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für Recht erkannt:
I.
Der Angeklagte wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
6 Jahren und 9 Monaten
verurteilt. Im Übrigen wird er freigesprochen.
II.
1. Der Angeklagte wird weiter verurteilt, an Em. W. ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2021..
2. Es wird festgestellt, dass die Forderung zu Ziff 1. aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt.
III.
1. Der Angeklagte wird weiter verurteilt, an M. Bl. ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1. und 2. geltend gemachten Forderungen auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen.
IV.
Im Übrigen wird von der Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
V.
Das Urteil ist, soweit es die Adhäsionsansprüche betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
VI.
Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, trägt die Landeskasse die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Im Übrigen trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 176 Abs. 1, 176 a Abs.2 Nr. 1, 53 StGB, 823, 253 BGB
Gründe:
2I. Feststellungen zur Person
3Der Angeklagte wuchs zusammen mit 2 Brüdern und seiner Schwester S. H. auf. Die Europa-Hauptschule in E. verließ er nach der 7. Klasse und arbeitete zunächst beim Theodor-Brauer-Haus. Es folgten verschiedene Tätigkeiten als Lagerarbeiter oder im Produktionsbereich; zuletzt war er als Staplerfahrer bei B. in E. mit einem monatlichen Verdienst von 1.300,00 € angestellt. Im Jahr 2020 ging er keiner Tätigkeit mehr nach.
4Unregelmäßig konsumierte er in der Vergangenheit Haschisch und Marihuana.
5Der Angeklagte hielt von 2015 bis Ende 2019 eine Wohnung auf der Rs. Lstraße 00 in Ws und war dort offiziell gemeldet. Die damalige Freundin des Angeklagten, die Zeugin Cs., bezog im Mai 2016 eine Wohnung auf der Rs. Lstraße 8 in Ws, wo sich der Angeklagte fortan überwiegend aufhielt.
6Ende des Jahres 2018, einer Phase, in der es zwischen ihm und der Zeugin zu Zerwürfnissen gekommen war, wohnte er bei seinem Onkel, dem Q. Wt.. Nach der Aussöhnung mit der Zeugin Cs. wohnte er kurzzeitig wieder mit in ihrer Wohnung. Eine weitere Trennung erfolgte im Januar 2019, nachdem die Zeugin auf dem Mobiltelefon des Angeklagten Videos entdeckt hatte, die ihn bei Sexspielen mit seiner Cousine J. Wt., der Tochter des R. Wt., zeigten. Die Zeugin Cs. filmte die Videos von dem Mobiltelefon des Angeklagten, zumindest sequenzweise, ab und verbreitete die Aufnahmen. Ende Januar 2019 erstattete J. Wt. Anzeige gegen den Angeklagten unter der Angabe, die gefilmten sexuellen Begebenheiten seien nicht im Einvernehmen geschehen. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wurde letztlich eingestellt.
7In der Zeit von Januar 2019 bis März/April 2019 hatten der Angeklagte und seine ehemalige Lebensgefährtin Cs. kaum Kontakt, näherten sich dann allerdings wieder an.
8Im Dezember 2019 trennte sich die Zeugin Cs. erneut von dem Angeklagten, als sie von der Anzeige der M. Bl. erfuhr. Nach der Trennung zog der Angeklagte kurzzeitig zu seiner Mutter, dann kam er für einige Zeit bei seiner Schwester, der Zeugin S. H. (nunmehr S. W.), unter. Dort fand im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wegen der Vorwürfe der M. Bl. im Februar 2020 eine Durchsuchung statt. Auf Anweisung des Jugendamtes hin verbot ihm die Zeugin W. die Rückkehr in ihre Wohnung. Von diesem Zeitpunkt an war der Angeklagte ohne festen Wohnsitz. Gemeldet war er unter der Anschrift seiner Mutter, wo er zumindest auch zeitweise aufhältig war, zumeist übernachtete er jedoch bei einem Bekannten in Ws.
9Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das Amtsgericht Kleve verurteilte ihn am 03.01.2008 wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro (12 Cs 1036/07). Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz folgte am 25.04.2012 eine Verurteilung durch das Amtsgericht Kleve zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 Euro (12 Cs 365/12). Das Amtsgericht Ws verurteilte ihn am 21.03.2016 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 Euro. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Kleve -12 Cs 292/20- am 27.05.2020 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 Euro, diese ist gezahlt.
10II. Feststellungen zur Sache
114. Taten zum Nachteil von M. Bl.
12Der Angeklagte ist der Cousin der Zeugin H.-P.. Die Zeugin ist die Mutter der Geschädigten M. Bl., geboren am 0.0..2008. Die Zeugin H.-P., den Zeugen Bl. (Vater von M.) und den Angeklagten verband eine langjährige Freundschaft; man traf sich zu gemeinsamen Grillabenden und verbrachte Zeit miteinander.
13Der Kontakt zwischen dem Zeugen Bl. und dem Angeklagten riss auch nach der Trennung von der Kindsmutter, der Zeugin H.-P. im Jahre 2015 nicht ab. Weiterhin fanden gemeinsame Treffen und u.a. Grillfeste statt.
14Bei einem dieser Grillfeste im Jahr 2017, die Zeugin M. Bl. besuchte gerade die 3. Klasse der Grundschule, kam es zu dem ersten sexuellen Übergriff auf sie durch den Angeklagten, damals noch in dessen Wohnung auf der Rs. Lstraße 00. Der Angeklagte lockte die Zeugin in sein Schlafzimmer unter dem Vorwand, ihr etwas zeigen zu wollen. Dort forderte er sie auf, sich bäuchlings auf das Bett zu legen und so weit nach vorne zu rücken, dass ihr Oberkörper die Bettkante berührte. Die Zeugin kam der Aufforderung nach und hüpfte auf das Bett. Dann verband er ihr die Augen mit einer präparierten Schwimmbrille, deren Gläser mit Panzertape abgeklebt waren. Er wies die Zeugin an, sich auf den Unterarmen hoch zu stützen und den Mund zu öffnen. Er stellte sich vor sie hin und schob ihr seinen Penis in den Mund. Anschließend versprach er ihr für jedes Mal, das sie mitmache, 20 Euro für den Kauf eines von ihr gewünschten Lego-Hauses zurückzulegen, gepaart mit dem Verbot, ihren Eltern von den Vorkommnissen zu erzählen.
15In gleichförmiger Weise vergriff sich der Angeklagte wiederholt, und zwar mindestens 11 weitere Male an der Zeugin M. Bl.. Jeweils sollte sie sich bäuchlings hinlegen, ihr wurden die Augen verbunden, der Angeklagte stellte sich vor sie hin und sie nahm seinen Penis in den Mund. Zum Teil gab der Angeklagte der Geschädigten die Anweisung, an seinem Penis zu knabbern oder zu lutschen. Er zeigte ihr außerdem, welche Zungenbewegungen und Geräusche sie zu machen habe. Bei mindestens zwei Gelegenheiten goß er Erdbeersoße auf sein Glied bevor M. dieses in den Mund nehmen musste. Mindestens zweimal ließ er die Zeugin M. Bl. seinen Penis noch zusätzlich mit der Hand stimulieren, nachdem er ihn aus ihrem Mund herausgezogen hatte.
16Für den Missbrauch nutzte der Angeklagte unterschiedliche Gelegenheiten, mit der Zeugin alleine zu sein. Während Renovierungsarbeiten in der Wohnung der Zeugin Cs. im Jahr 2017 fuhr er mehrfach mit M. in seine eigene Wohnung, vorgeblich um benötigtes Werkzeug zu holen und verging sich dort an ihr in mindestens 6 Fällen in beschriebener Art und Weise. Die präparierte Taucherbrille bewahrte der Angeklagte in einer Kiste in seiner Wohnung auf der Rs. Lstraße 00 auf, weshalb er diese nur in dieser Wohnung benutzte.
17Weitere sexuelle Übergriffe fanden anlässlich unterschiedlicher Übernachtungen der Zeugin mit ihrem Vater in der Wohnung der Zeugin Cs. statt.
18Nach der Trennung von dem Zeugen Bl. und der Zeugin Ro. H.-P. behielt der Zeuge Bl. noch für 1 weiteres Jahr seine Wohnung in Ws, wo er Besuchskontakte zu M. wahrnehmen konnte. Dann verzog er jedoch nach Stralsund, weshalb er eine bezahlbare Möglichkeit sucht, den Umgang an jedem zweiten Wochenende mit der Tochter wahrzunehmen. Der Angeklagte bot dem Zeugen Bl. an, die Wochenenden zusammen mit M. bei ihm in der von der Zeugin Cs. und deren Sohn bewohnten Wohnung zu verbringen, um Hotelkosten zu sparen.
