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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.172,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.9.2011 zu bezahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 651,80€ zu bezahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin, ein liechtensteinisches Versicherungsunternehmen, nimmt den Beklagten auf Zahlung aus einer Kostenausgleichsvereinbarung (KAV) in Anspruch.
3Der Beklagte stellte unter dem 28.6.2009 über einen Vermittler bei der Klägerin einen Antrag auf eine fondsgebundene Rentenversicherung und – in demselben entsprechend überschriebenen Formular – zugleich einen Antrag auf eine Kostenausgleichsvereinbarung (Bl. 6 ff d.A.). Unter der Überschrift: „E) Weitere Angaben zum Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung (separate Kostentilgung)“ heißt es dort:
4„Die Bezahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten erfolgt separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen. Die Fälligkeit der Zahlungen richtet sich nach § 2 der allgemeinen Vertragsbedingungen. Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung.“
5Die Abschlusskosten sind im folgenden dort mit 7.245,- € und die Einrichtungskosten mit 9.660,- € angegeben. Der sich daraus ergebende und ausgewiesene Gesamtbetrag von 16.905,- € sollte in 48 Monatsraten in Höhe von jeweils 352,19 € erfolgen.
6Am 19.7.2009 erhielt der Beklagte den Versicherungsschein (Bl. 122 ff d.A.) und die KAV-Urkunde (Bl. 126 d.A.). Vom 1.8.2009 bis zum 1.5.2011 zahlte der Beklagte monatlich 500,- € (147,81 € Versicherungsprämie + 352,19 € Kosten), d.h. insgesamt 10.500,- € an die Klägerin und stellte sodann weitere Zahlungen ein.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.9.2011 (Bl. 52 ff d.A.) erklärte der Beklagte unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich von ihm ausgesprochene Kündigung der Versicherung vorsorglich den Widerruf seiner auf Abschluss der Versicherung und der KAV gerichteten Willenserklärungen, vorsorglich auch die Anfechtung der KAV wegen arglistiger Täuschung, und forderte die bis dahin geleisteten Zahlungen zurück.
8Mit Schreiben vom 23.9.2011 (Bl. 50 d.A.) teilte die Klägerin dem Bevollmächtigten des Beklagten mit, dass jener den Versicherungsvertrag nicht gekündigt habe, sondern dass mit Schreiben vom 11.4.2011 eine Beitragspause für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2011 eingeräumt worden sei; der Kläger habe die angefallenen Abschluss- und Einrichtungskosten trotz der Beitragsfreistellung weiter zu zahlen.
9Nach erfolglosen Mahnungen stellte die Klägerin den Restbetrag aus der KAV sofort fällig und forderte mit Schreiben vom 8.8.2011 (Bl. 36 d.A.) zur Zahlung eines Restbetrages von 9.172,91 € inkl. Mahnkosten bis zum 7.9.2011 auf, der nun mit der Klage geltend gemacht wird.
10Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die von ihr vertriebenen Netto-Policen mit der gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung gerade dadurch auszeichneten, dass die Kosten nicht versteckt in die Prämie eingerechnet würden. Die KAV sei wirksam und stelle insbesondere keine Umgehung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar. Sie unterliege auch nicht den Vorschriften der §§ 8, 152 VVG, weil auf die eigenständige KAV kein Versicherungsvertragsrecht anzuwenden sei.
11Sofern sich die offenen Gesamtkosten unter Abzug der geleisteten Teilzahlungen von 6.691,61 € auf restliche 10.213,39 € belaufen, wird die Differenz von der Klägerin nicht geltend gemacht.
12Die Klägerin beantragt daher
13- wie erkannt -
14Die Beklagte beantragt
15die Klage abzuweisen, sowie
16widerklagend die Klägerin zu verurteilen,
171 an ihn 10.500,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 3.10.2011 zu zahlen,
2 ihn von der Kostennote der Kanzlei T Rechtsanwälte vom 23.10.2012 in Höhe von 523,48 € freizustellen.
Die Klägerin beantragt
21die Widerklage abzuweisen.
