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Der Transport von Cannabissetzlingen, die sich in der Erde befinden und in einer Cannabisplantage weitr aufgezogen werden sollen, um die Erträge gwinnbringend zu verkaufen, stellt vollendetes Handeltreiben dar.
Der Angeklagte F. wird wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kostenpflichtig zu einer Freiheitsstrafe von
2 Jahren
verurteilt.
Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte T. wird wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kostenpflichtig zu einer Freiheitsstrafe von
5 Jahren
verurteilt.
Die sichergestellten 899 Cannabispflanzen werden eingezogen.
- §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 1, 3, 33 BtMG; § 27, 56 Abs. 2 StGB -
Gründe:
2I. Feststellungen zur Person
31. Angeklagter F.
4Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung N01 Jahre alte Angeklagte ist der jüngere Bruder des Angeklagten T.. Er lebt bei seinen Eltern in Mazedonien, die ihn finanziell noch unterstützen. Er hat das Abitur gemacht und absolviert derzeit eine Ausbildung als Frisör in seinem Heimatland. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse. Der Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund, konsumiert keine Drogen und hat keine Vorstrafen.
5Der Angeklagte F. befand sich seit dem 00.00.0000 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts B. vom 00.00.0000 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt B..
62. Angeklagter T.
7Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung N02-jährige Angeklagte wurde in Mazedonien geboren und wuchs mit seinem jüngeren Bruder sowie drei Schwestern bei seinen Eltern auf. Sein Vater arbeitete in einer Zeitungsdruckerei. Der Angeklagte besuchte die Mittelschule, die er mit Abschluss verließ, und machte eine Ausbildung zum Zahntechniker. Im Alter von N03 Jahren siedelte er nach Deutschland über, um Profifußballer zu werden. Er spielte für Fortuna IY. und Fortuna TM., erlitt jedoch im Jahr N04 eine Knieverletzung und musste den Profifußball aufgeben. Weil seine Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wurde, verdiente er seinen Lebensunterhalt bis N05 durch eine Arbeit im Lager bei der Firma TD., einem Unternehmen, das Produkte für die Drogeristen OC. und XA. liefert. In seiner Freizeit spielte er weiterhin auf Landes- und Bezirksebene Fußball. Im Jahr N05 begann der Angeklagte, als Bauhelfer zu arbeiten, was für ihn wegen seiner Knieverletzung nicht einfach war. Im August N06 meldete er sein eigenes Baugewerbe an, das im Schwerpunkt Trockenbau zum Gegenstand hat. Der Angeklagte arbeitete zunächst allein und konnte später zwei Angestellte beschäftigen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie blieben Aufträge aus und die finanzielle Lage wurde schwierig. Im Jahr N07 erzielte der Angeklagte Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in Höhe von 40.175 EUR.
8Der Angeklagte war in erster Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und verfügt daher über den dauerhaften Aufenthaltstitel einer Niederlassungserlaubnis. Seit Februar N08 ist er mit einer neuen Partnerin zusammen, mit der er seit September N07 zusammenlebt und mittlerweile nach islamischem Recht verheiratet ist. Der Angeklagte hat in Kursen die deutsche Sprache erlernt. Er hat keine Schulden und konsumiert keine Drogen. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
9Der Angeklagte T. befand sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts B. vom 00.00.0000 vom 00.00.0000 bis zum 11.05.N09 in Untersuchungshaft und wurde aufgrund des Haftverschonungsbeschlusses des Amtsgerichts B. gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von 10.000 EUR aus der Haft entlassen.
10II. Feststellungen zur Sache
111. Der Anbau von Cannabispflanzen für die Herstellung von Marihuana
12Marihuana wird aus weiblichen Cannabispflanzen gewonnen. Männliche Cannabispflanzen enthalten nur einen geringen Gehalt des berauschenden Stoffs Tetrahydrocannabinol (nachfolgend THC). Die Pflanzen können entweder durch Samen oder Stecklingsvermehrung gezogen werden. Cannabissamen entstehen, wenn die Blüte der weiblichen Cannabispflanze von den Pollen der männlichen Cannabispflanze befruchtet werden. Durch diese Befruchtung sinkt der THC-Gehalt der weiblichen Cannabispflanze. Bestäubte Pflanzen stellen die weitere Blütenproduktion umgehend ein und nutzen die bei der Photosynthese gewonnene Energie zur Ausbildung und Reife der Samen (welche THC-frei sind). Nicht bestäubte Weibchen hingegen fahren mit der Blütenproduktion fort und bilden weitere Blüten und Tragblätter aus. Da bei der Aufzucht durch Samen männliche und weibliche Pflanzen entstehen und eine männliche Pflanze wiederum alle weiblichen Pflanzen in der Umgebung befruchten könnte, wird für die Aufzucht von Cannabispflanzen in Indoor-Plantagen zur Gewinnung von THC die sogenannte Stecklingsvermehrung bevorzugt. Züchter haben sich auf diese Form der Vermehrung spezialisiert. Dabei werden Triebe einer weiblichen Cannabispflanze abgeschnitten (sog. Stecklinge) und in Anzuchtpaletten, sogenannten Setzlingstrays, eingepflanzt, die mit spezieller mit Wurzelhormonen versetzter Stecklingserde befüllt sind. Solche Setzlinge einer weiblichen Pflanze sind ebenfalls weiblicher Natur. Wenn die Setzlinge in den Anzuchtpaletten Wurzeln getrieben haben, müssen sie in größere Gefäße umgepflanzt werden. Für einen guten Ertrag brauchen die Pflanzen viel Raum und Erde für ihr Wurzelwerk. Die voll ausgebildete Pflanze benötigt ein Gefäß mit etwa 30 cm Durchmesser gefüllt mit Blumenerde und ausreichend Wasser und Düngemittel. Wichtig für das weitere Wachstum sind frische Erde und HQ., damit der Boden nicht übersäuert. Die Pflanzen müssen regelmäßig gedüngt und gut feucht gehalten werden. Der Boden kann zu diesem Zweck mit Silikat versetzt werden. Auch brauchen die Pflanzen ausreichend Licht und Frischluftzufuhr. Eine gute Beleuchtung ist entscheidend für den Ertrag. Wenn die Pflanzen ihre volle Größe erreicht und Blüten gebildet haben, werden sie geerntet. Das über zwei bis drei Tage getrocknete Material ist dann konsumfähiges Marihuana mit einem hohen THC-Gehalt. Der Erntezyklus herangezogener Setzlinge beträgt zehn bis zwölf Wochen. Pro Jahr sind in einer Plantage mithin drei bis vier Ernten möglich.
