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1.
Die Prämienerhöhung des Krankenversicherers ist unwirksam, wenn der Treuhänder, der ihr zugestimmt hat, nicht unabhängig gewesen ist.
2.
Bei der Beurteilung der Unabhängigkeit des Treuhänders ist ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Maßstab an einen gerichtlichen Sachverständigen vergleichbar ist.
3.
Ob der Treuhänder unabhängig ist, unterliegt im Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Prämienerhöhung nach § 203 VVG der Prüfungskompetenz der ordentlichen Gerichte, die dabei nicht an Verwaltungsakte der BaFin gebunden sind.
Es wird festgestellt, dass die vom Kläger bei der Beklagten im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages 00000 für den Zeitraum seit dem 01.01.2016 geschuldete monatliche Prämie für den Tarif Vital 250 den Betrag von 243,14 € und für den Tarif ESP/100 den Betrag von 7,47 € nicht übersteigt.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 548,88 € zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der durch die Anrufung des Amtsgerichts Rheinberg entstandenen Mehrkosten, welche der Kläger trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Es wird festgestellt, dass die vom Kläger bei der Beklagten im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages 00000 für den Zeitraum seit dem 01.01.2016 geschuldete monatliche Prämie für den Tarif Vital 250 den Betrag von 243,14 € und für den Tarif ESP/100 den Betrag von 7,47 € nicht übersteigt.
3Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 548,88 € zu zahlen.
4Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
5Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der durch die Anrufung des Amtsgerichts Rheinberg entstandenen Mehrkosten, welche der Kläger trägt.
6Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
7Tatbestand
8Der Kläger hat bei der Beklagten im Jahre 2003 die Krankheitskosten, Pflege- und Krankentagegeldversicherung Nr. 00000 abgeschlossen. Zum 31.12.2015 betrug die Prämie des Klägers für den Tarif „Vital 250“ 243,14 € und für den Tarif „ESP/100“ 7,47 €. Der Tarif „Vital 250“ umfasst eine Krankheitskostenvollversicherung mit 100 % Erstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlungen (allgemeine Krankenhausleistungen sowie Unterkunft im Zweitbettzimmer und wahlärztliche Behandlung) mit einem jährlichen Selbstbehalt von 250,- €; der Tarif „ESP/100“ eine Zusatz-Pflegekostenversicherung mit Erstattung von 100 % der Leistungen, die von einer sozialen Pflegeversicherung bei stationärer Pflege erbracht werden. Wegen weiterer Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf die Versicherungsscheine vom 06.02.2003 und vom 15.12.2015 nebst einbezogener AVB verwiesen. Mit Versicherungsschein vom 15.12.2015 teilte die Beklagte die Erhöhung der Prämie für den Tarif „Vital 250“ auf 332,73 € und für den Tarif „ESP/100“ auf 9,36 € zum 01.01.2016 mit. Die Prämienerhöhung war von dem Dipl.-Math. M am 30.11.2015 genehmigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Treuhänders M vom 30.11.2015 verwiesen. Die Beklagte hatte der BaFin im Jahre 2014 die Bestellung des Dipl.-Math. M zum unabhängigen Treuhänder angezeigt. Die BaFin hatte mit Bescheid vom 17.11.2014 dagegen keine aufsichtsrechtlichen Bedenken erhoben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bescheid der BaFin vom 17.11.2014 Bezug genommen. Der Kläger erhob 2016 die hier streitgegenständliche Klage bei dem Amtsgericht Rheinberg, welches den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 18.04.2017 an das Landgericht Kleve verwiesen hat.
9Der Kläger trägt vor:
10Er bestreitet mit Nichtwissen, dass im Tarif „Vital 250“ die erforderlichen Leistungen die kalkulierten um 14 % überstiegen haben, sowie die Dauerhaftigkeit der Kalkulationsdifferenz. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagte die Beobachtungseinheit zutreffend gebildet hat. Er bestreitet die Unabhängigkeit des Treuhänders M mit Nichtwissen, sowie dass diesem alle maßgeblichen Unterlagen zur Prüfung überlassen worden seien und dass der Treuhänder M korrekt gerechnet habe. Demgemäß müsse ihm die Beklagte 548,88 € erstatten, weil seine Prämienzahlungen für Januar 2016 bis Juni 2016 insoweit auf die unwirksamen Beitragserhöhungen entfielen.
11Der Kläger beantragt,
121.)
