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1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 702,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2021 zu zahlen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
23 C 173/21 |
Verkündet am 18.02.2022 X Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Amtsgericht BergheimIM NAMEN DES VOLKESUrteil
3In dem Rechtsstreit
4G, vertr. d. X, Y, Z
5Klägerin,
6Prozessbevollmächtigte: X, Y, Z,
7gegen
8G, vertreten durch den Vorstand, Y, Z
9Beklagte,
10Prozessbevollmächtigte: G,X, Y
11hat das Amtsgericht Bergheim im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 31.01.2022 durch die Richterin am Amtsgericht X
12für Recht erkannt:
131.
14Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 702,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2021 zu zahlen.
152.
16Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
173.
18Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
19Tatbestand
20Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 21.03.2018 in Z geltend.
21Die Klägerin ist ein Autovermietungsunternehmen. Anlass der Vermietung war ein Verkehrsunfall vom 21.03.2018 in Pulheim. Zur Überbrückung der unfallbedingten Ausfallzeit des unfallbeschädigten Fahrzeugs benötigte die Kundin der Klägerin ein Mietfahrzeug.
22Das Fahrzeug des Unfallgegners der Kundin der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Haftung dem Grunde nach ist dahingehend unstreitig, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 100 % haftet.
23Das Mietfahrzeug wurde vom 23.03. bis zum 29.03.2018 gemietet. Es wurde eine Vollkaskoversicherung mit 150,00 € Selbstbeteiligung vereinbart (Mietvertrag vom 23.03.2018,Bl. 13 d.A.). Dieses wurde von der Klägerin mit Rechnung vom 05.04.2018 über 897,39 € in Rechnung gestellt.
24Unter dem 23.03. 2018 schloss die Klägerin mit ihrer Kundin eine Abtretungsvereinbarung (vgl. Bl. 14 d.A).
25Die Mietwagenkosten wurden vorfinanziert und eines wurde eine flexible Mietdauer vereinbart.
26Mit Schreiben vom 26.04.2018 unter Fristsetzung bis zum 03.05.2018 wurde die Beklagte gemahnt.
27Der Unfallhergang und die alleinige Haftung der Beklagten sind zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist die Erstattungsfähigkeit von Mietwagen- und Rechtsanwaltskosten.
28Die Klägerin bezifferte ihren Schaden wie folgt:
29restliche Mietwagenkosten 702,82 € (897,39 € - Zahlung i.H.v. 194,57 € )
30Zur Vermeidung eines Prozessrisikos beschränkt sich die Klägerin grundsätzlich darauf, die erforderlichen Mietwagenkosten auf Basis des arithmetischen Mittels aus Schwacke und Fraunhofer, nach 1 Tag, 3 Tagen und Wochen zuzüglich eines 20-prozentigen Aufschlags für unfallbedingte Mehrleistungen einzuklagen, Nebenkosten nach dem arithmetischen Mittel aus der Schwacke-Liste. Dies ist jedoch im konkreten Schadensfall nicht möglich, da Fraunhofer in der Erhebung 2018 (und folgenden) keine Preise der Fahrzeuggruppe 1 im PLZ Gebiet 53 und vielen anderen erhoben hat. Daher wurde in diesem Schadensfall mangels einer Anknüpfungsgrundlage allein die Schwacke-Liste zugrunde gelegt.
31Hinsichtlich der Berechnung wird auf Bl. 8 d.A. verwiesen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 702,82 € nebst Zinsen seit dem 04.05.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Die Beklagte behauptet, die Geschädigte hätte auch problemlos ein Fahrzeug der Gruppe 1 für 7 Tage zu einem Preis von unter 340,00 € anmieten können. Insoweit verweist die Beklagte auf Screenshots drei großer Autovermietungen (vgl. Bl. 24 ff d.A.).
37Die Beklagte ist der Ansicht, hinsichtlich des den ausgeglichenen Betrag überschießenden Betrages fehle es an der „Erforderlichkeit“. Der geltend gemachte Zuschlag von 20 % stehe der Klägerin (Geschädigten) nicht zu. Die Klägerin müsse sich einen Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen von 10 % gefallen lassen. Zugrunde zu legen seien die Fraunhofer-Werte des Jahres 2017. Die geltend gemachten Zusatzkosten stünden der Klägerin nicht zu.
38Die Klage wurde der Beklagten am 16.08.2021 zugestellt.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gelangten Anlagen verwiesen.
40Entscheidungsgründe
41Die Klage ist zulässig und begründet.
42I.
43Dem Kläger steht aus § 7 StVG, § 115 VVG ein Anspruch auf Erstattung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 702,82 € zu.
44Die Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 21.03.2018 dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
45Grundsätzlich darf der Geschädigte zum Ausgleich der unfallbedingt verlorenen Nutzungsmöglichkeit seines Wagens für die Dauer der notwendigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Der Umfang dieses Anspruches bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an dem Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dieser kann nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot dabei für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen (BGH, Urteil vom 14.02.2006 - VI ZR 126/05, juris Rdn. 5; Urteil vom 14.10.2008 - VI ZR 308/07, juris Rdn. 9; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, § 249 BGB Rdn. 187 ff. m.w.Nw.).
