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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung zu der Versicherungsnummer: N01.
3Die Beklagte erhöhte den Beitrag in dem Tarif „V.“ zum 01.01.2021 um 27,51 €. Sie gewährte dem Kläger zum 01.01.2021 eine Gutschrift in Höhe eines Betrages von 53,72 €. Diese reduzierte sie zum 01.01.2022 auf einen Betrag in Höhe von 12,50 €. Die versicherungsmathematische Kalkulation steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
4Über die Beitragsänderungen zum 01.01.2021 informierte die Beklagte den Kläger vorab mittels eines diesbezüglichen Schreibens. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes der Mitteilung wird auf das undatierte Schreiben als Anlage zu der Klageerwiderung Bezug genommen (Bl. 112 f. d.A.).
5Der Kläger behauptet, die Erhöhung des Beitrages im Tarif „V.“ zum 01.01.2022 um 41,22 € stelle ebenfalls eine Beitragsanpassung dar. Der Kläger ist der Ansicht, die antragsgegenständlichen Beitragserhöhungen seien formell unwirksam. Denn die Mitteilungen der Beklagten über die „maßgeblichen Gründe“ der Erhöhungen entsprächen nicht den Anforderungen nach § 203 Abs. 5 VVG. Überdies sei in materieller Hinsicht die von der Beklagten verwendete Vorschrift des § 8b der AVB unwirksam. Zudem hätten dem Treuhänder im Hinblick auf das Prüfverfahren nicht sämtliche gesetzlich zur Überprüfung vorgesehene Unterlagen vorgelegen und das diesbezügliche Verfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden.
6Die Beklagte sei zur Herausgabe der Unterlagen- also der Nachträge zu den jeweiligen Versicherungsscheinen und den Unterlagen zu Tarifwechseln verpflichtet-, weil diese bei ihm nicht mehr vorlägen. Mit Schreiben vom 16.04.2022 hat der Kläger die Beklagte vergeblich unter Fristsetzung aufgefordert, die Schreiben herauszugeben.
7Aufgrund der Unwirksamkeit der Anpassungen könne er den mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Betrag zurückverlangen. Wegen der Zusammensetzung der Forderung wird auf die Anlage 4 zu der Klageschrift (= Bl. 86 d.A.) Bezug genommen.
8Mit Schriftsatz vom 03.01.2023 (Bl. 219 f. d.A.) hat der Kläger mitgeteilt, dass sich der Antrag zu 3. nur auf die „Haupttarife“ und damit in Zusammenhang stehende Tarife und nicht auf Anpassungen in den Tarifen der Pflegepflichtversicherung und nicht auf etwaige Anpassungen in Tarifen der Pflegezusatzversicherung zum 01.01.2017 beziehe. Mit Schriftsatz vom 02.05.2023 hat der Kläger den Antrag zu 3. abgeändert und diesen auf eine Auskunft für den Tarif „V.“ sowie die jeweiligen Zeitpunkte des Auskunftsverlangens konkretisiert. Mit Schriftsatz vom 21.06.2023 hat der Kläger klargestellt, dass die versicherungsmathematische Kalkulation der Beitragsanpassungen nicht bestritten wird.
9Der Kläger beantragt nunmehr:
101. Es wird festgestellt, dass die Prämienerhöhungen im Tarif „V.“,
11zum 01.01.2021 um 27,51 €,
12zum 01.01.2022 um 41,22 €
13unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.
142. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 742,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
153. die Beklagte zu verurteilen, für den Tarif „V.“ Nachträge zum Versicherungsschein der Versicherungsnummer „N01“, betreffend die Beitragserhöhungen zum 01.01.2009 zum 01.01.2010 zum 01.01.2011 zum 01.01.2012 zum 01.01.2013 zum 01.01.2014 zum 01.01.2015 zum 01.01.2016 zum 01.01.2017 zum 01.01.2018 sowie den unmittelbar der Erhöhung zum 01.01.2009 vorangegangenen Versicherungsschein, der die Beiträge vor dem 01.01.2009 ausweist, und Unterlagen zu Tarifwechseln an die Klägerseite herauszugeben.
164. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite, die sich aus der Unterlage des Antrags zu 3. ergebenden und den vorhandenen Unterlagen, ergebende Gesamtsumme an zu Unrecht geleisteten Beitragserhöhungen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt:
18Die Klage wird abgewiesen.
19Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
20Die Beklagte bestreitet den Besitzverlust der von dem Kläger herausverlangten Unterlagen mit Nichtwissen. Sie ist der Ansicht, die streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.01.2021 genüge den gesetzlichen Anforderungen. Sie sei formell wirksam. Die Zustimmung des Treuhänders habe bereits vorgelegen, als die Mitteilungsschreiben erstmals übersandt worden sind. Ferner habe dieser die Erstkalkulation treuhänderisch überprüft.
21Die Klage ist der Beklagten am 30.08.2022 zugestellt worden.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
25I.
26Die in einem Stufenverhältnis gestellten Anträge zu 3. und zu 4. sind in eine objektive
27Klagehäufung (§ 260 ZPO) umzudeuten, weil sie als Stufenklage unzulässig sind
28(vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2021 – 20 U 269/21, juris, Rn. 6; OLG Dresden,
29Urt. v. 29.03.2022 – 4 U 1905/21, juris, Rn. 63; OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8
30U 2907/21, juris, Rn. 35).
31Nach § 254 ZPO ist eine Stufenklage nur zulässig, wenn die Auskunftsanträge dem Zwecke der Bestimmbarkeit eines Leistungsanspruchs dienen. Es genügt nicht, dass sie dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen zur Rechtsverfolgung verschaffen sollen (BGH, Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10, juris, Rn.8). Dient die Auskunft hingegen auch anderen Zwecken, wie etwa der Kausalität, so sind die Voraussetzungen der Stufenklage nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10, juris, Rn. 10). Hiernach ist die streitgegenständliche Stufenklage unzulässig. Denn das Auskunftsbegehren des Klägers soll ihm gerade erst die Beurteilung ermöglichen, ob ihm aufgrund einer Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen ein Anspruch auf Rückzahlung von Prämien nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zusteht (OLG Dresden, Urteil vom 29.03.2022 – 4 U 1905/21, juris, Rn. 62; OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8 U 2907/21, juris, Rn. 33 f.). Dies trägt der Kläger so auf Seite 15 der Klageschrift (Bl. 16 d.A.) auch selbst vor.
32Durch die Umdeutung der unzulässigen Stufenklage in eine objektive Klagehäufung wird der Auskunftsantrag zu 3. zulässig. Der gestellte Zahlungsantrag zu 4. bleibt jedoch unzulässig, weil er den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2002 – VII ZR 260/01 = NJW 2002, 2952, 2953).
33II.
34Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
351.
36Der Antrag zu I. ist unbegründet.
37a.
38Soweit der Kläger in dem Tarif „W.“ eine Prämienanpassung zum 01.01.2022 um 41,22 € angreift, hat er eine solche Anpassung bereits nicht hinreichend dargetan. Der Wegfall, bzw. die Reduzierung einer Limitierungsgutschrift zum 01.01.2022 stellt keine Beitragsanpassung im Sinne von § 203 VVG dar. Zum 01.01.2021 wurde dem Kläger eine Gutschrift in Höhe von 53,72 € gewährt, welche zum 01.01.2022 auf 12,50 € reduziert worden ist. Allein darauf ist die „Erhöhung“ des Beitrages zurückzuführen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine weitere Beitragsanpassung, sondern um das volle Wirksamwerden der bereits zum 01.01.2021 ausgesprochenen Anpassung um 27,51 € (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. März 2022 – 3 U 228/21 –, Rn. 29, juris). Auf diesen Gesichtspunkt wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 hingewiesen.
39b.
40Soweit der Kläger mit dem Antrag zu I. die Feststellung Unwirksamkeit der Prämienerhöhung im Tarif „V.“ zum 01.01.2021 in Höhe von 27,51 € begehrt, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu.
41aa.
42Die streitgegenständliche Prämienanpassung ist materiell wirksam.
