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Die Klage wird abgewiesen
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der als selbständiger Vermögensberater tätige Kläger ist seit 1982 unter der Versicherungsnummer N01 bei der seinerzeit noch unter M. firmierenden Beklagten krankentagegeldversichert; seit dem 01.01.2012 in den Tarifen ETS28 und ET. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf die Tarifbedingungen des Tarifs ETS28 (Anlage K1 = Bl. 11 ff. d.A.), des Tarifs ET (Bl. 23 ff. d.A.) und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen RB/KT 2009 und TB/KT 2009 (Anlage BLD 1 = Bl. 109 ff. d.A.) verwiesen. Die Parteien haben in § 4 RB/KT 2009 und § 3a TB/KT 2009 folgendes geregelt:
3§ 4 RB/KT 2009:
4(4) Sinkt das durchschnittliche Nettoeinkommen der versicherten Person in einem Zeitraum von 12 Monaten unter die Höhe des dem Vertrage zugrunde gelegten Nettoeinkommens, kann der Versicherer, auch wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, das Krankentagegeld und den Beitrag entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen.
5- […]
6- Für selbstständig Tätige ist das letzte abgelaufene Kalenderjahr vor Kenntniserlangung des Versicherers der maßgebende Zeitraum. Ist bei Kenntniserlangung des Versicherers bereits Arbeitsunfähigkeit eingetreten, ist auf das letzte abgelaufene Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit als maßgebenden Zeitraum abzustellen.
7§ 3a TB/KT 2009:
8(2) Selbstständige
9a) Gewerbetreibende
10Als Nettoeinkommen von Gewerbetreibenden gelten - die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG
11- abzüglich der unter Zugrundelegung des Durchschnittssteuersatzes für diese Einkünfte zu zahlenden Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags und
12- abzüglich der zu zahlenden Gewerbesteuer.
13Zum 01.01.2017 reduzierten die Parteien das Krankentagegeld im Tarif ETS28 auf 49,- € und im Tarif ET auf 139,- €, weil das maßgebliche Nettoeinkommen des Klägers auf 188,- €/Tag gesunken war (vgl. Schreiben der Beklagten vom 14.09.2017, Anlage BLD 15-2 = Bl. 283/284 d.A.). Aufgrund der vertraglich vereinbarten Dynamik erhöhten sich die Krankentagegelder dann zum 01.01.2019 auf 114,- € im Tarif ETS28 und auf 84,- € im Tarif ET.
14Im Jahre 2022 war der Kläger seit dem 05.01.2022 arbeitsunfähig erkrankt mit einer Unterbrechung am 18.01.2022, sowie mit Unterbrechungen vom 15.04.2022 bis zum 19.04.2022, 01.05.2022 bis zum 28.06.2022, vom 24.08.2022 bis zum 25.09.2022 und vom 27.10.2022 bis zum 20.12.2022.
15Mit Schreiben vom 28.02.2022 (Anlage K3 = Bl. 57/58 d.A.) setze die Beklagte den Krankentagegeldanspruch zum 01.04.2022 im Tarif ETS28 von 84,- € auf 47,- € und im Tarif ET von 114,- € auf 76,- € herab, nachdem ihr der Kläger auf ihre Anforderung mit Schreiben vom 20.02.2022 seine Gewinnermittlung für 2020, seinen Einkommensteuerbescheid für 2020 und seine vorläufige Gewinnermittlung für 2021 (Anlage BLD 5b = Bl. 180 ff. d.A.) übersandt hatte. Die Gewinnermittlung für 2021 wies einen Gewinn von 39.531,82 € aus; eine später übersandte Gewinnermittlung für 2021 (Anlage K8 = Bl. 64/65 d.A.) einen Gewinn von 44.691,44 €.
