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Beim gewerbsmäßigen Bandenbetrug nach der Masche „Falsche Polizisten“ sind die als „Abholer“ tätigen Tatgenossen in der Regel Mittäter und nicht lediglich Gehilfen (Revisionsverfahren nach BGH, Urteil vom 29.06.2023 – 3 StR 343/22; nunmehr bestätigt durch BGH, Beschluss vom 03.04.2024 – 3 StR 74/24).
Die Angeklagte wird aufgrund des bereits rechtskräftigen Schuldspruchs wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
4 Jahren
verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Revision (BGH - 3 StR 343/22) trägt die Angeklagte.
- §§ 263 Abs.1, 263 Abs.5, 25 Abs.2, 53, 73c StGB -
Aufgrund der auf die Revision der Staatsanwaltschaft ergangenen Entscheidung BGH, Urteil vom 29.06.2023 – 3 StR 343/22 sind die Schuldsprüche hinsichtlich der vorliegenden fünf Taten dahingehend rechtskräftig, dass die Angeklagte des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in fünf Fällen schuldig ist (nunmehr in allen fünf Fällen als Täterin und nicht lediglich als Gehilfin). Bei der fünften Tat ist auch bereits die Einzelstrafe rechtskräftig. Die Kammer hatte hinsichtlich der Taten 1-4 jeweils neue Einzelstrafen sowie eine neue Gesamtstrafe zu bilden.
2Zugrunde lagen jeweils Betrugsdelikte in der Zeit vom 23.09. bis 14.11.2018 zu Lasten zu den Tatzeitpunkten 79-88 Jahre alter Damen. Die Angeklagte war in eine Tätergruppierung eingebunden, welche das Betrugsmodell „falscher Polizist“ anwendete, wobei die Hintermänner aus der Türkei heraus gezielt ältere Personen unter Verwendung von „gespooften“ Rufnummern kontaktierten und unter Vorspiegelung einer Gefahrenlage zur Herausgabe großer Teile ihres Vermögens an die Abholer oder „Läufer“ überredeten, die gegenüber den Geschädigten als Polizisten ausgegeben wurden. Die Angeklagte war im genannten Tatzeitraum als Abholerin für die Bande tätig, welche so in den fünf Fällen, an denen die Angeklagte beteiligt war, Taterträge in Höhe von 149.000 € sowie wertvollen Schmuck erbeutete.
3I. Feststellungen zur Person
4Die bislang noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getretene kinderlose Angeklagte besuchte in S. die Grund- und anschließend die Realschule, die sie im Alter von N02 Jahren mit dem Realschulabschluss verließ. Anschließend versuchte sie, auf einem Berufskolleg ihr Fachabitur mit Schwerpunkt Soziales und Gesundheitswesen zu erlangen, brach dieses Vorhaben jedoch ab. Anschließend begann sie eine Freiwilliges Soziales Jahr bei dem H., beendete jedoch auch dieses nicht. Danach absolvierte sie erfolgreich eine schulische Berufsausbildung zur M., welche sie mit N03 Jahren abschloss. Daran anschließend arbeitete die Angeklagte zunächst N04 Jahre als
5D. und begleitete in dieser Funktion ein P.. Seit N05 arbeitet sie in Vollzeit als
6J. in einem Q., seit dem Jahr N06 ausschließlich in der Nachtschicht. Ihr Arbeitszeitmodell sieht so aus, das sie sieben Tage durchgängig in der Nachtschicht arbeitet und die folgenden sieben Tage frei hat. Sie erzielte zum Zeitpunkt der letzten Hauptverhandlung durch ihre Haupttätigkeit ein Einkommen von durchschnittlich 2.100 bis 2.200 € netto, abhängig von den jeweiligen Zuschlägen. Nebenberuflich arbeitet die Angeklagte außerdem seit N07 im Rahmen eines 450€- Jobs in einem Kiosk. Dort ist sie bis zu zwei Mal in der Woche für je sechs Stunden tätig, abhängig von ihrer Belastung in ihrem Hauptberuf. Die Angeklagte wohnt alleine in einer Mietwohnung, für die sie 450 € Warmmiete im Monat zahlt.
7Die Angeklagte hat Schulden, deren Höhe sie nicht genau bezeichnen kann, jedoch maximal 80.000 €. Diese resultieren aus nicht zurückgezahlten Darlehen. Bereits mit 18 Jahren nahm sie den ersten Online-Kredit auf, welchen sie immer wieder aufstockte und versuchte, durch den Abschluss weiterer Darlehensverträge abzubezahlen, für deren Bedienung sie wiederum weitere Kredite aufnahm. Konkrete Schritte wie ein Privatinsolvenzverfahren sind noch nicht eingeleitet worden, die Angeklagte hofft, sich außergerichtlich mit ihren Gläubigern einigen zu können.
8Die Angeklagte leidet seit 2013 unter Depressionen sowie Panikattacken. Diese resultieren daraus, dass ihr langjähriger Partner, mit dem sie bereits mit 13 Jahren zusammengekommen war, sich 2013 das Leben genommen hatte. Ihr wurden Psychopharmaka zur Therapie verordnet, welche sie jedoch nur unregelmäßig nimmt, sondern regelmäßig wieder absetzt, wenn es ihr psychisch bessergeht. Seit zwei Jahren ist sie nun mit einem neuen Partner liiert, welcher selbständig ist und ein Café führt. Die Finanzen hält das Paar getrennt, sie wohnen auch nicht zusammen.
9Die Angeklagte konsumierte etwa 2013 bis 2018 phasenweise Alkohol, aber beschränkt auf die Urlaubs- und Freizeit, nie während der Arbeit. Seit ihrer beruflichen Doppelbelastung (ab Anfang N07) trinkt sie jedoch nur noch geringfügig in Ausnahmefällen. 2018 konsumierte die Angeklagte maximal einmal die Woche geringe Mengen Kokain. Der Konsum beschränkte sich auf ihre Frei- bzw. Urlaubszeit. Seit N07 konsumiert sie kein Rauschgift mehr. Auswirkungen auf ihre Arbeit hatte der Konsum von Alkohol und Kokain nicht.
10Ihre Fahrerlaubnis hat sie seit N05 bereits inne; in der Probezeit musste sie ihren Führerschein einmal für vier Wochen aufgrund Alkoholkonsums abgeben, danach jedoch nicht mehr. Ihre 11 Tage dauernde Untersuchungshaft verbrachte die Angeklagte in der JVA Dinslaken.
11II. Feststellungen zur Sache
12Folgende für die Kammer bindende Feststellungen liegen den fünf Taten zugrunde:
13Die Angeklagte A. war jedenfalls in der Zeit vom 23.09. bis 14.11.2018 fest in eine Tätergruppierung eingebunden, die sich zum Ziel gesetzt hatte, insbesondere ältere Menschen mit dem Betrugsmodell „falscher Polizist“ um ihre Ersparnisse zu bringen, indem sie diese durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Herausgabe von Geld oder anderen Wertgegenständen bewegten, um sich das Geld und die Wertgegenstände zu verschaffen und für eigene Zwecke zu verwenden.
14Das Betrugsmodell
15Die Taten liefen stets nach demselben arbeitsteiligen Muster ab. Eingebunden in das einzelne Tatgeschehen waren dabei in der Regel mindestens vier Personen.
16Der Hintermann bzw. die Hintermänner betrieben aus dem Ausland, in der Regel der Türkei, ein Callcenter. Dort wurde in deutschen Telefonbüchern nach Personen mit altertümlich klingenden Vornamen gesucht. Dies waren die potentiellen Opfer.