132. Tatgeschehen
14a) Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Januar N09 oder davor richtete der Angeklagte T. an einem unbekannt gebliebenen Ort in Deutschland eine Plantage ein mit dem Ziel, Marihuana zu erzeugen und dieses gewinnbringend weiter zu verkaufen. Die Plantage hatte Platz für mindestens 899 Cannabispflanzen und entsprach den Anforderungen an die Einrichtung einer Plantage wie vorstehend beschrieben (ausreichende Bewässerung, Düngung, Beleuchtung und Belüftung der Pflanzen). Die Aktivitäten und Investitionen des Angeklagten waren auf wiederholte Geschäfte dieser Art ausgerichtet. Es wären drei Ernten im Jahr möglich gewesen.
15b) Der Angeklagte T. kaufte am 10.01.N09 in MC. nahe der niederländischen Grenze bei der Firma „QS.“, einem Handelsgeschäft, das Materialien für den Gartenbau vertreibt, welches unter anderem zur Aufzucht von Cannabispflanzen genutzt werden kann, 600 Liter PQ. der Marke UQ., 15 Kanister mit je fünf Litern Düngemittel der Marke „RB.“, einen Eimer mit 5 kg HQ. und 100 Liter HP. ein. Diese Gegenstände waren zur Aufzucht von Cannabispflanzen in der Plantage des Angeklagten bestimmt. Der Angeklagte transportierte die Materialien in einem Transporter der Marke Peugeot Boxter. Der Zeuge UG., der das Fahrzeug bereits bei der Firma „QS.“ wahrgenommen hatte, kontrollierte den Angeklagten auf der Bundesautobahn 3 in Fahrtrichtung
16NP. (G01) und stellte die Materialien auf der Ladefläche des Transporters fest.
17c) Spätestens am 00.00.0000 war die Plantage vollständig eingerichtet und bereit für die Aufzucht von Cannabispflanzen. Der Angeklagte T. fuhr mit dem auf ihn zugelassenen PKW FL. mit dem amtlichen Kennzeichen N10 in Begleitung seines Bruders, des Angeklagten F., der einige Tage zuvor aus Mazedonien zu Besuch in Deutschland eingetroffen war, in die Niederlande. Dort erwarb der Angeklagte T. bei einem unbekannt gebliebenen Züchter für Cannabissetzlinge 899 weibliche Cannabissetzlinge, um diese anschließend mit dem Angeklagten F. gemeinsam zu der vorbereiteten Plantage zu transportieren und dort in größere Pflanztöpfe umzutopfen oder umtopfen zu lassen. Der Angeklagte F. begleitete seinen Bruder, um ihm bei etwaigen Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Geschäfts beiseite stehen zu können und ihm jedenfalls beim Ein- und späteren Ausladen der Kartons zu helfen.
18Die Angeklagten verstauten die in sieben Kartons verpackten Setzlinge im Kofferraum des Wagens des Angeklagten T. und fuhren nach Deutschland zurück. Um N11 Uhr passierten sie nach erfolgter Einreise aus den Niederladen auf der QQ. die Anschlussstelle DA., wo sie im Rahmen einer Routinekontrolle angehalten und kontrolliert wurden. Dabei wurden die Setzlinge entdeckt und sichergestellt. Die Angeklagten wurden vorläufig festgenommen.
19d) Die 899 Setzlinge standen in sieben mit Erde befüllten sogenannten Setzlingstrays, Kunststoffplatten mit jeweils 150 Pflanzmulden. Sie hatten bereits Wurzelwerk ausgebildet und waren zu einer Höhe von 12 bis 15 cm herangewachsen. Ihre Blätter waren grün.
20e) Bei zügiger Umpflanzung in größere Pflanzgefäße hätten sie ein gutes weiteres Wachstum entwickelt und Blüten ausgebildet, die dann hätten abgeerntet und getrocknet werden können. Die sichergestellten 899 Cannabissetzlinge wogen nach Trocknung 200,15 g und enthielten 7,005 g THC (Wirkstoffgehalt 3,50 %). Sie waren dazu geeignet und vom Angeklagten T. auch dazu bestimmt, Marihuanaerträge in Höhe von wenigstens 22.475 g Marihuana (25 g pro Pflanze) je Ernte zu erzielen, wobei sie mindestens einen Wirkstoffgehalt von 5 % aufgewiesen hätten (mithin eine Wirkstoffmenge von 1.123,75 g THC).
21f) Diesen Ertrag hielten die Angeklagten zumindest für möglich und nahmen dies jedenfalls billigend in Kauf. Der Angeklagte T. wollte den Ertrag erzielen, um diesen gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte F. wusste, dass sie Cannabissetzlinge transportierten, die in einer Plantage seines Bruders aufgezogen werden sollten und deren Ernteertrag gewinnbringend weiterverkauft werden sollte.
22III. Beweiswürdigung
23Die Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der sonstigen ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verwendeten Beweismittel.
241. Feststellungen zum Lebenslauf und den persönlichen Verhältnissen
25Die Angeklagten haben durch ihre Verteidiger Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen gemacht, denen die Kammer folgt. In diesem Zusammenhang sind die sie betreffenden Auszüge aus dem Bundeszentralregister jeweils vom 00.00.0000 verlesen worden, die keine Eintragungen enthalten. Ergänzend hat die Kammer zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten T. die Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr N07 verlesen. Daraus ergeben sich die festgestellten Einkünfte des Angeklagten T. aus seinem Gewerbebetrieb.
262. Feststellungen zur Sache
27a) Einlassung der Angeklagten
28Der Angeklagte T. hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht.
