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Die Berufung der Beklagten gegen das im Verfahren gemäߧ 495a ZPO am 18.11.2020 ergangene Urteil des Amtsgerichts Geldern - 4 C 193/20 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar..
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheits
leistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Be trages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicher heit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1.
2Die Klägerin betreibt in Geldern eine Praxis für Ergotherapie und Neurofeedback und verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Ausfallhonorars für kurzfristig ab gesagte Behandlungstermine.
3Die Beklagte ist die Erziehungsberechtigte der Kinder S (geb. ########), C (geb. ##########) und L. am ######## meldete sie den minderjährigen C, am ######## auch die minderjährige S zur Behandlung bei der Klägerin an. Hierzu trug sie in ein Anmeldeformular jeweils die Daten der Kinder ein und unterzeichnete das Formular, in dem es unter der Überschrift
4„Wichtige Informationen:" unter anderem heißt: ,,Können vereinbarte Termine nicht eingehalten werden, müssen diese mindestens 24 Stunden vorher abgesagt werden. Andernfalls wird Ihnen unabhängig von einer Begründung des kurzfristigen Ausfalls gemäß § 293 ff. BGB (gesetzliche Regelungen zum Annahmeverzug) eine Ausfall pauschale in Höhe von 25,00 Euro privat in Rechnung gestellt. Entsprechendes gilt für vereinbarte, aber nicht abgesagte Termine, die nicht eingehalten werden. Mit Ih rer Unterschrift erkennen Sie die Vereinbarungen an und erklären sich mit ihnen ein verstanden." Wegen der weiteren Einzelheiten des Anmeldeformulars wird auf die Kopien BI. 15, 17 d. A. verwiesen.
5Die Beklagte vereinbarte fü die Kinder diverse Behandlungstermine, unter anderem für den 23.03.2020 um 15:00 Uhr (C) und um 15:45 Uhr (S). In der Nacht auf den 23.03.2020 entwickelte das weitere Kind S zu diesem Zeitpunkt 9 Jahre alt - Hals- und Kopfschmerzen sowie Fieber. Die Beklagte, die über keine Möglichkeit verfügte, ihren Sohn S anderweitig betreuen zu lassen oder ihn iu dem Behandlungstermin mitzunehmen, kontaktierte am 23.03.2020 gegen 07:30 Uhr
6- noch vor den offiziellen Öffnungszeiten der Praxis ab 08:00 Uhr - telefonisch die
7Praxis der Klägerin, schilderte dem Mitarbeiter der Klägerin die Situation und erklär te, dass sie den Termin nicht wahrnehmen könne. Die Beklagte nahm zudem Rück sprache mit der Hausarztpraxis Dr. S, von der sie die Auskunft erhielt, dass aufgrund der Symptome eine Erkrankung an dem Corona-Virus in Betracht zu ziehen sei, sodass die Beklagte m_it ihrem erkrankten Sohn nicht die Praxis aufsuchen, sondern die Entwicklung seines Gesundheitszustandes zunächst weiter beobachten solle. Es bestand zudem die Möglichkeit, dass sich auch weitere Familienmitglieder mit dem Corona-Virus infiziert haben könnten.
8Mit Schreiben vom 23.03.2020 stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten je aus gefallenem Behandlungstermin, für den sie regulär mit der Krankenkasse jeweils€ 101,00 hätte abrechnen können, einen Betrag von€ 25,00 in Rechnung. Da die Be-· klagte keine Zahlungen leistete, forderte die Klägerin sie mit Schreiben vom 28.04.2020 unter Fristsetzung bis zum 05.05.2020 erneut zur Zahlung auf. Unter dem 11.05.2020 und 28.05.2020 folgten weitere Zahlungserinnerungen, für die die Klägerin jeweils eine Bearbeitungsgebühr von € 2,50 berechnete. Die Beklagte tätig te auch hierauf keinerlei Zahlungen.
9Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Beklagte sei aufgrund der in den Anmelde formularen geschlossenen Vereinbarung zur Erstattung der Ausfallpauschalen ver pflichtet. Sie habe sich hiermit spätestens seit dem 06.05.2020 in Verzug befunden. Es sei in den medizinischen Heilberufen üblich und gerichtlich mehrfach bestätigt, dass Terminabsagen weniger als 24 Stunden vorher mit Pauschalen, meist€ 25,00, in Rechnung gestellt werden könnten. Die Vereinbarung in den Anmeldeformularen sei insbesondere nicht nach den§§ 307 ff. BGB unwirksam. Ihr stehe darüber hin aus ein Anspruch auch aus § 615 BGB zu. Hiernach könne sie sogar die eigentlich vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
10Die Klägerin hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie€ 50,00 nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.05.2020 sowie€ 10,00 außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Ansicht gewesen, eine wirksame Rechtsgrundlage des geltend-gem ach ten Anspruchs sei nicht ersichtlich. Bei• der in dem Anmeldeformular enthaltenen Klausel handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Als Vertragsstra fen-Klausel verstoße diese gegen § 309 Nr. 6 BGB, weil die Vertragsstrafe gerade
15den Fall der Nichtabnahme der Leistung des Verwenders betreffe. Als Klausel zum pauschalierten Schadensersatz verstoße die Klausel gegen § 309 Nr. 5 BGB, da sie nicht ausdrücklich den Nachweis zulasse, dass ein Schaden nicht o er nur in gerin gerer Höhe entstanden sei. In jedem Fall sei die Klausel also unwirksam. Selbst bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel müsse zunächst eine Schadensersatzforde rung der:n Grunde nach bestehen. Hier fehle es aber bereits a. n einer Pflichtverlet zung der Beklagten, die mit dem Verzicht auf den Besuch der Praxis gerade ihrer Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Klägerin entsprochen habe. Schließlich sei nicht auszuschließen gewesen, dass im Falle einer Infektion des Sohnes.Joel auch die übrigen Familienmitglieder mit dem Corona-Virus hätten infi ziert sein können, sodass diese womöglich andere Patienten der Klägerin oder diese selbst oder ihr Personal hätten anstecken und so eine Schließung der Praxis auf grund des Infektionsschutzes hätten bewirken können. Zusätzlich liege eine unange messen·e Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dadurch vor, dass die Klägerin ihren Patienten die Möglichkeit abschneide, zu begründen, warum eine Absage mindestens 24 Stunden vor dem Termin nicht möglich war. Auf diese Weise werde dem Patienten die Möglichkeit genommen, berechtigte Interes sen wahrzunehmen. Im Übrigen habe sich die Beklagte nicht im Annahmeverzug be funden„ Nach ständiger Rechtsprechung liege ein Annahmeverz.ugnicht vor, wenn dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenhei ten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar sei. Als Dienst
16berechtigte träfen die Beklagte umfassende Fürsorgepflichten, unter anderem auch
17. .
18die Pflicht zur Vermeidung einer Infektion der Klägerin mit einer ansteckenden Krankheit. Im Falle einer Wahrnehmung des Termins unter den gegebenen Umstän den hätte sich die Beklagte gegebenenfalls einer fahrlässigen Körperverletzung oder eines Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz schuldig gemacht. Unter diesen Umständen, auch vor dem Hintergrund ihrer .Fürsorgepflicht für ihren er krankten Sohn sowie aus Gründen der Rücksichtnahme auf Dritte, sei ihr die Annah me der Leistung unzumutbar gewesen.