17Diese potentiellen Opfer wurden durch sogenannte Keiler, die sich als Polizeibeamte ausgaben, aus dem Callcenter in der Türkei nach immer gleichem Muster angerufen, wobei hierfür sog. gespoofte Rufnummern verwendet wurden, also Rufnummern, die nicht offenbarten, dass der Anruf aus der Türkei kam, sondern einen Anruf aus Deutschland vorspiegelten, zumeist aus der Region der Geschädigten. Die Anrufer gaben sich zumeist als lokale Polizeibeamte oder Beamte des Landeskriminalamtes aus. In den Telefonaten wurde bei den Angerufenen die Vorstellung geschaffen, dass in ihrer Wohnortnähe Mitglieder einer Räuber- oder Einbrechergruppierung festgenommen worden seien, bei denen man eine Notiz mit den Daten des Angerufenen und dem Hinweis, dass dieser vermögend sei, sichergestellt habe. Demnach müssten diese jetzt fürchten, ebenfalls Ziel der noch auf freiem Fuß befindlichen Täter zu werden. Die Gefahr sei akut und es sei zwingend ein umgehendes Handeln des Angerufenen erforderlich. Die Angerufenen selbst und insbesondere die in der Wohnung befindlichen Vermögenswerte seien nicht mehr sicher. Um das Vermögen der Angerufenen und zukünftigen Opfer zu retten, wäre die Polizei bereit, das Vermögen in Empfang zu nehmen und zu verwahren. Die Legenden wurden von den sog. Keilern jeweils nach den Opferreaktionen sowie den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten flexibel angepasst. Die Legende wurde in vielen Fällen dahingehend weiterentwickelt, dass auch Bankmitarbeiter in die kriminellen Machenschaften verwickelt seien und auch das Geld auf Konten und Sparbüchern sowie die in Schließfächern gelagerten Vermögenswerte nicht mehr sicher seien. Hierdurch wurden die Opfer veranlasst, ihr Vermögen bei den Kreditinstituten abzuheben. Sobald die Opfer ihr Vermögen von der Bank geholt oder die Wertsachen im Hause zusammengesucht hatten, wurden sie von den Anrufern gedrängt, die Vermögenswerte einem gleich zu erscheinenden vermeintlichen Polizeibeamten und Kollegen zu geben oder sie vor die Haustür zu hängen, wo sie von einem vermeintlichen Polizeibeamten abgeholt werden würden.
18In der Folge erschien sodann ein weiteres Mitglied der Tatgruppierung an der Anschrift und nahm entweder persönlich das Geld in Empfang oder holte es von der Haustür ab. Dieser Abholer oder auch Läufer genannt, wurde zuvor von den im Ausland befindlichen Hintermännern konkret instruiert, wo er hinzufahren habe und wo die Vermögenswerte weitergehend hingebracht werden sollen.
19In der Regel werden die Vermögenswerte sodann an einen sogenannten Logistiker geliefert, der die Vermögenswerte in Empfang nahm und zum Teil persönlich, zum Teil durch Mithilfe weiterer eingebundener Täter, an die im Ausland befindlichen Hintermänner weiterleitete.
20Einbindung der Angeklagten
21Die Angeklagte A. und die U. kannten sich seit der Jugend. Die Angeklagte A. war Teil der nach dem beschriebenen Muster agierenden Bande, die U. hingegen nicht.
22Kopf der Bande und Hintermann war der gesondert verfolgte O.. Dieser betrieb gemeinsam mit seinem Bruder und weiteren Personen das Callcenter in der Türkei. Über eine Facebook-Gruppe, in der sich O. „C.“ nannte, suchte und akquirierte er Logistiker und Abholer, u. a. die Angeklagte als Abholerin. Er gab in der Facebook-Gruppe zu erkennen, dass er viel Geld damit verdiente, dass er aus der Türkei heraus Telefonate führte, um sich auf illegale Weise das Geld fremder Leute zu verschaffen. O. sprach Personen auf die Mitwirkung an, bei denen er den Eindruck hatte, dass sie für ein Angebot zur Mitwirkung gegen Entgelt empfänglich seien, insbesondere weil sie finanzielle Probleme hatten oder zumindest zusätzliche finanzielle Mittel aus anderen Gründen gut gebrauchen konnten.
23Spätestens im September N07 fragte O. die Angeklagte, ob sie auf einfache Weise Geld verdienen wolle, indem sie für ihn etwas abhole und nach der Entgegennahme wegbringe. Sie könne pro Fahrt einen Betrag von 1.000 bis 3.000 Euro verdienen. Die Angeklagte wusste aufgrund der Nachrichten im Chat, dass O. mit weiteren Personen zusammen aus der Türkei heraus telefonisch agierte und andere, insbesondere ältere Personen unter Vorspiegelung unrichtiger Umstände dazu bewegte, ihr Geld und/oder andere Vermögenswerte herauszugeben, um sich das Geld und/oder die anderen Wertgegenstände zu verschaffen und für eigene Zwecke zu verwenden. Sie wusste aus der Chatgruppe auch, dass verschiedene Mitglieder der Chatgruppe regelmäßig Tätigkeiten für den O. übernahmen, unter anderem der gesondert verfolgte G., mit dem sie bekannt war. Ihr war klar, dass die angebotene Tätigkeit zur Umsetzung der illegalen Aktivitäten des O. dienen sollte sowie O. sie nicht nur für eine Fahrt engagieren wollte, sondern sie regelmäßig Fahrten für ihn durchführen sollte. Nachdem sie die angebotene Abholtätigkeit zunächst abgelehnt hatte, erklärte sie sich zu der angebotenen Tätigkeit schließlich bereit. Sie ging aufgrund der Gespräche mit dem gesondert verfolgten G. davon aus, dass das Geld und/oder etwaige andere Wertgegenstände von den Opfern vor der Wohnungstür abgelegt würden und sie dies nur dort wegnehmen müsse. Hierfür würde sie einen Anteil der Beute erhalten. In der Zeit vom 23.09. bis 14.11.2018 führte sie zumindest fünf Abholfahrten mit ihrem privaten Pkw im Auftrag des O. durch, jeweils um sich durch die wiederholte Durchführung vergleichbarer Abholtaten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle in nicht ganz unerheblicher Höhe zu verschaffen.
24Die Angeklagte verschwieg gegenüber O., dass sie Hemmungen hatte, das Geld an der Haustür abzuholen. Hierfür wollte sie eine weitere Person ohne Wissen des O. hinzuziehen. Mit der heimlichen Hinzuziehung einer weiteren Person wäre O. nicht einverstanden gewesen. Dies war der Angeklagten A. bewusst. Die Angeklagte A. fragte ihrerseits die U., ob sie bereit sei, sie bei Abholfahrten für den ihnen als „C.“ bekannten O. zu begleiten, um das Geld und/oder andere Wertgegenstände an der Haustür abzuholen. Sie bot ihr ein Entgelt in zumindest dreistelliger Höhe pro Fahrt an.
25O. rief jeweils die Angeklagte an, wenn eine Abholfahrt durchzuführen war. Die Angeklagte informierte sodann die U., damit diese sie begleitet. Spätestens auf dem Weg zur Abholung holte die Angeklagte die U. mit ihrem Pkw ab. Die Angeklagte und U. kannten den genauen Ort und Ablauf der Abholung vor der Durchführung der jeweiligen Abholfahrt nicht. Der gesondert verfolgte O. hielt während der jeweiligen Abholfahrten jeweils Kontakt über das Mobiltelefon der Angeklagten und erteilte zunächst Anweisungen in Bezug auf das Fahrtziel. Vor Ort erteilte er telefonisch konkrete einzelne Anweisungen in Bezug auf das Vorgehen während der Abholung. Während der Taten, an denen die Angeklagte beteiligt war, telefonierte O. mit der U., die währenddessen das Telefon der Angeklagten nutzte. Ihre Stimmen konnte O. am Telefon nicht unterscheiden. Die Angeklagte und U. offenbarten dem O. jeweils nicht, dass die U. an den Abholfahrten der Angeklagten mitwirkte, weil sie annahmen, dass O. dies nicht billigen würde. Während der Tat vom 14.11.2018 telefonierte O. mit der Angeklagten selbst. Parallel zu den vorgenannten Telefonaten mit O. telefonierte regelmäßig ein „Keiler“ mit dem jeweiligen Tatopfer und gab diesem ebenfalls Anweisungen betreffend die Übergabe des Geldes und anderer Wertgegenstände an die vermeintliche Polizistin, die Abholerin.