19Ab dem Jahr 2017 übernachteten die Zeugin M. Bl. und ihr Vater jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Zeugin Cs., wo auch der Angeklagte aufhältig war.
20Vater und Tochter nutzen dabei entweder die Schlafcouch, die im Wohnzimmer der Wohnung stand oder sie konnten das Zimmer des Sohnes der Zeugin Cs. nutzen, wenn dieser an den Wochenenden nicht zu Hause war und schliefen dann auf dessen Klappcouch. Teilweise durften sie das Schlafzimmer der Zeugin Cs. benutzen.
21Diese Übernachtungsbesuche nutzte der Angeklagte ebenfalls aus, um die Geschädigte sexuell zu missbrauchen. So begab es sich in mindestens 5 Fällen, dass er die Zeugin M. Bl. in der Wohnung der Zeugin Cs. sexuell missbrauchte. So wachte die Zeugin M. Bl. morgens oftmals vor ihrem Vater auf, verließ das Zimmer von J. und begab sich zur Toilette. Der Angeklagte, der ebenfalls regelmäßig vor der Zeugin Cs. aufstand, fing sie auf diesem Weg ab und veranlasste sie, sich bäuchlings auf die Couch zu legen, verband ihr die Augen mit einem Schal und steckte ihr seinen Penis in den Mund. Teilweise nutzte der Angeklagte aus, wenn er tagsüber mit der Zeugin Bl. alleine in der Wohnung war und ließ die Zeugin sich auf die Couch oder das Bett legen, verband ihr dort die Augen und steckte ihr seinen Penis in den Mund.
22Dieses Übernachtungsmodell praktizierten die Beteiligten zumindest bis Mitte 2019. Die Zeugin H.-P. bat den Zeugen Bl., eine Alternative zu suchen, da sie wusste, dass der Angeklagte und seine damalige Lebensgefährtin oft heftig stritten und das auch in Anwesenheit ihrer Tochter.
23Mitte 2019 endeten auch die Übergriffe auf die Zeugin Bl., da diese vermehrt versuchte, einsame Begegnungen mit dem Angeklagten zu vermeiden oder ihm deutlich machte, nicht mehr mitmachen zu wollen.
24Die Zeugin Bl. vertraute sich im Dezember 2019 ihrer guten Freundin, der Zeugin Jl. an, die ihrerseits den Vater der Zeugin Bl. (B) per Whats-App-Nachricht in Kenntnis setzte. Sie schrieb ihm:
25J:
26„Hey, eigentlich solle ichs nich sagen meinte M. aber ich muss es sie hat mir vorhin gesagt als ihr auf dem balkon wart das: keine ahnung wie lange das schon her ist da hatte Mc noch seine alte wohnung und manchmal sind die dahin gegangen und M. sollte dan mit ein schal oder so ihre augen verbinden und sollte dan an was weichem lutschen… und Mc hat das manchmal weit reingeschoben das sie noch würgen musste.. M. wird mit dafür hassen aber ich muss es dir sagen denn sowas geht zu weit“
27B:
28„Ok. Ich bin verwirrt. Aber danke.“
29J:
30„Kein Problem nur ich konnte das nich verheimlichen. M. meinte, das ging fast ein jahr aber sie ist nich sicher was es es genau war.“
31B:
32„Faxen habe die ja oft gemacht. Wasserschlachten und kebbereien. All kids da.“
33Dann übergab J. ihr Mobiltelefon an M. und diese schrieb ihrem Vater:
34B:
35„Ich weiß einfach nicht ob du dich vielleicht an etwas erinnerst und das falsch interpretierst. Das ist lange her und ihr kids habt alle rumgealbert. Wie kommst du denn nach so langer Zeit denn jetzt darauf. Aber zermalmt dir jetzt nicht den Kopf. Wir reden morgen. Ihr wolltet euch nen schönen Abend“
36M:
37„nein nein das stimmt, ich musste meine Augen verbinden und an irgendwas lutschen das hört sich komisch an aber es stimmt glaub mir ok ich wollte es nicht sagen weil ich Angst hatte und eines Abend hatte ich doch geweint. Ich wollte nicht das er sauer oder traurig ist.“
38B:
39„Mäuschen, ich bin gerade wirklich wirklich verwirrt und weiß nicht, was ich sagen soll, kann usw.“
40M:
41„ja, ich weiß es auch nicht was du sagen sollst, aber das ist die warheit.“
42B:
43„wann ungefähr“
44M
45„hat ungefähr vor einem Jahr angefangen und vor ein paar Monaten aufgehört.“
46B:
47„du warst nie alleine. ERGO hätte ich es mitbekommen. Da war nie etwas. Oder bin ich jetzt doof. Du warst doch niemals alleine da. Ich war immer bei dir. Als du geweint hattest, war es doch gerade so schwierig zwischen Miriam und Mc. Wo das Bild von der Wand gerissen wurde.“
48M:
49„immer wenn ihr noch geschlafen habt oder wenn wir also Mc und ich bei seiner alten Wohnung etwas abgeholt haben und du oder Miri nicht dabei. Also das war so er hat gesagt das wenn ich einml mit mache dnn hat er immer einen zwanni weggelegt für meinen lg.“
50Am Folgetag traf sich der Zeuge Bl. zunächst allein mit seiner Tochter und deren Freundin. M. wiederholte die Vorwürfe gegen den Angeklagten, weshalb der Zeuge Bl. entschied, auch die Kindsmutter in das Gespräch mit einzubeziehen. Gemeinsamen fuhren die drei zurück zu M.s Mutter und M. berichtete auch ihr von den Ereignissen.
51Am 15.12.2019 erstattete der Zeuge Bl. Anzeige gegen den Angeklagten, am 16.12.2019 hörte die Zeugin KHKin Hs. M. Bl. an. Hier schilderte M., dass der Angeklagte ihr mehrfach die Augen verbunden habe und sie etwas, das sie nicht mit einem Begriff belegte, in den Mund nehmen sollte. Sie erklärte explizit, dass der erste Übergriff stattgefunden habe, als sie anlässlich eines Grillfestes in der Wohnung des Angeklagten mit ihren Eltern zu Gast war. Der Angeklagte habe ihr im Schlafzimmer die Augen verbunden und sie etwas in den Mund nehmen lassen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in der 4. Grundschulklasse gewesen. Daneben erklärte M., dass sie im Rahmen der Besuchswochenenden ihres Vaters mit diesem gemeinsam in der Wohnung des Angeklagten und der Zeugin Cs. übernachtete und es auch in diesem zeitlichen Rahmen mehrfach zu ähnlich ablaufenden Übergriffen auf sie gekommen sei. Sie berichtete, dass sie als Frühaufsteherin teilweise morgens den Angeklagten antraf, während ihr Vater und die Zeugin Cs. noch schliefen und er diese Gelegenheit genutzt habe, sie dazu zu bringen, etwas in den Mund zu nehmen. Teilweise sei es im Rahmen von Renovierungsarbeiten dazu gekommen, dass sie mit dem Angeklagten alleine war, was er ebenfalls genutzt habe, um die Praktiken mit ihr durchzuführen. Auf die Frage nach ihrer Körperposition antwortete sie, dass sie sich stets bäuchlings habe hinlegen müssten und den Oberkörper habe anheben sollen. Ihre Augen seien entweder mit einer präparierten Taucherbrille, dies jedoch nur in der Wohnung, die der Angeklagte alleine bewohnt habe, oder mit einem Schal verbunden gewesen. Dann habe sie etwas Weiches und Langes in den Mund nehmen müssen. Dabei habe der Angeklagte vor ihr gestanden. Das wisse sie, da sie einmal seine Beine mit ihren Armen gespürt habe. Zum Teil habe sie das „Etwas“ festhalten müssen, was sie der Zeugin Hs. anhand einer Geste verdeutlichte, teilweise habe sie mit der Zunge bestimmte Bewegungen vollführen sollen. Diese führte sie der vernehmenden Polizeibeamtin ebenfalls vor. Als Belohnung habe der Angeklagte versprochen, Geld für ein Legohaus zurückzulegen. Eine Einschätzung über die Häufigkeit der Vorfälle fiel ihr schwer, sie erklärte allerdings, es sei jedes 2. Mal, wenn sie mit ihrem Vater in der Wohnung der Zeugin Cs. übernachtete oder auch jedes Mal passiert. Die Vorfälle seien im Zeitpunkt der Anzeigenerstattung schon etwas länger her gewesen, sie hätten in dem Moment geendet, als sie nicht mehr in der Wohnung der Zeugin Cs. übernachten durfte.
