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1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts J. vom
00.00.0000, Az. N01, wird für unzulässig erklärt.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die vollstreckbare Ausfertigung
des unter Nr. 1 genannten Vollstreckungstitels an den Antragsteller
herauszugeben.
3. Der Widerantrag wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren Beteiligte eines Verfahrens vor dem Amtsgericht J. zum Aktenzeichen N01. In dem dortigen Verfahren waren der hiesige Antragsteller der Antragsgegner und die hiesige Antragsgegnerin die Antragstellerin. Das Verfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000 (Anlage K1 der Antragsschrift, Bl. 6 der Gerichtsakte) beendet. Die Ziffern 1 und 2 des Tenors des Beschlusses vom 00.00.0000 lauten dabei wie folgt:
4„1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt für die Zeit vom 01.01.2008 bis einschließlich zum 31.08.2010 in Höhe von 37.508 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2011.
5Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
62. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin
7für den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 31.12.2010 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.471 €,
8für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.04.2011 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 144 € und
9für den Zeitraum vom 01.05. bis 31.12.2011 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 92 €,
10für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.08.2012 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 533 €,
11für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 31.12.2012 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 235 € und
12für die Zeit vom 01.01.2013 bis zur Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 401 €
13zu zahlen.
14Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.“
15Über das Vermögen des Antragstellers wurde mit Beschluss vom 00.00.0000 (Anl. K3 der Antragsschrift, Bl. 53 der Gerichtsakte) das Insolvenzverfahren eröffnet.
16Im Rahmen des Insolvenzverfahrens meldete die Antragsgegnerin u.a. auf Grundlage des oben bereits genannten Beschlusses des Amtsgericht J. vom 00.00.0000, Az. N01, Unterhaltsforderungen an (vgl. Anlage K4 der Antragsschrift, Bl. 54 der Gerichtsakte). Sie bezeichnete die Unterhaltsforderungen dabei als „Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“. Mit Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage K5 der Antragsschrift, Bl. 55 der Gerichtsakte) widersprach der Antragsteller der vorgenannten angemeldeten Unterhaltsforderungen der Antragsgegnerin insofern, als dass es sich dabei um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen Handlung handele. Dieser Widerspruch des Antragstellers wurde auch in die Insolvenztabelle aufgenommen (vgl. Anlage K4 der Antragsschrift, Bl. 54 der Gerichtsakte).
17Mit Beschluss vom 00.00.0000 wurde das Insolvenzverfahren beendet und aufgehoben (Anl. K6 der Antragsschrift, Bl. 56 der Gerichtsakte).
18Mit Beschluss vom 00.00.0000 wurde dem Antragsteller Restschuldbefreiung erteilt (Anl. K7 der Antragsschrift, Bl. 60 der Gerichtsakte).
19Der Antragsteller ist der Ansicht, dass seit Erlass des Beschlusses bezüglich der Restschuldbefreiung vom 00.00.0000 die Antragsgegnerin aus dem oben genannten Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000 nicht mehr vollstrecken darf.
20Ursprünglich hat der Antragsteller angekündigt zu beantragen, die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs und Überweisungsbeschluss vom 00.00.0000 des Amtsgerichts S., Az. N02 für unzulässig zu erklären und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die vollstreckbare Ausfertigung des vorgenannten Vollstreckungstitels an ihn herauszugeben.
21Mit Schriftsatz vom 00.00.0000 (Bl. 104 der Gerichtsakte) hat der Antragsteller seine angekündigten Anträge umgestellt.
22Der Antragsteller beantragt nunmehr
231. die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000, Az. N01, für unzulässig zu erklären.
242. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die vollstreckbare Ausfertigung des unter Nr. 1 genannten Vollstreckungstitels an ihn herauszugeben.
25Die Antragsgegnerin beantragt
26die Anträge zurückzuweisen.
27Im Wege des Widerantrags beantragt die Antragsgegnerin
28festzustellen, dass die Forderungen aus dem Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000, Az. N03, aus dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bestehen.
29Der Antragsteller beantragt
30den Antrag zurückzuweisen.
31Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
32II.
33Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und begründet. Der Widerantrag der Antragsgegnerin ist bereits unzulässig.
341.
35Der Antrag des Antragstellers ist zulässig.
36§ 767 ZPO ist die statthafte Antragsart. Der Antragsteller macht als Einwendung gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000, Az. N04, titulierten Forderungen der Antragsgegnerin geltend, dass ihm mit Beschluss vom 00.00.0000 die Restschuldbefreiung erteilt wurde.
37Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin mit dem verfahrensgegenständlichen Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000, Az. N04, einen vollstreckbaren Titel in den Händen hält und bisher dem Antragsteller kein Anerkenntnis der Befriedigung ausgestellt hat.
38Wurde nach einem Insolvenzverfahren dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt und hat der Schuldner dem Rechtsgrund einer vorsätzlichen begangenen unerlaubten Handlung widersprochen, dann kann der Gläubiger dennoch vollstrecken; in diesem Fall muss der Schuldner daher Vollstreckungsabwehrklage erheben (vgl. Beschluss BGH v. 18.06.2020, Az. IX ZB 46/18, NJW-RR 2020, 934, zitiert nach juris.de).
392.
40Der Antrag des Antragstellers ist begründet.
41Eine Klage bzw. ein Antrag nach § 767 ZPO ist begründet, wenn dem Klage- bzw. Antragsbefugten eine Einwendung zusteht und der Beklagte bzw. Antragsgegner passivlegitimiert ist (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 767 ZPO, Rn. 11).
42An der Passivlegitimation der Antragsgegnerin bestehen vorliegend keine Bedenken.
43Vorliegend kann der Antragsteller gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts J. vom 00.00.0000, Az. N04, titulierten Forderungen die Einwendung geltend machen, dass ihm mit Beschluss vom 00.00.0000 Restschuldbefreiung erteilt wurde.
44Die von der Antragsgegnerin angemeldeten Forderungen zur Insolvenztabelle sind auch nicht von der Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen. Zwar sind gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, nicht berührt. Die Antragsgegnerin als Gläubigerin hat es jedoch während des Insolvenzverfahrens versäumt, nach dem Widerspruch des Antragstellers einen Antrag auf Feststellung, dass es sich bei den von ihr angemeldeten Forderungen um „Forderungen aus einer aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ handelt, zu stellen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin oblag es nicht dem Antragsteller als Schuldner, seinen Widerspruch gegen die Anmeldung der Forderungen als „Forderungen aus einer aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ zu verfolgen. Vielmehr oblag es der Antragsgegnerin als Gläubigerin, den Widerspruch des Antragstellers aus der Insolvenztabelle zu beseitigen, um die von ihr angemeldeten Forderungen von der Wirkung des § 302 Nr. 1 InsO erfassen zu lassen. Denn hat der Schuldner allein dem seitens des Gläubigers angemeldeten Grund der Schuld widersprochen, obliegt es dem Gläubiger der Forderung, den Schuldnerwiderspruch zu beseitigen (vgl. Schumacher, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, § 184 Rn. 8c; Achelis/Schemmerling in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Restschuldbefreiung, Rn. 228; Sternal, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019, § 302 Rn. 38 m.w.N.).
453.
46Der Widerantrag ist unzulässig.
47Der Feststellungsantrag, dass eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung als „Forderung aus einer aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung“ zu behandeln ist, nachdem der Schuldner allein der Einstufung als „Forderung aus einer aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung“ widersprochen hat, ist nicht fristgebunden (vgl. Urteil BGH v. 08.01.2009, Az. IX ZR 124/08, NZI 2009, 189).
48Der Antragsgegnerin fehlt es jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn dem Antragsteller wurde mit Beschluss vom 00.00.0000 Restschuldbefreiung erteilt. Könnte die Antragsgegnerin als Gläubigerin auch nach Erlass der Restschuldbefreiung über den Weg einer Feststellungsklage erreichen, dass Forderungen nicht unter § 301 InsO fallen, sondern unter § 302 Nr. 1 InsO, würde dies für den Schuldner eine erhebliche Härte bedeuten; denn trotz Erfüllung aller seiner sich aus dem Insolvenzverfahren ergebenden Verpflichtungen wäre der Schuldner der Gefahr ausgesetzt, dass auch nach der Restschuldbefreiung unerwartet Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden (so auch Urteil des OLG Hamm v. 14.12.2018, Az. 7 U 58/17, MDR 2019, 446, zitiert nach juris.de, dort Rn. 34). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin als Gläubigerin es während des gesamten Insolvenzverfahrens es unterlassen hat, den Widerspruch des Antragsgegners gegen die von ihr angemeldete Forderung zu beseitigen, wäre dies für den Antragsgegner als Schuldner nach der Restschuldbefreiung eine unzumutbare Härte.
49III.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
51Der Verfahrenswert wird auf bis 65.000,- EUR festgesetzt.