29Der Angeklagte F. hat sich über seine Verteidiger eingelassen, dass er nicht gewusst habe, was sich in den Kartons befinde und auch nichts dazu erklären könne, wie diese in das Fahrzeug gelangt seien. Er sei davon ausgegangen, man mache einen Ausflug nach Holland. Weitere Nachfragen hierzu hat er nicht beantwortet.
30b) Zum Anbau von Cannabispflanzen für die Herstellung von Marihuana
31Die Feststellungen zum Anbau von Cannabispflanzen beruhen auf den Angaben der Sachverständigen WC.. Die Sachverständige hat die Vermehrung und Entwicklung einer Cannabispflanze vom Trieb bis zur Ernte wie festgestellt beschrieben. Weiter hat sie beschrieben, wie eine Indoor-Plantage eingerichtet sein muss, damit dort Cannabispflanzen wachsen und bis zur Erntereife gedeihen. Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben bestehen nicht. Die Sachverständige arbeitet als Behördengutachterin beim VU. und untersucht und begutachtet dort ständig Betäubungsmittel. Aus diesem Anlass werden ihr nach ihren Angaben auch regelmäßig Erzeugnisse aus aufgefundenen Cannabisplantagen vorgelegt mit dem Auftrag, Ertragsberechnungen vorzunehmen, wie auch in dem vorliegenden Fall. Für solche Ertragsberechnungen hat sie sich mit den Bedingungen für die Aufzucht und das Wachstum von Cannabispflanzen vertraut gemacht.
32c) Zum Tatgeschehen
33Die Feststellungen zu dem Kauf der Materialien für die Plantage durch den Angeklagten T. am 00.00.0000 in MC. (II. 2. b)) hat die Kammer aufgrund der Angaben des bei der Bundespolizei in B. tätigen Zeugen UG. getroffen. Der Zeuge hat bekundet, er habe den Transporter zunächst in der Ortschaft MC. auf Höhe der KY. mit geöffneter Heckklappe vor dem dort ansässigen AN. „QS.“ stehen sehen. Dieses Gartenbaugeschäft sei ihm aus seiner polizeilichen Tätigkeit bekannt. Dort würden Material und Zubehör zum Anbau von Pflanzen verkauft wie Lüfter, Lampen und Zuleitungen sowie Erden und Dünger, welche auch für den Anbau von Marihuana verwendet werden könnten. Wenige Minuten später habe er den Transporter auf Höhe des Ortsausganges MC. angetroffen, wo dieser die Auffahrt zur QQ. mit Fahrtrichtung NP. befahren habe und ihn dann am darauffolgenden Rastplatz „IQ.“ in Deutschland angehalten und kontrolliert. Zum Reisegrund befragt, habe der Angeklagte angegeben, in MC. gearbeitet zu haben. Seinen Aufenthalt in dem AN. habe er verschwiegen. Bei der Fahrzeugkontrolle seien dem Zeugen auf der durchgehenden Ladefläche des Fahrzeugs neben diversen Werkzeugen und Baumaterialien insbesondere 12 Säcke mit je 50 Litern Blumenerde einer Sorte, die seiner Erfahrung nach speziell für den Anbau von Cannabispflanzen geeignet sei, aufgefallen, sowie 15 Kanister „RB.“ Düngemittel, ein Eimer HQ. und ein 100 Liter-Sack HP.. An der Richtigkeit der Aussage des Zeugen besteht kein Zweifel. Der Zeuge hat angegeben, wegen des zweifelhaften Reisegrundes des in IY. gemeldeten Angeklagten und der aufgefundenen Materialien, die zum Anbau von Marihuana genutzt werden können, eine im Aufbau befindliche Plantage vermutet zu haben. Daher habe er Lichtbilder von den Materialien in dem Fahrzeug gefertigt und seine Wahrnehmungen im Nachgang in einem Bericht zusammengefasst.
34Die Feststellungen zum Aufgriff der Angeklagten am 00.00.0000 (II. 2. c)) beruhen auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen IE. und BC.. Die Zeugen waren am 00.00.0000 auf Streife auf der QQ. und nahmen am Parkplatz „IQ.“ stichprobenhaft Fahrzeugkontrollen vor. Die Zeugin NV. hat beschrieben, dass sie den YC. der Angeklagten kontrolliert hätten. Als der Fahrer die Scheibe der Fahrertür heruntergelassen habe, sei ihr ein süßlicher Geruch aufgefallen. Im Kofferraum hätten sich sieben verschlossene Kartons befunden. Der Fahrer habe ihnen gestattet, diese zu öffnen. Er habe gesagt, sie seien von einem Bekannten in sein Auto gestellt worden und dass sie eine Freundin in SN. besucht hätten. Bei Öffnung eines Kartons hätten sie Cannabissetzlinge darin erkannt. Sie hätten den Fahrer, auf den der Wagen auch zugelassen gewesen sei, und den Beifahrer daher belehrt und festgenommen. Der Fahrer habe für den Beifahrer, der kein Deutsch gesprochen habe, übersetzt. In der Hauptverhandlung hat die Zeugin den Angeklagten T. als den Fahrer und den Angeklagten F. als den Beifahrer wiedererkannt. Der Zeuge RJ. hat die Angaben der Zeugin NV. bestätigt. Sie hätten am 00.00.0000 an der Anschlussstelle QA. eine routinemäßige Zufallskontrolle durchgeführt und dabei den YC., seiner Erinnerung nach eine gehobene SUV-Klasse, kontrolliert. Bei Öffnung der Fensterscheibe an der Fahrertür sei deutlich ein für Marihuana typischer Geruch wahrzunehmen gewesen. Bei Öffnung des Kofferraums habe sich der Geruch um ein Vielfaches verstärkt. Im Kofferraum hätten sie sieben Kartons aufgefunden, die Cannabissetzlinge enthielten. Der Fahrer sei verwundert gewesen, dass man ihn deswegen festnehme. Er habe geäußert, dass doch keine Knospen an den Pflanzen seien, es seien doch nur Setzlinge.
35Aus dieser Auffindesituation nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland folgert die Kammer, dass die Angeklagten zuvor in die Niederlande gefahren sind, um dort von einem unbekannten Züchter die sichergestellten Setzlinge zu erwerben. Eine so große Anzahl von Setzlingen kann nur von einem Züchter erworben werden, der die Anzucht von Setzlingen professionell betreibt.