52Eine gutachterliche Exploration erfolgte unter dem 30.11.2020 durch die Diplom-Psychologin Kr..
535. Taten zum Nachteil von Em. W.
54Nachdem der Angeklagte und seine damalige Freundin, die Zeugin Miriam Cs., sich im Zuge des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen den Angeklagten wegen der Taten zum Nachteil der M. Bl. getrennt hatten, zog der Angeklagte Mitte Januar 2020 aus der gemeinsamen Wohnung aus und wohnte bis zu der polizeilichen Durchsuchung der von ihm genutzten Räume am 26.02.2020 bei seiner Schwester S. W.. Diese bewohnt gemeinsam mit ihrem nunmehrigen Ehegatten, dem Zeugen Christian W., und den drei gemeinsamen Kindern, Ls., J. und der am 0.0. 2013 geborenen Em. H. (nunmehr Em. W.) ein Einfamilienhaus in G..
55Die Geschädigte Em. leidet unter einer ADHS-Erkrankung, die dazu führt, dass sie sich schlecht konzentrieren kann und unter Schlafproblemen leidet.
56Im Tatzeitpunkt wiederholte sie die erste Klasse der Grundschule.
57Während des Zeitraums, in dem der Angeklagte bei seiner Schwester wohnen durfte, kam es zu mindestens 2 sexuellen Übergriffen auf seine damals 6-jährige Nichte Em..
58Der zeitlich erste Übergriff ereignete sich, als der Angeklagte und Em. allein im Haus verblieben. Der Zeuge W. arbeitete, die Zeugin W. war mit ihrem Sohn J. zum Einkaufen unterwegs und der ältere Sohn traf sich mit seinem Helfer. Der Angeklagte und Em. befanden sich in der Küche. Zuerst holte der Angeklagte vor den Augen von Em. aus dem Süßigkeitenschrank eine schokoladen- oder kokoshaltige Substanz. Dann verband der Angeklagte dem Opfer die Augen mit einem blauen Tuch, das er in seiner Hosentasche bei sich geführt hatte. Em. saß auf einem Stuhl, der Angeklagte stand vor ihr. Dann steckte er Em. zuerst einen Löffel mit der schokoladen-oder kokoshaltigen Substanz in den Mund. Anschließend fasste er sie am Hinterkopf und forderte sie auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen. Em. kam dieser Aufforderung nach. Anschließend musste sich Em. im Badezimmer übergeben. Der Angeklagte ermahnt die Zeugin, sie dürfte niemandem etwas von dem Geschehenen erzählen, sonst würde sie „Ärger bekommen“.
59Es kam jedenfalls noch zu einem zweiten Übergriff auf die Geschädigte Em. W., und zwar im Zimmer der Brüder der Geschädigten J. und Ls..
60Der Angeklagte verband Em. die Augen und die vor ihm stehende Zeugin musste sich nach vorne bücken und abermals seinen Penis in den Mund nehmen. Dabei drückte er sie am Hinterkopf in Richtung seines Penis.
61Die Zeugin Em. W. schwieg bis zum 24.09.2020 über die Ereignisse. An diesem Abend, als die Mutter die Rollos im Schlafzimmer herunterließ, äußerte Em. spontan, sie habe Angst, wieder etwas in den Mund stecken zu müssen. Dann rannte sie vor ihrer Mutter fort. Diese rief ihre beste Freundin, die Zeugin K an, die umgehend im Hause W. vorbeifuhr und das Gespräch mit Em. suchte.
62Em. erzählte der Zeugin K, dass sie den Penis des Angeklagten in den Mund nehmen musste und schilderte die Situation in der Küche. Die Zeugin K überzeugte sie, auch ihrer Mutter gegenüber das Geschehene zu wiederholen. Die Zeugin S. W. fertigte während des nachfolgenden Gesprächs Notizen. Sie schrieb folgendes auf: „Mama war mit J. Einkaufen Ls. war mit L weg Papa war arbeiten und ich war mit Mc zu Hause. In der Küche hat er ein blaues Tuch über meine Augen gemacht was er aus seiner Hosentasche geholt hat, danach hat er Schoko und Honig vermischt und in meinen Mund gesteckt. Danach hat er meinen Kopf genommen, ich sollte meinen Mund aufmachen und dann sollte ich an seinem Penis lutschen, was er zu mir gesagt hat. Das war öfter. Ich darf niemandem was sagen.“
63Am selben Tag erstatteten die Eltern von Em. Anzeige gegen den Angeklagten.
64Em. selbst wurde durch die Zeugin KOKin Kl. am 25.09.2020 polizeilich angehört. Hier berichtete Em., in der Zeit, als der Angeklagte bei ihnen gewohnt habe, sei es dazu gekommen, dass ihre Mutter mit ihrem Bruder einkaufen, ihr anderer Bruder mit seinem Helfer unterwegs und der Vater arbeiten gewesen sei. Sie sei allein mit dem Angeklagten im Haus verblieben. In der Küche habe er eine Kokosschokolade aus dem Süßschrank genommen, ihr die Augen mit einem blauen Tuch, das er aus seiner Hosentasche gezogen habe, verbunden, ihr mit einem Löffel die Schokolade in den Mund geschoben und sie dann an seinem Penis lutschen lassen, wobei er ihren Kopf mit der Hand nach unten gedrückt habe. Sie habe auf einem Stuhl gesessen, der Angeklagte habe vor ihr gestanden. Em. verdeutlichte gegenüber der Polizeibeamtin durch entsprechende Gesten, wie der Angeklagte ihr die Hand in den Nacken gelegt und ihren Kopf nach unten gedrückt habe. Außerdem zeigte sie die Bewegung des Lutschens ähnlich einem Eis-oder Lollilutschen. Sie führte weiter aus, der Penis des Angeklagten habe stark gestunken und sie äußerte die Vermutung, er wasche sich nicht. Sie habe sich anschließend erbrechen müssen. Sie erklärte zudem, es sei mehrfach zu ähnlichen Übergriffen gekommen. Erzählt habe sie bisher nichts, da der Angeklagte zum einen angedroht habe, sie würde Ärger bekommen, zum anderen habe sie nicht die „Bruderfreundschaft“ kaputtmachen wollen.
65Unter dem 04.12.2020 erfolgte eine Exploration durch die Diplom-Psychologin Kr..
66III. Beweiswürdigung
67Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen glaubhaften Einlassungen und der Auskunft aus dem Bundeszentralregister.
68Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
69Der Angeklagte hat das gesamte Tatgeschehen bestritten.
70Er hat behauptet, es habe weder zu M. Bl. noch zu Em. W. ein sexueller Kontakt stattgefunden. Eine Erklärung für die Aussagen habe er eigentlich nicht.
71Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich die Taten wie festgestellt ereignet haben.
72Die Überzeugung des Gerichts gründet sich auf die insoweit uneingeschränkt glaubhaften Angaben der Geschädigten M. Bl. sowie die Angaben der Zeugen Alr Bl., R. H.-P., M.Cs., Em. W., S. W., Ro. Wr. Ch. W., KHKin Hs., KHKin Kl. sowie auf die aussagepsychologischen Gutachten der Diplom-Psychologin Kr..
731. Taten zum Nachteil von M. Bl.
74Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte die Zeugin M. in mindestens 12 Fällen sexuell, und zwar schwer, missbraucht hat.
75Dabei folgte er stets ein und demselben Muster. Die Zeugin musste sich bäuchlings auf das Bett oder eine Couch legen und dort bis zum Rand nach vorne rücken. Dabei hatte er ihr die Augen verbunden entweder mit einem Schal oder einer präparierten Taucherbrille.
76Die Zeugin sollte dann ihren Oberkörper hochstützen und der Angeklagte, der vor der Zeugin stand, schob ihr seinen Penis in den Mund. Dann wies er sie an, auf dem Penis zu beißen, an diesem zu lutschen oder Geräusche zu machen.
77Die Zeugin hat konstant gegenüber ihren Eltern, gegenüber der Polizei, gegenüber der Psychologin und vor Gericht diesen Ablauf geschildert.
