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Zwar kann der ausgleichsverpflichtete Ehegatte gem. § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine für das Anrecht im Ausland entstehende Steuerlast als vergleichbare Aufwendung im Sinn der Vorschrift abziehen (BGH NJW-RR 2019, 385). Jedoch ist durch das Gericht von Amts wegen zu ermitteln, ob der ausgleichsverpflichtete Ehegatte die Zahlungen an den Ausgleichsberechtigten nach ausländischem Steuerrecht (hier Kanada) als Sonderausgabe abziehen kann. Die Feststellungslast für die Unsicherheit bei der Ermittlung der Abzugsfähigkeit der Zahlungen nach ausländischem Steuerrecht trägt der Ausgleichsverpflichtete.
1.Der Antragsgegner wird verpflichtet an die Antragstellerin beginnend ab dem 0 eine monatliche Rente in Höhe von 4.658 € + 174,26 € zu zahlen.
2.Der Antragsgegner wird verpflichtet seinen Anspruch auf Rentenzahlung gegen die X in Höhe von monatlich 4.658 € an die Antragstellerin abzutreten und zwar ab dem ersten vollen Monat, der auf die Rechtskraft dieses Beschlusses folgt.
3.Der Antragsgegner wird verpflichtet seinen Anspruch auf Rentenzahlung gegen die Y in Höhe von monatlich 174,26 € an die Antragstellerin abzutreten und zwar ab dem ersten vollen Monat, der auf die Rechtskraft dieses Beschlusses folgt.
4.Der Antragsgegner wird verpflichtet für die rückständigen Rentenzahlungen von a bis z an die Antragstellerin 86.980,68 € zu zahlen.
5.Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
6.Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu je 1/2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
7.Der Gegenstandswert wird auf 15.800 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten sind durch Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vomx.x.2004, Az. xxx geschieden worden. Für den Beschluss und insbesondere die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wird auf Bl. 2-8 d.A. verwiesen.
4Zwei Anrechte aus betrieblicher Altersvorsorge bei der X Versorgungskasse sind im Wege des erweiterten Splittings teilweise in Höhe von insgesamt 46,90 Euro ausgeglichen worden.
5Im Übrigen ist der schuldrechtliche Ausgleich der Anrechte vorbehalten worden.
6Beide Beteiligten beziehen mittlerweile Altersrente, der Antragsgegner auch aus den dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehaltenen Anrechten.
7Mit Antrag vom y hat die Antragstellerin beantragt, den Ausgleich der vorbehaltenen Anrechte durchzuführen. Die Zustellung ist am y durch Einschreiben mit Rückschein an den in Kanada lebenden Antragsgegner ausgeführt worden. Der Rückschein ist nicht bei Gericht eingegangen. Auch die Onlinesendungsverfolgung gibt kein Zustellungsdatum. Die Antragsgegnervertreterin hat sich bezogen auf den Antrag mit Schriftsatz vom z bestellt.
8Für die eingeholten Auskünfte wird in der letzten korrigierten Fassung auf Bl. 142 ff. d.A. sowie für die zugrundeliegenden Berechnungen auf Bl. 159 f. d.A. verwiesen.
9Die Antragstellerin beantragt,
10den Antragsgegner zur Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu verpflichten, an sie rückwirkend seit 0 eine Rente in Höhe von 174,26 EUR + 4.658,02 EUR zum Ausgleich der bestehenden Rentenversicherung bei der YYY (Y01) zu bezahlen.
11den Antragsgegner zu verpflichten die oben genannten Renten an sie abzutreten.
12Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag zurückzuweisen.
14Der Antragsgegner behauptet, er müsse die Betriebsrente in Kanada versteuern. Er könne eine schuldrechtliche Ausgleichsrente zugunsten seiner Ehefrau in Kanada nicht steuerlich einkommensmindernd geltend machen.
15II.
16Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung der im Tenor zu Ziff. 1 bezifferten Rente gem. § 20 Abs. 1 VersAusglG.
17Nach dieser Vorschrift kann die ausgleichsberechtigte Person von der ausgleichspflichtigen Person den Ausgleichswert als Rente verlangen, wenn diese eine laufende Versorgung aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht bezieht.
18Der Antragsgegner bezieht eine Rente aus den Anrechten bei der YYY, hinsichtlich derer der schuldrechtliche Ausgleich vorbehalten worden ist.