19Das Amtsgericht Geldern hat der Klage im Verfahren gemäß § 495a ZPO mit Urteil vom 18.11.2020 in vollem Umfang stattgegeben und ausdrücklich die Berufung zu gelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe aus dem zwischen den Parteien hinsichtlich der minderjährigen Kinder Bonnie-Sue und Cedric ge schlossenen Behandlungsvertrag in Verbindung mit§ 615 BGB das geltend ge machte Ausfaflhonorar in Höhe von jeweils€ 25,00 zu. Es sei unter Berücksichti gung der Anmeldformulare eine wirksame Vereinbarung über das streitgegenständli che Ausfallhonorar zustande gekommen, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klausel entspreche der Regelung de.s ·§ 615 BGB und sei als Allgemeine Geschäfts bedingung auch nicht nach_§§ 307 ff. BGB unwirksam. Sie verstoße nicht gegen § 309 Nr. 5 oder 6 BGB, da es sich weder um die Vereinbarung eines Schadensersatzanspruchs noch um eine Vertragsstrafe handele. Auch ein V rstoß gegen § 308 Nr. 7 BGB oder§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nicht vor. Dass das Ausfallhonorar un abhängig von der Begründung und damit verschuldensunabhängig zu entrichten sei, entspreche der Regelung des § 615 BGB, denn auch hiernach trete der Annahme verzug unabhängig von einem Verschulden des Gläubigers ein. Der Annahmever zug falle unabhängig von der Begründung allein in den Risikobereich des Dienstbe rechtigten. Daher sei es auch unerheblich, dass die Absage der Beklagten vor dem Hintergrund eines Coronaverdachts bei einem _Familienmitglied und Haushaltsange hörigen erfolgt sei. Die Frist von 24 Stunden sei nicht zu beanstanden· und weiche nicht in unangemessener Weise von§ 621 Nr. 5 BGB ab, wonach ein Behandlungs vertrag jederzeit kündbar sei, denn die Absage eines Behandlungstermins sei nicht gleichzusetzen mit der Kündigung des Behandlungsverhältnisses insgesamt. Der Klägerin als Behandlerin sei eine gewisse Vorlaufzeit zuzubilligen, um den Termin noch anderweitig vergebe zu können.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird.gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
21Die Beklagte hat gegen das ihr am 20.11.2020 zugestellte Urteil mit einem am 03.12.2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.01.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
22Sie ist der Ansicht, das erstinstanzliche Urteil beruhe im Sinne des § 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung dergestalt, dass das Amtsgericht den Anwendungsbereich des§ 615 BGB zu weit gefasst habe. Es sei eine normative Betrachtung des§ 615 BGB geboten gewesen. Aus§ 630b BGB folge, dass die Besonderheiten des Be handlungsvertrages als besonderem Dienstverhältnis auch im Rahmen der Anwen dung der allgemeinen Vorschriften über das Dienstverhältnis zu berücksichtigen sei en. Dem Patienten werde eine gegenüber dem Behandler herausgehobene Stellung eingeräumt, die in einer besonderen Einwirkungsmöglichkeit auf die Leistungserbrin gung, etwa durch die Befugnis zur sofortigen Beendigung des Behandlungsvertra ges gern. § 627 BGB,-zum Ausdruck komme. Die Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin sei schon deshalb unzulässig, weil sie die Möglichkeit zur Beendigung des Behandlungsvertrages einschränke und Patienten von der Wahrnehmung ihrer Rechte abhalten könne. Wenn der Patient jederzeit ohne Vergütungspflicht kündi gen könne, müsse er erst recht nur einen einzelnen Termin jederzeit absagen dür fen. § 615 BGB sei vor diesem Hintergrund einschränkend auszulegen. Ein Annah meverzug müsse abgelehnt werden, wenn die Nichterbringung der Behandlungsleis tung als angemessen anzusehen sei. Dies sei im Rahmen einer Interessenabwĭ gung festzustellen, wobei ein Ausfallhonorar entsprechend der jederzeitigen Kündi gungsmöglichkeit die Ausnahme bleiben müsse. Anders könne dies nur sein, wenn
23der Patient schuldhaft und entgegen dem Gebot des Zusammenwirkens den Be handler nicht rechtzeitig informiere. Hier habe die Beklagte die Verhinderung aber zum erstmöglichen Zeitpunkt mitgeteilt. Es sei bei der Interessenabwägung außer dem zu berücksichtigen, dass es für den Behandler keinerlei Gewähr gebe, zukünf tig Leistungen zu erbringen, da er stets mit dem Risiko einer sofortigen, anlasslosen Beendigung des Behandlungsverhältnisses konfrontiert sei. Es· verwirklichesich auch in der Absage eines Behandlungstermins nur das der Tätigkeit immanente Be triebsrisiko . § 615 BGB passe im Grunde genommen, da er auf den Schutz abhängig Beschäftigter zugeschnitten sei, überhaupt nicht für regelmäßig freiberuflich tätige Behandler, die gerade nicht in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Patienten stünden. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Be klagte durch ihr umsichtiges Verhalten potenziell größeren wirtschaftlichen Schaden von der Klägerin bgewendet habe, verstoße die Geltendmachung eines A sfallho norars gegen die guten Sitten.
