Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Angeklagte wird wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von
6 Jahren
kostenpflichtig verurteilt.
Die sichergestellten 1.996,7 Gramm Kokain werden eingezogen.
- §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 1, 3, 33 BtMG, 27, 52 StGB -
G r ü n d e:
Der zur Tatzeit 51-jährige Angeklagte wurde in Sofia/Bulgarien geboren, als Kleinkind adoptiert und wuchs in Bulgarien auf. Er erlangte die mittlere Reife und absolvierte eine Ausbildung zum Lkw-Fahrer. Es folgte der Wehrdienst, der 15 Monate andauerte. Im Folgenden arbeitete der Angeklagte als Lkw-Fahrer. Schließlich machte er eine Ausbildung im Bereich Gastronomie und arbeitete 10 Jahre als Barmann in einer Diskothek. Er ist seit 1987 verheiratet und Vater einer Tochter, die 1988 geboren ist. Im Jahr 2005 eröffnete er zusammen mit seiner Ehefrau ein Restaurant. 2013 konnten die Kredite hierfür nicht mehr bedient werden. Zudem verlor der Angeklagte seine Wohnung. Im Jahr 2015 trennten sich die Eheleute, eine Scheidung erfolgte nicht.
3Seitdem hielt sich der Angeklagte regelmäßig in Deutschland auf, wo er als Lkw-Fahrer für eine bulgarische Firma regelmäßig nach Belgien und Frankreich fuhr. Zeitweilig mietete er eine Wohnung in Duisburg. In dieser Zeit hatte er ein Einkommen von ca. 1.600 EUR monatlich. Zwischenzeitlich kehrte er immer wieder nach Bulgarien zurück, um seine Eltern zu besuchen. 2019 gab der Angeklagte seine Wohnung in Duisburg auf und kehrte nach Bulgarien zurück, um sich um seine erkrankte Mutter zu kümmern. Er lieh sich Geld, um eine Operation für seine Mutter zu finanzieren. Gelegentlich arbeitete er auf dem Bau.
4Betäubungsmittel konsumierte der Angeklagte nicht regelmäßig. Lediglich gelegentlich konsumierte er am Wochenende Kokain und Ecstasytabletten.
5Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.
Der Angeklagte, der in Bulgarien bei Privatleuten Schulden in Höhe von 2.000 EUR hatte, für die monatlich hohe Zinsen aufgeschlagen wurden, wurde am 16.02.2020 von diesen beauftragt, nach Amsterdam zu fahren und Kokain über die deutsch-niederländische Grenze zu transportieren. Im Gegenzug sollten ihm seine Schulden erlassen werden. Dem kam der Angeklagte nach, da er aus eigener Kraft nicht in der Lage war, die Schulden zu begleichen. Am 18.02.2020 gegen 15:30 Uhr übernahm er auf einem Parkplatz in Amsterdam von einem ihm unbekannten Mann eine Tüte mit zwei Drogenpaketen. Der Angeklagte schaute kurz in die Tüte, sah die zwei Pakete und versteckte die Tüte sodann auf der Fahrerseite unter dem Rücksitz seines Pkw der Marke I.
7Am 18.02.2020 gegen 17:15 Uhr reiste der Angeklagte aus den Niederlanden kommend mit seinem Pkw und den unter der Rücksitzbank befindlichen 1.995,9 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 1.785,8 Gramm Kokainhydrochlorid über den Grenzübergang Emmerich/Elten der Bundesautobahn 3 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Angeklagte wusste bei seiner Einreise in das Bundesgebiet, dass er mit dem Pkw Kokain transportierte. Er nahm billigend in Kauf, dass sich Kokain in einer Größenordnung der sichergestellten Menge mit dem festgestellten Wirkstoffgehalt von 1.785,5 Gramm Kokainhydrochlorid in dem von ihm gefahrenen Pkw befindet. Die Kammer geht zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er nicht selbst mit den sichergestellten Betäubungsmitteln Handel treiben wollte. Er war sich jedoch bewusst, dass das Kokain von dem unbekannt gebliebenen Hintermann zum Weiterverkauf bestimmt war und er wollte dessen Handeltreiben durch den Transport des Kokains über die deutsch-niederländische Grenze fördern, um dafür den versprochenen Schuldenerlass zu erhalten.
8Nachdem der Angeklagte die Grenze überquert hatte, wurde er durch die im Rahmen der Grenzüberwachung eingesetzten Zeugen S2 und van Kevelaer angehalten und kontrolliert. Auf die erste Befragung gab der Angeklagte gegenüber den Beamten an, er habe einen Freund in Eindhoven besucht. Die Frage, ob er gefährliche oder verbotene Gegenstände mit sich führe, verneinte er. Da der Angeklagte unruhig wirkte, überprüften die Beamten den Pkw und fanden unter der Rücksitzbank eine gelbe Plastiktüte, in der sich auf zwei Pakete verteilt, insgesamt 1.995,9 Gramm Kokain befanden.