78Die Schilderungen der Zeugin sind glaubhaft und lebensnah. Die von ihr beschriebenen Körperpositionen ergeben Sinn, die Situationen in denen es zu Übergriffen gekommen sein soll, sind plausibel dargestellt.
79Eindrucksvoll hat die Zeugin im Prozessverlauf durch eine Geste verdeutlicht, wie sie den Kopf in die „richtige“ Position recken sollte. Zwar hat die Zeugin nie gesehen, was sie in dem Mund nehmen sollte, es ist jedoch zweifelsfrei davon auszugehen, dass es sich um den Penis des Angeklagten handelte. Die Zeugin hat das „etwas“ in ihrem Mund als außen weich und innen hart beschrieben. Es sei länglich wie eine Banane gewesen und habe keinen besonderen Eigengeschmack gehabt. Es ist nicht ersichtlich, was der Angeklagte ihr, außer seinem Penis, in den Mund hätte stecken sollen, das sie nicht habe sehen dürfen und worüber sie habe schweigen sollen.
80Dass der Angeklagte vor der Zeugin stand, ergibt sich aus der Schilderung der Zeugin, sie habe mit ihrem ausgestreckten Arm die Beine des Angeklagten spüren können.
81Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Schilderungen von M. erlebnisbasiert und nicht bloß frei erfunden sind.
82Die Zeugin schildert detailreich und plausibel. Konstant über den Zeitraum von fast 1,5 Jahren zwischen Anzeigeerstattung und Hauptverhandlung hat sie sowohl das Kerngeschehen als auch das Randgeschehen in Übereinstimmung mit ihren Erstangaben geschildert.
83Eine Belastungstendenz seitens M. war nicht auszumachen. Sie hat erklärt, zum Teil sei sie selbst Schuld gewesen an den Übergriffen, da sie sich entschieden habe, mit Mc mitzugehen anstatt mit ihrem Vater. Zudem hat sie versucht, die Anzahl der erfolgten Taten zu relativieren und gab an, vielleicht habe es Übernachtungen in Miriams Wohnung gegeben, wo nichts gewesen sei.
84Die Zeugin hat es vermieden –auch in der Hauptverhandlung- , zu erzählen, sie habe den Penis des Angeklagten in den Mund nehmen müssen, obwohl sie von ihrer Freundin und ihrer älteren Schwester dahingehend aufgeklärt worden war, dass die Vermutung sehr nahe liegt. Vielmehr blieb sie bei der Einlassung, nie gesehen zu haben, was sie in den Mund nehmen sollte. Spekulationen schloss sie sich nicht an.
85Die Zeugin hat mehrfach Erinnerungslücken zugegeben, was ebenfalls gegen die Annahme einer erfundenen Aussage spricht, da es bei einer bewussten Lügengeschichte eher zu erwarten wäre, dass die Zeugin das Vortragen von Lücken und Unsicherheiten im Interesse einer überzeugenden Selbstdarstellung vermeiden würde.
86Typisch für ein erlebnisbasiertes Berichten scheint der Kammer ebenfalls, dass die Zeugin das Kerngeschehen stabil in ihrer Erinnerung abrufen kann, ihr jedoch die Präzisierung konkreter Handlungen schwerfällt bzw. gar nicht gelingt.
87Die Zeugin vermochte weiterhin im Rahmen der polizeilichen Anhörung und der Exploration, wovon die Zeugin Hs. und die Sachverständige berichteten, durch deliktsstimmige Gesten zu verdeutlichen, wie sie das Geschlechtsteil des Angeklagten mit der Hand stimulieren sollte. Deliktsstimmig ist weiterhin der Umstand, dass die Zeugin Bl. weder Zwang noch körperlichen Druck erwähnt, um sie zum Mitmachen zu bewegen. Vielmehr hat sie die Taten als Kooperation zwischen sich und dem Angeklagten geschildert. So sprach sie beispielsweise davon, dass „wir in Miriams Wohnung immer den Schal genommen haben“.
88Die von ihr beschriebene, mit Panzertape abgeklebte Taucherbrille existierte auch tatsächlich in der Wohnung des Angeklagten. Der Angeklagte selbst hat zugegeben, eine in dieser Art und Weise präparierte Taucherbrille besessen zu haben, auch die Zeugin Cs. kannte die Taucherbrille. Dass sich ein 11-jähriges Mädchen ausdenkt, dass man eine Taucherbrille in dieser Manier präparieren könnte, um sie zum Zweck des Oralverkehrs zu nutzen, scheint der Kammer in Ansehung der Zeugin vollkommen ausgeschlossen.
89Tattypisch ist außerdem der Umstand, dass der Angeklagte der Zeugin vormachte, sie würde Geld für ihre Kooperation erhalten, um sich einen großen Wunsch erfüllen zu können. Für ihre Glaubhaftigkeit spricht weiterhin der Umstand der Aufdeckung. Die Zeugin hat eindringlich geschildert, wie sie sich belastet fühlte und sie das Wissen loswerden wollte. Deshalb vertraute sie sich einer Freundin an, die entgegen des Versprechens, Stillschweigen zu bewahren, den Vater der Zeugin informierte.
90Auf Nachfrage der Gutachterin formulierte sie kein Interesse an der Strafverfolgung des Angeklagten, vielmehr erklärte sie, nur wissen zu wollen, weshalb der Angeklagte diese Dinge mit ihr getan habe.
91M. hat auch glaubhaft berichtet, dass es sie belastet habe, dem Angeklagten irgendwann Gegenwehr geleistet zu haben, da sie den Eindruck bekomme habe, er sei über sie verärgert. Sie hat ihr Verhältnis zu dem Angeklagten und seiner damaligen Lebensgefährtin Cs. als sehr gut beschrieben und erklärte auch, sich auf die Übernachtungen gefreut zu haben.
92Es scheint auch ausgeschlossen, dass M.s Phantasie dadurch beflügelt worden sein könnte, dass sie mitbekommen hätte, welche Videos von Mc H. und der J. Wt. existierten oder innerhalb der Familie über Mc H.s Vorliebe für Oralsex mit gefesselten Frauen gesprochen wurde und sie unabsichtlich das Gehörte auf sich bezog und eine unabsichtliche Falschaussage tätigte. Denn auf Nachfrage des Gerichts, ob sie von der Affäre von J. und Mc wisse, bestand sie nachdrücklich darauf, dass die zwei nichts miteinander haben könnten, sie seien doch verwandt. Eine solche Beziehung lag offensichtlich vollkommen außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. Ebenso fernliegend ist die Annahme, sie habe Gespräche über die sexuellen Vorlieben des Angeklagten mitbekommen und sich die Übergriffe danach ausgedacht. Zum einen haben die Eltern von M. glaubhaft beteuert, solche Gespräche nicht in Anwesenheit ihrer 11-jährigen Tochter zu führen, zum anderen sind die Ausführungen von M. so detailliert und individuell, dass nicht von einer eingebildeten Tat auszugehen ist. M. schildert einerseits die gleich bleibenden Teile der Taten so, dass man den Eindruck erhält, sie habe darin bereits schon Routine erlangt, andererseits unterscheidet sie die Tathergänge an Details.
93Eine suggestive Befragung durch die Eltern schließt die Kammer ebenfalls aus. Der Zeuge Bl. war bis zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung eng mit dem Angeklagten befreundet, befand sich sogar im Zeitpunkt, als ihn die Whats-App-Nachricht der Jolien erreichte, bei diesem zu Besuch. Der Zeuge Bl. hatte vor der Mitteilung durch seine Tochter keinen Verdacht gehegt und äußerte seiner Tochter gegenüber sogar zunächst Skepsis, ob er das von ihr Behauptete glauben könne.
94Auch die Sachverständige Kr. geht von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin Bl. aus und kam nach der Exploration und nach der durchgeführten Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, dass die von der Zeugin geschilderten sexuellen Handlungen des Angeklagten hinreichend erlebnisbasiert sind. Das Gutachten der Sachverständigen vom Institut für forensische Psychologie ist nachvollziehbar und beruht auf zutreffenden Anknüpfungspunkten. Insbesondere geht es von der Arbeitshypothese aus, dass die Angaben der Zeugin unwahr sind und zeigt auf, weshalb diese Hypothese verworfen werden muss.