22Der Beklagte ist der Ansicht, die separate Kostenausgleichsvereinbarung stelle ein unzulässiges Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 VVG dar und sei daher nichtig, jedenfalls aber wegen eines faktischen Ausschluss des Kündigungsrechts in Bezug auf den Versicherungsvertrag auch unwirksam nach §§ 169 VVG, 307 Abs. 1, 2 BGB. Es liege eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers vor. Die KAV stelle ferner eine überraschende Klausel nach § 305 c BGB dar und sei auch intransparent, weil dem Versicherungsnehmer nicht hinreichend deutlich gemacht werde, dass er im Falle einer Kündigung des Versicherungsvertrages gleichwohl mit offenen Forderungen aus der KAV belastet werde, die die Höhe des Rückkaufswertes überschreiten könnten. Schließlich sei die KAV auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur AGB-Kontrolle von Lebensversicherungsverträgen (Rückkaufswert, Stornoabzug) unwirksam. Jedenfalls sei die Gesamtfälligkeitsregelung in § 2 Abs. 2 der Bedingungen für die KAV unwirksam.
23Der ausgesprochene Widerruf des Versicherungsvertrages und der KAV sei wirksam, da die Frist mangels einer den Anforderungen der §§ 8 Abs. 2 Nr. 2, 152 VVG genügenden Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen habe; die KAV sei Bestandteil des Versicherungsvertrages.
24Er habe daher Anspruch auf Rückzahlung der auf die Versicherung gezahlten Prämienanteile und der auf die KAV gezahlten Kostenanteile.
25Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
27Die Klage ist begründet, während sich die Widerklage als unbegründet erweist.
28I.
29Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des – insoweit nur in Höhe von 9.172,91 € verlangten – offenen Restbetrages aus der Kostenausgleichsvereinbarung, in der Kosten von insgesamt 16.905,- € enthalten sind, auf die 19 Monatsraten von insgesamt 6.691,61 € erbracht worden sind.
301.
31Diese gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung ist wirksam und auch nicht wirksam vom Beklagten widerrufen worden:
32a)
33Die Kammer schließt sich der nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (dargestellt bei Reiff, VersR 2012, 654 und Schwintowski, ZfV 2011, 96 ff und 134 ff) an, nach der eine separate Kostenausgleichsvereinbarung auch im Hinblick auf § 169 Abs. 5 VVG grundsätzlich wirksam ist, und folgt den hierfür gegebenen überzeugenden Begründungen (LG Leipzig, Urteil vom 19.4.2012, 03 S 571/11, 3 S 571/11, bei juris; LG Rostock, Urteil vom 10.8.2012 – 1 S 315/10 –, VersR 2013, 41; mit Anmerkung Frohnecke, r+s 2012, 574; jeweils mit umfangreichen Nachweisen). Es ist von der Wirksamkeit derartiger separater Vereinbarung bei „Nettopolicen“ auszugehen, weil bereits in der Gesetzesbegründung zum VVG (BT-Drucks. 16/3945) zugrunde gelegt wird, dass eine gesonderte, nicht zwangsläufig das Schicksal des Versicherungsvertrages teilende Kostenausgleichsvereinbarung möglich ist. Der Gesetzgeber hat von der Regelung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG, nach der für den Fall, dass die Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien vereinbart wurde, die Abschluss- und Vertriebskosten bei einer frühzeitigen Kündigung des Versicherugnsvertrages nur anteilig bei der Ermittlung des Rückkaufswertes berücksichtigt werden dürfen, bewusst den Fall ausgenommen, dass die Abschlusskosten gesondert und ohne Verrechnung mit den Prämien gezahlt werden. Wegen der durch die gesonderte Vereinbarung entstehenden Transparenz von Abschlusskosten und Prämien bzw. der Ermittlung des Rückkaufswertes hat der Gesetzgeber unter Verweis auf andere gesetzlich geregelte Fälle wie den Maklervertrag, in denen die Kosten unabhängig davon, wie lange der „Hauptvertrag“ läuft, entstehen, die von der Klägerin gewählte Variante bewusst in Kauf genommen. Eine Umgehung des § 169 Abs. 5 VVG liegt daher grundsätzlich nicht vor.
34Auch vorliegend wurden die Abschluss- und Einrichtungskosten in dem Versicherungsantrag unter deutlichem und auch drucktechnisch durch Fettdruck gervogehobenem Hinweis darauf, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt, mit insgesamt 16.905,- € ausgewiesen, so dass sie für den Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses klar und deutlich zu erkennen waren, so dass keinesfalls von einer mangelnden Transparenz gesprochen werden kann.