43Die versicherungsmathematische Kalkulation steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Vorschrift des § 8b MB/KK stellt eine wirksame vertragliche Anpassungsgrundlage dar (BGH Urt. v. 22.06.2022 – IV ZR 253/20). Ob der Treuhänder aus den ihm seinerzeit vom Beklagten vorgelegten Unterlagen beurteilen konnte, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG für seine Zustimmung zur Prämienanpassung vorlagen, ist unerheblich. Eine Prämienanpassung setzt nur voraus, dass die erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den AVB geregelten Schwellenwerte nicht nur vorübergehend überschreiten (BGH, Urteil vom 17.11.2021 - IV ZR 113/20, juris, Rn. 27) und dass der Treuhänder der Änderung der Prämien zugestimmt hat (§ 203 Abs. 2 S. 1 VVG; § 155 Abs. 1 S. 1 VAG). Die vom Kläger lediglich monierte „Unvollständigkeit“ der seitens der Beklagten dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen ist jedoch kein Umstand, der seitens der Gerichte einer isolierten Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterzogen werden könnte (OLG Nürnberg, Beschluss vom 7. März 2023 – 8 U 3056/22 –, Rn. 21, juris). Daran ändert nichts, dass auch das Gericht die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung anhand der im Treuhänderverfahren vorgelegten Unterlagen prüft, wenn es Beweis erhebt. Eine Beweiserhebung erfolgt nur dann, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob die Prämienänderungen nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen sind (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 7. März 2023 – 8 U 3056/22 –, juris, Rn. 30; LG Köln, Urteil vom 01.06.2022 – 20 O 475/21, juris, Rn. 46). Einer Beweisaufnahme bedarf es vorliegend aber gerade nicht, weil die rechnerischen Voraussetzungen für die Beitragsanpassungen ans sich unstreitig vorliegen.
44bb.
45Die streitgegenständliche Beitragsanpassung im Tarif „V.“ war auch formell rechtmäßig. Das Mitteilungsschreiben bezüglich der Beitragsanpassung zum 01.01.2021 entspricht den gesetzlichen Anforderungen.
46Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für eine Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit, § 203 Abs. 2 S. 3 VVG, § 155 Abs. 3, Abs. 4 VAG), deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung veranlasst hat; der Angabe der Höhe der Veränderung oder weiterer veränderter Faktoren (etwa des Rechnungszinses) bedarf es dagegen nicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, juris, Rn. 26 ff.; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 314/19, juris, Rn. 21 ff.; BGH, Urteil vom 23.06.2021 – IV ZR 250/20, juris, Rn. 15; BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 353/19, juris, Rn. 20). Zudem muss deutlich sein, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Leistungsausgaben gibt, dessen Überschreitung die Prämienanpassung ausgelöst hat (BGH, Urteil vom 21.07.2021 – IV ZR 191/20, juris, Rn. 26) und dass sich die mitgeteilten Gründe auf die konkrete Beitragsänderung beziehen; es genügt nicht, lediglich allgemein mitzuteilen, was die gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung sind (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV 314/19, juris, Rn. 22). Dagegen sollen die mitgeteilten Gründe keine Plausibilitätskontrolle der Prämienerhöhung ermöglichen, sondern dem Versicherungsnehmer nur verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten, noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund der Beitragserhöhung war (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 314/19, juris, Rn. 30, 31).
47Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall
48genügt das undatierte Mitteilungsschreiben der Beklagten diesen Anforderungen.
49Die Begründung für die Beitragserhöhung erfolgte in einem gesonderten Beiblatt (Bl. 112 f. d.A.) in dem es auszugsweise heißt:
50„Warum ändert sich Ihr Vertrag? Hier finden Sie genauere Informationen.
51Warum überprüfen wir die Beiträge jährlich?
52Damit wir Ihnen die Leistungen garantieren können, müssen die Beiträge Ihres Tarifs dauerhaft den Ausgaben entsprechen. Der Gesetzgeber schreibt uns vor, jährlich für jeden Tarif die ausgezahlten Versicherungsleistungen mit denjenigen zu vergleichen, die im Beitrag einkalkuliert sind.
53Wann genau kommt es zu Beitragsanpassungen?