13festzustellen, dass die vom Kläger bei der Beklagten im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages 00000 für den Zeitraum seit dem 01.01.2016 geschuldete monatliche Prämie für den Tarif Vital 250 den Betrag von 243,14 € und für den Tarif ESP/100 den Betrag von 7,47 € nicht übersteigt; und „im Einzelnen“ festzustellen, dass die mit Versicherungsschein vom 15.12.2015 (Erhöhung zum 01.01.2016 auf 512,78 €) durch die Beklagte behaupteten Prämienerhöhungen nicht Gegenstand des o.g. Vertrages geworden bzw. unwirksam seien;
142.)
15die Beklagte zu verurteilen, an ihn 548,88 € (91,48 € x 6) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie wendet ein:
19Die vorgenommenen Prämienanpassungen seien zulässig und geboten gewesen. Alle Vorgaben des § 203 VVG, des § 12b VAG a.F. und der KalkulationsVO seien eingehalten worden. Die Tarife „Vital 250“ und „ESP/100“ seien nach Art der Lebensversicherung kalkuliert. Der Tarif „Vital 250“ sei geschlechtsspezifisch kalkuliert. Bei Männern habe sich bei den erforderlichen Leistungen eine Veränderung von 14 % ergeben. Die Werte habe sie dem unabhängigen Treuhänder M mit Schreiben vom 27.04.2015 und der Aufsichtsbehörde BaFin gleichlautend mit Schreiben vom 28.04.2015 übermittelt. Die geänderten technischen Berechnungsgrundlagen seien der Aufsichtsbehörde BaFin am 14.12.2015 online übermittelt worden. Der Treuhänder M sei unabhängig im Sinne des § 203 VVG. Die BaFin habe gegen den Treuhänder M keine aufsichtsrechtlichen Bedenken geäußert. Der Treuhänder M sei weder bei der Beklagten, einem mit ihr verbundenen Unternehmen noch bei einem Mitglied ihres Vorstandes oder ihres Aufsichtsrates angestellt. Im Jahre 2014 habe der Treuhänder M ausweislich seines Steuerbescheides Einkünfte in Höhe von ------ € gehabt, wovon ------- € von der [Beklagten]stammten, was 17,7 % entspreche und im Jahre 2015 Einkünfte in Höhe von -------- €, von denen ------ € von der [Beklagten] stammten, was 23,0 % entspreche.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist zu dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Teil zulässig und begründet; im Übrigen ist sie unzulässig.
23I.
24Die Klage ist überwiegend zulässig.
251.)
26Der ordentliche Rechtsweg nach § 13 GVG ist insgesamt eröffnet. Dies gilt auch, soweit sich der Rechtsstreit der Parteien auf den Tarif „ESP/100“ bezieht. Zwar enthält § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 SGG eine abdrängende Sonderzuweisung auf den Sozialrechtsweg, die auch für Prämienanpassungen bei privaten Pflegepflichtversicherungen gilt. Der streitgegenständliche Tarif „ESP/100“ bezieht sich aber nicht auf eine private Pflegepflichtversicherung, sondern unstreitig auf eine private Pflegezusatzversicherung. Streitigkeiten in Bezug auf private Pflegezusatzversicherungen unterliegen grundsätzlich dem ordentlichen Rechtsweg. Dass sich dies durch die Einführung von § 143 SGB XI bei Prämienanpassungen von Pflegezusatzversicherungen teilweise geändert haben mag, ist für den Streitfall unerheblich, weil dieser erst für Prämienerhöhungen ab dem 01.01.2017 gilt und damit nicht für die streitgegenständliche zum 01.01.2016. Mangels ausdrücklicher Rüge einer Partei bedurfte es keiner Vorabentscheidung nach § 17a GVG über die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges.
272.)
28Das Landgericht Kleve ist örtlich gemäß § 215 VVG und sachlich aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Rheinberg nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zuständig.
293.)
30Unzulässig ist hingegen der Klageantrag zu 2.), soweit mit ihm die Zahlung von Zinsen begehrt wird. Insoweit genügt er den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Er ist nicht hinreichend bestimmt. Die Angabe des Zinssatzes und des Bezugsbetrages, aus dem sie berechnet werden, reicht nicht aus, weil der Kläger den Zeitraum nicht angegeben hat, aus dem die Zinsen berechnet werden sollen.
314.)