26Nach jeweiliger Abholung eines Beutels mit Geld und/oder anderen Wertgegenständen, insbesondere Schmuck vom jeweiligen Tatopfer übergab die U., soweit diese beteiligt war, den Beutel der Angeklagten. Die Angeklagte fuhr entsprechend weiterer telefonischer Anweisungen des O. jeweils zu einem Logistiker oder einer Logistikerin an verschiedenen Orten, unter anderem zu E. in UL.. Die Angeklagte übergab den Beutel mit Geld und/oder anderen Wertgegenständen jeweils dem oder der Logistiker/in, der oder die den Inhalt überprüfte. O. hatte der Angeklagten zuvor untersagt, den jeweiligen Beutel zu öffnen und hineinzuschauen. Die Angeklagte erhielt sodann von dem oder der Logistiker/in jeweils einen vierstelligen Bargeldbetrag als Vergütung. Die Höhe des Betrages wies jeweils O. an, der bei Entgegennahme des Geldes durch den oder die Logistiker/in mittels Videotelefonat jeweils mit diesen verbunden war. In den Fällen, in denen die U. beteiligt war, setzte die Angeklagte diese zuhause oder kurz vor dem Erreichen des oder der Logistikers/in ab, damit die Beteiligung der U. verborgen blieb. Nach Erhalt der eigenen Vergütung gab die Angeklagte der U. jeweils einen Bargeldbetrag zwischen 250 bis 1.000 Euro als Entgelt.
27Die Angeklagte wusste bei allen Taten jeweils bereits vor Fahrtantritt, dass ihre Fahrten dazu dienten, Geld und/oder andere Wertgegenstände einer Person abzuholen, die durch O. und weitere Personen mittels unrichtiger Angaben in den Telefonaten dazu bewegt worden war, das Geld und/oder die anderen Wertgegenstände auszuhändigen, um sich das Geld und/oder die anderen Wertgegenstände zu verschaffen und im eigenen Interesse zu verwenden. Sie wusste jeweils, dass die Geschädigten das Geld und/oder die anderen Wertgegenstände im Vertrauen auf die Richtigkeit der ihr gegenüber gemachten unrichtigen Angaben herausgaben und dass weder O. noch sie selbst noch andere beteiligte Personen einen Anspruch auf das herausgegebene Geld und/oder anderen Wertgegenstände hatten. Ebenso wusste sie jeweils, dass die Geschädigten jeweils hohe Geldbeträge und/oder andere Wertgegenstände von hohem Wert übergaben sowie hohe Schäden erlitten. Sie hielt Schäden in der festgestellten Größenordnung für möglich und billigten dies zumindest. Sie führte die Abholungen jeweils durch, weil sie das von O. versprochene Entgelt verdienen wollte.
28Einzelfälle
29Im Einzelnen beging die Angeklagte folgende Taten:
301. Tat
31Am 23.09.2018 erhielt die zu diesem Zeitpunkt 79-jährige Geschädigte IL. einen Anruf von einer unbekannten Frau aus dem Callcenter ZO., die sich als Polizistin ausgab. Der Geschädigten wurde – wahrheitswidrig – mitgeteilt, dass eine „Rumänenbande“ unterwegs sei, um einzubrechen. Einige Personen seien schon gefasst, einige hätten jedoch nicht gefasst werden können, sodass davon auszugehen sei, dass weitere Einbrüche stattfinden würden. Auf einem Zettel, der in dem Auto eines Täters gefunden worden sei, stehe der Name der Geschädigten. Man wolle sie vor einem bevorstehenden Einbruch warnen und rate ihr, ihr Vermögen zu Sicherungszwecken an die Polizei zu übergeben. Das Geld würde dann bei der Polizei verwahrt. Sie dürfe mit niemandem darüber sprechen. Die Geschädigte, die die – erfundene – Geschichte irrigerweise glaubte, wurde anschließend fortlaufend von weiteren unbekannten Tätern, die sich als Polizisten ausgaben und untereinander das Gespräch weitergaben, kontaktiert, und nach dem Stand der Dinge gefragt.
32Einer der unbekannten Anrufer erklärte der Geschädigten sodann, nachdem er hinreichende Informationen über deren Vermögen erhalten hatte, dass eine „Kollegin“ kommen würde, um das Geld, welches die Geschädigte zuhause hatte, abzuholen.
33Zu diesem Zeitpunkt hatte O. bereits die Angeklagte mit der Abholung beauftragt, welche ihrerseits die U. hinzugezogen und mit ihrem Pkw abgeholt hatte. Die Angeklagte wusste zunächst nur, in welche Richtung sie fahren sollte und gab ihr Mobiltelefon der U., um mit dem Halit zu kommunizieren, während sie den Pkw steuerte. O. erteilte nach und nach weitere Anweisungen in Bezug auf das Fahrtziel und rief spätestens erneut auf dem Mobiltelefon der Angeklagten an, als diese am Zielort in der Nähe der Wohnung des Tatopfers in Wesel angekommen waren. Er telefonierte ab diesem Moment mit der U., welche sich nicht als diese zu erkennen gab, sondern den O. im Glauben ließ, dass sie die Angeklagte sei. O. erteilte nach und nach Anweisungen, die die U. allesamt befolgte. Zunächst erteilte Halt ZI. die Anweisung, zu der Haustür der Geschädigten zu gehen. Die Angeklagte und U. nahmen an, dass das Geld dort zur Abholung bereitliegen würde. Entsprechend dieser Weisung ging die U. zur Wohnungstür der Geschädigten IL.. Dort erteilte O. für die U. unerwartet die Anweisung zu klingeln und das Geld in der Wohnung der Geschädigten in Empfang zu nehmen. Die U. entschied sich spontan, auch dieser Anweisung nachzukommen. Sie war sich bewusst, dass sie sich nunmehr gegenüber der Geschädigten als Polizeibeamtin vorstellen musste. Die Geschädigte glaubte, dass die U. die ihr angekündigte Polizeibeamtin sei und ließ diese in ihre Wohnung. Während der ganzen Zeit stand die U. über das Mobiltelefon der Angeklagten telefonisch in Kontakt mit O.. Auf Anweisung des O. machte die U. Fotos des Personalausweises der Geschädigten und von deren Gesicht in Frontalansicht und im Seitenprofil. Diese Fotos fertigte die U. mit ihrem Mobiltelefon und leitete sie später an die Angeklagte. Auf Anweisung des O. schickte die Angeklagte die Fotos der Geschädigten und deren Ausweises an den Mobilfunkanschluss des O..
34Bei dieser ersten Geldabholung ging O. so vor, um in den Besitz von Beweisfotos für die Geldabholung durch die Angeklagte zu gelangen. Sollte sich die Angeklagte bei späteren Geldabholungen illoyal verhalten, hätte er die Polizei in Deutschland über die Beteiligung der Angeklagten informiert und die von der Angeklagten übermittelten Fotos als Beweismittel präsentiert.
