufen werden kann, das die Sequenz aus der Sendung von Herrn C, in der er sein Gedicht „Schmähkritik“ verliest, zeigt. Des Weiteren ist zu berücksichtigten, dass durch das einfache Setzen eines Links eine Haftung noch nicht begründet wird (BGH, GRUR 2016, 209, 210). Vor dem Hintergrund des auf einfachste Weise zu bewerkstelligenden Auffindens des Gedichts über Suchmaschinen ist in dieser mehrfach indirekten Verlinkung der Ursprungsäußerung keine relevante Verbreitungshandlung zu erkennen, die dem Durchschnittsrezipienten die Auffindung der Äußerung in nennenswerter Weise erleichtern würde.
13Ferner wird in dem Absatz des hier streitgegenständlichen Artikels, in dem sich der relevante Link („die Aufregung über Ihren Text“) befindet, für den Durchschnittsleser erkennbar die Reaktion des ZDF nach der Ausstrahlung der Fernsehsendung, in welcher das Gedicht verlesen wurde, thematisiert. Der unmittelbar verlinkte Artikel „ZDF löscht Cs F-Satire aus Mediathek“ setzt sich im Wesentlichen damit auseinander, dass das ZDF diese Fernsehsendung aus der Mediathek gelöscht hat und die Wiederholung der Sendung ohne das Gedicht gezeigt werden soll. Für Durchschnittsleser stellen sich Inhalte, die erst über einen weiteren Link in dem zweiten Artikel zu dem dritten Artikel „ZDF löscht F-Satire“ gezeigt werden, nicht als eigene Äußerungen des Antragsgegners dar; zumal auch in dem zweiten Artikel der dritte Artikel nur mit dem Hinweis verlinkt wird, dass dort aus der ersten Strophe des Gedichts zitiert wird und mithin nicht der gesamte Text / Wortlaut des Gedichts in Bezug genommen wird.
14Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Link, der unmittelbar in dem auf die streitgegenständliche Äußerung folgenden Satz, d.h. noch in demselben Absatz, gesetzt wurde, zu einem Artikel führt, in dem das Gedicht nur in geschwärzter Form ohne die kritisierten Formulierungen gezeigt wird.
15Bereits aus diesem Grund ist der vorliegende Fall auch nicht, wie der Antragsteller meint, mit dem Fall vergleichbar, dass ein Facebook-Nutzer den „Gefällt mir-Button“ betätigt. Die Mitteilung des Nutzers „Gefällt mir“ wird auf der Facebook-Seite des sich ursprünglich Äußernden im unmittelbarem Anschluss an die Äußerung, zu welcher die Zustimmung erklärt wird, angezeigt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Mitteilung, dass der Antragsgegner sich mit Herrn C solidarisiert, ist aus den bereits genannten Gründen als Meinungsäußerung zulässig.
16II.
17Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 103, 185ff. StGB bezüglich der in dem Hilfsantrag genannten Äußerungen.
18Aufgrund der Wiedergabe des Wortes „Ziegenficker“ in dem Artikel „Solidarität mit C!“ ist nicht davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner einen Satzteil des Gedichts von Herrn C isoliert zu eigen gemacht hat, sondern nur über das Gedicht von Herrn C – nicht wörtlich – berichtet hat.
19Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines verständigen und unvoreingenommenen und Durchschnittspublikums hat (BVerfG, NJW 2006, 207, 208). Sie darf zudem nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Dies gilt auch für die Frage, ob sich der Äußernde eine Fremdäußerung zu Eigen machen will.
20In dem Gedicht von Herrn C heißt es wörtlich: „Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken“. Der Antragsgegner hat den ersten Teil dieses Satzes in seinem Artikel / offenen Brief zusammenfassend durch das Wort „Ziegenficker“ wiedergegeben. Der Kontext in dem Artikel / offenen Brief verdeutlicht den referierenden und beispielhaften Charakter dieser Wiedergabe. So heißt es:
21„Vor allem wenn es um die Provokation religiöser, genauer: christlicher Gefühle geht, geht in Deutschland alles. Mich erinnert Ihr Auftritt im Zweiten Deutschen Fernsehen ein wenig an die vermutlich berühmteste Arbeit des Künstlers Martin Kippenberger. […]
22Ähnlich, wenn die ‚Titanic‘ den Papst in einem Ganzkörper-Kondom oder mit einem Urinfleck auf dem Gewand zeigt. Sobald es gegen die katholische Kriche geht, ist das Lachen des Justemilieu programmiert. Es kann gar nicht respektlos und verletzend genug sein.