46Da vorliegend nicht diejenigen Kosten geltend gemacht werden, die in der Rechnung vom 05.04.2018 ausgewiesen sind, ist für die Bestimmung der erforderlichen Mietkosten auf die objektive Marktlage abzustellen. Entscheidend ist, zu welchen Bedingungen die Kundin der Klägerin in Pulheim einen Mietwagen erlangt hätte, wenn sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen und sich über die örtlich zugänglichen Mietwagenangebote unterrichtet hätte.
47Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des örtlich und zeitlich gegebenen Mietwagenangebots ist Aufgabe des gemäß § 287 Abs. 1 zur Schadensschätzung berufenen Tatrichters. Die Art der Schätzung gibt § 287 ZPO nicht vor.
48Nach obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich auch das Oberlandesgericht Köln angeschlossen hat und von der abzuweichen das Amtsgericht keine Veranlassung hat, ist der Schätzung das arithmetische Mittel zwischen dem Fraunhofer Marktpreisspiegel und dem Schwacke Mietpreisspiegel zugrunde zu legen.
49Diese Rechtsprechung kann jedoch nur zur Anwendung gebracht werden, wenn in der relevanten Fahrzeugklasse auch in beiden Listenmietpreise erhoben worden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Fraunhofer Mietspiegel enthält für die Klasse, zu der das hier verunfallte und angemietete Fahrzeug gehören keine Daten (vgl. LG Frankfurt am Main, 18.10.2019, 2-15 S 97/19).
50Unter diesen Umständen greift auch das hiesige Gericht allein auf die Schwacke-Liste zurück.
51Die Mietwagenkosten für ein Fahrzeug der Klasse1 betragen nach der Schwacke-Liste pro Woche 489,06 €.
52Der geltend gemacht Aufschlag von 20 % steht der Klägerin ebenfalls zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die Zubilligung eines pauschalen Aufschlags davon ab, ob die Mehrkosten auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst wurden. Einen solchen unfallspezifischen Kostenfaktor kann die Vorfinanzierung des Mietpreises darstellen, wenn der Geschädigte weder zum Einsatz einer Kreditkarte noch zu einer sonstigen Art der Vorleistung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870) (OLG Köln Urt. v. 16.6.2015 – 15 U 220/14, BeckRS 2016, 6499 Rn. 15, beck-online). Vorliegend wurden die Mietwagenkosten von der Geschädigten vorfinanziert und eine flexible Mietdauer vereinbart. Dies führte zu unfallbedingten Mehrleistungen.
53Hinzu kommen als anerkannter Teil des Erstattungsanspruchs Nebenkosten. Als Nebenkosten sind zunächst erstattungsfähig die Kosten betreffend die Haftungsreduzierung auf unter 500 €. Die Kosten für die Haftungsreduzierung betragen ausweislich der Schwacke-Liste 2018 18,09 € pro Tag, also insgesamt 126,63 €.
54Die Kosten für die Winterreifen belaufen sich auf 10,17 € pro Tag, also insgesamt 71,19 €. Die Kosten für Zustellung und Abholung belaufen sich auf jeweils 28,70 € (insgesamt also 57,40 €). Die Zustellung und Abholung waren ausweislich des Mietvertrags vom 23.03.2018 zwischen der Klägerin und der Geschädigten vereinbart.
55Die Kosten für den Zusatzfahrer belaufen sich auf 11,66 € pro Tag, also insgesamt 81,62 €. Ausweislich des Mietvertrages wurde der Zusatzfahrer aufgenommen.
56Einen Abzug wegen ersparter Aufwendungen sieht das Gericht bei einer Nutzung von gerade einmal 7 Tagen nicht als angezeigt an, zumal die Geschädigte eine niedrigere Fahrzeugklasse angemietet hat.
57Der ersatzfähige Schaden beläuft sich somit insgesamt auf 923,71 €. Abzüglich der bereits von der Beklagten gezahlten 194,57 € verbleibt ein ersatzfähiger Restbetrag von 702,82 €.
58Die Beklagte hat auch keine deutlich günstigeren Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufgezeigt. Die vorgelegten Internetangebote (Screenshots) betreffen einen Zeitpunkt, der über 3 Jahre nach dem Unfall liegt. Bereits wegen dieses erheblichen Zeitablaufs lassen sich keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Anmietpreise im März 2018 ziehen. Hinzu kommt, dass völlig ungewiss ist, ob die abgebildeten Fahrzeuge zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt verfügbar waren. Im Übrigen ist auch unklar, ob die Anzeigen Angebote im Sinne des § 145 BGB darstellen oder es sich bei diesen jeweils um eine invitatio ad offerendum handelt, deren Verfügbarkeit erst bei endgültiger Buchung im System geprüft wird.
59Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.
60II.
61Der Klägerin stehen auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Der entsprechende Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288 Abs.1, 291 BGB.
62III.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO
64Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.11, 711 ZPO.
65Streitwert: 702,82
66Rechtsbehelfsbelehrung:
67A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
681. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
692. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
70Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
71Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
72Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
73Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
74B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bergheim statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bergheim, Kennedystr. 2, 50126 Bergheim, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
75Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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