16Der Kläger trägt vor:
17Der Versicherungsvertrag gelte unverändert weiter. Die Beklagte habe kein Recht zu der Vertragsänderung. § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 sei intransparent und unwirksam. Es bleibe völlig unklar, was bei einem selbständigen Gewerbetreibenden wie dem Kläger das „Nettoeinkommen“ sei. Jedenfalls handele es sich dabei nicht um den Gewinn. Der von der Beklagten angebotene Pauschalansatz finde in den AVB keine Grundlage. Die Existenz der internen Abrechnungsrichtlinien bei der Beklagten belegten die Intransparenz der Klausel, da jene offenbar selbst mit deren Anwendung nicht zurechtkomme. Neben der begehrten Feststellung habe er auch Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten, welche seine Rechtsschutzversicherung bereits ausgeglichen habe. Wegen § 15a RVG könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, überdies sehe er sich bei Obsiegen Erstattungsansprüchen des Rechtsschutzversicherers ausgesetzt.
18Der Kläger beantragt,
191.)
20festzustellen, dass die unter der einheitlichen Versicherungsnummer N01 geführten beiden Krankentagegeldversicherungen des Klägers bei der Beklagten
21- nach Tarif ETS28 mit Absicherung eines Krankentagegeldes bei bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ab dem 29. Tage in Höhe von derzeit kalendertäglich 84,00 €
22- nach Tarif ET mit Absicherung eines Krankentagegeldes bei bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ab dem 43. Tage in Höhe von derzeit kalendertäglich 114,00 €
23über den 01. Mai 2022 hinaus ungekündigt in bisheriger Höhe fortbestehen;
242.)
25die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.212,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie wendet ein:
29Die Anpassung des Krankentagegeldes und der Prämie sei rechtswirksam auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 erfolgt. An sich sei das Krankentagegeld aufgrund der vom Kläger übermittelten Zahlen noch weiter zu senken gewesen, die Beklagte habe aber zu seinen Gunsten davon abweichende interne Annahmerichtlinien zugrundegelegt.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
31Das Gericht hat mit Verfügung vom 10.10.2022 (Bl. 142 d.A.) und vom 11.09.2023 (Bl. 251/252 d.A.) Hinweise erteilt.
32Entscheidungsgründe:
33Die zulässige Klage ist unbegründet.
34Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Klageantrag Nr. 1 begehrte Feststellung. Der Vertrag besteht nicht unverändert fort, weil die Beklagte ihn zu Recht nach § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 angepasst hat.
35§ 4 Abs. 4 RB/KT 2009 ist in Verbindung mit § 3a TB/KT 2009 eine wirksame Anpassungsklausel. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der BGH im Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15 § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 wegen Intransparenz für unwirksam erachtet hat. Der BGH hat in dem vorgenannten Urteil den Nettoeinkommensbegriff aber nur "ohne nähere Erläuterung" für intransparent erachtet (BGH, Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15, juris, Rn. 43). Im vom BGH entschiedenen Fall gab es keine nähere Definition des Nettoeinkommensbegriffs im Vertrag (siehe BGH, Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15, juris, Rn. 36). Davon unterscheidet sich der streitgegenständliche Vertrag, der die Klausel des § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 durch § 3a Abs. 2 TB/KT 2009 ergänzt, der den Begriff des Nettoeinkommens für Gewerbetreibende näher erläutert. Bei Verwendung einer verständlichen Definition des Nettoeinkommens ist die Klausel nicht intransparent (Schubach, r+s 2017, 169, 172).
36Die Einkünftedefinition des § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 in Verbindung mit § 3a Abs. 2 TB/KT 2009 genügt den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Maßgebend ist danach der steuerrechtliche Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermindert um die in § 3a TB/KT 2009 aufgeführten Steuern. Die Klausel stellt auf "Einkünfte" im Sinne von § 15 EStG ab. Der Begriff der Einkünfte ist in § 2 Abs. 2 S. 1 EStG legaldefiniert. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind der Gewinn (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fall 3 EStG). § 15 EStG definiert keinen von § 2 Abs. 2 EStG abweichenden Einkünftebegriff, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Das ist auch hinreichend transparent, weil der selbständige Gewerbetreibende diesen Begriff aus seiner steuerlichen Einkünfteermittlung kennt. Die vereinbarten Tarifbedingungen verwenden diesen Begriff, wie die Bezugnahme auf den § 15 EStG belegt, welcher nähere Regelungen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb enthält. Die weiteren Spiegelstriche der Tarifbedingungen regeln sodann, dass die Einkommen- und Gewerbesteuer davon noch abzuziehen sind, um das vertraglich definierte Nettoeinkommen zu berechnen. Dem kann der durchschnittliche, um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer hinreichend deutlich entnehmen, was „Einkünfte“ im Sinne von § 3a Abs. 2 TB/KT 2009 sind und wie sich damit das Nettoeinkommen eines Gewerbetreibenden nach § 4 Abs. 4 RB/KT 2009 berechnet. Auch der verwandte Begriff des „Kalenderjahres“ ist eindeutig und damit hinreichend transparent. Wenngleich die Transparenzanforderungen grundsätzlich streng sind, dürfen diese dennoch nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 212/20 = RdTW 2022, 274, 279, Rn. 47).