36Die weiteren Feststellungen zu den Setzlingen (II. 2. d)) beruhen auf der Aussage des Zeugen NX., der am 00.00.0000 die aufgefundenen Kartons mit den Setzlingen übernommen hat. Der Zeuge hat beschrieben, dass sich die Pflanzen in „Tabletts“ mit Aussparungen befunden hätten, wie sie in Gärtnereien verwendet werden. Die Aussparungen seien bis oben mit feuchter Erde befüllt gewesen. Für ihn sei es das typische Bild einer Aufzucht von Setzlingen gewesen. Die Aufbewahrungstabletts hätten genau in die Kartons gepasst. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass er die Setzlinge unmittelbar oberhalb der Erde abgeknipst und die Erde mit den Wurzeln der Pflanzen entsorgt habe. Die Setzlinge habe er gezählt und ausgemessen. Es seien 899 Pflanzen mit einer Wuchshöhe zwischen 12 und 15 cm gewesen. Er habe alle 899 Pflanzen zur Begutachtung persönlich beim VU. abgegeben. Die Kammer hat die vom Zeugen NX. gefertigten Lichtbilder der Setzlinge in Augenschein genommen. Auf einem Lichtbild ist das Blattwerk der Setzlinge in einer gelben Kiste zu sehen. Das Blattwerk ist dicht und grün. Auf einem weiteren Lichtbild sind mehrere aus dem Tray entnommene Setzlinge mit Wurzelballen zu sehen. Die Wurzeln durchdringen die sie umgebende Erde und wachsen aus ihr heraus.
37Die weiteren Feststellungen zu Art und Güte der sichergestellten Setzlinge, zur bereits vorhandenen Wirkstoffmenge und zur voraussichtlich mit den Pflanzen erzielbaren Menge Marihuana und des voraussichtlich zu erwartenden Wirkstoffgehaltes der Ernte (II. 2. e)) beruhen auf den den Feststellungen entsprechenden Ausführungen der Sachverständigen WC.. Die Sachverständige arbeitet als Behördengutachterin beim VU. und untersucht und begutachtet Cannabisplantagen und deren Erzeugnisse. Die Sachverständige hat auf Vorhalt der vorbeschriebenen Lichtbilder der Setzlinge ausgeführt, das tiefe Grün der Setzlinge bedeute nach ihrer Erfahrung, dass daraus gute, große Pflanzen geworden wären. Die erkennbare umfassende Wurzelbildung spreche dafür, dass die Setzlinge schon mehrere Tage in dieser Erde gestanden hätten und gewachsen seien. Nach ihrem Eindruck hätten die Pflanzen nicht lange in den Trays stehen können, sondern hätten so schnell wie möglich in eine Plantage eingesetzt werden müssen, um ausreichend versorgt zu werden.
38Die Sachverständige hat beschrieben, dass sie das getrocknete Pflanzenmaterial zu Pulver vermahlen und seinen Wirkstoffgehalt getestet habe. Dieser habe bei 3,5 % gelegen, was gerundet 7,01 g THC entspräche. An diesem Wirkstoffgehalt erkenne sie, dass es sich um Setzlinge von einer Mutterpflanze handele. Aus den obigen Ausführungen zum Anbau von Cannabispflanzen lässt sich zudem folgern, dass der Handel mit (auch) männlichen Setzlingen nicht sinnvoll wäre. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass es sich um weibliche Pflanzen handelte. Die Sachverständige WC. hat weiter ausgeführt, das Material sei bereits konsumfähiges, zur Berauschung geeignetes Marihuana. Ausgehend von diesem Wirkstoffgehalt hätte eine Pflanze einen Ertrag von durchschnittlich 40 g Marihuana, mindestens jedoch 25 g, und einen Wirkstoffgehalt von wenigstens 5 % Tetrahydrocannabinol (THC) erbracht. Bei diesem Mindestbetrag hat die Sachverständige dem Umstand Rechnung getragen, dass genauere Feststellungen zu der Qualität der Indoor-Plantage, in der die Pflanzen hätten herangezogen werden sollen, nicht getroffen werden konnten. Bereits die Setzlinge hatten einen THC-Gehalt von 3,5 %. In den späteren Blüten der Pflanzen wäre der Wert nach den Ausführungen der Sachverständigen deutlich höher gewesen. In ihrem Gutachten ist die Sachverständige zwar von einer falschen Anzahl sichergestellter Cannabissetzlinge ausgegangen (399 statt richtig 899). Dies war jedoch unschädlich, weil die Sachverständige den Mindestertrag pro Pflanze (25 g mit einem Mindestgehalt von mindestens 5 % THC) ungeachtet dessen richtig ermittelt hatte. Mit diesen Daten konnte die Kammer die Gesamtmindestmenge (899 x 25 g = 22.475 g) und die daraus folgende Wirkstoffmenge (5 % von 22.475 g = 1.123,75 g) selbst berechnen. Die Sachverständige hat dieses Ergebnis überprüft und bestätigt.
39Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte T. eine Indoor-Plantage bewirtschaftet hat, aus der er Marihuana ziehen und dieses gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Hierbei stützt sich die Kammer auf folgende Umstände:
40Der Angeklagte hat am 00.00.0000 Materialien eingekauft, die zur Aufzucht von Cannabispflanzen erforderlich sind: Frische spezielle Blumenerde, HQ., um die Erde zu entsäuern, besonderes Cannabisdüngemittel und HP.. Nach Auskunft der Sachverständigen WC. handelt es sich bei HP. um ein Magnesiumschichtsilikat, das man der Erde beimischen kann, um diese besser feucht zu halten. Die Sachverständige hat auf Vorhalt der Lichtbilder von den am 00.00.0000 aufgefundenen Materialien weiter ausgeführt, auch die weiteren Materialien seien für die Aufzucht von Cannabispflanzen geeignet. Hieraus folgert die Kammer, dass der Angeklagte T. wusste, welche Materialien er für die erfolgreiche Aufzucht benötigte. Darüber hinaus folgert die Kammer daraus, dass er auch im Übrigen wusste, welche Voraussetzungen für die erfolgreiche Aufzucht von Cannabispflanzen erforderlich sind (Räumlichkeiten, Beleuchtung und Belüftung wie oben beschrieben) und die von ihm eingerichtete Plantage so gestaltet war, dass dort Cannabispflanzen bis zur Erntereife heranwachsen konnten. Dass der Angeklagte genau wusste, was er am 00.00.0000 transportierte und sich mit Cannabissetzlingen auskennt, ergibt sich zudem aus der vom Zeugen BC. wiedergegebenen spontanen Äußerung anlässlich seiner Festnahme, es seien noch keine Knospen an den Pflanzen, es seien doch nur Setzlinge. Die Sachverständige WC. hat ausgeführt, der THC-Gehalt sei in den Blüten der Pflanzen am größten. Über entsprechende Fachkenntnisse verfügte der Angeklagte mithin ebenfalls.
41Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Indoor-Plantage spätestens am 00.00.0000 betriebsbereit war. An diesem Tag hatte der Angeklagte T. 899 Setzlinge erworben. Nach Auskunft der Sachverständigen kostet ein Setzling nach ihren Erfahrungen im Durchschnitt etwa 5 EUR. Der Angeklagte T. hat mit dem Ankauf der Setzlinge also eine erhebliche Investition (etwa 4.495,00 EUR) getätigt. Die Setzlinge mussten dringend umgetopft werden, denn in den Kartons hätten sie nicht lange überlebt. Jeder Setzling benötigt nach den Ausführungen der Sachverständigen WC. einen Topf mit etwa 30 cm Durchmesser, um bis zur Erntereife wachsen zu können. Die Kammer schließt aus diesen Umständen, dass der Angeklagte T. genau wusste, wohin er die Setzlinge bringen wollte und dass er diese weiter kultivieren und abernten wollte. Denn eine derart große Zahl extrem pflegeintensiver Pflanzen teuer zu bezahlen und sich anschließend erst um einen Ort von doch einiger Größe zu bemühen, an dem man sie – rasch, weil sie sonst eingehen würden – anpflanzen kann, ergibt keinen Sinn.
42Aus dem Kauf von 899 Setzlingen folgert die Kammer weiter, dass die Indoor-Plantage Platz für mindestens 899 ausgewachsene Pflanzen hatte. Es ergäbe keinen Sinn, mehr Setzlinge zu kaufen, als sich in der Plantage aufziehen lassen.
43Dass der Angeklagte T. nicht nur als Transporteur der Setzlinge fungierte, sondern die Plantage selbst betrieb, folgert die Kammer daraus, dass er bereits im Januar N12 Materialien für den Betrieb der Plantage erwarb und transportierte. Er war somit schon im Vorfeld in einem größeren Umfang in den Betrieb der Plantage eingebunden. Wie oben bereits ausgeführt verfügte er über entsprechende Fachkenntnisse („Pflanzen ohne Knospen“). Der Angeklagte T. verschwieg anlässlich der Kontrolle am 00.00.0000 seinen Aufenthalt in dem XF. in MC. (s.o.). Dies zeigt weiter, dass ihm bewusst war, etwas Verbotenes zu tun.
44Es besteht kein Zweifel, dass die Plantage in Deutschland lag. Sowohl am 00.00.0000 als auch am 00.00.0000 war der Angeklagte T. auf dem Weg in das Landesinnere.
45Aus dem Umfang des zu erzielenden Ertrags folgert die Kammer weiter, dass das Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Aufgrund des Aufwandes der mit der Errichtung einer Plantage verbunden ist (s.o.) ist die Kammer davon überzeugt, dass nicht nur eine einmalige Ernte geplant war, sondern mindestens drei ernten pro Jahr hätten erzielt werden sollen. Die von der Sachverständigen ermittelten Erträge hielt der Angeklagte zumindest für möglich. Der mit der Aufzucht verbundene Aufwand lohnt sich nur, wenn auch entsprechende Erträge erwartet werden. Das Handeln des Angeklagten T. zielte darauf ab.
46Die Kammer hat schließlich keine Zweifel daran, dass der Angeklagte F. seinen Bruder bei dessen Betäubungsmittelhandel wissentlich unterstützt hat. Die Einlassung des Angeklagten F., dass er keine Kenntnis vom Inhalt der Kartons gehabt habe, ist nicht glaubhaft. Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukommt, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2003 - 3 StR 181/02, NStZ 2003, 498, 499; Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477; Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 578/08; LR/Becker, 27. Aufl., § 243 Rn. 82, 85; KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 91; Eschelbach, ZAP (2014), Fach 22, S. 711, 720). Derartige in der Hauptverhandlung verlesene Einlassungen sind nur bedingt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich, weil es sich faktisch nicht um eine mündlich abgegebene Sachäußerung handelt, aus der ein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden könnte (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477; Detter, FS für Fezer, 2008, S. 997, 103 f.). Der Beweiswert dieses Einlassungssurrogats bleibt vielmehr substanziell hinter der dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück (BGH Urt. v. 11.3.2020 – 2 StR 69/N03, BeckRS 2020, 12385 Rn. N01, beck-online). So liegt der Fall auch hier bei dem Angeklagten.
47Hinzu kommt, dass die Einlassung lebensfremd wirkt. Es liegt bereits fern, dass der Angeklagte T. seinen Bruder zu einem Drogenankauf in den Niederlanden mitgenommen hätte, wenn dieser arglos und nicht eingeweiht gewesen wäre. Der Angeklagte F. hätte zwangsläufig Kenntnis von geheim zu haltenden Informationen erlangt, dem Ort, an dem der Züchter in den Niederlanden seine Setzlinge vertreibt und dem Ort, wo sich die Plantage befindet, in der die Setzlinge aufgezogen werden sollen. Bei der Abwicklung eines solchen Drogengeschäfts werden verständigerweise nur Personen mitgenommen, die dabei auch eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen sollen. Hieraus folgert die Kammer, dass der Angeklagte T. seinen Bruder mitnahm, damit dieser beim Verladen der Kartons helfen und ihm bei etwaigen Schwierigkeiten Rückendeckung bieten konnte. Ansonsten würde er nur unnötige Mitwisser schaffen. Es erscheint auch nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte T. allein sieben sperrige Kartons in sein Auto lud, während der Angeklagte F. unbeteiligt im Fahrzeug saß.