32Der Feststellungsantrag ist zulässig, soweit die Feststellung begehrt wird, dass die vom Kläger bei der Beklagten im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages 00000 für den Zeitraum seit dem 01.01.2016 geschuldete monatliche Prämie für den Tarif Vital 250 den Betrag von 243,14 € und für den Tarif ESP/100 den Betrag von 7,47 € nicht übersteigt (vgl. zu solchen Konstellationen Looschelders/Pohlmann/Reinhard, VVG, 3. Aufl. 2017, § 203, Rn. 20). Insoweit handelt es sich um eine negative Feststellungsklage, die einen übersteigenden Anspruch der Beklagten leugnet (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15 = MDR 2017, 887, 888, Rn. 15; BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 741/16 = WM 2017, 1602, 1603, Rn. 15). Die Beklagte berühmt sich entsprechender Ansprüche gegen den Kläger, weil sie wirksame Beitragserhöhungen behauptet, die zu Prämien führen, welche die aus dem Antrag ersichtlichen Höhen übersteigen. Soweit darüber hinaus die Feststellung begehrt wird, diese Beitragshöhe beruhe auf einer unwirksamen oder nicht Gegenstand des Vertrages gewordenen Prämienerhöhung der Beklagten, ist der Feststellungsantrag hingegen unzulässig. Insoweit fehlt das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO. Dabei handelt es sich im vorliegenden Rechtsstreit um nicht feststellungsfähige rechtliche Vorfragen zu dem (zulässigen) negativen Feststellungsbegehren des Klägers.
33II.
34Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf die Feststellungen, dass die von ihm vertraglich geschuldeten Monatsprämien für den Tarif „Vital 250“ 243,14 € und für den Tarif „ESP/100“ 7,47 € ab dem 01.01.2016 nicht übersteigen. Zum 31.12.2015 waren die vorgenannten Beträge von ihm für die Tarife „Vital 250“ und „ESP/100“ unstreitig vertraglich geschuldet. Die Beklagte hat die Prämien zum 01.01.2016 nicht wirksam erhöht, weil sie die gesetzlichen Vorgaben des § 203 VVG nicht eingehalten hat.
351.)
36Bei beiden streitgegenständlichen Tarifen richtet sich das Anpassungsrecht der Beklagten nach § 203 VVG. Es ergibt sich auch im Hinblick auf den Tarif „ESP/100“ nicht nach § 143 Abs. 2 SGB XI. § 143 Abs. 2 SGB XI ist erst zum 01.01.2017 in Kraft getreten, so dass die streitgegenständliche Prämienerhöhung zum 01.01.2016 bereits nicht in dessen zeitlichen Anwendungsbereich fällt. Es kann daher dahinstehen, ob der Tarif „ESP/100“ in den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift fiele, was auch bei Tarifen von Pflegezusatzversicherungen nicht ausgeschlossen ist (vgl. Vieweg in: Utsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 143, Rn. 5). Ist der Anwendungsbereich des § 143 Abs. 2 SGB XI sachlich oder zeitlich nicht eröffnet, richtet sich die Prämienanpassung bei einer privaten Pflegezusatzversicherung nach § 203 VVG (Vieweg in: Utsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 143, Rn. 10).
372.)
38Die Prämienanpassungen der Beklagten sind unwirksam, weil ihnen entgegen § 203 Abs. 2 S. 1 VVG mit dem Dipl.-Math. M kein „unabhängiger Treuhänder“ der Prämienanpassung zugestimmt hat. Ohne die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ist eine Prämienanpassung stets unwirksam (LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1176/1177; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017 – 6 S 80/16 = r+s 2018, 24; LG Frankfurt an der Oder, Urteil vom 18.01.2018 – 14 O 203/16, Rn. 49; Buchholz, VersR 2005, 866, 867; Langheid/Rixecker/Muschner, VVG, 5. Aufl. 2016, § 203, Rn. 26; NomosKommentar-VVG/Marko,1. Aufl. 2009, § 203, Rn. 12).
39a.)