23Sie, lieber Herr C, mussten nun lernen, dass andere Maßstäbe gelten, wenn es um türkische Spitzenpolitiker geht. In Deutschland brach eine Art Staatskrise aus, nur weil Sie Herrn F als ‚Ziegenficker‘ bezeichnet haben. Apropos Ficken. Wenn das ZDF – seinem gebührenfinanzierten Bildungsauftrag feinsinnig verpflichtet – einen Hashtag ‚Fick dich. Bild Zeitung‘ ins Leben ruft und sich dazu die Domain ‚fickdichbildzeitung.com‘ sichert, die bis heute auf einen Spot des ZDF verlinkt, dann klopft sich die deutsche Intelligenz vor freudiger Erregung prustend auf die Schenkel.“
24Aus der objektiven Sicht eines Durchschnittslesers will der Antragsgegner in dieser Passage den Antragssteller nicht als „Ziegenficker“ bezeichnen, sondern er rechnet diese Äußerung erkennbar Herrn C zu und setzt sich mit diesem Wort nur auseinander, um beispielhaft eine Äußerung von Herrn C mit der beschriebenen Darstellung des Papstes sowie dem die Bildzeitung betreffenden „Hashtag“ und der entsprechenden Domain des ZDF zu vergleichen. Die Betrachtung, dass sich aus diesem Vergleich ergebe, dass für den Antragsteller andere Maßstäbe gelten bzw. die gleichen Maßstäbe zu gelten haben und die Äußerungen in dem Gedicht von Herrn C somit in Deutschland nicht verboten werden können, ist als sachbezogene Meinungsäußerung zulässig.
25Mit der im „P.S.“ des Artikels bzw. offenen Briefes enthaltene Äußerung, „Ich möchte mich, Herr C, vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen“, macht sich der Antragsgegner ebenfalls den Halbsatz des Gedichts „Am liebsten mag er Ziegen ficken […]“ nicht isoliert zu eigen, sondern nimmt auf das Gedicht als Ganzes, den Gesamtkontext, den Herrn C dazu veranlasste, das Gedicht zu verlesen (die Reaktion des Antragstellers auf das in der NDR-Sendung „extra 3“ wiedergegebene Lied), sowie den unmittelbaren Kontext als Herr C sein Gedicht verlas (z.B. die einleitenden Worte) Bezug.
26Der verständige und unvoreingenommene Durchschnittsleser erfasst den Inhalt dieser Aussage unter Berücksichtigung des (satirischen) Kontextes, den der Antragsgegner in seinem Artikel / offenen Brief einleitend unter der Überschrift „Kunst- und Satirefreiheit“ beschreibt. Für ihn ist es fernliegend, dass der Antragsgegner sich einzelne Wörter oder Satzteile aus dem Gedicht losgelöst von diesem (satirischen) Kontext zu eigen machen will. Das mehrere Absätze vor dem „P.S“ des Artikels / offenen Briefes referierte Wort „Ziegenficker“ wird beispielhaft verwendet und ermöglicht dem Antragsgegner nur die oben genannte Auseinandersetzung. Einen direkten Bezug zwischen diesem Wort und der im Postskriptum enthaltenen Aussage stellt der Antragsgegner nicht her. Auch aus der Formulierung „vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz“ geht für den Durchschnittsleser hervor, dass der Antragsgegner sich auf das Gedicht als Ganzes und den (Gesamt-)Kontext bezieht und keinen hiervon isolierten Bezug zu einem mehrere Absätze zuvor genannten Wort herstellen will, d.h. den Antragsteller nicht losgelöst hiervon als „Ziegenficker“ bezeichnen will.
27III.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
29Rechtsbehelfsbelehrung
30A) Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, oder dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
31Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
32Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen bei dem Landgericht Köln oder dem Oberlandesgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
33B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.