48Außerdem haben die Zeugen RJ., NV. und Hausen bekundet, dass die Pflanzen intensiv nach Marihuana gerochen haben. Dem Angeklagten F. kann mithin nicht verborgen geblieben sein, was sie transportierten.
49VI. Rechtliche Würdigung
501. Strafbarkeit des T.
51Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte T. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht.
52Handeltreiben im Sinne des BtMG ist jede eigennützige Bemühung, die darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern, einschließlich einmaliger, vermittelnder und unterstützender Tätigkeiten (BGH – Großer Senat für Strafsachen – Beschluss vom 26.10. 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256; BGH Urteil vom 28.02. 2007 – 2 StR 516/06, NStZ 2007, 338). Handeltreiben ist mithin kein Erfolgsdelikt (BGHSt 50, 252).
53Mit dem Ankauf der Cannabissetzlinge, die Betäubungsmittel im Sinne der Anlage I zum BtMG sind, in den Niederlanden und deren Transport nach Deutschland zum Zwecke des Umtopfens in einer dort befindlichen Marihuanaplantage in der Absicht, die so gewonnenen Cannabisprodukte gewinnbringend weiter zu veräußern, liegt vollendetes Handeltreiben vor. Denn es handelt sich um eine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit im Sinne der vorgenannten Begriffsbestimmung (so auch LG Kleve, Urteil der 2. Strafkammer vom 22.05.2023, Az. 120 KLs 3/23).
54Der Ansicht des 5. Strafsenats (BGH, NStZ N05, 514-515), wonach der Transport von Cannabissetzlingen nur eine Vorbereitungshandlung und noch kein Handeltreiben sein soll, schließt sich die Kammer nicht an.
55Wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen einer typischen Vorbereitungshandlung, die im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegt, und einem vollendeten Handeltreiben sind Tätigkeiten, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zumindest in dem Sinne zielen, dass ein konkretes Geschäft „angebahnt” ist oder „läuft” (vgl. insbes. BGH NStZ 2001, 323, 324). Der Angeklagte T. hat durch den Erwerb der Setzlinge bereits ein konkretes Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln, nämlich 899 Cannabissetzlingen, getätigt, mit dem Ziel, aus diesen Betäubungsmittelerzeugnisse zu gewinnen und diese gewinnbringend weiter zu verkaufen. Die Tat hat sich damit auf den beabsichtigten gewinnbringenden Verkauf einer aus 899 Cannabispflanzen zu gewinnenden wirkstoffreichen Menge Marihuana konkretisiert.
56Die Bewertung der vorliegenden Tat als vollendetes Handeltreiben entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs. Der Große Senat für Strafsachen hat mit Beschluss vom 26.10.2005 (BGHSt 50, 252, 256) Bestrebungen nach einer einschränkenden Auslegung des Begriffs des Handeltreibens (vollendetes Handeltreiben nicht bereits bei ernsthaften Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer von Betäubungsmitteln) abgelehnt. Gestützt hat der große Strafsenat seine Auffassung zunächst auf eine seit über sieben Jahrzehnten praktizierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals Handeltreiben (BGHSt 50, 252, Rn. 25 ff.). Weiter hat der Große Senat für Strafsachen seine Auffassung auf gewichtige kriminalpolitische Erwägungen gestützt. Der Kriminalitätsbereich des gewinnbringenden Umgangs mit Betäubungsmitteln sei durch Besonderheiten gekennzeichnet, die ihn von der „allgemeinen" Kriminalität strukturell weitgehend unterscheide. Dazu gehörten regelmäßig Konspiration, Tarnung und ein organisiertes hierarchisches System, das das Risiko der Entdeckung des einzelnen Täters gezielt vom kompetenten Täter höherer Ebene auf die zunehmend schwächeren Täter der unteren Ebenen verlagere. Daraus folge, dass häufig nur Teilakte des Gesamtgeschehens festgestellt werden könnten. Deshalb habe der Gesetzgeber durch die Pönalisierung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einen Tatbestand (samt daran anknüpfender Qualifikationen) geschaffen, der schon beim Vorliegen relativ geringer Voraussetzungen erfüllt sei. Er habe damit – auch angesichts der besonderen Beweisschwierigkeiten bei etwaigen höheren Tatbestandsanforderungen – die Vollendungsschwelle niedrig angesetzt (BGH, a.a.O., Rn. 35).
57Diese kriminalpolitischen Erwägungen gelten auch für den hier vorliegenden Erwerb und den Transport von Cannabissetzlingen zur weiteren gewinnbringenden Aufzucht in einer Plantage. Auch hier konnte lediglich ein Teilakt des Gesamtgeschehens aufgeklärt werden. Es konnte weder der Ort in den Niederlanden ermittelt werden, an dem die Setzlinge von der Mutterpflanze gewonnen und angezogen wurden, noch konnte die Plantage in Deutschland aufgefunden werden. Erst recht konnte nicht ermittelt werden, wer die Abnehmer des zu erntenden Marihuanas hätten sein können. Die kriminalpolitischen Erwägungen rechtfertigen es mithin auch vorliegend, aufgrund der festgestellten Teilakte bereits von einem vollendeten Handeltreiben auszugehen.
58Die Argumente des 5. Strafsenats, die dieser für eine einschränkende Auslegung des Begriffs des Handeltreibens für Fälle der vorliegenden Art herangezogen hat, vermögen daher nicht zu überzeugen. Der Einwand, es seien noch wesentliche Zwischenschritte erforderlich, wie etwa die Beschaffung von Räumlichkeiten und die Installation von Geräten für die Marihuanaplantage (BGH, NStZ N05, 514, Rn. 8), greift bereits aus tatsächlichen Gründen nicht durch. Nach den Feststellungen der Kammer waren diese Zwischenschritte bereits verwirklicht. Nach den Ausführungen der Sachverständigen WC. wären die sichergestellten Setzlinge binnen weniger Tage verdorrt, wenn diese nicht umgetopft und in einer Marihuanaplantage mit ausreichend Licht, Erde, Dünger und Wasser weiter aufgezogen worden wären. Der Ankauf und Transport solcher Setzlinge ergibt nur dann Sinn, wenn die Vorrichtungen für die weitere Aufzucht der Pflanzen bereits vorhanden sind.