35Nach Anfertigung der Lichtbilder entnahm die Geschädigte 40.000 Euro Bargeld aus einer Vase im Eingangsbereich ihrer Wohnung steckte das Geld in einen weißen Stoffbeutel und händigte diese der U. aus. Währenddessen stand die Geschädigte IL. mit einem der Mitarbeiter des Callcenters des O. in Kontakt, welcher der Geschädigten Anweisungen in Bezug auf die Fotographien und die Übergabe des Geldes erteilte.
36Die Geschädigte übergab den Beutel mit dem Bargeld, weil sie die vorgespiegelten Umstände irrigerweise glaubte, insbesondere dass eine Gefahrenlage für ihr Geld bestehe und die U. eine Polizistin sei, die den Auftrag habe, ihr Geld zum Schutz vor Verbrechern in Verwahrung zu nehmen. Nach Erhalt des Beutels mit dem Bargeld verließ die U. auf entsprechende Anweisung des O. die Wohnung. Sie ging mit dem Beutel zum Auto der Angeklagten zurück und übergab dieser den Beutel mit dem Bargeld. Die U. informierte die Angeklagte über den tatsächlichen Ablauf der Geldabholung in der Wohnung. Die Angeklagte fuhr entsprechend weiterer telefonischer Weisungen des O. zu dem als Logistiker eingeschalteten gesondert verfolgten E. in UL.. Vor der Geldübergabe verließ die U. das Fahrzeug, damit ihre Beteiligung nicht bemerkt wird. E. nahm den Stoffbeutel mit dem Geld entgegen und übergab der Angeklagten 4.000 Euro als Entgelt für die Abholung. Anschließend holte die Angeklagte die U. wieder ab, gab dieser 1.000 Euro aus der Beute als Entgelt und fuhr sie nach Hause.
37Der Angeklagten war klar, dass sie das zur eigenen Bereicherung dienende schädigende Handeln des O. zum Nachteil der Geschädigten IL. förderte, indem sie die Wertgegenstände der Geschädigten abholen ließ und einem oder einer Logistikerin zur Weiterleitung an O. herausgab. Sie wollte dies, um das versprochene Entgelt für die Abholung zu erhalten.
382. Tat
39Die Geschädigte IL. hatte während der Anrufe durch die Mitarbeiter des Callcenters des O. offenbart, dass sie noch Geld auf einem Sparbuch habe. Aus diesem Grund überredete einer der Mitarbeiter des Callcenters, der sich mit dem unrichtigen Namen „Wolfgang Bach“ vorstellte, die Geschädigte IL. unter Vorspiegelung des Fortbestehens der – erfundenen – Gefahrenlage wegen einer „Rumänenbande“ 29.000 Euro von dem Sparbuch abzuheben und das Bargeld in einer Tüte vor ihre Haustür zu legen, damit das Geld dort von einem Polizeibeamten abgeholt werden könne. Die Geschädigte hob sodann am 25.09.2018 im irrigen Glauben an die Richtigkeit der unwahren Geschichte 29.000 Euro von ihrem Sparbuch ab und legte am gleichen Abend eine Tüte mit diesem Bargeld vor die Haustür ihrer Wohnung in Wesel, damit es dort – wie sie irrigerweise entsprechend der unrichtigen Angaben glaubte – von einem Polizeibeamten abgeholt und in Verwahrung genommen würde.
40Nachdem für die Callcenter-Mitarbeiter klar war, dass die Geschädigte das Bargeld abheben und übergeben würde, beauftragte O. wiederum die Angeklagte mit einer bevorstehenden Abholung, ohne dass er ihr bereits mitteilte, wo das Geld abzuholen sei. Die Angeklagte, die weiterhin nicht selbst an die Tür gehen wollte, bat ihrerseits wiederum die U., sie auf der Abholfahrt zu begleiten. O. informierte sie weiterhin nicht. Nachdem die U. sich hierzu bereit erklärt hatte und O. die Anweisung zur Abholung gegeben hatte, holte die Angeklagte mit ihrem Pkw erneut die U. ab und beide fuhren in die vorgegebene Richtung. Wiederum erhielt die Angeklagte über ihr Mobiltelefon nach und nach Mitteilungen zum Ziel der Fahrt, bis sie wiederum in Wesel in der Nähe der Wohnung der Geschädigten IL. waren. Vor Ort rief O. erneut auf dem Mobiltelefon der Angeklagten an, wobei er erneut mit der U. sprach. Er wies diese an, erneut zur Wohnung der Geschädigten IL. zu gehen und dort die vor der Haustür abgelegte Tüte zu holen. Die U. kam dem nach, holte die Tüte mit dem Bargeld vor der Haustür ab und ging damit zum Pkw der Angeklagten zurück. Währenddessen telefonierte sie mit dem O.. Am Pkw übergab sie die Tüte mit dem Bargeld der Angeklagten. Diese fuhr entsprechend weiterer telefonischer Weisungen des O. zu dem oder der Logistiker/in und übergab die Tüte mit dem Bargeld. Der oder die Logistiker/in übergab der Angeklagten zumindest 1.000 Euro als Entgelt. Die Angeklagte hatte die BG. auf dem Weg zum Logistiker zuhause abgesetzt und gab dieser 300 Euro als Entgelt.
41Die Angeklagte und U. wussten, dass sie das zur eigenen Bereicherung dienende schädigende Handeln des O. zum Nachteil der Geschädigten IL. förderten, indem sie das Geld und/oder andere Wertgegenstände der Geschädigten abholten und die Angeklagte diese einem oder einer Logistiker/in zur Weiterleitung an O. herausgaben. Die Angeklagte wollte dies, um das versprochene Entgelt für die Abholung zu erhalten.
423. Tat
43Am 29.09.2018 erhielt die zu diesem Zeitpunkt 83-jährige Geschädigte RZ. einen Anruf eines Mitarbeiters des Callcenters des O., der sich unrichtigerweise als „Polizeioberkommissar Walther“ vorstellte. Dieser verwickelte die Geschädigte in ein Gespräch und erklärte ihr wahrheitswidrig, dass sie vor „bösen Menschen“ beschützt werden müsse. In diesem Rahmen erkundigte er sich nach Vermögenswerten der Geschädigten. Als diese ihm erklärte, nur wenig Bargeld aber dafür Goldmünzen zu besitzen, überredete der Mitarbeiter des Callcenters die Geschädigte, die Goldmünzen in seine Obhut geben. Er werde eine weibliche Person vorbeischicken, die das Geld zum Schutz vor „bösen Menschen“ zur sicheren Verwahrung in Empfang nehmen werde. Die Geschädigte erklärte sich hiermit einverstanden, weil sie die Erklärungen des Mitarbeiters des Callcenters irrigerweise glaubte.