9Die Betäubungsmittel wurden sichergestellt. Der Angeklagte wurde vorläufig festgenommen und zur Dienststelle des Hauptzollamtes Duisburg verbracht. Gegen 19:40 Uhr bat der Angeklagte den Zeugen S2 darum, eine Zigarette rauchen zu dürfen. Der Zeuge S2 begleitete ihn daraufhin vor das Gebäude des Hauptzollamtes Duisburg. Dort machte der Angeklagte weitere Angaben zur Sache in englischer Sprache. Der Zeuge S2 fertigte über den Inhalt des Gesprächs einen Vermerk. Darin hielt er fest, der Angeklagte habe berichtet, er habe die 2 kg Kokain in Holland für 15.000 EUR gekauft. In Bulgarien würde er dafür 100.000 EUR bekommen. Er habe hohe Schulden und wolle diese mit dem Gewinn tilgen.
Dieser Sachverhalt steht aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten und der weiteren ausweislich der Sitzungsniederschrift verwendeten Beweismittel zur sicheren Überzeugung der Kammer fest.
11Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben und den in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszügen.
12Zur Sache hat sich der Angeklagte entsprechend der getroffenen Feststellungen geständig eingelassen. Insbesondere hat der Angeklagte eingeräumt, gewusst zu haben, dass sich in der von ihm von den Niederlanden nach Deutschland zu transportierenden Tüte Kokain befand.
13Diese geständige Einlassung des Angeklagten wird durch die Aussagen der Zeugen S2 und van Kevelaer zum Aufgriff des Angeklagten mit den Betäubungsmitteln in seinem Fahrzeug nach dem Grenzübertritt bestätigt. Beide haben die Aufgriffssituation entsprechend den getroffenen Feststellungen bestätigt. Die Aussagen stimmen in wesentlichen Punkten überein und sind jeweils detailliert, ohne dass Anhaltspunkte für eine Belastungstendenz erkennbar geworden sind.
14Soweit der Zeuge S2 angegeben hat, der Angeklagte hätte ihm gegenüber geäußert, dass er die sichergestellten Betäubungsmittel selbst gekauft habe, um diese auf eigene Rechnung in Bulgarien gewinnbringend zu veräußern, hat die Kammer Zweifel, ob der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S2 die Wahrheit gesagt hat. Vielmehr ist es ebenso wahrscheinlich, dass der Angeklagte in ein Netzwerk eingebunden ist und keine Hinterleute preisgeben wollte. So hat der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S2 angegeben, die knapp 2 Kilogramm Kokain zu einem Preis von 15.000 EUR in den Niederlanden erworben zu haben. Der Zeuge G, der über eine langjährige Erfahrung im Betäubungsmittelbereich verfügt, hat demgegenüber angegeben, dass 1 Kilogramm Kokain in den Niederlanden ca. 25.000-30.000 EUR kostet. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Angeklagte selbst über die erforderlichen finanziellen Mittel für den Erwerb einer so großen Menge Kokain verfügt.
15Die Kammer geht vielmehr zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er nicht selbst mit den Betäubungsmitteln Handel treiben, sondern lediglich das Handeltreiben seines Auftraggebers fördern wollte, um den versprochenen Schuldenerlass zu erhalten.
16Dass die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren, ergibt sich bereits aus der großen sichergestellten Menge. Dies war auch für den Angeklagten deutlich.
17Die Feststellungen zur Menge und zum Wirkstoffgehalt der tatbetroffenen Betäubungsmittel beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Wirkstoffgutachten des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung Köln vom 14.07.2020. Danach befanden sich in einem Paket 996,8 g Cocainhydrochlorid mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 88,13 g pro 100 g, also insgesamt 878,4 g (Asservat 1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.) sowie in einem weiteren Paket 999,1 g Cocainhydrochlorid mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 90,8 g pro 100 g, also insgesamt 907,1 g (Asservat 1.1.1.2.1.1.1.1.1.1.1.1.). In beiden Paketen befanden sich also insgesamt 1.995,9 g Cocainhydrochlorid mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 1785,5 g.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG strafbar gemacht, indem er am 18.02.2020 aus den Niederlanden kommend 1.995,9 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 1.785,5 Gramm Kokainhydrochlorid über den Grenzübergang Emmerich/Elten/BAB 3 in die Bundesrepublik Deutschland einführte.
