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Auf die Beschwerde des Betroffenen vom 08.02.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 03.02.2022 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde dahingehend abgeändert, dass die geschlossene Unterbringung längstens bis zum 12.06.2022 genehmigt wird.
Kosten werden nicht erstattet.
Der Betroffene steht unter Betreuung; zuletzt wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 24.02.2021 die bestehende Betreuung des Betroffenen durch den Beteiligten zu 1.) in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge sowie Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern verlängert.
2Das Amtsgericht B. hatte durch Beschluss vom 29.11.2021 durch einstweilige Anordnung auf der Grundlage von §§ 10 ff. PsychKG NW in Verbindung mit §§ 312 Nr. 3, 331 FamFG bestimmt, dass der Betroffene längstens bis zum 27.12.2021 in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses unterzubringen ist (Bl. 858 GA).
3Mit Schreiben ebenfalls vom 29.11.2021 hat der Betreuer die betreuungsgerichtliche Genehmigung zur geschlossenen Unterbringung nach § 1906 BGB beantragt (Bl. 867 GA). Zur Begründung hat er ausgeführt, die geschlossene Unterbringung sei erforderlich, weil die Gefahr bestünde, dass der Betroffene sich aufgrund seiner Krankheit (akute Psychose) selbst töte oder sich oder anderen Personen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Die Heilbehandlung der akuten Psychose durch Gabe einer Medikation könne ohne die geschlossene Unterbringung nicht durchgeführt werden, da der Betroffene in der Vergangenheit Medikation nur in einer geschützten Umgebung eingenommen habe. In der häuslichen Umgebung verweigere er die Medikation sofort.
4Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 02.12.2021 die Einholung eines Gutachtens angeordnet und die Beteiligte zu 2.) zur Verfahrenspflegerin bestellt. Der Sachverständige I. hat unter dem 12.12.2021 ein Gutachten erstellt (wegen des Inhalts wird auf das Gutachten, Bl. 873 ff. GA, verwiesen). I. hat in dem Gutachten ausgeführt, von einer Weitergabe des Gutachtens an den Betroffenen solle abgesehen werden, da dies dazu führen könne, dass er krankheitsbedingt die Inhalte fehlverarbeite und es bei ihm zu Konflikten und Aggressionen führen könne.
5Nach Übermittlung des Gutachtens an Betreuer und Verfahrenspflegerin durch Verfügung vom 23.12.2021 sollte zunächst am 27.12.2021 eine persönliche Anhörung des Betroffenen stattfinden. Allerdings hatte das Amtsgericht B. bereits durch Beschluss vom 23.12.2021 durch einstweilige Anordnung beruhend auf §§ 10 ff. PsychKG NR in Verbindung mit §§ 312 Nr. 3, 331 FamFG erneut bestimmt, dass der Betroffene längstens bis zum 03.02.2022 in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses unterzubringen sei. Eine Anhörung durch das Amtsgericht Moers fand daher am 27.12.2021 nicht statt. Die persönliche Anhörung des Betroffenen wurde am 03.02.2022 durchgeführt. Mit Beschluss vom 03.02.2022 wurde dessen geschlossene Unterbringung in dem St. Nikolaus-Hospital N. oder in einer anderen geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 03.08.2022 genehmigt.
6Der Betroffene hat gegen den Beschluss mit Schreiben vom 08.02.2022 Beschwerde eingelegt (Bl. 951 GA). Zur Begründung hat er ausgeführt, der Beschluss beruhe auf einem ärztlichen Gutachten des Herrn I.. Dieser habe jedoch – abgesehen von seiner Vorstellung – nicht mit ihm gesprochen. Ein ärztliches Gutachten sei „außer der Aktenlage“ nicht möglich. Zudem unterstelle er Herrn E. und dem Richter am Amtsgericht P. Befangenheit. Er leide keineswegs unter einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis.
7Das Amtsgericht hat dieser Beschwerde mit Beschluss vom 17.02.2022 nicht abgeholfen.
Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die Genehmigung der Unterbringung eines betreuten Betroffenen zulässig, wenn sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist und zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betroffenen nicht durchgeführt werden kann und der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach der Einsicht handeln kann. Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.
9Der Betroffene steht unter Betreuung, wobei dem Betreuer auch die Aufgabenkreise Gesundheitsvorsorge und Aufenthaltsbestimmung übertragen sind.
10Der Betreuer hat mit Schreiben vom 29.11.2021 den Antrag gestellt, die betreuungsrechtliche Unterbringung des Betroffenen zu genehmigen.