44Nachdem klar war, dass eine Abholung von Wertgegenständen bei der Geschädigten erfolgen kann, beauftragte O. die Angeklagte mit der Abholung. Sodann sprach die Angeklagte wiederum die U. auf die Beteiligung an der Abholfahrt an, welche zusagte. Die Angeklagte holte sodann die U. mit dem Pkw ab. Wiederum wurde O. nicht über die Beteiligung der U. informiert. O. erteilte der Angeklagten die Anweisung, den anderweitig Verfolgten G. bei der Abholung hinzuzuziehen, möglicherweise als „Aufpasser“. Der anderweitig Verfolgte G. erfuhr auf diese Art und Weise, dass die Angeklagte heimlich die U. hinzuzog, gab diese Information jedoch nicht weiter. Alle drei fuhren mit dem Pkw der Angeklagten zur Wohnung der Geschädigten RZ.. Wiederum teilte O. telefonisch zunächst nur die Richtung und in der Nähe der Wohnung das konkrete Ziel mit. Die Beteiligten gingen von einer Geldabholung an der Haustür aus. Spätestens vor Ort rief O. erneut auf dem Mobiltelefon der Angeklagten an und telefonierte mit der U., welche den O. wiederum im Glauben ließ, die Angeklagte zu sein. Wiederum erteilte O. nach und nach Anweisungen, die die U. allesamt befolgte. Entsprechend dieser Weisungen ging sie gegen etwa 18.00 bis 19.00 Uhr allein zur Wohnungstür der Geschädigten RZ.. O. erteilte die Anweisung, zu klingeln und gegenüber der Geschädigten vorzugeben, dass sie „von Oberkommissar Walther geschickt“ worden sei. Die U. entschied sich, dieser Anweisung nachzukommen. Die Geschädigte glaubte, dass die U. die angekündigte Polizeibeamtin sei, und ging mit dieser in einen Kellerraum, in dem sich ein Safe befand, den sie öffnete. In dem Safe befanden sich Schatullen mit wertvollem Gold- und Perlenschmuck. Auf Anweisung des O. entnahm die U. den Schmuck aus den Schatullen, ließ sich von der Geschädigten eine Armbanduhr geben, die diese am Arm trug, und fragte nach den Goldmünzen. Nachdem die Geschädigte nicht beantworten konnte, wo sich die Goldmünzen befinden, verließ die U. das Haus mit dem Schmuck, den sie in eine mitgeführte Plastiktüte gepackt hatte. Zurück am Pkw übergab sie der Angeklagten die Plastiktüte mit dem Schmuck. Die Angeklagte und der G. setzten die U. ab und brachten die Tüte mit dem Schmuck zu dem oder der Logistiker/in und erhielten von diesem oder dieser 2.000 Euro als Entgelt, welche sie hälftig teilten. Wenige Tage später übergaben beide der U. jeweils 250 Euro.
45Weitere Einzelheiten zu den Schmuckstücken und deren Wert vermochte die Kammer nicht festzustellen. Die Geschädigte schätzte den Gesamtwert des betroffenen Schmucks auf 50.000 bis 70.000 Euro.
46Der Angeklagten war klar, dass sie das zur eigenen Bereicherung dienende schädigende Handeln des O. zum Nachteil der Geschädigten RZ. förderte, indem sie Geld und/andere Wertgegenstände der Geschädigten abholte und einem Logistiker zur Weiterleitung an O. herausgibt. Sie wollte dies, um das versprochene Entgelt für die Abholung zu erhalten.
474. Tat
48Ab dem 01.10.2018 wurde die zu diesem Zeitpunkt 88-jährige Geschädigte UT. aus S. täglich mehrfach von einem Mitarbeiter des Callcenters des O. angerufen, der sich unrichtigerweise als Polizist mit dem Namen Wolfgang Bach vorstellte. Dieser teilte der Geschädigten wahrheitswidrig mit, dass von der Polizei vor einigen Tagen ein verdächtiges Fahrzeug angehalten worden sei. In diesem Fahrzeug hätten sich vier Einbrecher befunden, von denen zwei hätten festgenommen werden können. Zwei Einbrecher befänden sich noch auf der Flucht. Bei den zwei festgenommenen Personen sei eine Liste gefunden worden, auf welcher der Name der Geschädigten gestanden habe. Aus diesem Grunde sei anzunehmen, dass die Personen einen Einbruch bei der Geschädigten geplant hätten. Um die Geschädigte und ihre Wertgegenstände zu schützen, erklärte der Mitarbeiter des Callcenters, dass die Geschädigte Bargeld und Wertsachen in eine Tasche packen und vor die Haustür stellen solle. Dort würden die Sachen von Polizeikollegen abgeholt, um diese sicher aufzubewahren. Die Geschädigte erklärte sich hiermit einverstanden, weil sie die Erklärungen des Mitarbeiters des Callcenters irrigerweise glaubte. Sie verstaute wertvollen Schmuck sowie Bargeld in Höhe von 10.000 Euro in einer roten Tasche mit Reißverschluss und legte die Tasche mit dem Schmuck und Bargeld am späten Nachmittag des 02.10.2018 vor der Haustür ihrer Wohnung in S. ab.
49Nachdem klar war, dass die Geschädigte die Wertgegenstände vor der Haustür deponieren würde, beauftragte O. wiederum die Angeklagte mit der bevorstehenden Abholung, wobei er ihr mitgeteilte, dass diese in S. stattfinden solle. Die Angeklagte bat ihrerseits wiederum die U., sie auf der Abholfahrt zu begleiten. Nachdem die U. sich hierzu bereit erklärt hatte und O. die Anweisung zur Abholung gegeben hatte, holte die Angeklagte mit ihrem Pkw erneut die U. ab und beide fuhren nach S.. Wiederum erhielt die Angeklagte über ihr Mobiltelefon nach und nach Mitteilungen zum Ziel der Fahrt, bis sie in S. in der Nähe der Wohnung der Geschädigten UT. waren. Vor Ort erteilte O. über das Mobiltelefon der Angeklagten die Weisung, die Tasche der Geschädigten an der Haustür abzuholen. Von der Beteiligung der U. wusste er weiterhin nichts. Die U. ging weisungsgemäß zur Haustür, holte die Tasche mit dem Schmuck und Geld der Geschädigten UT. und brachte diese zur Angeklagten. Anschließend fuhr die Angeklagte entsprechend weiterer telefonischer Weisungen des O. zu dem oder der Logistiker/in, und übergab die Tasche mit dem Schmuck und Geld zur Weiterleitung an O.. Der oder die Logistikerin übergab der Angeklagten zumindest 1.000 Euro als Entgelt, von der sie der U. 250 Euro als Entgelt gab.
50Weitere Einzelheiten zu den Schmuckstücken und deren Wert vermochte die Kammer nicht festzustellen. Die Geschädigte schätzte den Gesamtwert des betroffenen Schmucks auf etwa 30.000 Euro.
51Die Angeklagte und U. wussten, dass sie das zur eigenen Bereicherung dienende schädigende Handeln des O. zum Nachteil der Geschädigten UT. förderten, indem sie das Geld und/oder andere Wertgegenstände der Geschädigten abholten und die Angeklagte diese einem oder einer Logistiker/in zur Weiterleitung an O. herausgab. Die Angeklagte wollte dies, um das versprochene Entgelt für die Abholung zu erhalten.
525. Tat
53In der Zeit kurz vor dem 13.11.2018 riefen unbekannte Mitarbeiter des Callcenters des O. die zu diesem Zeitpunkt 87-jährige Geschädigte EH. an und stellten sich dieser unrichtigerweise als Polizeibeamte mit Namen Bernhard Wiel bzw. Wolfgang Bach vor. Sie gaben gegenüber der Geschädigten wahrheitswidrig an, dass es in der näheren Umgebung der Geschädigten vermehrt zu Einbrüchen durch eine rumänische Bande gekommen sei. Es sei gelungen, der Bande einen Zettel zu entwenden, welchem die nächsten Opfer zu entnehmen seien. Der Name der Geschädigten stünde an dritter Stelle auf diesem Zettel. Die Vermögenswerte der Geschädigten seien in Gefahr, da ein Einbruch durch die rumänische Täterbande drohe. Durch gezieltes Ausfragen brachten die Anrufer aus dem Callcenter auch die Vermögensverhältnisse der Geschädigten in Erfahrung.