95Die Gutachterin hatte den Eindruck, dass M. nicht nach Aufmerksamkeit heischte und nur ungern über das Geschehe sprach, so dass sie davon ausgeht, dass die Zeugin zuverlässige Angaben machte, ohne zu übertreiben. Diesen Eindruck teilt auch die Kammer nach der durchgeführten Hauptverhandlung. Die Aussageentstehung in Form einer Spontanaussage gegenüber der besten Freundin schätzte die Sachverständige als alterstypisch ein. Inhaltlich ging sie davon aus, dass die Angaben der Zeugin glaubhaft und erlebnisbasiert sind. Auch ihr gegenüber schilderte die Zeugin den ersten Übergriff auf dem Grillfest. Konstant gab M. an, sie habe sich stets auf den Bauch legen müssen und ihre Augen seien verbunden gewesen. Die Taucherbrille sei nur in der „alten Wohnung“ des Angeklagten eingesetzt worden. Sie beschrieb, dass sie etwas in den Mund nehmen, darauf beißen und es teilweise anfassen sollte. Das „Etwas“ sei weich aber auch hart gewesen, mit etwas drumherum, wie ein dicker, weicher Kugelschreiber. Konstant vermied M. es, das „Etwas“ mit einem Begriff zu belegen. Teilweise habe der Angeklagte ihr geholfen und sie in die richtige Position gerückt, teilweise habe sie selbst das „Etwas“ gefunden. Zu einigen Gelegenheiten habe der Angeklagte Soße auf das „Etwas“ getan, manchmal habe sie wählen dürfen, ob sie Soße wolle. Die Anlässe, an denen sie mit dem Angeklagten allein blieb, gab sie ebenfalls konstant wieder. Sie erklärte, manchmal habe sie den Angeklagten in dessen Wohnung begleitet, zu weiteren Übergriffen sei es in der Wohnung der Zeugin Cs. gekommen, wobei M. schätzte, dort sei es häufiger geschehen, so um die 10-13 Mal. Die Örtlichkeiten gab sie mit Schlafzimmer oder Wohnzimmer an. Die Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, dass die Zeugin stabil, wenn auch unstrukturiert, das Kerngeschehen wiedergab, ohne dabei wortgleich möglicherweise Erlerntes abzurufen, weshalb die Sachverständige davon ausgeht, M. habe ihr gegenüber tatsächlich Erlebtes geschildert.
96Diese Annahme wird nach Einschätzung der Sachverständigen dadurch unterstützt, dass M. auch ihr gegenüber selbstbelastende Inhalte angab. Sie offenbarte Schuldgefühle, da sie den Eindruck hatte, sie hätte es teilweise verhindern können, wenn sie sich nicht dazu entschieden hätte, alleine mit dem Angeklagten in dessen alte Wohnung zu fahren. Den Umstand, dass ihr Geld in Aussicht gestellt wurde, schilderte die Zeugin ebenso wie ihr Gefühl, der Angeklagte sei traurig gewesen, wenn sie abgelehnt habe, mitzumachen. Erzählt habe sie ihren Eltern nichts, da der Angeklagte ihr das untersagt habe.
97Eine bewusste Lüge der Zeugin schloss die Sachverständige ebenso wie eine unabsichtliche Falschaussage aufgrund der hohen Aussagekonstanz und des Detailreichtums aus.
98Dem schließt sich die Kammer an.
99a) Übergriffe in der Wohnung Rs. Lstraße 00
100Sicher fest steht unter anderem die von M. beschriebene 1. Tat beim Grillfest in der „alten Wohnung“ von Mc. M. besuchte zu diesem Zeitpunkt nach ihrer glaubhaften Einlassung die 3. Klasse der Grundschule.
101M. wurde am 01.08.2015 eingeschult. Seit dem 01.08.2017 besuchte sie die 3. Klasse der Grundschule. Die Übergriffe begannen folglich nach diesem Zeitpunkt.
102Dieser Übergriff ist der einzige, den sie ganz konkret individualisieren konnte.
103Die Kammer geht davon aus, dass zumindest weitere 6 Übergriffe in der Wohnung auf des Rs. Lstraße 00 stattfanden.
104In Übereinstimmung mit der Sachverständigen geht die Kammer davon aus, dass es typisch ist, dass es der Zeugin schwerfiel, über die einschneidende erste Situation hinaus weitere einzelne Situationen abzugrenzen. So konnte sie zwar den routinemäßigen Ablauf der Übergriffe detailliert erklären, eine genaue Einschätzung über die Häufigkeit konnte sie allerdings nicht abgeben. Geschätzt hat die Zeugin die Häufigkeit der Übergriffe auf 10 Mal in der Wohnung auf der Rs. Lstraße 00.
105Die Kammer ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass es nur zu 6 weiteren Übergriffen gekommen ist.
106Der Zeugin gelang es, einige Unterschiede bei der Tatausführung zu benennen, die für diese Annahme als Grundlage dienen.
107Die Zeugin hat bekundet, die Übergriffe hätten sowohl im Schlafzimmer als auch im Wohnzimmer stattgefunden, meistens nachmittags. Sie konnte auch die Couch des Angeklagten, die in dessen Wohnung stand, noch genau beschreiben.
108Hinzu kommt, dass die Zeugin glaubhaft angegeben hat, die Taucherbrille sei mehrfach zum Einsatz gekommen. Sie konnte beschreiben, wie der Angeklagte sie aus einer Kiste geholt hat. Sie sprach außerdem davon, dass er entweder einen Schal oder die Brille genommen hat, so dass sich daraus schließen lässt, dass sowohl die Brille als auch der Schal in der von dem Angeklagten allein bewohnten Wohnung mehrfach, jeweils mindestens 3 mal zum Einsatz gekommen sind.
109Von weniger Fällen ist nicht auszugehen. Die Zeugin hat die Taucherbrille noch sehr genau im Gedächtnis und konnte zutreffend beschreiben, wo der Angeklagte diese aufbewahrte. Angesichts der verstrichenen Zeit ist eine so präsente Erinnerung nur dadurch erklärlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Ereignissen stattfand, zu denen der Angeklagte sich der Brille bediente.
110Da auch der Einsatz des Schals von der Zeugin M. Bl. als Routine-Element dargestellt wurde, geht die Kammer davon aus, dass auch dieser mindestens 3 Mal in der Wohnung auf der Rs. Lstraße 00 zum Einsatz kam.
111Der Angeklagte hatte auch mehrere Gelegenheiten, in denen er mit M. allein in seiner Wohnung war.
112Die Zeugin M. Bl. hat bekundet, 2-3 x mit dem Angeklagten in seine „alte Wohnung“ gefahren zu sein, als die Wohnung der Zeugin Cs. renoviert wurde. Diese Darstellung wird gestützt durch die Angaben der Zeugin Cs. und dem Vater der Geschädigten, die ebenfalls übereinstimmend aussagten, der Angeklagte sei mehrfach mit M. zu seiner alten Wohnung gefahren, um dort u.a. Werkzeug zu holen. Die Kammer geht davon aus, dass außer diesen Gelegenheiten weitere Möglichkeiten des Angeklagten bestanden, allein mit M. in seine Wohnung zu fahren oder, wie bereits geschehen, einen unbeobachteten Augenblick, trotz Anwesenheit ihres Vaters, zu nutzen.
113b) Übergriffe in der Wohnung der Zeugin Cs.
114M. übernachtete ab 2016 jedes 2. Wochenende bei der Zeugin Cs..
115In der Zeit vom 01.08.2017 bis Mitte 2019 kam es zu mindestens 5 weiteren sexuellen Missbräuchen durch den Angeklagten in der Wohnung der Zeugin Cs..
116Ausgehend von dem Umstand, dass M. glaubhaft angegeben hat, der erste Übergriff habe im Jahr 2017 stattgefunden, ist sicher davon auszugehen, dass ab Mitte August 2017 auch die Übergriffe in der Wohnung von Frau Cs. begonnen haben. Diese endeten irgendwann im Jahr 2019, wahrscheinlich im Sommer.
117Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Übernachtungsbesuche von M. und ihrem Vater zumindest bis Mitte des Jahres 2019 erfolgten.
118Die Zeugin H.-P. hat zwar in der Hauptverhandlung angegeben, sie habe verboten, dass M. weiterhin bei dem Angeklagten und der Zeugin Cs. übernachtete, nachdem die Vergewaltigungsvorwürfe zum Nachteil der J. Wt. im Raum gestanden hätten, allerdings reichte sie auf Bitten den Polizei eine Liste der Übernachtungsbesuche bei dem Angeklagten ein, die Übernachtungsbesuche für die Daten
11916.02.-17.02.2019
12023.02.-24.02.2019
12112.04.-14.04.2019
12203.05.-05.05.2019
12318.05.-19.05.2019
12431.05.-02.06.2019
12514.06.-16.06.2019
12612.07.-14.07.2019
127belegen.