54Wenn in einem Tarif die tatsächlichen Ausgaben um einen bestimmten Prozentsatz über den kalkulierten Einnahmen liegen oder die Lebenserwartung deutlich steigt, müssen wir die Beitragskalkulation nach einem genau geregelten Verfahren überprüfen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Beiträge neu zu berechnen, wenn die festgestellte Abweichung nicht nur vorübergehend ist. In diesem Fall müssen wir neben den Leistungsausgaben und der Lebenserwartung auch alle anderen Rechnungsgrundlagen (z.B. den Rechnungszins) aktualisieren. Dadurch ändert sich der Beitrag. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung der Beiträge und genehmigt sie, wenn die gesetzlichen Anforderungen vorliegen. Zusätzlich informieren wir die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
552021: Aus welchem Grund steigen Ihre Beiträge im kommenden Jahr?
56Der maßgebliche Grund für die Neuberechnung Ihrer Beiträge zum 1. Januar 2021 sind höhere Ausgaben für Leistungen.“
57Daraus kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Anpassung seines Tarifs aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Erhöhung der Leistungsausgaben über einen Schwellenwert erfolgt ist. Der maßgebliche Grund ist dabei separat aufgeführt und ausdrücklich als solcher bezeichnet „höhere Ausgaben für Leistungen“. Es ist hinreichend deutlich, dass sich die vorstehende Begründung auf den Tarif des Klägers bezieht, weil ein Bezug der der Beitragsanpassung zum 01.01.2021 hergestellt wird. Ebenso wird deutlich, dass die Erhöhung weder etwas mit seinem persönlichen Verhalten zu tun hat, noch eine freie Entscheidung des Versicherers ist, indem in dem Mitteilungsschreiben aufgeführt ist, dass die Beitragskalkulation bei einer Gegenüberstellung der tatsächlichen Ausgaben mit den kalkulierten Leistungen überprüft werden „muss“.
582.
59Der von dem Kläger mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 742,50 € steht ihm nicht zu. Insbesondere besteht kein Anspruch aus §§ 812, 818 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auf Rückzahlung der auf die Prämienanpassungen gezahlten Beitragsanteile, weil die streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.01.2021 wirksam gewesen ist und eine Anpassung zum 01.01.2022 aus den o.g. Gründen nicht stattgefunden hat.
60Der auf den Zahlungsantrag geltend gemachte Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
613.
62Der zulässige umgedeutete Auskunftsantrag zu 3. ist unbegründet. Der Kläger begehrt mit diesem Antrag die Herausgabe der Nachträge zu dem Versicherungsschein und die Herausgabe von Unterlagen zu Tarifwechseln. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
63Ein Auskunftsanspruch aus §§ 666, 662, 675 BGB scheidet aus, da zwischen den
64Parteien kein Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis besteht oder bestand.
65Der Versicherungsvertrag ist kein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675
66BGB, weil er sich nicht auf eine Geschäftsbesorgung bezieht, sondern auf die
67Absicherung des Krankheitskostenrisikos des Klägers (§ 192 Abs. 1 VVG).
68Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 29.07.2020 – 8 U 1096/20, BeckRS 2020, 37534 Rn. 10 m.w.N.). Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.02.2018 – III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. BGH, Urteil vom 16.11. 2011 – VIII ZR 106/11, NJW 2012, 303 Rn. 11). Unstreitig hat der Kläger seinerzeit von der Beklagten die Unterlagen bekommen, die ihm Aufschluss gegeben haben, welche Tarife angepasst werden. Dass sie ihm nicht mehr vorliegen, macht seine Ungewissheit nicht entschuldbar. Gründe für ein Entschulden sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Der Kläger hat schon nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen er nicht (mehr) über Informationen betreffend etwaige Beitragserhöhungen und damit verbundene Unterlagen verfügt. Nachvollziehbare Gründe dafür, warum dem Kläger die im Laufe des Vertrages übersandten Dokumente abhandengekommen sind, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Der Kläger hat auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass ein bestimmter Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB besteht (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 – 8 U 2907/21 –, Rn. 38 - 40, juris). Selbst wenn man dies anders sähe, bestünde kein Anspruch auf die begehrten Nachträge und Unterlagen. Ein solcher Anspruch ergäbe sich nur bei einem Abhandenkommen, für welches der Kläger darlegungs- und beweisbelastet ist. Der Kläger ist für das Abhandenkommen jedenfalls beweisfällig geblieben, weil er keinen Beweis angetreten hat.