40Die Unabhängigkeit des zustimmenden Treuhänders unterliegt in vollem Umfange der Prüfungskompetenz der ordentlichen Gerichte, die an die Verwaltungsakte der BaFin auch dann nicht gebunden sind, wenn sie bestandskräftig sind (LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1177; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017 – 6 S 80/16 = r+s 2018, 24, 25; LG Frankfurt an der Oder, Urteil vom 18.01.2018 – 14 O 203/16, Rn. 55; wohl auch BGH, Urteil vom 12.10.2005 – IV ZR 162/03 = NJW 2005, 3559, 3563/3564, Rn. 34/350; Müller/Präve in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, Einführung, Teil D. Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, Rn. 29; Renger, VersR 1994, 1257, 1259; a.A. Voit, VersR 2017, 727, 733; Wendt, VersR 2018, 449, 451). Zwar ist die Unabhängigkeit in § 12b VAG a.F. bzw. nunmehr sachlich unverändert in § 157 VAG (Laars/Both, VAG, 4. Aufl. 2017, § 157, Rn. 1) näher ausgestaltet und dessen Bestellung vom Versicherer gegenüber der BaFin als Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Diese kann gemäß § 12b Abs. 4 S. 2, 4 VAG a.F. bzw. § 157 Abs. 2 S. 2, 4 VAG bei Bedenken die Benennung eines anderen Treuhänders verlangen oder ihn selbst bestellen. Daraus lässt sich aber keine Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes der BaFin für die ordentlichen Gerichte ableiten, mit dem die BaFin gegenüber dem Versicherer erklärt, keine Bedenken gegen den mitgeteilten Treuhänder zu haben. Das Gesetz ordnet (anders als etwa in § 108 Abs. 1 SGB VII) keine Bindungswirkung an. Bereits der Wortlaut des § 203 Abs. 2 S. 1 VVG spricht gegen eine Bindungswirkung, weil er auf einen „unabhängigen Treuhänder“ abstellt und nicht auf einen „nach § 12b VAG a.F. bzw. § 157 VAG wirksam bestellten Treuhänder“ (a.A.: Prölss/Martin/Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 203, Rn. 25). Insoweit verweist der Wortlaut des § 203 VVG gerade nicht auf das VAG, obgleich er dies etwa bei den Berechnungsgrundlagen (§ 203 Abs. 1 S. 1 VVG) sehr wohl tut. Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die ordentlichen Gerichte gerade nicht an die Verwaltungsakte der BaFin binden wollte. Ordnet das Gesetz keine Bindungswirkung an, sind Vorfragen durch das ordentliche Gericht „in eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden […], ohne an die Auffassung der Verwaltungsbehörde gebunden zu sein“ (BGH, Beschluss vom 01.06.1970 – II ZB 4/69 unter Tz. III. 6. a.) = BeckRS 1970, 31121525 zu §§ 43, 32 KWG). Eine vollumfängliche Sachprüfung der ordentlichen Gerichte ist hier auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten. Der unabhängige Treuhänder ist Interessenvertreter der Versicherungsnehmer. Anders als die Versicherer, die von dem unabhängigen Treuhänder im Interesse der Versicherungsnehmer bei Prämienanpassungen geprüft werden sollen, sind die Versicherungsnehmer an dem Verwaltungsverfahren bei der Bestellung des Treuhänders bei der BaFin grundsätzlich gar nicht beteiligt. Der Treuhänder unterliegt zudem selbst nicht der Aufsicht der BaFin (Renger, VersR 1994, 1257, 1260). Dieses verfahrensrechtliche Defizit zulasten der Versicherungsnehmer ist nur deswegen hinnehmbar, weil den ordentlichen Gerichten im bürgerlichen Rechtsstreit die volle Prüfungskompetenz auch hinsichtlich der Unabhängigkeit des Treuhänders zukommt.
41b.)
42Der Dipl.-Math. M war bei der Genehmigung der Prämienerhöhung zum 01.01.2016 kein „unabhängiger Treuhänder“ im Sinne von § 203 Abs. 2 S. 1 VVG.
43§ 203 Abs. 2 S. 1 VVG definiert die Unabhängigkeit des Treuhänders nicht, sondern setzt sie voraus (vgl. auch LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017 – 6 S 80/16 = r+s 2018, 24, 25). Sie ist auch aufsichtsrechtlich in § 12b Abs. 3 VAG a.F. bzw. § 157 Abs. 1 VAG nicht abschließend definiert (LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1177/1178; Buchholz, VersR 2005, 866, 867; Renger, VersR 1994, 1257, 1259). Dort sind vielmehr nur einzelne Gesichtspunkte beschrieben, die der Unabhängigkeit eines Treuhänders entgegenstehen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften, der die Unabhängigkeit „insbesondere“ dann verneint, wenn ein Anstellungs- oder sonstiger Dienstvertrag des Treuhänders mit dem zu prüfenden Versicherer oder mit einem mit diesem verbundenen Unternehmen besteht oder er aus einem beendeten Vertrag solcher Art noch Ansprüche gegen den Versicherer hat. Dabei handelt es sich um gesetzliche Regelbeispiele fehlender Unabhängigkeit (Wendt, VersR 2018, 449, 452) und keinesfalls um eine abschließende Aufzählung (Buchholz, VersR 2005, 866, 868). Allgemein ist festzuhalten, dass nur jemand unabhängig im Sinne der vorgenannten Bestimmungen ist, der gegenüber der anderen Vertragsseite ungebunden ist, von ihr keine Weisungen entgegenzunehmen braucht und auch anderweitig nicht in der Sachbezogenheit seiner Amtsführung beeinträchtigt ist (Prölss/Schmidt, VAG, 11. Aufl. 1997, § 12b, Rn. 3). Aus den Regelbeispielen fehlender Unabhängigkeit in § 12b Abs. 3 VAG a.F. bzw. § 157 Abs. 1 VAG ergibt sich dabei, dass auch wirtschaftliche Abhängigkeit von dem zu prüfenden Unternehmen oder dessen Konzernunternehmen der Unabhängigkeit des Treuhänders entgegensteht (Prölss/Schmidt, VAG, 11. Aufl. 1997, § 12b, Rn. 3; Müller/Präve in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, Einführung, Teil D. Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, Rn. 32).