128Es ist davon auszugehen, dass diese Daten auf das Jahr 2019 bezogen sind, da nur im Jahr 2019 die betreffenden Daten Wochenenden darstellen. Auch die Ferienzeiten stimmen mit den Schulferien für 2019 überein.
129Die Zeugin hat außerdem in der Hauptverhandlung angegeben, M. habe ihr gegenüber erklärt, die Übergriffe auf sie hätten ½-1 Jahr vor der Anzeigenerstellung aufgehört, was ebenfalls mit der Annahme korreliert, das Übernachtungsmodell sei bis Mitte 2019 praktiziert worden.
130Soweit der Vater von M. auch bekundet hat, die Übernachtungsbesuche hätten im Jahr 2019 nicht mehr stattgefunden, so beruht diese Aussage auf einem Irrtum. In seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Zeuge Bl. noch angegeben, er selbst habe die Bitten seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die Übernachtungssituation zu ändern, weitgehend ignoriert und weiterhin bei dem Angeklagten und der Zeugin Cs. übernachtet. Er hatte angegeben, vor Ende November 2019 dem Willen der Kindesmutter nachgekommen zu sein und die Besuche unterlassen zu haben. Vorher hätten er und M. weiterhin bei dem Angeklagten übernachtet, allerdings nicht mehr so regelmäßig wie zuvor.
131Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Anzeige wegen Vergewaltigung durch die J. Wt. großen Einfluss auf das Verhalten der Kindeseltern hatte. In der Hauptverhandlung gewann das Gericht den Eindruck, dass weder Kindesmutter noch Kindesvater die Vorwürfe der J. Wt. besonders ernst genommen haben. Anlass für einen Kontaktabbruch zwischen dem Zeugen Bl. und dem Angeklagten waren sie jedenfalls nicht.
132Auch die Angabe der Zeugin M. Bl., seit dem Wechsel auf das Gymnasium im Jahr 2019 sei es zu keinen weiteren Übergriffen mehr gekommen, bestätigt die zeitliche Annahme der Kammer.
133Damit übereinstimmend hat die Zeugin bekundet, nach den Sommerferien 2019, die sie mit Jolien in Stralsund verbrachte, sei nichts mehr gewesen. Im Zeitpunkt der Anzeigeerstattung sei schon ein paar Monate nichts passiert, weil sie das nicht mehr gewollt habe.
134Auch Frau Cs. schätzte, die Übernachtungsbesuche endeten im Sommer 2019.
135Ausgehend von der Annahme, dass die Zeugin in der Zeit zwischen Mitte 2017 bis Mitte 2019 missbraucht wurde, es alle 14 Tage zu einem Übernachtungskontakt kam, z.T. aber keine Übergriffe stattfanden, manchmal wegen Ferienzeiten keine Übernachtungen bei der Zeugin Cs. stattfanden, die Übergriffe in seiner alten Wohnung geschahen oder der Angeklagte aufgrund von Streitigkeiten mit der Zeugin Cs. nicht in der Wohnung übernachtete, ist von einer Mindestzahl von 5 Fällen auszugehen.
136Diese Fallzahl lässt sich auch zwangslos mit der Schilderung der M. Bl. über eine Vielzahl an Begehungsweisen vereinen. Sie hat erklärt, sie musste teilweise nur etwas in den Mund nehmen, mehrmals habe sie das Teil, das sie im Mund hatte auch in die Hand nehmen müssen, zu mehreren Gelegenheiten habe der Angeklagte Soße auf das Dings geschmiert, mal habe sie die Wahl gehabt, mit oder ohne Soße zu nehmen.
137Wegen der zahlenmäßig darüber hinausgehend angeklagten Taten war der Angeklagte freizusprechen, da die Kammer diese nicht sicher feststellen konnte und sie deshalb im Zweifelsfalle zugunsten des Angeklagten angenommen hat, dass keine weiteren Taten erfolgten.
1382. Taten zum Nachteil von Em. W.
139Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht ebenfalls zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte in der Zeit, in der er vorübergehend bei seiner Schwester wohnte, die Zeugin Em. mindestens zweimal dazu brachte, sich von ihm die Augen verbinden zu lassen und seinen Penis in den Mund zu nehmen.
140Zwar hat Em. in der Hauptverhandlung zur Sache nichts gesagt sondern vielmehr behauptet, sich an nichts erinnern zu können. Sie hat gesagt, der Angeklagte sei nicht länger ihr Onkel, weshalb das so wäre, könnte sie jedoch nicht sagen. Alle Vorfälle im Zusammenhang mit ihrem Onkel Mc seien aus ihrem Gedächtnis gelöscht und auf diese Erinnerungen habe sie auch keinen Zugriff mehr. Allerdings hat die Zeugin den Vorfall in der Küche gegenüber der Zeugin K, inhaltsgleich später gegenüber ihrer Mutter, der vernehmenden Polizeibeamtin und der Psychologin geschildert.
141Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Schilderung des sexuellen Übergriffs auf die Zeugin weder ihrer Phantasie entsprungen ist noch eine bewusste Lüge darstellt, sondern dass ihre Beschreibung wahrheitsgemäß und erlebnisbasiert war.
142Die Zeugin hat im Vorfeld der Hauptverhandlung konstant gegenüber den gehörten Zeuginnen beschrieben, wie sie in oben benannter Art missbraucht wurde. Die zentralen Eckpunkte ihrer Aussage (Ort, Körperpositionen, Augen mit blauem Tuch verbunden, erst Schokolade in den Mund, dann Penis in den Mund nehmen) blieben in den Berichtssituationen stets gleich.
143Em. hat gegenüber der anhörenden Polizeibeamtin vorgeführt, wie ihr die Hand in den Nacken gelegt wurde und wie sie eine lutschende Bewegung ausführte, ein Bewegungsablauf, den eine 7-jährige nicht intuitiv beherrscht, was ebenfalls für ein tatsächliches Erleben spricht.
144Auch das Rahmengeschehen wurde von der Zeugin Em. W. gleichbleibend wiedergegeben, so erklärte sie durchgehend plausibel, weshalb sie mit dem Angeklagten allein zu Hause war und dass sie nach dem Vorfall habe erbrechen müssen.
145Die Zeugin wusste zudem Details zu berichten (blaues Halstuch, das er aus Hosentasche zog, Schokolade auf Löffel), die sie sich nicht ausgedacht haben kann.
146Daneben erwähnte die Zeugin deliktsstimmige Details, wie z.B. die spielerische Einbettung des Missbrauchs sowie ein ihr erteiltes Schweigegebot.
147Dass die Zeugin sich das Szenario ausdachte, ist auszuschließen. Weder hat sie dafür die notwendige Kompetenz, sich derart detailliertes Randgeschehen auszudenken und diese Details konstant über einen langen Zeitraum inhaltsgleich zu reproduzieren, noch ist eine Motivation für die Zeugin ersichtlich, eine solche Lügengeschichte zu erdenken.
148Die Zeugin leidet unter einer ADHS-Erkrankung, weshalb es ihr schwerfällt, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren. Die Kammer konnte sich diesbezüglich einen eigenen Eindruck in der Hauptverhandlung verschaffen, wo Em. zum Teil unzusammenhängend erzählte, zum Teil ihre Erzählungen unterbrach, um dem Wunsch nachzugehen, mit ihren Stofftieren zu spielen. Die Kammer hält es nicht für möglich, dass die damals 7-jährige Zeugin ein frei erfundenes Geschehen inhaltsgleich mehreren unterschiedlichen Personen gegenüber zu unterschiedlichen Zeitpunkten habe erzählen können.
149Hinzu kommt, dass die Zeugin und den Angeklagten keine innige Beziehung verband, weder im Guten noch im Schlechten. Sie kannten sich vor dem Einzug des Angeklagten in das Elternhaus der Zeugin kaum. Im Zeitpunkt der Anzeigeerstattung war der Angeklagte bereits seit mehreren Monaten aus dem Haushalt seiner Schwester ausgezogen und damit sämtliches Konfliktpotenzial beseitigt. Eine Motivation der Zeugin Em., den Angeklagten, zu dem sie seit einem halben Jahr keinen Kontakt mehr hatte, zu Unrecht einer Straftat zu bezichtigen, ist nicht ersichtlich.