35Die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen stellen auch keinen faktischen Ausschluss des Kündigungsrechts hinsichtlich des Versicherungsvertrages und keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten dar. Die gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung hat zwar insbesondere in Fällen einer kurzen Laufzeit der Versicherung erhebliche Kostennachteile, führt dem Versicherungsnehmer aber andererseits leicht erkennbar vor Augen, dass der Versicherungsvertrag gerade hinsichtlich der Kosten eine „äußerst teure Angelegenheit“ (LG Rostock aaO.) ist. Wenn ihm aber die Vertragskosten derart deutlich vor Augen geführt werden, obliegt es dem potentiellen Versicherungsnehmer zu kalkulieren, ob der Abschluss eines solchen Vertrages wirtschaftlich sinnvoll ist. Im Hinblick auf die im Antrag deutlich vorgenommene Trennung zwischen Versicherungsantrag und Antrag auf Abschluss der KAV und dem hervorgehobenen Hinweis auf deren Selbständigkeit ist den Anforderungen an die Transparenz genügt. Eine überraschende Klausel liegt nicht vor, da jeder Versicherungsnehmer davon ausgehen muss, dass mit Abschluss einer Versicherung auch Kosten entstehen, die etwa einer Maklerprovision vergleichbar sind und auch bei späterem Wegfall des Hauptvertrages zu entrichten sind, worauf in dem vorliegend verwendeten Antragsformular ausdrücklich hingewiesen wird.
36Die vertraglich vereinbarte Fälligstellung des offenen Restbetrages bei Verzug mit zwei Raten stellt ebenfalls keine unangemessene Benachteiligung des Kunden, dem im Wege eines Entgegenkommens seitens der Klägerin die ratenweise Zahlung der Kosten ohne Zinsen eingeräumt worden ist, dar.
37Sofern der Beklagte sich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Rückkaufswert und Stornoabzug berufen will, fehlt es nach seinem eigenen Vortrag bereits an einer Kündigung des Versicherungsvertrages, der offenbar nur beitragsfrei gestellt worden ist, sodass es auf die Frage der Berechnung eines nach Kündigung auszuzahlenden Mindestrückkaufswertes und der Berücksichtigung von Abschluss- und Stornokosten hier nicht ankommt. Das dort einschlägige Zillmerverfahren findet bei der hier zugrundeliegenden Konstellation einer gesonderten Vereinbarung der Kosten gerade keine Anwendung.
38b)
39Die Kostenausgleichsvereinbarung ist auch vom Beklagten nicht wirksam widerrufen worden.
40Bei dem Versicherungsvertrag und der Kostenausgleichsvereinbarung handelt es sich um zwei getrennte Verträge, so dass die Vorschriften der §§ 8, 152 VVG auf die KAV nicht anzuwenden sind. Ein versicherungsrechtliches Widerrufsrecht besteht für die KAV, die gerade keinen Versicherungsvertrag darstellt, nicht. Auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung kann sich der Beklagte mithin nicht berufen (mit ausführlicher und zutreffender Begründung LG Leipzig aaO.)
41Ein verbraucherkreditrechtliches Widerrufsrecht besteht gleichfalls nicht, weil im Hinblick darauf, dass für die Vereinbarung monatlicher Raten keine Zinsen beansprucht werden, kein entgeltlicher Zahlungsaufschub vorliegt, sondern eine bloße Fälligkeitsregelung.
422.
43Die Klägerin hat daher Anspruch auf Zahlung der restlichen in der KAV vereinbarten Kosten nebst Verzugszinsen ab Fristsetzung zum 8.9.2011 sowie ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten auf Ersatz der vorgerichtlichen und zutreffend ermittelten Anwaltskosten.
44II.
45Die Widerklage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen steht dem Beklagten nicht zu. Die Zahlungen sind mit Rechtsgrund erfolgt, so dass ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB nicht in Betracht kommt. Ein Schadensersatzanspruch besteht gleichfalls nicht, da der Beklagte jedenfalls in dem Antrag und den Versicherungsunterlagen hinreichend auf die Selbständigkeit der KAV hingewiesen worden ist. Eine finanzielle Überforderung durch den Abschluss des Versicherungsvertrages und der KAV ist nicht dargetan. Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung durch die Klägerin sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
46III.
47Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
48Streitwert:
49Klage: 9.172,91 €
50Widerklage: 10.500,00 €
51gesamt: 19.672,91 €