11Beim Betroffenen liegt eine psychische Erkrankung vor. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen I. liegt eine erneute Exacerbation der beim Betroffenen bekannten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vor. Außerdem ist ein Amphetamin-Missbrauch gegeben. Zwar war dem Sachverständigen mangels Mitwirkungsbereitschaft des Betroffenen keine umfassende Exploration möglich. Andererseits konnte der Sachverständige neben dem Eindruck aus dem Gespräch mit dem Betroffenen und der Beobachtung des Verhaltens des Betroffenen auch auf fremdanamnestische Angaben der Mutter des Betroffenen und der Krankenhausmitarbeiter zurückgreifen. Nicht zuletzt ist der Betroffene dem Sachverständigen aus zahlreichen früheren Gutachten bekannt, zuletzt aus solchen vom 17.04.2021 und 30.06.2021 (Bl. 792 ff. GA).
12Der Sachverständige hat seine Diagnose nachvollziehbar mit dem klinischen Bild begründet, bei dem eine Anspannung, eine Gereiztheit, eine misstrauische Stimmungslage, ein auffälliges psychotisches Verhalten sowie eine Krankheitsuneinsichtigkeit im Vordergrund stehen. Bei einer Psychose handelt es sich um eine psychische Krankheit im Sinne der §§ 1906 Abs. 1 Nr. 1, 1896 Abs. 1 S. 1 BGB.
13Die Anordnung der Unterbringung ist auch zur Abwendung drohender erheblicher gesundheitlicher Schäden erforderlich, die nur durch die Unterbringung vermieden werden können. Den plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen zufolge bedarf der Betroffene notwendiger Heilbehandlungsmaßnahmen wie weiterer medikamentöser Einstellung, sozio- und psychotherapeutischer sowie anderer Behandlungsmaßnahmen. Ohne die geschlossene Unterbringung würde der Betroffene dagegen aufgrund seiner psychischen Erkrankung die zur Behandlung der Erkrankung notwendigen Medikamente umgehend absetzen und zudem wieder Drogen konsumieren. Dies hätte nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen I. zur Folge, dass sich die bestehenden psychotischen Symptome massiv verstärkten und es zu einer weiteren Chronifizierung des Leidens käme.
14Der Betroffene ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht in der Lage, die Notwendigkeit der geschlossenen Unterbringung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln.
15Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen hat die Kammer nicht. Vielmehr hat der Betroffene bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht die Einschätzung des Sachverständigen bestätigt, indem er unablässig laut herumgeschrieen und gedroht hat, den Amtsrichter anzuspucken, ihn als Schwein und Drecksack beschimpft hat und geäußert hat, er (der Amtsrichter) gehöre zur jüdischen Weltverschwörung der Rothschilds.
16Die Dauer der Unterbringung war allerdings auf sechs Monate ab dem Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens – also bis längstens 12.06.2022 – zu beschränken.
17Die Prognose, welche Dauer für die Unterbringung erforderlich ist, ist regelmäßig auf Grundlage des einzuholenden Sachverständigengutachtens vorzunehmen, § 321 Abs. 1 Satz 3 FamFG (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2016, AZ. XII ZB 236/15, Rdn. 23, zitiert nach Juris). Der Fristablauf hat sich dabei grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens zu orientieren; die Frist beginnt nicht erst mit der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BGH, a.a.O.).
18Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Genehmigung der Unterbringung über den 12.06.2022 hinaus nicht gerechtfertigt.
19Denn der Sachverständige I. hat in seinem Gutachten vom 12.12.2021 ausgeführt, dass eine geschlossene Unterbringung zunächst für eine Zeitspanne von 6 Monaten geboten sei. Zum Zeitpunkt der Begutachtung war der Betroffene bereits auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts B. vom 29.11.2021, Az.: 1 XIV (L) 309/21 B, im St. Nikolaus Hospital N. untergebracht. Daher begann die Frist mit dem Tag der Gutachtenerstattung.
20Von einer Wiederholung der Anhörung des Betroffenen wird wegen der Besonderheiten des Falles abgesehen, da diese bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Von einer erneuten Anhörung eines Betroffenen kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn im erstinstanzlichen Verfahren eine umfassende Anhörung verhältnismäßig kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Inhalt der Akte keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben haben, das Beschwerdegericht das in den Akten festgehaltene Ergebnis der Anhörung nicht anders würdigen will und es auf den persönlichen Eindruck nicht ankommt (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 20. Auflage 2020, § 68 Rn. 59, 59a m. w. N.) Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 03.02.2022 angehört, was sich aus dem Anhörungsvermerk Bl. 913/914 GA ergibt. Neue entscheidungserhebliche Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte liegen nicht vor und es ist nach dem Inhalt der Akte nicht zu erwarten, dass eine erneute Anhörung des Betroffenen zusätzliche Erkenntnisse verschaffen wird.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 81 Abs. 1 FamFG).
22Rechtsmittelbelehrung:
23Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt, die binnen einer Frist von 1 Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichung einer schriftlichen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt werden kann. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde eingelegt wird, die Erklärung, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird und sie muss unterschrieben sein. Die Beschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (§§ 10 Abs. 4, 70 Abs. 3 Nr. 2, 71 Abs. 1 FamFG).
24Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. I, 2017 S.3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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BeglaubigtUrkundsbeamter/in der GeschäftsstelleLandgericht Kleve