54Am 13.11.2018 überredeten die Anrufer die Geschädigte, in ihrer Wohnung befindliches Bargeld in Höhe von 5.000 € an einen gleich erscheinenden Polizisten zu übergeben. Tatsächlich erschien an der Anschrift der Geschädigten in Bergneustadt ein bislang unbekannter Täter, begab sich in die Wohnung und erhielt von der Geschädigten ein Kuvert, in dem sich 5.000 Euro Bargeld befanden. Die Geschädigte glaubte irrig die unrichtigen Angaben der Anrufer und übergab das Geld, weil sie den Abholer irrig für einen Polizisten hielt.
55Entweder ein Mitarbeiter des Callcenters in den Gesprächen mit der Geschädigten UT. oder der erste Abholer hatten herausgefunden, dass die Geschädigte über Kontovermögen in Höhe von 70.000 Euro verfügte. Aus diesem Grund rief ein Mitarbeiter des Callcenters am Vormittag des 14.11.2018 erneut die Geschädigte an und forderte diese auf, das Guthaben in Höhe von 70.000 Euro schnell von ihrem Bankkonto abzuheben, weil das Geld bei der Bank nicht sicher sei. Dort arbeite eine Mitarbeiterin, die bereits polizeilich beobachtet werde. Die Geschädigte glaubte dies irrig und hob das Geld in bar von ihrem Bankkonto ab. In einem nachfolgenden Telefonat erklärte der Anrufer aus dem Callcenter des O., dass die Geschädigte das Geld in einen Beutel legen solle. Er werde eine Polizistin schicken, die das Geld abholen werde. Mit dieser sei das Codewort "Tante" vereinbart worden, damit die Geschädigte erkennen könne, dass es sich tatsächlich um eine Polizistin handele.
56In der Zwischenzeit hatte O. die Angeklagte mit der Abholung des Geldes beauftragt. Die Angeklagte versuchte vergeblich, die U. und den gesondert verfolgten G. zu erreichen, damit diese sie begleiten. Aus diesem Grund zog sie nunmehr die anderweitig verfolgte Frau GV. hinzu, die sie ebenfalls aus der eingangs genannten Facebook-Gruppe kannte. Gemeinsam mit Frau GV. fuhr die Angeklagte nach entsprechenden Anweisungen mit ihrem Pkw in die Nähe der Wohnung der Geschädigten. Vor Ort an der Wohnung in Bergneustadt rief O. die Angeklagte an, die diesmal selbst mit O. telefonierte. O. erteilte der Angeklagten nach und nach Anweisungen, die die Angeklagte befolgte. Entsprechend dieser Weisungen ging sie zur Wohnungstür der Geschädigten EH., klingelte und äußerte gegenüber der Geschädigten nach dem Öffnen der Tür das vermeintliche Codewort „Tante“. Die Geschädigte glaubte, dass die Angeklagte die angekündigte Polizeibeamtin sei und übergab dieser einen Beutel, in den sie die vormittags von der Bank abgehobenen 70.000 Euro Bargeld gelegt hatte. Die Geschädigte übergab den Beutel mit dem Bargeld, weil sie die durch die Mitarbeiter des Callcenters vorgespiegelten Umstände irrigerweise glaubte, insbesondere dass eine Gefahrenlage für ihr Geld bestehe und die Angeklagte eine Polizistin sei, die den Auftrag habe, ihr Geld zum Schutz vor Verbrechern in Verwahrung zu nehmen. Nach Erhalt des Beutels mit dem Bargeld an der Wohnungstür ging die Angeklagte zurück zum Auto. Sie fuhr entsprechend weiterer telefonischer Weisungen des O. zu einem oder einer Logistiker/in, dem oder der sie den Beutel mit dem Bargeld zur Weiterleitung an Halit Damir übergab. Der oder die Logistiker/in übergab der Angeklagten 1.000 Euro als Entgelt.
57Der Angeklagten war bewusst, dass die Geschädigte EH. aufgrund vorangegangener Telefonate glaubte, dass ihr Bargeld und/oder andere Wertgegenstände zur Sicherung vor Verbrechern von einer Polizistin abgeholt würden. Ihr war auch klar, dass ihre Erklärung „Tante“ an der Haustür irrigerweise von der Geschädigten als Nachweis dafür verstanden würde, dass sie, die Angeklagte, Polizistin sei. Der Angeklagten war weiter bewusst, dass die Geschädigte EH. das Bargeld und/oder andere Wertgegenstände an sie, die Angeklagte, übergab, weil die Geschädigte EH. sie unrichtigerweise für die Polizistin hielt, die das Bargeld und/oder andere Wertgegenstände zur Sicherung abholen sollte. Die Angeklagte wollte diese Fehlvorstellung der Geschädigten durch das abgesprochene Kennwort „Tante“ hervorrufen und die Geschädigte hierdurch dazu bewegen, ihr das abzuholende Bargeld und/oder andere Wertgegenstände zu übergeben. Das Geld und/oder andere Wertgegenstände im Beutel sollten an O. fließen, damit dieser das Geld und/oder andere Wertgegenstände für eigene Zwecke verwenden konnte, sowie sie, die Angeklagte, ihr Entgelt für die Abholung erhält. Zugleich wusste die Angeklagte, dass weder O. noch sie selbst oder andere Beteiligte einen Anspruch auf das übergebene Geld und etwaige Wertgegenstände hatten.
58Über diese bindenden Feststellungen (zu denen auch das schuldhafte Handeln gehört) hinaus konnte die Kammer sicher ausschließen, dass die Angeklagte bei Begehung der Taten in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen wäre.
59III. Beweiswürdigung
60Der Angeklagte hat sich in der neuen Hauptverhandlung zur Person entsprechend den vorstehenden Feststellungen (I.) glaubhaft eingelassen, ergänzt durch den verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 27.10.2023.
61Zur Sache hat sie sich weiter eingelassen, sie habe sich freiwillig aus der Gruppierung zurückgezogen, als sie gesehen habe, wie der ihr als „C.“ bekannte anderweitig verfolgte O. mit seinen Mitmenschen umgeht. Von dem erbeuteten Geld habe sie bislang nichts an die Geschädigten zurückzahlen können.
62Eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit während der Tatbegehungen ist ausgeschlossen. Ihren Kokainkonsum begrenzte sie auf einmal pro Woche und dies außerhalb ihrer Arbeit, welcher sie weiter beanstandungsfrei nachging. Der zeitweilige Kokainkonsum war wie der Alkoholkonsum ebenfalls streng auf die Freizeit begrenzt. Sie konnte ohne Probleme den Konsum aufgeben, nachdem sie ihren Zweitjob angenommen hatte. Auch hat sie keinen Betäubungsmittel- oder Alkoholkonsum unmittelbar vor oder während der jeweiligen Tatbegehungen.
63Weiterhin wurde in der neuen Hauptverhandlung der Zeuge HX. zu dem Umfang und der Bedeutung der Aufklärungshilfe der Angeklagten sowie den auch nach der ersten Verurteilung andauernden Folgen der Taten für die Geschädigten vernommen. Er berichtete, dass die Angeklagte wesentliche Angaben zu dem anderweitig verfolgten Logistiker der Bande HH. gemacht habe. Dieser sei zwar schon vor der Vernehmung der Angeklagten nach ihrer Verhaftung in der JVA Dinslaken durch Telefonüberwachung als rechte Hand des anderen Logistikers VV. identifiziert worden, man habe ihm aber zunächst keine konkreten Taten zuordnen können. Bereits vor der Angeklagten habe der anderweitig verfolgte G. den OC. belastet. Die Taten 1 und 2 zu Lasten der Geschädigten IL. habe man dem OC. aber letztlich allein aufgrund der Aussage der Angeklagten nachweisen können, welche den ihr persönlich nicht näher bekannten OC. mittels Lichtbildvorlage habe identifizieren können. Die Angaben des Zeugen konnten durch die Verlesung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 25.10.2021, Az. 50 Js 1080/20, bestätigt werden, wonach der OC. unter anderem bezüglich der Taten 1 und 2 ebenfalls des gewerbsmäßigen Bandenbetruges angeklagt worden ist. Aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ist zu entnehmen, dass die Angeklagte einen umfassenden Chat-Verkehr mit einem WhatsApp- Kontakt „Engel“ offengelegt hat, aus dem sich die Taten 1 und 2 ableiten ließen; außerdem konnte sie den OC. mittels Wahllichtbildvorlage als diejenige Person identifizieren, an welche sie die Beute aus den Abholungen zum Nachteil der Geschädigten IL. übergeben habe. Zu einer Verurteilung ist es in dieser Sache noch nicht gekommen.