44Die Zustimmung des „unabhängigen Treuhänders“ zur Prämienerhöhung ersetzt die an sich erforderliche Zustimmung des Versicherungsnehmers zur Vertragsänderung (Renger, VersR 1994, 1257, 1258). Er prüft mit dem ihm eigenen nötigen fachlichen Sachverstand (§ 157 Abs. 1 S. 1 VAG/§ 12b Abs. 3 S. 1 VAG a.F.), ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung vorliegen und nimmt dabei die Interessen der Gesamtheit der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer wahr, obgleich er vom Versicherer bestellt und für die Prüfungsleistung bezahlt wird (Buchholz, VersR 2005, 866, 868; Renger, VersR 1994, 1257, 1261). Diese Funktion kann er nur dann erfüllen, wenn das gesetzliche Merkmal der Unabhängigkeit des Treuhänders vom Versicherer streng verstanden wird (Buchholz, VersR 2005, 866, 868). Das Unabhängigkeitserfordernis soll der Gefahr begegnen, dass der Treuhänder wegen enger Verknüpfungen mit dem Versicherer die Interessen der Versicherten nicht hinreichend berücksichtigt (Buchholz, VersR 2005, 866, 868). Die Inkompatibilitätsvorschrift will bereits den bösen Schein verhindern, der Treuhänder arbeite in Wahrheit einseitig im Interesse des Versicherers (Buchholz, VersR 2005, 866, 868; Müller/Präve in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, Einführung, Teil D. Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, Rn. 32). Ein strenger Maßstab bei der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit des Treuhänders ist auch deswegen geboten, weil seine Zustimmung zur Prämienerhöhung nur deswegen die früher erforderliche Genehmigung der Versicherungsaufsichtsbehörde ersetzt hat, weil das behördliche Genehmigungserfordernis aus europarechtlichen Gründen nicht mehr zulässig gewesen ist (vgl. BT-Drs. 12/6959, S. 105, rechte Spalte; vgl. auch LG Frankfurt an der Oder, Urteil vom 18.01.2018 – 14 O 203/16 = BeckRS 2018, 3740, Rn. 56). Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Rechtsstellung der Versicherungsnehmer bei der Ersetzung der behördlichen Genehmigung durch die Treuhänderzustimmung weiter verschlechtern wollte, als es aus europarechtlichen Gründen unabdingbar war. Im Grundsatz muss daher der Treuhänder gegenüber dem Versicherer dasselbe Maß an Unabhängigkeit aufweisen wie die frühere Aufsichtsbehörde.