150Selbst der Angeklagte konnte sich nicht erklären, was Em. dazu bewogen haben könnte, eine solche Geschichte zu erfinden. Ein Motiv für Em. bewusst zu lügen, ist nicht erkennbar.
151Vielmehr hat Em. der Zeugin K gegenüber offenbart, sie habe zuvor nichts gesagt, weil sie die Bruderfreundschaft zwischen dem Angeklagten und ihrer Mutter nicht zerstören wolle, Em. fiel es nach ihrer Angabe schwer, den Angeklagten zu belasten.
152Gegen die Annahme, die im Zeitpunkt der Erstaussage 7-jährige Em. habe bewusst gelogen, spricht weiterhin, dass die beschriebene Vorgehensweise des Augen-verbindens exakt mit den Schilderungen der Zeugin M. Bl. und den von mehreren Zeugen geschilderten sexuellen Vorlieben des Angeklagten übereinstimmt.
153Da sich die beiden Zeuginnen sowohl nach Angabe des Angeklagten als auch nach Angabe ihrer Eltern und der Zeugin Bl. selbst nur flüchtig kannten, ist auszuschließen, dass sie sich im Sinne eines gemeinsamen Plans ähnliche Geschichten ausdachten, um dem Angeklagten absichtlich zu schaden, die sie dann im Abstand von 9 Monaten versetzt erzählten. Auch ist nicht anzunehmen, dass Em. über derart ausgeprägte Kenntnisse über sexuelle Handlungsweisen verfügte, um sich ein derart komplexes Geschehen auszudenken.
154Die Zeugin W. ist auch trotz der vorhandenen ADHS-Erkrankung in der Lage, Geschehenes zutreffend zu berichten.
155Die Kammer schließt ebenfalls eine irrtümliche Falschangabe aus.
156Eine Vermischung mit erhaltenen Informationen aus dem Verfahren M. Bl. betreffend scheint abwegig. Zum einen spricht der zeitliche Versatz zwischen Durchsuchung und Anzeigeerstattung gegen die Annahme, die Zeugin Em. habe mitbekommen, was M. passiert sei und übertrage diese Umstände auf sich. Zum anderen haben die Eltern von Em. glaubhaft versichert, ihre Kinder von solchen Gesprächen fernzuhalten. Hinzu kommt, dass die Zeugin S. W. versicherte, nicht geglaubt zu haben, dass an den von M. erhobenen Vorwürfen gegen ihren Bruder „etwas dran sei“, sie habe vielmehr an einen Komplott der Zeugin Cs. mit der Mutter von M. geglaubt. Sie hat weiterhin angegeben, sie habe nur auf den Auszug des Angeklagten bestanden, da sie von Seiten des Jugendamtes unter Druck gesetzt worden sei, ihn nicht weiter mit in ihrem Haus wohnen zu lassen. Sie sei erst von der Richtigkeit von M.s Angaben überzeugt gewesen, als ihre eigene Tochter einen ähnlichen Vorgang schilderte. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zwanglos, dass im Falle von Em. keine suggestive Befragung von Seiten ihrer Mutter oder der Zeugin K stattgefunden haben wird, da eine Gefährdung von Em. durch den Angeklagten für beide nicht denkbar war.
157Zudem spricht wiederum die Konstanz in der Aussage gegen eine Falschaussage. Außerdem hat Em. eindrücklich gegenüber der Polizeibeamtin geschildert, der Penis des Angeklagten habe gestunken. Sie habe den Eindruck, der Angeklagte wasche sich nicht. Diese Verknüpfung mit einem Geruch lässt sich nur mit einer Erlebnisbasiertheit der getätigten Angaben in Einklang bringen.
158Aufgrund der vorhandenen Realkennzeichen in ihrer Aussage ist die Kammer überzeugt, dass die Zeugin Em. W. den gehörten Zeuginnen K, W. und Kl. sowie der Gutachterin gegenüber tatsächlich Erlebtes wiedergegeben hat.
159Diese Annahme stimmt mit dem Explorationsergebnis der Gutachterin Kr. überein, die von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin W. ausgeht.
160Die Sachverständige nimmt mit nachvollziehbarer Begründung ebenfalls an, dass die von der Zeugin geschilderten sexuellen Handlungen des Angeklagten hinreichend erlebnisbasiert sind. Das Gutachten der Sachverständigen vom Institut für forensische Psychologie ist nachvollziehbar und beruht auf zutreffenden Anknüpfungspunkten. Insbesondere geht es von der Arbeitshypothese aus, dass die Angaben der Zeugin unwahr sind und zeigt auf, weshalb diese Hypothese verworfen werden muss.
161Em. berichtete der Sachverständigen bei der Exploration davon, der Angeklagte habe in der Küche zunächst einen Löffel mit Kokos-Schokolade aus dem Süßigkeitenschrank genommen. Dann habe er ihre Augen mit einem blauen Tuch verbunden, das er aus seiner Hosentasche geholt habe. Sie habe gesessen, er habe vor ihr gestanden. Zuerst habe der Angeklagte ihr den Löffel mit der Kokos-Schokolade in den Mund gesteckt. Dann habe sie gehört, wie er den Reißverschluss seiner Hose geöffnet habe. Er habe ihren Kopf runtergedrückt und sie habe auf dessen Aufforderung hin an seinem Penis lutschen müssen. Em. verdeutlichte die entsprechende Geste anhand eines Weingummis. Ihr Vater sei zu diesem Zeitpunkt arbeiten gewesen, Ls. mit L unterwegs und die Mutter mit dem anderen Bruder beim Einkaufen gewesen. Der Penis des Angeklagten sei weich gewesen und habe gestunken. Deshalb habe sie sich übergeben müssen. Da ihre Mutter sofort „ausgeflippt“ sei, als sie von dem ersten Geschehen berichtet habe, habe sie sich entschlossen zunächst, nur diese erste Gegebenheit zu erzählen, tatsächlich seien diese Übergriffe mehrmals vorgekommen. Es sei zu einem weiteren Übergriff im Zimmer ihrer Brüder gekommen, dieses Mal habe sowohl sie als auch der Angeklagte gestanden. Der Angeklagte habe ihr die Augen mit einem Tuch verbunden, ihren Kopf nach unten gedrückt und sie habe sich nach vorne bücken müssen, um seinen Penis in den Mund zu nehmen. Die Kokos-Schokolade habe er ihr nur beim ersten Mal gegeben.
162Die Sachverständige gelangte zu der überzeugenden Einschätzung, dass die Angaben der Em. keinesfalls auf einer Lüge basieren können. Die Zeugin sei aufgrund ihrer Aufmerksamkeitsdefizite nicht in der Lage, sich verbale Vorgaben zu merken oder eine ganze, erfundene Geschichte konstant zu reproduzieren. Ihre Merkfähigkeit reiche zu einem solchen Vorgehen nicht aus, so dass auszuschließen sei, dass Em. Vorgesagtes wiederhole. Die Aussage im Rahmen der Exploration sei angemessen detailliert gewesen ohne Widersprüche zu offenbaren und stimme sowohl im Kern- als auch im Randgeschehen mit den vorherigen Angaben bei der Polizei überein, wobei Em. auch bei der Exploration sprunghaft und unstrukturiert berichtet habe. Die Sachverständige schließt mit derselben Begründung auch aus, dass Em. sich die Geschehnisse selbst ausgedacht und dann konstant geschildert haben könnte. Auch dem folgt die Kammer aufgrund eigener Überprüfung.
163Der Umstand, dass Em. im Rahmen der Hauptverhandlung angegeben hat, sich an das Geschehene nicht zu erinnern, ändert nichts an dieser Einschätzung. Die Kammer vermag nicht zu entscheiden, ob Em. die Erinnerungen tatsächlich nicht mehr abrufen kann oder nur nicht mehr abrufen möchte -was wahrscheinlicher ist-, jedenfalls ist die Kammer überzeugt, dass sie bei der Schilderung der Ereignisse den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeuginnen gegenüber wahrheitsgetreu und erlebnisbasiert berichtete.
164Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass der Angeklagte Em. ein weiteres Mal im Zimmer ihrer Brüder sexuell missbrauchte. Zwar hat die Zeugin in der Hauptverhandlung auch hierzu nichts gesagt. Auch den Zeuginnen K und W. sowie der vernehmenden Polizeibeamtin, der Zeugin Kl., gegenüber erwähnte sie diese Begebenheit noch nicht konkret, schilderte diesen Vorfall allerdings der begutachtenden Psychologin.