19Er wusste dabei auch, dass er Kokain transportierte. Über die genaue Menge und den Wirkstoffgehalt des Kokains hatte er zwar keine Kenntnis, hielt jedoch eine Größenordnung der sichergestellten Menge sowie den festgestellten Wirkstoffgehalt des Kokains ernsthaft für möglich und nahm dies billigend in Kauf. Der Angeklagte hatte in die ihm überreichte Tüte geschaut und sich dafür entschieden, die darin befindlichen Drogen von den Niederlanden nach Deutschland zu transportieren.
20Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die nicht geringe Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 BtMG bei Kokain bei einem reinen Wirkstoffgehalt von 5 Gramm Kokainhydrochlorid. Bei den von dem Angeklagten eingeführten Betäubungsmitteln handelte es sich somit um das 357-fache der geringsten nicht geringen Menge des Rauschgifts Kokain.
21Tateinheitlich hat sich der Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 27, 52 StGB strafbar gemacht. Er hat das Handeltreiben eines unbekannt gebliebenen Hintermannes durch den Transport von den Niederlanden nach Deutschland wissentlich und willentlich gefördert, um dafür den versprochenen Kurierlohn (Schuldenerlass) zu erhalten. Wurde der Angeklagte von unbekannt gebliebenen Hintermännern mit seinem Wissen und Wollen als Drogenkurier eingesetzt, ohne dass er an der Planung und Ausführung der Tat im engeren Sinne beteiligt war, war er über die genaue Menge und den exakten Wirkstoffgehalt des Kokains nicht informiert, und hat ihn letztendlich seine finanzielle Not dazu veranlasst, den Kurierdienst zu übernehmen, um hierfür von seinen Auftraggebern eine Entlohnung zu erhalten, so ist er lediglich als Gehilfe zu bestrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 04. April 2006 – 3 StR 64/06 –, juris).Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Ausgangspunkt der Strafzumessung ist der durch § 30 Abs. 1 BtMG bestimmte Strafrahmen, der eine Freiheitsstrafe von 2 bis 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
23Gemäß § 30 Abs. 2 BtMG ist im minder schweren Fall auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Von einem solchen ist die Kammer allerdings aufgrund der im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung festzustellenden täter- und tatbezogenen Besonderheiten nicht ausgegangen:
24Die Kammer hat strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte geständig war. Zudem hatte er nur eine untergeordnete Rolle als Kurier inne und hat nicht selbst mit den Betäubungsmitteln Handel getrieben. Ferner ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Drogen sichergestellt wurden und nicht in den Verkehr gelangt sind, sodass sie ihre schädlichen Wirkungen nicht entfalten konnten. Darüber hinaus war er tatgeneigt wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten. Des Weiteren ist der Angeklagte bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch ist der Angeklagte als Ausländer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, besonders haftempfindlich. Ausnahmsweise hat die Kammer auch die verbüßte Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Dass der Angeklagte sich schon seit einigen Monaten in Untersuchungshaft befindet, hat grundsätzlich keinen strafmildernden Wert. Der Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft als solcher stellt bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB grundsätzlich keinen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18; BGH wistra 2001, 105; BGH NStZ-RR 2003, 110; BGH, Beschluss vom 13.10.2011 – 1 StR 407/11). Vorliegend ist dies jedoch anders zu beurteilen, da durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen die Untersuchungshaft unter erschwerten Bedingungen zu verbüßen war. So konnte der Angeklagte nur eingeschränkt Besuche empfangen und es bestanden keine Möglichkeiten, an Gemeinschaftsaktivitäten teilzunehmen.
25Strafschärfend fiel ins Gewicht, dass sich die Tat auf das 357-fache der geringsten nicht geringen Menge der harten Droge Kokain bezog. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zugleich einen weiteren Verbrechenstatbestand, nämlich den der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht hat.
26Nach der Abwägung der vorstehend aufgeführten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte liegt keine Fallgestaltung vor, bei der das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, weil die Anwendung des Regelstrafrahmens vor dem Hintergrund des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat unangemessen hart wäre. Gegen diese Annahme spricht auch unter Berücksichtigung des Geständnisses, der Sicherstellung der Betäubungsmittel und der weiteren strafmildernden Gesichtspunkte insbesondere die große Menge der tatbetroffenen Betäubungsmittel.
27Ausgehend von dem hiernach eröffneten Strafrahmen hält die Kammer nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen eine Freiheitsstrafe von
286 Jahren
29für tat- und schuldangemessen.
Die Einziehung des sichergestellten Rauschgifts beruht auf § 33 BtMG. In der tenorierten Einziehungsentscheidung wird das Gewicht der sichergestellten Betäubungsmittel mit 1.996,7 g angegeben. Hierbei handelt es sich um ein Additionsversehen, von dessen Berichtigung die Kammer abgesehen hat, weil die einzuziehenden Betäubungsmittel trotz der marginalen Abweichung hinsichtlich des Gewichts zweifelsfrei bestimmt sind.
31Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.
322 Unterschriften |
Ausgefertigt Unterschrift |