69Das Auskunftsbegehren kann vorliegend auch nicht auf § 3 Abs. 3 VVG gestützt werden. Die Nachträge zu den Versicherungsscheinen sind von dieser Vorschrift zwar grundsätzlich erfasst. Zu deren Abhandenkommen hat der Kläger jedoch bislang nichts Konkretes vorgetragen. Er hat lediglich ganz pauschal behauptet, die Versicherungsscheine „lägen nicht mehr vor“ (siehe dazu den Vortrag in der Klageschrift, Bl. 9 d.A.). Dies erscheint nach Auffassung der Kammer unzureichend (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 – 8 U 2907/21 –, Rn. 41, juris). Darauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 ebenso wie die Beklagte auf der Seite 7 der Klageerwiderung hingewiesen. Der Kläger ist nach dem o.g. darüber hinaus jedenfalls für das Abhandenkommen beweisfällig geblieben, weil er keinen Beweis angetreten hat.
70§ 810 BGB begründet keinen Auskunftsanspruch, sondern nur ein – vorliegend nicht
71streitgegenständliches – Einsichtsrecht (vgl. a. OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8
72U 2907/21, juris, Rn. 42).
73Der Anspruch folgt auch nicht aus Art. 15 DSGVO. Dem Kläger geht es bereits nach
74seinem eigenen Vorbringen nicht darum, die Rechtsmäßigkeit der Datenverarbeitung zu prüfen und ggf. Löschungs- oder Berichtigungsansprüche geltend zu machen (LAG Sachsen, Urteil vom 17.02.2021 – 2 Sa 63/20 = BeckRS 2021, 29212, Rn. 61 ff.). Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr - wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt - ausschließlich die Überprüfung etwaiger vom Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DSGVO aber nicht umfasst (OLG Dresden, Urteil vom 29.03.2022 – 4 U 1905/21, juris, Rn. 68; OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8 U 2907/21, juris Rn. 44; OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 – 20 U 269/21, juris, Rn. 11).
75III.
76Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
77IV.
78Die Entscheidung zu der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
79V.
80Der Streitwert wird auf bis 22.000,00 € festgesetzt.
81Der Streitwert setzt sich gemäß §§ 39, 40 GKG aus der Summe der Streitwerte der ursprünglich angekündigten einzelnen Anträge zusammen. Der Streitwert des Klageantrages zu I. ergibt sich gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO aus dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des streitigen Betrags von 68, 73 €, um den der Kläger seine monatliche Prämie herabgesetzt wissen will. 42 x 68, 73 € = 2.886, 66 €. Der Streitwert des Klageantrages zu II. ist mit dem Nennbetrag der geltend gemachten Hauptforderung von 742,50 € anzusetzen.
82Der Wert des Auskunftsantrags, den der Kläger auch auf Art. 15 DSGVO stützt, ist mit 5.000,00 € zu bewerten (vgl. Seggewiße in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Datenschutzrechtliche Ansprüche, Rn. 2.882). Da § 44 GKG nach Umdeutung der Klage in eine objektive Klagehäufung nicht anzuwenden ist, sind die Werte des Feststellungsantrags und des Zahlungsantrags gem. § 39 Abs. 1 GKG hinzu zu addieren. Als unbestimmte Anträge sind deren Werte gem. § 48 Abs. 1 S.1 GKG; § 3 ZPO anhand des Interesses des Klägers zu schätzen (vgl. Seggewiße in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Unbezifferte Anträge, Rn. 2.4871). Den Wert dieser Anträge gibt der Kläger in der Klageschrift auf der Seite 60 selbst mit 10.700,00 € an. Soweit der Kläger im weiteren Prozessverlauf einzelne Beitragsanpassungen in dem Antrag zu 3. "bestimmt" hat, stellen sich diese als insoweit wirtschaftlich identisch mit den ursprünglichen Anträgen dar, sodass eine Streitwerterhöhung nicht eingetreten ist.
83Rechtsbehelfsbelehrung:
84Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
85Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
86Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
87Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
88. |
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Unterschrift