64Zu den Folgen der Taten für die Geschädigten nach der ersten Verurteilung konnte der Zeuge HX. glaubhaft angeben, dass die Geschädigten UT. (4. Tat) sowie EH. (5. Tat) bereits 2019 bzw. 2020 verstorben seien. Die Geschädigte RZ. (3. Tat) habe nicht vernommen werden können, da diese nunmehr stark demenzerkrankt in einem Heim lebe und eine ordentliche Vernehmung nicht mehr möglich gewesen sei. Zu den Folgen der Taten 1 und 2 nach den Urteilsfeststellungen der 1. Kammer des Landgerichts habe man jedoch die mittlerweile 84-jährige Geschädigte IL. (Taten 1+2) im Beisein ihres Sohnes vernehmen können. Diese stehe auch heute noch stark unter dem Eindruck des Erlebten. Sie habe keinen Festnetzanschluss mehr, da man diesen habe kappen müssen, nachdem die Geschädigte Angstanfälle bei Anrufen ihr unbekannter Nummern gezeigt habe. Ihre Handynummer gebe sie nur an Menschen aus ihrem engsten Familienkreis weiter und diese müssten sich stets vorher ankündigen, wenn sie die Geschädigte IL. besuchen möchten. Auch heute noch habe die Geschädigte Angstzustände, wenn sie die Wohnung verlassen müsse und sei weiterhin sehr ängstlich und schreckhaft.
65IV. Rechtliche Würdigung
66Hinsichtlich der fünf vorliegenden Taten sind die Schuldsprüche bereits rechtskräftig. Danach ist die Angeklagte als Mittäterin (§ 25 Abs. 2 StGB) schuldig des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs (§ 253 Abs. 5 StGB) in fünf Fällen (§ 53 StGB).
67V. Strafzumessung
68Ausgang der Strafzumessung ist jeweils der Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB, der Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht.
691) Bei der 1. Tat zum Nachteil der Frau IL. ergibt eine Gesamtwürdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte, dass – auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der Aufklärungshilfe – ein minder schwerer Fall im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB nicht vorliegt.
70a) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass gewichtige Milderungsgründe vorliegen. Für die Angeklagte spricht insbesondere ihr umfassendes Geständnis. Ebenso hat die Kammer mildernd berücksichtigt, dass sie nicht vorbestraft ist. Die Taten liegen nunmehr bereits fünf Jahre zurück und die Angeklagte ist auch seitdem nicht wieder straffällig geworden. Weiterhin ist die lange Verfahrensdauer zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, wobei jedoch kein Fall einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung bzw. kein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 6 Abs.1 Satz 1 EMRK vorliegt. Angesichts des Umfangs des Ermittlungsverfahrens mit einer Vielzahl beteiligter Personen und der gehobenen Schwierigkeit, konkrete Taten den einzelnen Bandenmitgliedern zuzuordnen, wofür neben umfangreicher Telekommunikationsüberwachung auch die umfassende Aufklärungshilfe seitens einzelner Bandenmitglieder benötigt wurde, ist ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren nicht festzustellen. Auch das gerichtliche Verfahren wurde nicht von staatlicher Seite schuldhaft verzögert. Insbesondere ergab sich der Zeitbedarf bis zu der Revisionsentscheidung aus der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelsystems (vgl. BGH, Beschluss vom 22. 9. 2009 - 4 StR 292/09). Strafmildernd hat die Kammer weiterhin berücksichtigt, dass die Angeklagte aufgrund ihrer hohen Schulden zum Zeitpunkt der Taten in erhöhtem Maße tatgeneigt war. Die Angeklagte war außerdem bislang noch nicht im Strafvollzug inhaftiert und ist daher als Erstverbüßerin besonders haftempfindlich. Strafmildernd wurde auch berücksichtigt, dass ihr – keineswegs unerheblicher – Tatbeitrag im Gesamtgefüge der Bande von untergeordneter Natur war. Zudem ist die – nachfolgend näher dargestellte – erfolgreiche Aufklärungshilfe strafmildernd zu berücksichtigen.
71b) Der Umstand, dass die Angeklagte sich in diesem Verfahren 11 Tage lang in Untersuchungshaft befunden hat, hat die Kammer hingegen nicht strafmildernd berücksichtigt, da sie ja ohnehin zu einer weit längerfristigeren Freiheitsstrafe verurteilt wird. Der Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft als solcher stellt bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB grundsätzlich keinen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18; BGH wistra 2001, 105; BGH NStZ-RR 2003, 110; BGH, Beschluss vom 13.10.2011 – 1 StR 407/11). Anders mag dies sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten wie eine besondere Beeindruckung eines Täters durch den Freiheitsentzug, die dazu führte, dass gegen ihn eine Bewährungsstrafe verhängt werden kann. Solche Besonderheiten liegen hier aber nicht vor. Zwar kann es einen strafmildernden Umstand darstellen, wenn die erlittene Untersuchungshaft mit über den üblichen hinausgehenden Beschwernissen für den Angeklagten verbunden ist, die auch aus pandemiebedingten Einschränkungen resultieren können (BGH Beschl. v. 12.4.2022 – 2 StR 507/N03), bei einer derart kurzen Dauer der Untersuchungshaft von nur 11 Tagen war die Angeklagte jedoch auch nicht durch die pandemiebedingten Einschränkungen – welche nicht nur sie, sondern auch die Menschen in Freiheit betrafen- im Vergleich zu der üblichen mit der Untersuchungshaft verbundenen Beschwer besonders belastet. Auch der bereits rechtskräftigen Einziehungsentscheidung (Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73, 73c StGB) kommt kein strafmildernder Wert zu (BGH, Urteil vom 29.06.2023 – 3 StR 343/22 Rn. 22).
72c) Das Gewicht der Strafschärfungsgründe überwiegt deutlich. Strafschärfend hat die Kammer den hohen Schaden berücksichtigt. In der Tatbegehung zeigte sich auch eine besonders hohe kriminelle Energie der Angeklagten, die für den besonders risikoreichen Teil ihrer Abholtätigkeit unter Täuschung der „Chefetage“ eine weitere Person hinzuzog, die sie – wenn auch nicht ohne Mitverschulden dieser Gehilfin – in Unrecht verstrickte. Die Angeklagte nahm dabei eine übergeordnete Position zu der von ihr akquirierten U. ein, welche auf ihr Geheiß hin an der Tat teilnahm und der Angeklagten die Beute jeweils übergab. Die Angeklagte teilte der U. dann nach eigenem Ermessen einen (geringeren) Anteil an der Beute zu. Weiter war ihre Tat geeignet, das Vertrauen in die Rechtsordnung sowie das Ansehen und die Funktionsfähigkeit der Polizeikräfte zu beeinträchtigen. Auch war die außerordentlich hohe Professionalität und damit besondere Gefährlichkeit der Bande zu berücksichtigen, wobei die Kammer nicht verkannt hat, dass die banden- und gewerbsmäßige Begehung bereits Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes des § 263 Abs.5 StGB ist. Jedoch handelt es sich um eine Tätergruppierung, welche in ihrer Professionalität und in ihrer Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichgerichteter Taten mit jeweils sehr hohem finanziellen Schaden über die durchschnittliche Bande im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB hinausging. Sie operierte länderübergreifend aus der Türkei heraus mittels gespoofter Anrufe eigens eingerichteter Call-Center, Chatgruppen sowie einer klaren Aufgabenverteilung in „Logistiker“, „Keiler“ u.a.