59Die weitere Argumentation des 5. Strafsenats, das später zum Verkauf zu stellende Marihuana sei noch nicht existent und allenfalls in Setzlingen angelegt, die ihrerseits noch nicht angepflanzt seien (BGH, NStZ N05, 514, Rn. 9), überzeugt ebenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht. Die Setzlinge sind bereits angepflanzt. Sie stehen mit ihren Wurzeltrieben in kleinen Pflanztöpfen im Boden und müssen lediglich für das weitere Wachstum der Pflanze in einen größeren Topf umgetopft werden.
60Aus diesen tatsächlichen Gründen sind ferner die systematischen Erwägungen des 5. Strafsenats zum Verhältnis zwischen Anbau und Handeltreiben (vgl. BGH, NStZ N05, 514, Rn. 11) nicht überzeugend. Anerkannt ist, dass der Anbau von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Weiterverkaufs der Erzeugnisse bereits vollendetes Handeltreiben ist (vgl. BGH, NStZ 2006, 578; BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4; BGH, NJW N04, 1461; BGH, NStZ N05, 43). Der Anbau beginnt mit der Aussaat, das heißt mit dem Verbringen des Samens in die Erde in einer Weise, dass aus ihm eine Pflanze selbständig wachsen kann (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 1999, 372; BeckOK BtMG/Teriet, N03. Ed. 15.6.N09, BtMG § 29 Rn. 2; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. N07, BtMG § 29 Rn. 54). Dazu zählen insbesondere das Einschlagen abgeschnittener Pflanzenteile in Erde oder Nährlösung zum Austrieb, das Einsetzen von Pflanzen (MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 32), das Einpflanzen einer Cannabispflanze in einen Blumentopf (vgl. OLG IY. NStZ 1985, 30; BayObLG NStZ 1994, 496), die Samenkeimung in Erde, Hydrokulturen, Perliten, Steinwolle oder in feuchten Papiertüchern, in einer Keimschale bis zum Wurzelaustritt (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 47). Die sichergestellten Setzlinge wurden von den Trieben einer Cannabismutterpflanze entnommen und zum Keimen in ein dazu präpariertes kleines Pflanzgefäß verbracht. An den Setzlingen wuchsen Wurzeln und an der Oberfläche sprossen bereits THC-haltige grüne Blätter bis zu einer Höhe von 10 bis 15 cm heran. Damit hatte der Anbauvorgang begonnen. Die sich daran anschließende Pflege der Pflanze, das Wässern, das Beleuchten, das Umtopfen im Zuge des Wachstums, sind lediglich weitere Teilakte, die für die Aufzucht der Pflanze erforderlich sind. Mit der oben beschriebenen Definition des Anbaus wäre es nicht zu vereinbaren, den Anbau erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa mit dem Umtopfen in das Gefäß, in dem die Pflanze bis zur Erntereife heranwächst, anzunehmen. Vom Wortlaut „Anbau“ wäre eine solche Aufspaltung einer sich in mehreren Schritten vollziehenden Aufzucht der Pflanze nicht gedeckt.
61Zwar hat der Angeklagte nicht selbst die Pflanzen in die Erde gesetzt, sondern die eingesetzten Setzlinge lediglich erworben. Er hat damit jedoch die Verfügungsgewalt über eine bereits im Anbau befindliche Pflanze erhalten. Indem er diese zu einer vorbereiteten Cannabisplantage transportierte, wo die Pflanzen in einem größeren Pflanzentopf hätten heranwachsen sollen, übernahm er zudem selbst einen für die weitere Aufzucht der Pflanzen notwendigen Beitrag und verwirklichte damit eigenhändig den Tatbestand des Anbaus. Da er dies tat, um die Erträge aus dem Anbau gewinnbringend weiter zu veräußern, liegt darin zugleich ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch den Angeklagten.
62Nicht überzeugend ist die Auffassung des 5. Strafsenats, es bestehe keine kriminalpolitische Notwendigkeit für eine solche Auslegung, weil sowohl der Besitz als auch die Einfuhr des in den Setzlingen vorhandenen Betäubungsmittels umfassend unter Strafe gestellt sei. Denn erfüllt wäre lediglich der Tatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG, welcher Geldstrafe oder im Höchstmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht. Der Strafrahmen dieses Vergehens reicht nicht aus, um die in der Tat zum Ausdruck kommende kriminelle Energie angemessen zu ahnden. Diese ist erheblich. Der Aufbau einer Cannabisplantage erfordert besondere Kenntnisse über den Anbau der Pflanzen und einen großen finanziellen, technischen und zeitlichen Aufwand. Es müssen geeignete Räume gefunden werden. Diese müssen mit Beleuchtung und Belüftung ausgestattet werden. Die Pflanzen müssen über mehrere Wochen bis zur Ernte gepflegt werden. Nach der Ernte müssen die cannabishaltigen Pflanzenteile getrocknet und portioniert werden. Es geht um erhebliche Mengen, vorliegend mindestens 22.475 g Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 1.123,75 g THC, die im Drogenmilieu hätten abgesetzt werden müssen. Es wäre auch unter Ausschöpfung des Strafrahmens nicht sachgerecht, einen solchen Täter auf eine Stufe mit Tätern zu stellen, die geringe Mengen Cannabis einführen oder besitzen, ohne mit diesen Handel zu treiben.
63Die vorstehende Auslegung des Begriffs Handeltreiben ermöglicht schließlich eine sachgerechte Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung, Versuch und Vollendung. Straflose Vorbereitungshandlung ist der Erwerb von Samen oder von Cannabisstecklingen, solange diese noch nicht in den Boden eingepflanzt (angebaut) sind. Das Versuchsstadium (§ 22 StGB) ist erreicht, sobald die Anpflanzung unmittelbar bevorsteht. Die Kammer schließt nicht aus, dass die oben zitierte Rechtsprechung des 5. Strafsenats lediglich darauf zurückzuführen ist, dass das Tatgericht unzureichende Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Setzlinge bereits in der Erde standen oder nicht.