19Hinsichtlich des Anrechts bei der xxx ergibt sich der Ausgleichswert aus folgender Berechnung:
20Zu teilendes Anrecht: : XXX
21Höhe der Rente: 9.434,14 Euro
22Nominalwert des dinglichen Teilausgleichs: . . 46,90 Euro
23Nach heutiger Kaufkraft 46,90 Euro x (34.19 / 25.3141) 63,34 Euro
24Davon entfallen auf dieses Anrecht 59,05Euro
25Ehezeitanteil: . . . . . . . . . . 9.434,14 Euro
26Ausgleichswert: 9.434,14 Euro/2 - 59,05 Euro = 4.658,02 Euro
27Hinsichtlich des Anrechts bei der XXX ergibt sich der Ausgleichswert aus folgender Berechnung:
28Zu teilendes Anrecht: : XXX
29Höhe der Rente: . . . . . . . . . . 357,09 Euro
30Nominalwert des dinglichen Teilausgleichs: . . 46,90 Euro
31Nach heutiger Kaufkraft 46,90 Euro x (34.19 / 25.3141) 63,34 Euro
32Davon entfallen auf dieses Anrecht 4,29 Euro
33Ehezeitanteil: . . . . . . . . . . 9.434,14 Euro
34Ausgleichswert: 357,09 Euro/2 - 4,29 Euro = 174,26 Euro
35Steuern sind hiervon nicht in Abzug zu bringen. Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Zahlung der Geldrente vor Abzug von Steuern (Norpoth/Sasse in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 20 VersAusglG, Rn. 14), da der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Rentenleistung als Einkünfte versteuern muss und der Ausgleichsverpflichtete die Rentenzahlung als Sonderausgaben nach § 10 Absatz 1a Nummer 4 EStG von seinen steuerbaren Einkünften abziehen kann. Der Antragsgegner kann auch in Kanada zu zahlende Steuern nicht gem. § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG von der Geldrente in Abzug bringen. Diese Vorschrift erlaubt den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen oder vergleichbaren Aufwendungen. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können ausländische Steuern als vergleichbare Aufwendungen dann von der zu zahlenden Rente abgezogen werden, wenn die Rentenzahlung durch die ausgleichsverpflichtete Person im Ausland versteuert werden muss, ohne dass sie eine dem deutschen Recht entsprechende Abzugsmöglichkeit hätte (BGH NJW-RR 2019, 385, Rn. 16).
36Auch nach Ausschöpfung der zur Amtsermittlung verfügbaren Quellen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Antragsgegner den auf die Rentenzahlung an die Antragstellerin entfallenden Teil der Betriebsrente in Kanada versteuern muss. Dabei kann es dahinstehen, ob der Antragsgegner für eine Besteuerung in Deutschland optieren könnte, da selbst bei einer unbeschränkten Steuerpflicht in Kanada die Rentenzahlung gem. § 20 Abs. 1 VersAusglG abzugsfähig wären.
37Die zu "support payments" durch die kanadische Steuerbehörde veröffentlichte Richtlinie
38(https://www.canada.ca/content/dam/cra-arc/formspubs/pub/p102/p102-21e.pdf) lässt darauf schließen, dass auch die Ausgleichszahlungen gem. § 20 I VersAusglG in Kanada abzugsfähig sind.
39Dabei macht es nach den dort aufgeführten Regeln keinen Unterschied, ob der Empfänger der Leistungen in Kanada oder im Ausland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies ergibt sich aus S. 13 der Richtlinie, Bl. 192 d.A. unter der Überschrift "Payer". Dort heißt es, der Schuldner müsse keine Steuer einbehalten und könne unter den allgemeinen Voraussetzungen die Zahlungen von seinen Einkünften absetzen.
40Die für die Abzugsfähigkeit bestehenden Voraussetzungen (Vgl. Bl. 4f., 7 der vorgenannten Richtline, Bl. 183f., 186 d.A.) liegen vor:
411) Die Zahlungsverpflichtung beruht auf einer gerichtlichen Entscheidung, nämlich auf dem vorliegenden Beschluss.
422) Die Beteiligten sind ehemalige Ehegatten und leben aufgrund der Zerrüttung der Beziehung getrennt.
433) Die Zahlungen dienen der Unterstützung [support] des Empfängers. Dem kanadischen Recht ist der Versorgungsausgleich grundsätzlich fremd. Allerdings dient der Versorgungsausgleich der Deckung des Bedarfs der ausgleichsberechtigten Person und macht damit die Geltendmachung von nachehelichem Unterhalt gegen die ausgleichsverpflichtete Person nach Renteneintritt obsolet. Insoweit ist davon auszugehen, dass auch die kanadischen Steuerbehörden die Rentenzahlungen gem. § 20 VersAusglG als Unterstützungsleistung qualifizieren werden. Jedenfalls bestehen keine Erkenntnismöglichkeiten für das Gericht, die darauf schließen ließen, dass kanadische Steuerbehörden oder -gerichte den Abzug nicht anerkennen würden. Das Gericht hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage erwogen, ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erkenntniswert eines solchen Gutachtens über die Feststellung nicht hinausgehen wird, dass fraglich ist, ob die Zahlungen gem. § 20 I VersausglG als support payment zu qualifizieren sind. Eine gutachterliche Auffassung zu dieser Frage führt aber nicht weiter. Letztlich können diese Frage nur die kanadischen Steuerbehörden und -gerichte klären. Ein Sachverständigengutachten ist damit untauglich die bestehende Unsicherheit aufzuklären.
444) Die Zahlungen erfolgen periodisch, nämlich monatlich.