73d) Der Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB ist jedoch aufgrund einer erneuten Gesamtwürdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte wegen der erfolgreichen Aufklärungshilfe der Angeklagten gemäß §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, so dass der anzuwendende Strafrahmen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis 7 Jahre und 6 Monate umfasst.
74Innerhalb des so gemilderten Strafrahmens hat die Kammer die vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte erneut abgewogen, wobei den Strafschärfungsgründen ein etwas geringeres Gewicht zukommt, weil sie schon für die Ablehnung des minder schweren Falles ursächlich waren. Bei der Gewichtung der Aufklärungshilfe hat die Kammer die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch die Angeklagte und die Schwere der Tat, auf die sich ihre Angaben beziehen, sowie das Verhältnis der vorgenannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld der Angeklagten berücksichtigt. Von erheblichem Gewicht war ausschließlich Aufklärungshilfe hinsichtlich der Beteiligung des E. und damit bzgl. Einer Person, die etwas oberhalb der Position der angeklagten stand. Allerdings war die Aussage der Angeklagte nur eines von mehreren belastenden Indizien und auch nicht das zeitlich erste. Der „Logistiker“ HH. war zwar schon vor der Vernehmung der Angeklagten durch Telefonüberwachung als rechte Hand des anderen Logistikers VV. identifiziert worden, die Ermittlungsbehörden hatten ihm aber zunächst keine konkreten Taten zuordnen können. Bereits vor der Angeklagten hatte Herr G. den OC. belastet. Die Taten 1 und 2 zu Lasten der Geschädigten IL. konnten dem OC. aber letztlich allein aufgrund der Aussage der Angeklagten nachweisen werden, die OC. mittels Lichtbildvorlage identifizierte. Aufgrund der verlesenen Anklageschrift ist insoweit auch aufgrund der Aussage der Angeklagten mit seiner Verurteilung zu rechnen. Hinsichtlich der übrigen Tatbeteiligten – insbesondere der vormaligen Mitangeklagten – hatte die Aussage der Angeklagten – wie der Hauptermittlungsbeamte HX. berichtete - keinen wesentlichen – nicht einmal bestätigenden – Wert, da schon zuvor die umfassenden Einlassungen G. vorlagen und die Angeklagte an weiteren erbetenen Aufklärungen nicht mehr teilnahm.
75e) Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände und des Schadensumfangs von 40.000 Euro sowie des bei der Angeklagten verbliebenen Beuteanteils von 3.000 Euro ist als Einzelstrafe
76für die 1. Tat eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten
77tat- und schuldangemessen.
782) Bei der 2. Tat ist aus den oben unter 1 a bis d genannten Gründen ein minder schwerer Fall abzulehnen und der Regelstrafrahmen nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB zu mildern.
79Bei der 2. Tat fällt über die bereits unter 1 a bis d aufgeführten Erwägungen hinaus besonders strafschärfend ins Gewicht, dass hier die Geschädigte aus der 1. Tat, die Frau IL., erneut aufgesucht wurde, obwohl die Angeklagte wusste, dass die Frau finanziell bereits „vorgeschädigt“ war und sie daher der neue Betrug besonders hart trifft.
80Eine zusätzliche Strafmilderung wegen gesunkener Hemmschwelle kommt der angeklagten hingegen nicht zugute. Eine bei Serientaten zu prüfende (vgl. BGH, Beschluss vom 15. 10. 2009 - 5 StR 394/09) gesunkene Hemmschwelle durch die wiederholte Begehung gleichgelagerter, zunächst erfolgreich abgewickelter Taten war hier auszuschließen. Vielmehr ist der Seriencharakter hier Ausdruck erhöhter krimineller Energie der Angeklagten. Sie wollte ja eine stetige Einnahmequelle und handelte auch weiter als sie bei der ersten Tat erfuhr, dass die Beute – entgegen ihren Erwartungen – nicht an der Haustür eingesammelt werden konnte, sondern ein Hineinwagen in die Wohnungen der Geschädigten erforderlich war.
81Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände und des Schadensumfangs von 29.000 Euro sowie des bei der Angeklagten verbliebenen Beuteanteils von 700 Euro ist als Einzelstrafe
82für die 2. Tat eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten
83tat- und schuldangemessen.
843) Bei der 3. Tat zum Nachteil HG. ist aus den oben unter 1 a bis d genannten Gründen ein minder schwerer Fall abzulehnen und der Regelstrafrahmen nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände und des Schadensumfangs von Gold/Schmuck im Werte von rund 50.000 Euro sowie des bei der Angeklagten verbliebenen Beuteanteils von 750 Euro ist als Einzelstrafe
85für die 3. Tat eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren
86tat- und schuldangemessen.
874) Bei der 4. Tat zum Nachteil UT. ist aus den oben unter 1 a bis d genannten Gründen ein minder schwerer Fall abzulehnen und der Regelstrafrahmen nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände und des Schadensumfangs von 10.000 Euro (zuzüglich Gold/Schmuck) sowie des bei der Angeklagten verbliebenen Beuteanteils von 750 Euro ist als Einzelstrafe
88für die 4. Tat eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren
89tat- und schuldangemessen.
905) Hinsichtlich der 5. Tat zum Nachteil EH., bei der keine Gehilfin in Unrecht verstrickt wurde, ist die Einzelstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten Freiheitsstrafe bereits rechtskräftig.
916.) Gesamtstrafe
92Aus den fünf Einzelstrafen Tat hat die Kammer unter zusammenfassender Würdigung der Person der Angeklagten und der Taten 1 bis 5 gemäß §§ 53, 54 StGB unter Beachtung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte eine
93Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren
94gebildet.
95Dabei hat die Kammer zugunsten der Angeklagten zusätzlich den engen zeitlichen und situativen Zusammenhang gewertet, in dem sie die Taten begangen hat. Zu Lasten der Angeklagten sprachen zusätzlich die schweren psychischen Folgen für die Geschädigte IL. (Taten 1 und 2), welche für die Zeit nach der Verurteilung durch die 1. Strafkammer des Landgerichts bis zur jetzigen Hauptverhandlung festgestellt werden konnten. Diese ist auch heute noch – gut fünf Jahre nach den beiden Taten - durch die Taten – wie oben (III.) dargestellt - in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigt und leidet noch immer sehr unter dem Eindruck des Erlebten.
96VI. Nebenentscheidungen
97Die Kostenentscheidung einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens 3 StR 343/22 folgt aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Revision auf den Schuldspruch in den Taten 1-4 und die Rechtsfolgenentscheidungen beschränkt. Das Revisionsgericht hat im Ergebnis den Schuldspruch zu den Taten 1-4 zu Lasten der Angeklagten geändert sowie die Aussprüche über die Einzelstrafen der Taten 1-4 sowie die Gesamtstrafe mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. Lediglich im Umfang der Einziehungsentscheidung hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg. Die Kammer hat aufgrund des ganz überwiegenden Erfolgs des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft daher davon abgesehen, die Gebühr für die Angeklagte aus Billigkeitsgründen gem. § 473 Abs.4 StPO zu ermäßigen.
98K. B.
99BeglaubigtUrkundsbeamter/in der GeschäftsstelleLandgericht Kleve