45Im Interesse der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssicherheit ist bei der näheren Ausformung des nicht legaldefinierten Begriffs der Unabhängigkeit des Treuhänders im Sinne von §§ 203 VVG, 157 VAG, 12b VAG a.F. auf die Rechtsgrundsätze zurückzugreifen, welche für die Unabhängigkeit von Personen aufgestellt werden, deren Rechtsstellung als vergleichbar anzusehen ist, soweit nicht die Besonderheiten der Rechtsfigur des „unabhängigen Treuhänders“ dem entgegenstehen. Daher ist eine Anlehnung an die für gerichtliche Sachverständige nach § 406 Abs. 1 ZPO geltenden Grundsätze geboten, soweit diese die Besorgnis der Befangenheit wegen eines Näheverhältnisses zu einer Partei betreffen. Der unabhängige Treuhänder nimmt zugunsten der Versicherungsnehmer bei Prämienerhöhungen Aufgaben wahr, die denen eines Sachverständigen gleichen, da er mit fachlichem Sachverstand prüft, ob er einer von der vom Versicherer gewünschten Erhöhung der Beiträge zustimmen kann, weil die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
46Als Besonderheit der Rechtsfigur des Treuhänders im Sinne von §§ 203 VVG, 157 VAG, 12b Abs. 3 VAG a.F. ist dabei zu berücksichtigen, dass dessen Unabhängigkeit nicht allein deswegen verneint werden kann, weil er durch den Versicherer mit der Prüfung beauftragt und von diesem für die Prüfung bezahlt wird. Die Bestellung des Treuhänders durch den Versicherer sieht das Gesetz in § 157 VAG bzw. § 12b VAG a.F. selbst ausdrücklich vor (Renger, VersR 1994, 1257, 1261). Dass der Treuhänder vom Versicherer für die Prüfung eine Vergütung erhält, steht seiner Unabhängigkeit ebenfalls nicht per se entgegen, weil es weltfremd wäre anzunehmen, jemand prüfe die Tarife einer Versicherungsgesellschaft um Gottes Lohn (Buchholz, VersR 2005, 866, 870).
47Dennoch kann auch die Vergütung für die Prüfung dazu führen, dass der Treuhänder von dem geprüften Versicherer wirtschaftlich abhängig ist, etwa bei unangemessener Höhe der Vergütung (Buchholz, VersR 2005, 866, 870) oder bei einer Ausgestaltung als Erfolgshonorar für erhöhte Prämien (Voit, VersR 2017, 727, 730). Wegen der Verschiedenheit der Aufgaben des unabhängigen Treuhänders und des handelsrechtlichen Abschlussprüfers verbietet es sich, die Unabhängigkeit des Treuhänders nach § 319 HGB analog zu bestimmen (Voit, VersR 2017, 727, 729). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, der Anteil der Vergütung an den Einkünften des Treuhänders sei für die Frage seiner Unabhängigkeit bedeutungslos. Vielmehr folgt daraus nur, dass auch insoweit die Wertungen des § 319 HGB nicht heranzuziehen sind (so aber Müller/Präve in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, Einführung, Teil D. Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, Rn. 32), sondern – wie ausgeführt – die durch § 157 Abs. 1 VAG bzw. § 12b Abs. 3 VAG a.F. konkretisierten allgemeinen Grundsätze (vgl. auch LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017 – 6 S 80/16 = r+s 2018, 24, 25). Intensive Geschäftsbeziehungen stehen daher wie bei einem gerichtlichen Sachverständigen der Unabhängigkeit des Treuhänders entgegen (vgl. zum Sachverständigen Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 406, Rn. 8; MüKo-ZPO/Zimmermann, 5. Aufl. 2016, § 406, Rn. 5; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 406, Rn. 7; vgl. zum Schiedsgutachter auch BGH, Urteil vom 28.02.1972 – II ZR 151/69 = NJW 1972, 827). Solche intensiven geschäftlichen Beziehungen können sich auch daraus ergeben, dass der Treuhänder mehrfach für denselben Versicherer die Zulässigkeit von Prämienerhöhungen überprüft hat, wenn er aus diesen Prüfungen einen erheblichen Teil seiner Einkünfte erzielt. Es liegt gerade nicht in der Natur der Sache und ist auch nicht durch das VVG oder das VAG vorgeschrieben, dass nur ein Treuhänder alle Tarife eines Versicherers dauerhaft über mehrere Jahre prüft. Die nach § 203 VVG erforderliche Treuhänderzustimmung bezieht sich vielmehr immer nur auf eine bestimmte Änderung bestimmter Tarife oder Prämien. Die Bestellung verschiedener Treuhänder für verschiedene Tarif- oder Prämienänderungen durch denselben Versicherer ist zulässig (Renger, VersR 1994, 1257, 1259). Dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht, weil die Mitwirkung des Treuhänders an Prämienerhöhungen nach der gesetzlichen Konzeption