455) Die Zahlungen erfolgen direkt an die Antragstellerin.
466) Die Zahlungen stehen zur freien Verfügung der Antragstellerin.
47Ergänzend führt die Richtlinie (Bl. 187 d.A.) die "tax rules for court orders [...] made after April 1997" auf. Danach sind Zahlungen durch den Empfänger zu versteuern und durch den Zahler abzuziehen, wenn der zu zahlende Betrag genau in dem Gerichtsbeschluss bezeichnet ist. Auch diese Voraussetzung erfüllt der vorliegende Beschluss.
48Die mit der Anwendung des ausländischen Steuerrechts durch die kanadischen Behörden zwingend verbundene Unsicherheit kann nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Ob die Steuerbehörde den Abzug der Versorgungsausgleichsrente bei den kommenden Steuererklärungen des Antragsgegners akzeptieren wird, ist für das hiesige Verfahren eine Tatsachenfrage. Nach den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast, welche auch als Feststellungslast im Amtsermittlungsverfahren gelten (Keidel/Sternal § 29 FamFG, Rn. 43), gehen Unsicherheiten in der Tatsachenbewertung zu Lasten desjenigen, für den die Norm günstig ist, deren Tatbestandsmerkmale von der Unsicherheit behaftet sind. Die Abzugsmöglichkeit des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG ist eine dem Antragsgegner günstige Vorschrift. Kann die Amtsermittlung nicht belegen, dass die kanadische Steuerlast eine unvermeidbare Aufwendung ist, so kann der Antragsgegner den Abzug nicht für sich in Anspruch nehmen. Darüber hinaus hat die Antragstellerin keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Besteuerung. Zöge man die Steuern fiktiv vor Klärung der kanadischen steuerrechtlichen Frage ab, hätte der Antragsgegner keinerlei Interesse mehr, sich für die Abzugsfähigkeit gegenüber der kanadischen Steuerbehörde einzusetzen.
49Die eingereichten Unterlagen des Antragstellers lassen im Übrigen darauf schließen, dass er sehr wohl entgegen des eigenen Vortrags Unterhaltszahlungen an die Antragsgegnerin bereits steuerrechtlich in Kanada erfolgreich geltend macht. Nach den durch den Antragsgegner eingereichten Formularen, die er als Steuerbescheid 2020 bezeichnet, sind auch nach kanadischem Recht "support payments" abzugsfähig (Bl.l 4 des "Bescheids" von 2020, Anlage AG1, Bl. 168 d.A.). Der Antragsgegner macht hiervon auch in Höhe von 43.240,65 CAD Gebrauch. Aus der entsprechenden Anlage, Bl. 173 d.A. ergibt sich, dass der Antragsgegner für Unterhalszahlungen an die Antragstellerin 2020 in Höhe von 14.440,65 CAD in Abzug gebracht hat und diese vollständig einkommensmindernd wirken. Insoweit greift auch der Einwand des Antragsgegners nicht, er könne die Unterhaltsleistungen nicht abziehen, wenn die Antragsgegnerin diese nicht in Kanada versteuere. Tatsächlich praktiziert er genau diesen steuerlichen Abzug bereits. Ebenso bestehen bei der Korrespondenz mit den kanadischen Steuerbehörden (Anlage AG 4, Bl. 213f d.A.) keine Anhaltspunkte, dass Zahlungen an die Antragsgegnerin nicht abzugsfähig wären. Im Gegenteil gibt die kanadische Steuerbehörde Unterlagen an, die für den Abzug eingereicht werden sollen. Angaben, ob und wie die Antragsgegnerin die Zahlungen versteuert, gehören nicht zu den angeforderten Unterlagen.
50Rückständige Rente hat der Antragsgegner ab 0 zu zahlen. Die Zahlungsverpflichtung beginnt mit Verzug, §§ 20 Abs. 3 VersAusglG, 1585 Abs. 3 BGB. Mangels Rückschein lässt sich eine Zustellung vor dem Schriftsatz der Antragsgegnervertreterin vom 0 nicht feststellen. Analog § 1613 I 2 BGB ist die Rente ab dem Monatsersten an die Antragstellerin zu zahlen.
51Der Anspruch auf Abtretung der Rentenansprüche für die Zukunft ergibt sich aus § 21 Abs. 1 VersAusglG.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligten an den Verfahrenskosten hälftig beteiligen, da die Klärung der komplexen Rechtsfrage im Interesse beider Beteiligter steht.
53Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 1 S. 1 2.Hs. FamGKG. Für den Antragsgegner wurde ein Monatsnetto von (0 x 0 / 12) = 12.166 € und für die Antragstellerin von 1.000€ angenommen.
54Es ergeben sich 2 x 20% x 3 x 13.166 € = 15.800 €.
55Rechtsbehelfsbelehrung:
56Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bergisch Gladbach, Schloßstr. 21, 51429 Bergisch Gladbach schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
57Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bergisch Gladbach eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
58Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
59Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln - eingegangen sein.
60Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.