24Mit_Schriftsatz vom 25.02.2021 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte am 30.11.2020 unter Angabe des Verwen
25dungszwecks „Unter Vorbehalt zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung" die Haupt-
26. .
27forderung in Höhe von € 50,00 zuzüglich € 1,14 Zinsen beglichen hatte. Die Beklag-
28te widersprach der Erledigungserklärung und verfolgt ihr"erstinstanzliches Klageab weisungsbegehren weiter. Nach einem Hinweis des Gerichts mit Beschluss vom 22.04.2021 widerrief die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.04.2021 die Erledigungser klärung und teilte mit, es werde der ursprüngliche Klageantrag gestellt. Im Übrigen wird auf die von den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Be zug genommen.
29II.
301. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Amtsgericht hat die Berufung in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich zugelassen (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); die Berufung- ist im Übrigen frist- und formgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die Berufung indes keinen Erfolg.
31Nachdem die Klägerin ihre einseitig gebliebene Erledigungserklärung in zulässiger weise widerrufen (vgl. Jaspersen·, in: BeckOK ZPO, 40. Ed. 01: 03 . 2021 , § 91a Rn. 17; Flockenhaus, in: MusielakNoit, ZPO, 18. Aufl. 2021-, § 91a Rn. 30) und erklärt hat, an ihrem ursprünglichen Klageantrag festzuhalten, war im Rahmen der Beru fung über die Berechtigung des erstinstanzlich zuerkannten Zahlungsantrags zu befinden.
32Zu Recht hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung eines Ausfallhonorars in Höhe von zwei Mal€ 25,00, insgesamt also€ 50,00, bejaht.
33Ein solcher Anspruch folgt aus den zwischen den Parteien geschlossenen Behand lungsverträgen zugunsten des betreffenden Kindes nach§§ 630a, 328 BGB, konkret aus der Vereinbarung auf den Anmeldeformularen. Diese sieht eine Ausfallpauscha le in Höhe von.€ 25,00 für den Fall vor, dass ein vereinbarter Termin nicht eingehal ten werden kann und nicht mindestens 24 Stunden vorher abgesagt wird.
34Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die Beklagte hatte für ihre Kinder je-. weils Behandlungstermine am Nachmittag des 23.03.2020 vereinbart, die sie erst am Morgen des gleichen Tages gegen 7:30 Uhr absagte. Die Beklagte hat die Be handlungstermine auch (lediglich) abgesagt. Die Absage dieser beiden Termine stellte keine Kündigung der jeweiligen Behandlungsverträge dar, die einem (weiteren) Zahlungsanspruch der Klägerin entgegen stehen könnte.
35Die Vereinbarung ist auch wirksam. Es handelt sich, wie auch zwischen den Partei en nicht in Streit steht, jeweils um eine Allgemeine Geschäftsbedingung ilJl Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, die nach den Maßstäben des § 305 Abs. 2 BGB jeweils wirk sam in die Behandlungsverträge einbezogen worden ist. Die Klausel weicht durch die Bestimmung einer pauschalen Ausfallvergütung und eine Konkretisierung des Annahmeverzuges von der gesetzlichen Bestimmung in § 615 S. 1, 2 BGB ab. Sie unterliegt damit gern. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 309, 308, 307 Abs. 1 und 2 BGB.
36Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 6 BGB scheidet aus. Hiernach ist eine Bestimmung un wirksam, durch die sich der Verwender für den Fall der Nichtabnahme der Leistung die Zahlung einer Vertragsstrafe versprechen lässt. Es handelt sich bei der in Streit . stehenden Vereinbarung allerdings nach Sinn und Zweck nicht um eine Vertrags strafenklausel, denn die Vereinbarung verfolg-t nicht das charakteristische Ziel einer Vertragsstrafe, den Gläubiger zur Abnahme der Leistung anzuhalten. Vielmehr wird vor allem durch die Bezugnahme auf d) §§ 293 ff. BGB deutlich, dass es sich ledig lich um die Pauschalierung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs aus§·615BGB handelt.