keine Daueraufgabe ist (Renger, VersR 1994, 1257, 1259). Eine längerfristige Bindung des Treuhänders an den Versicherer sieht der Gesetzgeber als unabhängigkeitsgefährdend an (Buchholz, VersR 2005, 866, 868). Das ergibt sich bereits aus der Wertung der gesetzlichen Regelbeispiele fehlender Unabhängigkeit. Der Treuhänder darf keinen Anstellungs- oder „sonstigen Dienstvertrag“ mit dem zu prüfenden Versicherer geschlossen haben. Ein Vertrag über die Prüfung der Tarife ist ein Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB. Kraft Natur der Sache steht der jeweilige konkrete Prüfungsvertrag allein der Unabhängigkeit nicht entgegen, weil sonst ein Treuhänder niemals unabhängig tätig werden könnte. Ein vorangegangener Prüfungsvertrag steht damit aber seiner Unabhängigkeit nach § 157 Abs. 1 S. 1 VAG bzw. § 12b Abs. 3 S. 1 VAG a.F. entgegen, wenn er aus einem solchen Vertrag noch Ansprüche gegen den Versicherer hat. Dabei legt der Gesetzgeber einen strengen Maßstab an, weil es bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht auf die Höhe der noch offenen Forderung ankommt. Es kann im vorliegenden Streitfall offenbleiben, ob bereits allein eine „Dauerbestellung“ eines Treuhänders durch einen Versicherer dessen Unabhängigkeit ausschließt, weil darin ein nach § 157 Abs. 1 S. 1 VAG bzw. § 12b Abs. 3 S. 1 VAG a.F. verbotener „sonstiger Dienstvertrag“ zu sehen ist, der jährlich durch den einzelnen Prüfungsauftrag nur noch jeweils konkretisiert wird. Weisungsabhängigkeit ist nämlich keine Voraussetzung eines „sonstigen Dienstvertrages“ (LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1179). Eine fortgesetzte Prüfungstätigkeit ist jedenfalls dann schädlich für die Unabhängigkeit des Treuhänders, wenn er aus ihr einen erheblichen Anteil seiner jährlichen Einkünfte erzielt (vgl. auch LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1178). Entgegen einer Auffassung im Schrifttum ist seine Unabhängigkeit bereits dann gefährdet, wenn der Mandatsverlust für ihn fühlbar und schmerzhaft ist und nicht erst, wenn der Mandatsverlust existenzgefährdend wäre (so aber i.E. Voit, VersR 2017, 727, 730). Letztlich steht ein solches Dauermandat seiner Unabhängigkeit dann nicht entgegen, wenn ihm der Verlust objektiv gleichgültig sein kann.
48Beim Treuhänder M lagen unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze bei seiner Zustimmung zur Prämienerhöhung zum 01.01.2016 bereits unter Zugrundelegung des Vorbringens der für die Unabhängigkeit des Treuhänders darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten Umstände vor, die seiner Unabhängigkeit von der Beklagten entgegenstanden. Der Dipl.-Math. M war von Beklagten bereits 2014 als Treuhänder bestellt worden, ohne dass eine zeitliche Begrenzung dieser Bestellung vorgenommen worden wäre. Er hatte bereits die Prämienerhöhung zum 01.01.2015 geprüft. Im Jahre 2014 stammten 17,7 % der von ihm erzielten Einkünfte von der Beklagten, im Jahre 2015 waren es 23 %. Daraus ergibt sich, dass es sich bei dem Prüfungsauftrag der Beklagten für den Treuhänder M um einen wesentlichen Anteil seines Jahreseinkommens handelt. Dabei handelt es sich auch nicht um einen bloßen Anteil am „beruflichen“ Einkommen (das für die Grenzen in § 319 HGB maßgeblich wäre), sondern an seinem Gesamteinkommen. Die Angaben beziehen sich nach dem Vorbringen der Beklagten auf die für die Einkommensteuer relevanten Einkünfte, die nicht nur berufliche Einnahmen, sondern grundsätzlich Einkünfte aus jeglicher Quelle (§ 2 EStG) umfassen. Der Wegfall von mehr als 1/5 des Jahreseinkommens ist nach der Lebenserfahrung als fühlbar und schmerzhaft anzusehen. Bei mehrjähriger Bestellung des Treuhänders steht dies seiner Unabhängigkeit vom zu prüfenden Versicherer entgegen. Eine – sei es auch unbewusste – Prüfung im Interesse des Versicherers statt der Versicherungsnehmer ist dabei naheliegend, um ein solches Dauermandat zu behalten. Es wäre weltfremd anzunehmen, dass dem Treuhänder der Verlust dieser Einkünfte gleichgültig wäre. Dass bedeutet nicht, dass nach Auffassung der Kammer die Unabhängigkeit des Treuhänders stets zu verneinen wäre, wenn das Entgelt für die Prüfung eine entsprechende Höhe erreicht. Sie wäre nach Auffassung der Kammer - jedenfalls bei vergleichbaren Anteilen wie im Streitfall - beispielsweise etwa dann unschädlich, wenn der Prüfungsauftrag von vornherein nur für ein einziges Jahr vergeben worden und klar vereinbart gewesen wäre, dass im nächsten Jahr ein anderer Treuhänder beauftragt werden würde. In dem Fall stünde der Anteil des Honorars am Gesamteinkommen der Unabhängigkeit grundsätzlich nicht entgegen. Dadurch, dass es sich um einen Folgeprüfungsauftrag handelte, hat sich die Bindung des Treuhänders M an die Beklagte verfestigt. In der Kombination steht dies seiner Unabhängigkeit entgegen (vgl. auch LG Berlin, Urteil vom 10.01.