64Eine „nicht geringe Menge“ im Sinne des BtMG liegt bei Marihuana ab 7,5 g Tetrahydrocannabinol vor, die hier um ca. das 149-fache überschritten wurde. Beim Handeltreiben durch den Betrieb von Marihuanaplantagen ist die Menge maßgeblich, die mit der Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll (BGH, Urteil vom 20.12.N05, 3 StR 407/12).
65Eine Strafbarkeit wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG scheidet aus, weil der Angeklagte die Betäubungsmittel nicht eingeführt hat, ohne mit ihnen Handel zu treiben. Wie oben ausgeführt liegt Handeltreiben vor.
662. Strafbarkeit des F.
67Der Angeklagte F. hat sich der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB). Dass der Angeklagte maßgeblichen Einfluss auf das Gesamtgeschäft hatte und diesbezüglich eigennützig handelte, konnte die Kammer nicht feststellen. Indem er den Angeklagten T. in Kenntnis seiner Absicht, in einer Plantage Marihuana herzustellen, zum Ankaufgeschäft begleitete, so Rückendeckung gab und ihm beim Verladen und Transport der erworbenen Pflanzen half, hat er diesem zu dessen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Hilfe geleistet.
68V. Strafzumessung
691. Angeklagter T.
70Die Strafe für den Angeklagten hat die Kammer dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren vorsieht.
71Eine Fallgestaltung, bei der das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG geboten wäre, weil die Anwendung des Regelstrafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG vor dem Hintergrund des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat unangemessen hart erscheint, liegt nicht vor.
72Hierbei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft und aufgrund seiner erstmaligen Inhaftierung besonders haftempfindlich ist. Außerdem war strafmildernd zu berücksichtigen, dass das Geschehen noch in einem frühen Stadium des Handels steckte und bis zum abschließenden Umsatzgeschäft mit dem Enderzeugnis noch einiges an Arbeit zu investieren gewesen wäre. Entlastend wirkt sich auch aus, dass Marihuana eine „weiche“ Droge ist und infolge der Sicherstellung der Pflanzen keine Drogen in Verkehr gelangt sind und ihre schädliche Wirkung nicht entfaltet haben. Der Wirkstoffgehalt der Pflanzen selbst lag mit 7,01 g auch noch innerhalb des Bereichs einer geringen Menge.
73Strafschärfend wirkt sich demgegenüber aus, dass sich aus den Pflanzen eine große Menge an Betäubungsmitteln (1.123,75 g THC) hätte gewinnen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt der Grenzwert für den Wirkstoffgehalt einer nicht geringen Menge bei Marihuana bei 7,5 g THC. Dieser wird hier also um das 149-fache überschritten. Zu berücksichtigen war weiter, dass der Angeklagte für die Abwicklung dieses Geschäfts eine erhebliche kriminelle Energie aufwenden musste. Er benötigte Räumlichkeiten für den Betrieb der Indoor-Plantage sowie Fachkenntnisse über die Einrichtung der Plantage und die Aufzucht und Ernte der Pflanzen. Die Abwicklung erforderte eine tiefgreifende Verstrickung in das Drogenmilieu. Anderenfalls hätte der Angeklagte keine Möglichkeit gehabt, die Setzlinge von einem Züchter in den Niederlanden zu erwerben. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Aktivitäten und Investitionen des Angeklagten auf wiederholte Geschäfte dieser Art ausgerichtet waren. Es wären drei Ernten im Jahr möglich gewesen.
74Ausgehend von dem hiernach anzuwendenden Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis zu 15 Jahren hält die Kammer unter nochmaliger Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe von
755 Jahren
76für tat- und schuldangemessen.
772. Angeklagter F.
78Entsprechend der Strafandrohung für den T. als Täter hat die Kammer gemäß § 27 Abs. 2 StGB die Strafe für den Angeklagten F. als seinen Gehilfen dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen, der nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern war.
79Ein minder schwerer Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG lag nicht vor. Dabei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft und aufgrund seiner erstmaligen Inhaftierung und fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache besonders haftempfindlich ist. Zu seinen Gunsten spricht auch, dass er noch sehr jung ist und, zu Besuch in Deutschland und wohnhaft bei dem Angeklagten T., aufgrund der Geschwisterbeziehung zum ihm, seinem um einige Jahre älteren Bruder, besonders geneigt war, diesen zu unterstützen. Entlastend wirkt sich auch für ihn aus, dass das Geschehen noch in einem frühen Stadium des Handels steckte und bis zum abschließenden Umsatzgeschäft mit dem Enderzeugnis noch einiges an Arbeit zu investieren gewesen wäre, sowie die Tatsache, dass es um eine „weiche“ Droge ging, die wegen der Sicherstellung der Pflanzen, deren Wirkstoffgehalt die geringe Menge noch nicht überschritten hatte, nicht in Verkehr gelangt ist. Strafschärfend wirkt sich demgegenüber die große Menge an Betäubungsmitteln aus, die sich aus diesen Pflanzen hätte gewinnen lassen. Es handelte sich um das 149-fache der nicht geringen Menge.
80Auch unter zusätzlicher Einbeziehung einer Strafmilderung gemäß §§ 27, 49 StGB lag keine Fallgestaltung vor, bei der das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG geboten wäre.
81Ausgehend von dem gemäß §§ 27, 49 StGB gemilderten Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten hält die Kammer unter Abwägung dieser Gesichtspunkte eine Freiheitsstrafe von
822 Jahren
83für tat- und schuldangemessen.
84Die Vollstreckung der Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer hat die begründete Erwartung, dass den nicht vorbestraften Angeklagte die erstmalige Verbüßung von Untersuchungshaft genügend beeindruckt hat, um künftig ein straffreies Leben zu führen, § 56 Abs. 1 StGB. Damit liegen auch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor, die eine Strafaussetzung angezeigt erscheinen lassen.
85VI. Nebenentscheidungen
86Die Einziehung der 899 Cannabis Setzlinge folgt aus § 33 BtMG.
87Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.
88W. |
Richterin am Landgericht N. ist urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. W. |
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BeglaubigtUrkundsbeamter/in der GeschäftsstelleLandgericht B.