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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein Nr. 11 ##########05 nebst den einbezogenen ARB (Anlagen K 11 und K 12, Bl. 430-577 GA) verwiesen.
3Der Kläger forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 07.01.2021 von der Beklagten Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen die BMW AG, da er Ansprüche aus einer behaupteten Manipulation der Abgassteuerung an dem von ihm erworbenen BMW X3 gegen den Hersteller geltend machen wollte. Wegen der Einzelheiten der beabsichtigten Klage wird auf die Anlage K 1 (Bl. 47-144 GA) Bezug genommen.
4Eine Kostendeckungszusage lehnte die Beklagte aufgrund aus ihrer Sicht mangelnder Erfolgsaussichten mit Schreiben vom 05.03.2021 ab (vgl. Anlage K 2, Bl. 145-149 GA).
5Daraufhin erstellten die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.03.2021 ein weiteres außergerichtliches Schreiben, in dem diese auf die Argumentation der Beklagten eingingen (vgl. Anlage K 3, Bl. 150-177 GA).
6Weiter beantragte der Kläger die Einholung eines Schiedsgutachtens. Mit Stellungnahme vom 01.04.2021 kam der Schiedsgutachter zu dem Ergebnis, dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten gegeben sind (vgl. Anlage 2 zur Klageerwiderung vom 21.10.2021, Bl. 611-613 GA). Daraufhin bestätigte die Beklagte die Deckungsablehnung unter Bezugnahme auf das Schiedsgutachten.
7Der Kläger ist der Ansicht, seine beabsichtigte Klage habe – nach den insoweit maßgeblichen Maßstäben des § 114 ZPO – hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der in seinem Kfz verbaute Motor weise unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt eines Thermofensters sowie einer Abgasrückführung auf, durch deren Einbau ihn die BMW AG vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe.
8Der Kläger beantragt,
91. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Nr. 11 0072 1895 9005 im Zusammenhang mit der Schadennummer 31 0092 1407 3623 verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und erstinstanzlichen Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klagepartei gegen die BMW AG aus dem Kauf eines BMW X3 (FIN WBAWZ510400L14162) und der unterstellten Manipulation der Abgassteuerung dieses Fahrzeugs zu tragen;
102. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten des in Zusammenhang mit der Schadennummer 31 0092 1407 3623 gefertigten außergerichtlichen Anschreibens der KAP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vom in Höhe von Euro 887,03 freizustellen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte ist der Ansicht, das klägerische Vorbringen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gegenüber dem Hersteller sei unsubstantiiert und erfolge ins Blaue hinein.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Feststellungsklage ist in der Sache unbegründet.
17Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den begehrten Deckungsschutz aus § 125 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag.
18Die Beklagte hat die Gewährung von Deckungsschutz zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 3a Abs. 1 ARB 2016) abgelehnt. Nach den auch bei Rechtsschutzversicherungen insoweit anzuwendenden Maßstäben des § 114 ZPO (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.09.2017 – 4 U 87/17 = NJW-RR 2018, 154, 155) hat dessen beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen die BMW AG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
19Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung einer erfolgversprechenden Rechtsverfolgung durch den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger. Auch im Rahmen einer Deckungsklage ist der Versicherungsnehmer gehalten, einen Mindestvortrag zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm, auf die er seine Rechtsverfolgung stützt, zu präsentieren. Nicht ausreichend ist es, nur das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen zu behaupten, vielmehr muss der Sachvortrag des Versicherungsnehmers auch in der Deckungsklage Ausführungen enthalten, mit denen das vorsätzliche sittenwidrige Verhalten auf Seiten des Fahrzeugherstellers begründet werden kann. Es bedarf einer schlüssigen Klage, die in den streitigen Punkten auch ausreichend substantiiert sein muss (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 114, Rn. 30 ff.).
20Der Kläger hat einen Anspruch gegen die BMW AG nicht schlüssig dargetan.
21Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 826 BGB. Danach ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl alter billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (std. Rspr., BGH, Beschlüsse vom 29. September 2021, VII ZR 126/21 und vom 16. September 2021, VII ZR 322/20; Urteile vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20 und vom 25. Mai 2020, VI ZR 252/19 jeweils m. w. N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhalten als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (std. Rspr., BGH, Urteil vom 16. September 2021, VII ZR 322/20, Beschlüsse vom 09. März 2021, VI ZR 889/20, vom 19. Januar 2021, VI ZR 433/19 und vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20).
22Das lässt sich in Bezug auf den Kläger und das streitgegenständliche Fahrzeug nicht feststellen. Der Einbau eines Thermofensters rechtfertigt den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21; Urteil vom 20.07.2021 - VI ZR 1154/20). Dies gilt gleichermaßen für die klägerseits vorgetragene Abgasrückrückführung, selbst wenn dies im Straßenbetrieb zu höheren Emissionswerten führt (vgl. auch BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 2/21).
23Es bestehen auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Geltendmachung eines Anspruchs gegen die BMW AG aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG. Die Vorschriften der EG-FGV und Art. 5 VO 715/2007/EG sind keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (st. Rspr. des BGH; vgl. jüngst BGH, Beschluss vom 10.05.2022 - VI ZB 4/20, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 04.04.2022 - VIa ZR 30/21, Rn. 16). Gegenteiliges ergibt sich nicht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts im Vorlageverfahren EuGH vom 02.06.2022 - C-100/21, zitiert nach juris). Auch der Generalanwalt hält eine Schutzgesetzeigenschaft aus europarechtlichen Gesichtspunkten gerade nicht für zwingend. Vielmehr soll eine solche nur dann geboten sein, wenn ein Verweis auf Ansprüche aus § 826 BGB deren Durchsetzung praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (GA beim EuGH, a.a.O, juris, Rn. 57). Dafür ist nichts ersichtlich.
24Mangels Hauptanspruch besteht ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286 BGB nicht.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
26Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
27Der Streitwert wird auf 14.018,24 EUR festgesetzt.
28Der Streitwert ist gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO mit den voraussichtlichen Kosten nach dem Streitwert der beabsichtigten Klage (hier: 31.669,11 €) zu berechnen. Dabei sind die Gerichts- und die Anwaltskosten beider Parteien anzusetzen; Sachverständigenkosten sind ebenfalls zu berücksichtigen, wenn die Einholung eines Gutachtens im beabsichtigten Rechtsstreit naheliegend ist (Seggewiße in: Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Aufl. 2022, Rn. 2.5443, 2.5444, m.w.N.). Im Anschluss ist der übliche Feststellungsabschlag von 20 % vorzunehmen.
29Ausgehend von der vom Kläger beabsichtigten Rechtsverfolgung gegen die BMW AG für einen Anspruch in Höhe von 31.669,11 € sind jeweils eine 2,5-fache Anwaltsgebühr für Kläger- und Beklagtenvertreter (jeweils 1.036,-€ x 2,5 + 20,-€ Postpauschale zzgl. 19 % USt. = 3.105,90 €, insgesamt 6.211,80 €) und eine 3,0-fache Gerichtsgebühr (1.461 €) anzusetzen. Zudem sind jedenfalls 10.000,-€ für voraussichtlich anfallende Sachverständigenkosten dem Streitwert hinzuzuzählen (LG Kleve, Beschluss vom 30.12.2021 – 6 S 51/21). Da eine Motorenmanipulation durch die BMW AG in Abrede gestellt wird, erscheint eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs gegen diese ohne Gutachten undenkbar. Daraus ergeben sich für die erste Instanz voraussichtliche Kosten von 17.672,80 €. Abzuziehen ist die Selbstbeteiligung von 150,00 €. Nach Abzug des 20%-igen Feststellungsabschlages ergibt sich der festgesetzte Streitwert.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
32Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
33Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
34Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
35Unterschrift |
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