165Das Gericht geht davon aus, dass die Zeugin Em. im Rahmen ihrer psychologischen Begutachtung zutreffend und wahrheitsgemäß den beschriebenen zweiten Vorfall schilderte. Die Abweichungen in der Art der Begehung und der Örtlichkeit spricht nach Einschätzung der Kammer für die Glaubhaftigkeit der Angaben. Bei dem zweiten Vorfall schilderte Em. zum einen andere Körperpositionen –sie sollte nicht, wie beim ersten Mal auf einem Stuhl sitzen, sondern stand dem Angeklagten gegenüber- und zum anderen fand der Missbrauch nicht in der Küche sondern im Schlafzimmer ihrer Brüder statt. Bei einer ausgedachten Geschichte, wäre, auch angesichts der Einschränkungen der Zeugin im sprachlichen Bereich, eher davon auszugehen, dass sie einen zweite Vorfall im Wesentlichen übereinstimmend mit dem ersten darstellen würde. Die Änderungen im Kerngeschehen lassen zwangslos den Rückschluss zu, dass sie Erlebtes berichtete.
166Die Kammer ist in Übereinstimmung mit der Gutachterin davon überzeugt, dass es sich bei der erstmals bei der Psychologin vorgenommenen Beschreibung dieser zweiten Situation um eine Konkretisierung der von ihr bereits zuvor geschilderten Übergriffe handelte und nicht um eine erfundene Erweiterung des zuvor Erzählten. Die Zeugin Em. W. hatte von Anfang an stabil behauptet, es sei mehrmals zu ähnlichen Vorfällen gekommen.
167Dabei ist die Kammer davon überzeugt, dass die Zeugin Em. bereits der Zeugin K gegenüber angegeben hat, mehrmals Opfer des Angeklagten geworden zu sein. Soweit die Zeugin in der Hauptverhandlung bekundet hat, überzeugt zu sein, Em. habe ihr gegenüber angegeben, es sei nur ein einziges Mal vorgekommen, geht die Kammer davon aus, dass die Zeugin K einem Irrtum unterliegt. In ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 25.09.2020 erklärte sie, Em. habe ihr gesagt, es sei mehrmals vorgekommen. Auch das von der Mutter am Abend der Anzeigeerstattung gefertigte Protokoll von Em.s Angaben beinhaltet den Satz „Das war öfter“.
168Bei ihrer polizeilichen Vernehmung durch die Zeugin Kl. erwähnte Em., „das am Pimmel lutschen“ sei mehrmals passiert, eine weitere Präzisierung erfolgte bei der Vernehmung allerdings nicht, da Em. sich nicht weiter konzentrieren konnte oder wollte. Sie bestand darauf, spielen zu wollen.
169Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, dass die Zeugin Em. konstant von einem mehrmaligen Geschehen sprach, aber bis zur Exploration nur den ersten zeitlich ersten Übergriff konkretisieren wollte.
170Dabei teilt die Kammer die Einschätzung der Sachverständigen, dass es aufgrund der hoch emotionalen Reaktion der Mutter auf den Bericht ihrer Tochter nachvollziehbar ist, dass Em., zunächst bewusst nur von dem ersten Mal erzählte und die weiteren Übergriffe zwar andeutete, indem sie stets angab, es sei mehrfach passiert, dazu aber anfangs keine weiteren Ausführungen machte.
171Im Übrigen gilt das bereits Ausgeführte.
172IV. Rechtliche Würdigung
173Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zum Nachteil der Zeugin M. Bl. in 12 Fällen sowie zum Nachteil der Zeugin Em. W. in 2 Fällen gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.
174Der Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
175V. Strafzumessung
176Bei der Strafzumessung hat die Kammer den Strafrahmen des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB zugrunde gelegt.
177Die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 176a Abs. 4 StGB kam bei einer Gesamtschau angesichts der Mehrzahl der Taten und der Ausnutzung des Vertrauens- und Näheverhältnisses zur Begehung der Taten nicht in Betracht.
178Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist. Darüber hinausgehende Umstände, die zugunsten des Angeklagten sprechen würden, sind in der Hauptverhandlung nicht bekannt geworden.
179Zulasten des Angeklagten war zum einen die Vielzahl der Taten zu berücksichtigen. Darüber hinaus richteten sich die Übergriffe gegen zwei Opfer, die im Tatzeitpunkt noch sehr jung waren.
180Dabei nutzte der Angeklagte zur Tatbegehung die ihm entgegengebrachte Vertrauensstellung als bester Freund des Vaters bzw. als Onkel aus. Auch das bereits laufende Ermittlungsverfahren wegen der Taten zum Nachteil der M. Bl. hielt ihn nicht von der Begehung der Taten zum Nachteil der Em. W. ab.
181Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungserwägungen hält die Kammer für jeden Einzelfall des schweren sexuellen Missbrauchs jeweils die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
1823 Jahren und 5 Monaten
183für tat- und schuldangemessen.
184Gemäß §§ 53, 54 StGB war hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Hierbei war die Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der Person des Angeklagten und seiner Taten angemessen zu erhöhen. Die Kammer noch einmal die fehlenden einschlägigen Vorstrafen berücksichtigt, andererseits aber auch die Vielzahl der Taten, die gegenüber zwei Kindern begangen wurden.
185Nach Abwägung aller Gesichtspunkte hält die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von
1866 Jahren und 9 Monaten
187für tat- und schuldangemessen.
188VI. Adhäsionsanträge
1891. Adhäsionsantrag M. Bl.
190Der Adhäsionsklägerin M. Bl. steht gegen den Angeklagten ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 15.000,00 € gem. §§ 823 BGB, 253 Abs. 1 BGB i.V.m. § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB zu.
191Der sexuelle Missbrauch der Klägerin durch den Angeklagten stellt eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen zum Nachteil der Klägerin dar, die diese insbesondere in ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt hat und einen entsprechenden deliktischen Schadens- und Schmerzensgeldanspruch begründen. Auch in der Höhe ist der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch begründet. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen: Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Daneben trägt die Anerkennung eines Schmerzensgeldes dem Gedanken Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten jedenfalls bei vorsätzlich begangenen Straftaten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat.
192Dies vorausgeschickt hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen: Die Klägerin wurde über mehrere Jahre von dem Angeklagten in mindestens 12 Fällen sexuell missbraucht. Dabei nutzte er seine Stellung als Vertrauensperson der Adhäsionsklägerin für seine Zwecke aus. Der Missbrauch begann zu einem Zeitpunkt, in dem die Zeugin gerade einmal ungefähr 9 Jahre alt und damit noch ein Kind war. Der Missbrauch löste bei ihr eine hohe psychische Belastung aus und das Geschehene beschäftigt sie noch bis zum heutigen Tag.
193Die Kammer hat zudem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt. Dieser war im Tatzeitpunkt ohne festen Wohnsitz, hat keinen Schulabschluss oder Ausbildung vorzuweisen und wird wahrscheinlich auch auf lange Sicht mittellos bleiben. Zusammenfassend erachtet die Kammer die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes i.H. von 15.000 Euro zum Ausgleich der erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen für erforderlich, aber auch für hinreichend.
194Zinsen waren ab dem Tag nach Rechtshängigkeit zuzusprechen (§§ 404 Abs. 2 S. 2 StPO, 187 Abs. 1 BGB).
195Das Feststellungsinteresse bzgl. des Adhäsionsklageantrags zu Ziff. 2 ergibt sich aus §§ 256, 850 f Abs. 2 ZPO.
1962. Adhäsionsantrag Em. W.
197Der Adhäsionsklägerin Em. W. steht gegen den Angeklagten ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 10.000,00 € gem. §§ 823 BGB, 253 Abs. 1 BGB i.V.m. § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB zu.
198In diesem Falle hat die Kammer berücksichtigt, dass dem Angeklagten nur 2 Taten zum Nachteil der Klägerin sicher nachgewiesen werden konnten; diese fanden in einem Zeitraum von 2 Monaten statt.
199Zusammenfassend erachtet die Kammer die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes i.H. von 10.000 Euro zum Ausgleich ihrer erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen für erforderlich, aber auch für hinreichend.
200Das Feststellungsinteresse bzgl. des Adhäsionsklageantrags zu Ziff. 2 ergibt sich aus §§ 256, 850 f Abs. 2 ZPO.
201Die Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.
202VII. Kosten
203Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465, 467 Abs. 1, 472 StPO.
204Unterschriften