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176, 1178). Besondere Umstände, die eine abweichende Wertung im vorliegenden Fall rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die nach dem Vorbringen der Beklagten geringe Anzahl geeigneter Treuhänder kein solcher Umstand. Dies mag sich vielmehr gerade daraus erklären, dass die Versicherungsunternehmen regelmäßig nur eine Person zur Prüfung all ihrer Tarife bestellen und jahrelang an dem einmal bestellten Treuhänder festhalten, was einen Markt mit einer ausreichenden Zahl an Treuhändern gerade verhindern würde. Nach den allgemein bekannten Gesetzen des Marktes führt hinreichende Nachfrage regelmäßig nach Ablauf eines gewissen Zeitraums auch zu einem hinreichenden Angebot. Das Treuhändermodell wurde bereits 1994 eingeführt, so dass offensichtlich ausreichend Zeit dazu bestanden hat.
493.)
50Angesichts des Vorstehenden kann dahinstehen, ob die Berechnungen des Treuhänders M in der Sache zutreffend sind. Das ausdrückliche gesetzliche Erfordernis der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders für die Wirksamkeit einer Prämienerhöhung kann nicht durch die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten unterlaufen werden. Es kann gleichfalls dahinstehen, ob die Mitteilung der Beklagten an den Kläger über die Gründe der Prämienerhöhung den Vorgaben des § 203 Abs. 5 VVG genügt hat, obgleich darin der Name des prüfenden Treuhänders nicht genannt worden ist (vgl. dazu LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017 – 1 O 338/16 = BeckRS 2017, 145461 einerseits und Brand, VersR 2018, 453, 456 andererseits).
51III.
52Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 548,88 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB auf Rückzahlung der für Januar bis Juni 2016 gezahlten Prämien. Insoweit entfallen die Zahlungen auf die Beitragserhöhungen, die aus den vorstehend erörterten Gründen unwirksam sind. Die Beklagte hat sie daher ohne rechtlichen Grund erhalten. Der Kläger braucht sich die Vorteile des genossenen Versicherungsschutzes nicht anspruchsmindernd anrechnen zu lassen. Der Versicherungsschutz hat seinen Rechtsgrund in dem wirksam abgeschlossenen Versicherungsvertrag und beruht nicht auf den unwirksamen Prämienerhöhungen. Durch die Prämienerhöhungen wurde der Versicherungsschutz des Klägers nicht erweitert. Die Beklagte hat nicht dargetan, in Bezug auf die erhaltenen Zahlungen nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert zu sein. Dass sie die erhaltenen Beiträge „im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen verwendet, insbesondere diese dem Kollektiv gutgeschrieben“ haben will, belegt keine Entreicherung. Diesem Vorbringen lässt sich nicht einmal entnehmen, dass die Beträge überhaupt ausgegeben worden wären. Eine bloße Gutschrift zugunsten des „Kollektivs“ ist keine Entreicherung.
53IV.
54Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO.
55V.
56Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
57VI.
58Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
59VII.
60Streitwert: 4.391,04 €
61Der Streitwert setzt sich zusammen aus der Summe der Streitwerte der Anträge zu 1.) und 2.). Der Streitwert des Klageantrages zu 2.) ist mit dem Nennbetrag der Hauptforderung von 548,88 € zu beziffern, die Zinsen erhöhen seinen Streitwert wegen § 4 ZPO nicht. Der Streitwert des Klageantrags zu 1.) ist gemäß §§ 3, 9 ZPO mit 3.842,16 € zu bemessen. Der Betrag ergibt sich aus dem dreieinhalbfachen Jahreswert der streitigen Prämienerhöhung. Da es sich letztlich um eine negative Feststellungsklage handelt, ist kein Feststellungsabschlag vorzunehmen.
62Rechtsbehelfsbelehrung zur Streitwertfestsetzung:
63Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
64(Unterschriften) |
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