37Aus diesem Grund ist auch nicht von der Pauschalierung eines Schadensersatzan spruchs ohne Gestattung des Nachweises eines geringeren Schadens im Sinne des
38§ 309 Nr. 5 lit. b) BGB auszugehen. Hiergegen spricht zusätzlich, dass die Klausel ersichtlich nicht in Abhängigkeit zum Vorliegen eines Schadensersatztatbestandes gestellt wird; die Pauschale soll gerade unabhängig von einer Pflichtverletzung fällig sein.
39Auch§ 308 Nr. 7 BGB ist nicht einschlägig, da die Absage eines Behandlungster mins - zumal bei längerfristig angelegten Behandlungen wie einer Ergotherapie -
40nicht mit einer Kündigung beziehungsweise einem Rücktritt gleichzusetzen ist.
41. .
Ansatzpunkt für die Herleitung einer unangemessenen Benachteiligung könnte vor liegend zunächst die Absagefrist von 24 Stunden vor dem Termin sein. Diese ist al lerdings vor dem Hintergrund des als berechtigt anzuerkennenden Ziels der Kläge rin, eine so frühzeitige Mitteilung zu erhalten, dass sie gegebenenfalls in der Praxis organisation durch anderweitige Terminvergabe o. ä. noch umdisponieren kann, nicht als zu lang anzusehen. Es ist unbestritten geblieben, dass die Klägerin in we niger als 24 Stunden keine Ersatztermine beschaffen kann. Zudem werden die meis ten Hinderungsgründe auch für den Patienten bis 24 Stunden vor dem Termin ab sehbar sein. In der Rechtsprechung wurden sogar bereits Fristen von 48 Stunden und mehr für zulässig erachtet (vgl. AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 20.12.20 8
43- 713 C 238/18; AG Nettetal, Urteil vom 12.09.2006 - 17 C 71/03). Aus der Absage frist kann eine unangemessene Benachteiligung demnach nicht geschlossen wer den.
sich nicht. Für den Fall einer solchen Kündigung sieht§ 628BGB, sofern kein ver tragswidriges Verhalten vorliegt, regelmäßig zwar nur eine Vergütung für bereits er brachte Leistungen vor und keine Vergütung für Leistungen, zu deren Erbringung es aufgrund der Kündigung nicht mehr kommt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Absage eines einzelnen von mehreren Behandlungsterminen in aller Regel in der persönlichen Sphäre des Patienten begründet sein wird und die Gründe gerade nicht in Beziehung zu dem Behandler steheri, wie etwa bei einem Vertrauensverlust in dessen Person oder die Behandlung an sich. Andernfalls würde ein Patient regel mäßig_ nicht nur den einen Termin absagen, sondern sich auch zukünftig nicht mehr von dem Vertragspartner behandeln lassen wollen und dazu sogleich den gesamten Behandlungsvertrag kündigen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 627 Abs. 1 BGB individualvertraglich sogar insgesamt abbedungen werden könnte; le diglich durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung kann das Kündigungsrecht grundsätzlich nicht abbedungen werden. Anders als aber die Berufung meint, be wirkt die Klausel keine Einschränkung des Rechts, den Behqndlungsvertrag jeder: zeit zu beenden. Zum einen lässt die Frist von 24 Stunden dem Patienten genügend Raum für eine Kündigung ohne kurzfristige Absage von Terminen. Zudem ist zu be zweifeln, dass der Betrag von€ 25,00 Patienten ernstlich von de_r Geltendmachung einer Kündigung abhalten könnte. Der Betrag ist _zwar nicht ganz geringfügig, denn er soll Patienten dazu anhalten, frühzeitig zu überdenken, ob sie Behandlungstermi ne wie vereinbart wahrnehmen können. Er erscheint aber bei einem ernsthaften Kündigungswunsch auch nicht als gewichtiges Hindernis. Jedenfalls ist der gewählte Betrag, der nur für die Absage eines Termins und nicht für die Kündigung des Ver trages gilt, hinsichtlich seines Druckpotentials nicht vergleichbar mit dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem eine Rehaklinik für den Fall vorzeitiger Abreise der Kur gäste unzulässiger Weise 80 % der Tagespauschalen verlangte (vgl. SGH, Urteil vom 08.10.2020 - III ZR 80/20). Es ist also hinsichtlich der fehlenden Entschuldi gungsmöglichkeit keine relevante Abweichung von gesetzlichen Vorschriften zu er kennen, die eine unangemessene Benachteiligung begründen könnte.