37Damit ist die vorgenommene Reduzierung wirksam. Insgesamt hat der Kläger nach der Verringerung noch einen Krankentagegeldanspruch von 123,- € pro Tag. Teilt man seinen Jahresgewinn von 2021 in Höhe von 44.691,44 € durch 365 folgt daraus ein Tagesgewinn von 122,44 €. Damit hat die Beklagte das Krankentagegeld jedenfalls nicht stärker reduziert als zulässig, zumal von dem Gewinn wegen § 3a Abs. 2 TB/KT 2009 eigentlich noch zu zahlende Steuern mindernd abzuziehen gewesen wären. Dass die Beklagte nach den vertraglichen Bestimmungen gehalten gewesen sein könnte, das Krankentagegeld noch stärker herabzusetzen, als sie es getan hat, führt nicht dazu, dass die erfolgte Herabsetzung unzulässig wäre. Dadurch wird der Kläger nämlich nicht benachteiligt. Daher ist es auch unerheblich, ob die Beklagte ihre internen Annahmerichtlinien zutreffend gehandhabt hat. Dabei handelt es sich um Kulanzverhalten. Auf Kulanz besteht kein Rechtsanspruch.
38Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von 1.212,61 €, welche für den Versuch seiner außergerichtlichen Durchsetzung aufgewandt worden sind. Überdies wäre der Kläger für einen solchen Ersatzanspruch nicht aktivlegitimiert. Da die vorgerichtlichen Anwaltskosten unstreitig von seinem Rechtsschutzversicherer beglichen worden sind, sind alle etwaigen Erstattungsansprüche gemäß § 86 VVG auf diesen übergegangen.
39Mangels Zahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf dessen Verzinsung.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
41Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
42Streitwert: 10.800,- €
43Die Wertfestsetzung erfolgt gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Fortbestands einer Krankentagegeldversicherung berechnet sich nach dem sechsmonatigen Bezug des Krankentagegeldes abzüglich eines Feststellungsabschlages (BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - IV ZR 477/15, juris, Rn. 10). Bei einer isolierten Klage auf Fortbestand des Vertragsverhältnisses ist nur der übliche Feststellungsabschlag von 20 % zu machen (J. in: Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Aufl. 2022, Rn. 2.5453). Ein Abschlag von 80 % ist nur dann zu machen, wenn - anders als vorliegend - zugleich Leistungen aus dem Vertrag miteingeklagt werden, weil dann eine wirtschaftliche Teilidentität der Streitgegenstände vorliegt (siehe BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - IV ZR 477/15, juris, Rn. 13, 14). Vorliegend ist nicht der Gesamtbetrag des Krankentagegeldes anzusetzen, sondern nur die Differenz, weil nicht der Fortbestand des Vertrages insgesamt, sondern nur die Höhe des vertraglich geschuldeten Krankentagegeldes im Streit steht. Die Differenz beträgt 75,-€ (37,-€ im Tarif ETS28 und 38,-€ im Tarif ET). 75,-€ x 30 x 6 x 0,8 = 10.800,-€. Anwaltskosten und Zinsen erhöhen wegen § 43 GKG, § 4 ZPO den Streitwert nicht.
44Rechtsbehelfsbelehrung zur Streitwertfestsetzung:
45Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
46Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
47Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
48Unterschrift
49Verkündet am 02.05.2024
50Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
51Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.