45Es bleibt als Ansatzpunkt für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der Umstand, dass di Klausel dem Patienten nicht entsprechend § 615 S. 2 BGB den Nachweis erlaubt, die Klägerin müsse sich einen weitergehenden Betrag auf die Vergütung anrechnen lassen. Allerdings dürfte der Nachweis dem Patienten ohnehin kaum je gelingen, da es der Klägerin als Ergotherapeutin - wie vorliegend unstreitig ist - nicht m'öglich ist, in weniger als 24 Stunden Termine anderweitig zu vergeben.
46Auch Anhaltspunkte für die Ersparnis von Aufwendungen in einem erheblichen Um fang sind nicht ersichtlich. Daher erscheint der Ausschluss dieser Entlastungsmög lichkeit - zumal vor dem Hintergrund, dass die Klausel auch dem berechtigten Inter esse an einer Erleichterung der Abwicklung auch zum Zwecke der Schonung der Behandler.:Patienten-Beziehung dienen soll - unbedenklich.
47Festzuhalten bleibt, dass die Vereinbarung über ein Ausfallhonorar einer Kontrolle
48· anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäߧ§ 307 ff. BGB standhält. Das Amtsgericht hat die Klausel richtigerweise als wirksam erachtet und festgestellt, dass die Klägerin aus ihr den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Ausfallpauschale in Höhe von € 25,00 je abgesagtem Behandlungstermin, insge samt also€ 50,00 herleiten kann.
49Die Geltendmachung dieses Anspruchs erscheint auch durch die Umstände des Ein zelfalles weder: als sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB noch als treuwidrig (§ 242 BGB). Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass sie mit der Absage der Ter mine nicht zuletzt auch im Interesse der Klägerin gehandelt hat. Eine Wahrnehmung der Termine durfte schon aus ihrer sozialen Verantwortung heraus nicht erfolgen. Al lerdings ist davon unabhängig die Frage zu beurteilen, wen die wirtschaftlichen Las ten dieser Situation treffen sollten. Hierzu haben die Parteien mit der Vereinbarung . in den Anmeldeformularen eine Regelung getroffen. Es entspricht auch gerade den Wertungen der§§ 615 S. 1, 293 ff. BGB; den Gläubiger, hier also die Beklagte mit dem Risiko zu belasten, die Leistung nicht in Anspruch nehmeri zu können und Kos ten dafür in gewissem Umfang übernehmen zu müssen. Die Absage erfolgte nicht etwa aus einem aus der Sphäre der Klägerin herrührenden Grund und allein, son dern nur auch in ihrem Interesse. Das Beharren auf dem ordnungsgemä_ß vereinbar ten Ausfallhonorar stellt sich daher nicht als sittenwidrig und im Übrigen nicht als treuwidrig dar.
50Auch hinsichtlich der als Nebenforderungen geltend gemachten Verzugszinsen und Mahnkosten hat das Amtsgericht der Klage gern. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler stattgegeben.
51III.
52Die Kostenentscheidung folgt aus§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vor läufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711, 543 Abs. 1
53Nr. 1 ZPO.
54Die Revision wird gemäߧ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zugelassen, denn die Frage der Berechtigung eines Anspruchs auf Zahlung eines formularmäßig vereinbarten Ausfallhonorars von medizinischen Leistungserbringern im Falle kurzfristiger Ter minabsagen betrifft eine Vielzahl von Einzelfällen und wird in der lnstanzrectitspre chung und der Literatur unterschiedlich beantwortet.
55Streitwert für das Berufungsverfahren: bis€ 500,-.
563 Unterschriften